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In allen Dimensionen der Mehrwertsteuer denken – und handeln


Niklaus Honauer
Partner, Steuer & Rechtsberatung

Von der Dokumentation über die Kontrolle durch die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) bis zum Rechtsmittelverfahren: Wer in den drei Dimensionen der Mehrwertsteuer (MWST) weitsichtig agiert, gewinnt. Wie und warum, lesen Sie hier.

Die MWST ist eine Selbstveranlagungssteuer. Jedes Unternehmen ist für die Deklaration seiner Abrechnung verantwortlich. Ob es dies korrekt tut, stellt sich spätestens bei der Kontrolle durch die ESTV heraus. Dabei legt die genaue Dokumentation der MWST-Vorgänge als erste Dimension den Grundstein zum Erfolg. Mit einer guten Vorbereitung der MWST-Kontrolle – der zweiten Dimension – lassen sich Überraschungen vermeiden. Und ist das Unternehmen mit dem Resultat einer MWST-Kontrolle nicht einverstanden, kann es mit dem Rechtsmittelverfahren – der dritten Dimension – Abhilfe schaffen.


1. Dimension: Dokumentation der MWST-Vorgänge

Die Dokumentation der MWST-Vorgänge ist Sache des steuerpflichtigen Unternehmens. Oft fehlen Zeit, Sensibilität oder Ressourcen. Darum können sich immer wieder Fehler einschleichen. Fehler oder Mängel bleiben über Jahre verborgen und werden erst bemerkt, wenn die ESTV eine MWST-Kontrolle durchführt. Häufig gehen daraus hohe Nachbelastungen hervor. Deshalb empfiehlt sich ein MWST-Handbuch, das die MWST-Vorgänge beschreibt und dokumentiert – allenfalls mithilfe eines Experten.

Das steuerpflichtige Unternehmen sollte bei der Dokumentation zudem auf die folgenden Spezialfälle achten:

  • Lässt sich die Steuerbefreiung der Exportlieferungen mit Exportnachweisen beweisen?
  • Werden die Leistungen zu Recht als von der Steuer ausgenommen qualifiziert?
  • Kann nachgewiesen werden, dass die Vorsteuer bezahlt wurde?
  • Ist eine allfällige Korrektur der Vorsteuern aufgrund von ausgenommenen Leistungen plausibel?
  • Werden Leistungen an das Personal korrekt deklariert (z.B. Geschäftsfahrzeuge)?
  • Hat die ESTV bei früheren Kontrollen Weisungen erteilt, und werden diese befolgt?
  • Werden die MWST-Prozesse regelmässig überprüft und auf den aktuellsten Stand der Gesetze und der Praxis der ESTV gebracht?

Verfügt ein Unternehmen über besonders komplexe Leistungsströme und Transaktionen oder ist die Praxis der ESTV nicht eindeutig, sollte das Unternehmen die Rechtslage mit einem Ruling abklären. Es erreicht dadurch maximale Rechtssicherheit und kann sich bei späteren Fragen auf die verbindliche Rulingantwort der ESTV stützen. Dazu ein Beispiel: Ein Unternehmen konnte der ESTV nach Diskussionen zur Methode der Vorsteuerkorrektur ein neun Jahre altes Ruling vorlegen und die ESTV von der Richtigkeit der angewendeten Methode überzeugen. Das gelingt allerdings nicht immer. Haben sich die gesetzliche Grundlage oder der Sachverhalt geändert, so ist das Ruling nicht mehr verbindlich. Deshalb sind auch Rulings regelmässig zu überprüfen und zu aktualisieren.

2. Dimension: Vorbereitung auf eine MWST-Kontrolle

Die ESTV führt pro Jahr rund 9'000 MWST-Kontrollen durch. Laut einer aktuellen Studie rechnen drei von vier kontrollierten Betrieben die MWST falsch ab. Oft enden die MWST-Kontrollen daher mit einer Steuernachbelastung. Die Ankündigung einer MWST-Kontrolle löst bei den Unternehmen meistens Hektik aus. Das muss nicht sein. Wer die Kontrolle aktiv angeht und seine MWST-Unterlagen klug aufarbeitet, kann sich gut vorbereiten.

Ausgangspunkt ist die Umsatz- und Vorsteuerabstimmung nach Art. 128 der Mehrwertsteuerverordnung (MWSTV). Liegt eine solche Abstimmung noch nicht vor, so kann die Zeit bis zum Beginn der Kontrolle knapp werden. Führt das steuerpflichtige Unternehmen jedes Jahr eine Abstimmung durch, so kann es sich auf die Überprüfung von Spezialfällen konzentrieren.

