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David Baur
Director und Leader Accounting Consulting Services, PwC Schweiz
Für Unternehmen mit der türkischen Lira als Funktionalwährung wird die Hyperinflation in der Türkei spätestens ab dem 30. Juni 2022 zum Thema. Die Erfahrung mit einer ähnlichen Situation in Argentinien hat gezeigt, dass die Hyperinflationsbilanzierung eine Herausforderung darstellen kann.
Im Rahmen der Konsolidierung muss ein Unternehmen die Abschlüsse seiner Tochtergesellschaften in die Konzernwährung umzurechnen. Eine Herausforderung stellen dabei in Hochinflationsländern tätige Konzerngesellschaften dar, die ihren Abschluss in lokaler Währung erstellen. Eine unbesehene Übernahme der inflationsbedingt verzerrten Nominalwerte der Tochtergesellschaft in die Konzernrechnung würde deren Aussagekraft erheblich schmälern. Denn dann werden nominal gleiche, aber real nicht vergleichbare Beträge addiert. Insbesondere durch die Stichtagskursbetrachtung verlieren nichtmonetäre Bilanzposten scheinbar kontinuierlich an Wert und sind im Zeitablauf völlig unterbewertet. In der Erfolgsrechnung entstehen Scheingewinne, da die Rechnungslegung die Preissteigerung nicht abbildet.
Derzeit stellen insbesondere Abschlüsse in türkischer Lira die Bilanzierenden vor Probleme. Seit Anfang 2021 ist die Inflation in der Türkei nochmals deutlich gestiegen. Wir gehen davon aus, dass die Türkei voraussichtlich eine hochinflationäre Volkswirtschaft wird. In dieser Annahme bestärken uns das globale wirtschaftliche Umfeld und die sich verschlechternde Wirtschaftslage in der Türkei.
IFRS enthalten weitreichende Regelungen zur Umrechnung von Fremdwährungsabschlüssen aus Hochinflationsländern. Swiss GAAP FER kennt weder eine Definition von Hochinflation noch konkrete Vorgaben für deren Behandlung.
Fehlen für ein Bilanzierungsproblem spezifische Regelungen in Swiss GAAP FER, so soll dessen Rahmenkonzept mit den Rechnungslegungsgrundsätzen herangezogen werden. Dies mit dem Ziel, dass jede Jahresrechnung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage (True and Fair View) wiedergibt (Vgl. FER 1.4).
Für die Behandlung von Abschlüssen aus Hochinflationsländern in einer Konzernrechnung nach Swiss GAAP FER erachten wir die folgenden Ansätze als zulässig. Allerdings müssen die Unternehmen diese unter Würdigung der Gesamtumstände auswählen, stetig anwenden und im Konzernanhang erläutern. Die Währungsumrechnung nicht anzupassen würde dem Grundsatz von True and Fair View von Swiss GAAP FER widersprechen. Es wäre höchstens bei einer geringfügigen Bedeutung einer türkischen Tochtergesellschaft für den Konzern,– also aufgrund von Wesentlichkeitsüberlegungen – vertretbar.
Eine Möglichkeit besteht darin, sich an anderen Rechnungslegungskonzepten zu orientieren, die ebenfalls auf dem True and Fair View Prinzip basieren. Da IFRS auf einem solchen Konzept beruhen, erscheint es sachgerecht, auf die Regelungen von IAS 21 zur Währungsumrechnung und IAS 29 zur Hochinflation zurückzugreifen.
IAS 29 schreibt vor, dass das Unternehmen seine Abschlüsse im Fall von Hochinflation an die aktuelle Kaufkraft am Ende der Berichtsperiode anpassen muss (Vgl. IAS 29.8). Dazu ist ein Preisindex auszuwählen, der die allgemeine Kaufkraftentwicklung der Volkswirtschaft am besten repräsentiert. Zentral ist die stetige Anwendung des Index, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse sicherzustellen.
Nach IAS 29 werden Transaktionen des Berichtsjahrs und nichtmonetäre Bilanzposten mithilfe des Preisindex angepasst, bevor eine Umrechnung in die Berichtswährung des Konzerns erfolgt (Vgl. IAS 29.29 ff.). Der monetäre Gewinn oder Verlust lässt sich dann aus der Differenz der Anpassung der nichtmonetären Vermögenswerte, des Eigenkapitals und der Posten der Gesamtergebnisrechnung ableiten.
Eine weitere Möglichkeit zur Vermeidung von Hyperinflationseffekten besteht darin, den lokalen Abschluss der Tochtergesellschaft in einer harten Währung zu erstellen. Allerdings geben wir dieser Umrechnungsmethode nicht den Vorzug.
Swiss GAAP FER enthält keine Regelungen zur (funktionalen) Währung oder zum Wechsel der Währung. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass Konzerne mit hochinflationären Tochtergesellschaften unter Beachtung von True and Fair View die lokale Abschlusswährung in eine andere, stabile ändern.
Erstellt ein Unternehmen einen solchen Hartwährungsabschluss, rechnet es die nichtmonetären Posten mit historischen Kursen und die monetären Posten mit den Stichtagskursen um. Posten der Erfolgsrechnung sind mit Ausnahme der zu historischen Kursen umzurechnenden Abschreibungen und Materialaufwendungen mit Transaktionskursen umzurechnen.
Verwendet das Unternehmen nicht die Konzernberichtswährung zur Hartwährungsumrechnung, so muss es die Regelungen von FER 30 für die Währungsumrechnung beachten (Vgl. FER 30.19 f.).
Swiss GAAP FER enthalten keine Hinweise, wie bei einem Wechsel der Währung oder einem Wechsel zur Rechnungslegung in Hochinflationsländern zu verfahren ist. Solche Übergangsregelungen finden sich in IAS 29 und IAS 21. Demnach darf die erst- oder letztmalige Inflationsbereinigung jeweils zu dem Abschlussstichtag erfolgen, an dem die Voraussetzungen für ein Hochinflationsland erstmals oder gar nicht mehr erfüllt sind. Dasselbe sollte analog beim Erstellen eines Hartwährungsabschlusses beachtet werden.
Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen gehen wir davon aus, dass Unternehmen mit der türkischen Lira als lokaler Währung spätestens in Berichtsperioden, die am oder nach dem 30. Juni 2022 enden, von Hyperinflation betroffen sein werden. Sind diese Unternehmen Teil eines nach Swiss GAAP FER bilanzierenden Konzerns, sollte sich dieser überlegen, wie sie angemessen in den Konzernabschluss einbezogen werden – entweder mithilfe von IAS 29 oder mit einem Hartwährungsabschluss.
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David Baur
Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland
Tel.: +41 58 792 26 54