So gesehen war der Entscheid aus Bern mutig, stand aber auch im Einklang mit dem eidgenössischen Grundsatz der Neutralität und der Völkerverständigung. Bei jedem offiziellen Treffen zwischen der Schweiz und China hebt die chinesische Seite die frühe Anerkennung hervor.
In den ersten 30 Jahren beschränkte sich der Austausch zwischen den beiden Staaten auf diplomatische Kanäle. Mit der wirtschaftlichen Öffnung Chinas vor 40 Jahren änderte sich dies schlagartig. Mit einem Unternehmen aus der Schweiz, der Firma Schindler, gründete die Volksrepublik das erste Joint Venture.
Mit diesen beiden Meilensteinen hat die Schweiz in China enorm viel Goodwill geschaffen. Ein weiterer Meilenstein war 2014 die Unterzeichnung des Freihandelsabkommens (FTA). Die Ampeln für eine engere Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich standen auf Grün.
Viele Unternehmen weltweit hoffen auf eine rasche Umsetzung der angekündigten Reformen in China. Verbesserungen wurden seit 2001 mehrmals versprochen, doch oft blieb es bei den Ankündigungen. Entsprechend sind die Wirtschafts- und Regierungsvertreter ernüchtert in Bezug auf den Reformwillen der chinesischen Regierung.
Innovationen sollen der Privatwirtschaft und dem Militär zunutze sein
In den letzten Jahren kehrte China mehr und mehr zur Politik seiner Gründungsphase zurück. Die Privatwirtschaft wird als Mittel zum Zweck geduldet und soll sich den Zielen der Kommunistischen Partei unterordnen. Aufforderungen wie die, Innovationen der Privatwirtschaft sollten auch dem Militär zunutze sein, machen es schwer, zwischen dual und nicht dual nutzbaren Gütern zu unterscheiden. Das bereitet ausländischen Firmen Probleme, die für den Export nach China eine Ausfuhrgenehmigung einholen müssen. Die chinesische Regierung reagiert bei der Thematisierung solcher Problemstellungen ungehalten. Gleichzeitig werden Aufrufe – wie der oben erwähnte oder „Made in China 2025“ – innerhalb Chinas veröffentlicht und in China ansässige Firmen werden aufgefordert, entsprechende Massnahmen zur Umsetzung vorzunehmen. Es scheint, als ob sich China der Aussenwirkung der Kommunikation derartiger Pläne nicht bewusst ist und irritiert reagiert, wenn Drittstaaten ihrerseits Massnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft oder Souveränität ergreifen.
In jüngerer Zeit haben verschiedene Staaten damit begonnen, ihre Stellung gegenüber China zu überdenken. Auch in der Schweiz wurden politische Vorstösse unternommen. Diskutiert wird unter anderem über die Wechselbezüglichkeit bei Investitionen. Dabei sollte bedacht werden: Schweizer Unternehmen sind quantitativ und in Bezug auf das Volumen ihrer Investitionen deutlich stärker in China vertreten als chinesische Unternehmen in der Schweiz. Das Problem liegt vor allem im Zugang zu bestimmten Industriekategorien und dem weiterhin mehr oder weniger subtil geforderten Wissenstransfer. Mit der Ankündigung der „Dual Circulation“ hat die chinesische Regierung ein neues Modell proklamiert, wonach sich die Wirtschaft stärker nach innen ausrichten und so unabhängiger von ausländischen Zulieferern werden soll. All das kann das ausgezeichnete Vertrauensverhältnis zwischen den beiden Volkswirtschaften schädigen.
Der aktuelle Trend, bezüglich Technologien zu unterscheiden zwischen China, den China zugewandten Volkswirtschaften und den „westlichen“ Ländern, ist riskant für Europa. Für die Schweiz ist er Gefahr, aber auch Chance zugleich. Gefahr für Schweizer Unternehmen, die sich künftig für den einen oder den anderen Markt entscheiden müssen. Chance für die Schweiz, eine Brückenfunktion wahrzunehmen, wie es die „Innovationsplattform Schweiz“ tut. Das globale Entwicklungszentrum von YouTube befindet sich in Zürich und die Schweiz könnte ein neutraler Forschungs- und Entwicklungsstandort für chinesische Unternehmen werden.
Um diese Chance für den Forschungsstandort Schweiz wahrnehmen zu können, bedarf es Anstrengungen beider Seiten und eines Dialogs, der heikle Themen und gegensätzliche Positionen anspricht und zu Lösungsansätzen führt. Damit zeigt sich, dass der mutige Entscheid von 1950 nicht nur damals richtungsweisend war, sondern auch heute seine Gültigkeit und Berechtigung hat.
China und die Schweiz haben ein Vertrauensverhältnis aufgebaut für einen fairen und offenen Austausch. Die Schweiz bietet sich für China als Standort und Markt für Experimente und Reformen an. Dadurch könnte die Beziehung zwischen den beiden so unterschiedlichen Staaten auch zukünftig weiter entwickelt und zum Vorteil beider Volkswirtschaften genutzt werden.
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