Fehlen Unterlagen oder können keine plausiblen Erklärungen für die angewandte Praxis vorgebracht werden, kann der ESTV-Revisor Aufrechnungen oder Ermessenseinschätzungen vornehmen. Erfahrungsgemäss ist es oft schwierig, die ESTV von ihrer Haltung wieder abzubringen. Für die Kontrolle selbst sind folgende Aspekte zentral:

  • Besteht die Möglichkeit des Direktzugriffes auf die Buchhaltungssysteme, und kann dieser Zugriff beschränkt werden (z.B. kein Zugriff auf Personaldaten)?
  • Steht dem Revisor der ESTV vor Ort eine Ansprechperson für dessen Anliegen zur Seite?
  • Sind bei Meinungsunterschieden externe Experten verfügbar?
  • Ist eine Eintritts- und Abschlussbesprechung organisiert?

Es lohnt sich, die MWST-Kontrolle gut vorzubereiten. Auf jeden Fall sollte das Unternehmen die Einschätzungsmitteilung der ESTV, die nach Abschluss der Kontrolle ausgestellt wird und allfällige Korrekturen enthält, sorgfältig prüfen. Allenfalls muss es der ESTV die abweichende Position schriftlich aufzeigen und zusätzliche Unterlagen nachreichen.

MWST-Litigation-Team

Das Litigation-Team verhilft Ihnen zu Ihrem Recht. Wir verfassen Einsprachen und Beschwerden, analysieren die Umsetzung des aktuellen MWST-Gesetzes und der gerichtlichen Entscheide und prüfen Präzedenzfälle und deren Auswirkungen auf die Unternehmen.

3. Dimension: Rechtsmittelverfahren

Liegt die Einschätzungsmitteilung vor und lässt sich die ESTV auch nach weiteren Diskussionen nicht überzeugen, so bleibt der Weg des (dreistufigen) Rechtsmittelverfahrens: zuerst im Einspracheverfahren vor der ESTV, anschliessend im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht bis hin zum Bundesgericht. Für ein erfolgreiches Rechtsmittelverfahren braucht das Unternehmen einen erfahrenen Steueranwalt, der profundes MWST-Wissen und Prozesserfahrung kombiniert. Der Rechtsmittelweg ist nämlich keineswegs chancenlos. Abbildung 1 zeigt, dass in den letzten fünf Jahren vor dem Bundesverwaltungsgericht im Bereich der MWST 278 Abweisungen 108 Gutheissungen gegenüberstehen. Circa ein Drittel der Beschwerden ist somit gutgeheissen worden.

Mehrwertsteuer Erledigungsarten 2010-2015

Basierend auf den publizierten Urteilen liegt die Erfolgsquote vor Bundesgericht bei rund 25 Prozent.

Mehrwertsteuer Erledigungsarten Statistik Bundesgerichtsentscheide

Die Zahlen zeigen aber auch, dass viele Fälle an die ESTV zu ergänzenden Sachverhaltsabklärungen zurückgewiesen werden oder mit einem Nichteintretensentscheid wegen Nichterfüllung bestimmter Prozessvoraussetzungen enden. Mangelnde Kenntnisse des Verfahrensrechts – wie das Verpassen von Fristen oder falsch gestellte Anträge – können die Ursache für einen Nichteintretensentscheid sein. Dies ist für das Unternehmen gerade dann ärgerlich, wenn die Beschwerde trotz Erfolgschancen vom Bundesverwaltungs- oder Bundesgericht materiell gar nicht behandelt wird.

Ein Beispiel eines positiven Bundesgerichtsentscheids macht deutlich, dass sich der Rechtsweg lohnt – auch in scheinbar weniger aussichtsreichen Fällen. Hier ging es um die Frage, ob eine Rechnung ohne MWST-Nummer nach dem alten Mehrwertsteuergesetz (MWSTG, gültig bis Ende 2009) zum Vorsteuerabzug berechtigt. Da der Leistungserbringer zahlungsunfähig geworden ist, wurde die MWST nie der ESTV abgeliefert; es kam zu einem Steuerausfall. Für das Bundesgericht war dabei zentral, dass der Formmangel in der Rechnung für den Steuerausfall nicht direkt kausal war. Neben der Rückerstattung des verweigerten Vorsteuerabzugs wurde ein Vergütungszins von über 130'000 Schweizer Franken und der Ersatz der Kosten ausgerichtet.

Fazit

Die MWST als Selbstveranlagungssteuer ist besonders anfällig für Systemfehler. Umso wichtiger ist es, dass das steuerpflichtige Unternehmen seine Prozesse laufend überprüft, die Dokumentation anpasst und die Korrektheit der Abrechnung mindestens einmal jährlich kontrolliert. Kommt es zu einer Prüfung durch die ESTV, ist vor, während und nach der Kontrolle umsichtiges Handeln gefragt.

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Niklaus Honauer

Niklaus Honauer

Partner Indirect Taxes, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 59 42

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