Auswirkungen des Coronavirus auf die Rechnungslegung und Berichterstattung

David Baur Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland Mai 07, 2020

Die Corona-Pandemie hatte und wird auch weiterhin weitreichende Auswirkungen haben. In vielen Teilen der Welt haben die Regierungen nie dagewesene Massnahmen ergriffen, darunter Massenquarantänen, Social Distancing, Grenzschliessungen, die Schliessung nicht lebenswichtiger Bereiche des öffentlichen (Wirtschafts-)Lebens und beträchtliche (in einigen Fällen unbegrenzte) Zusagen zur finanziellen Unterstützung der betroffenen Unternehmen und Einzelpersonen. So wie sich die medizinischen Auswirkungen in rasantem Tempo entwickeln, so entwickeln sich auch die Auswirkungen auf das wirtschaftliche und kreditwirtschaftliche Umfeld.

Wie in unserem Artikel „Coronavirus: Auswirkungen auf die Finanzberichterstattung nach dem 31. Dezember 2019“ dargelegt, wirkt sich das Virus auf viele Bereiche der Rechnungslegung und Berichterstattung von Unternehmen aller Branchen aus. Im März veröffentlichte der IASB ein kurzes Dokument zu Fragen der Anwendung des IFRS 9 i. Z, m. der Corona-Krise. Für Finanzinstitute wurden zusätzliche Richtlinien von Regulatoren herausgegeben. Allerdings sehen sich Unternehmen aller Branchen erhöhtem Druck auf das Working Capital und einem möglichen Anstieg des Ausfallrisikos ihrer Forderungen ausgesetzt. Im Rahmen dieser Publikation gehen wir auf die Auswirkungen der Corona-Krise für Industrieunternehmen (d. h. Nicht-Finanzinstitute) im Rahmen der Ermittlung der erwarteten Kreditverluste (expected credit losses, ECL) für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Vertragsvermögenswerte, Leasingforderungen, konzerninterne Darlehen sowie alle anderen finanziellen Vermögenswerte, die den Bestimmungen des IFRS 9 zur Ermittlung von ECL unterliegen, ein. 

Die Publikation konzentriert sich auf die Ermittlung des ECL. Daneben existieren weitere IFRS 9-bezogene Fragestellungen, wie die Fortführbarkeit von Sicherungsbeziehungen, die bilanziellen Implikationen von Modifikationen von Schuldinstrumenten oder auch von Massnahmen zur Verbesserung des Working Capital. Unternehmen sind daher angehalten, sich mit sämtlichen potenziellen Auswirkungen der Krise auf ihre Finanzberichterstattung zu beschäftigen. Hinweise zu den genannten und weiteren möglichen Themen enthält der oben erwähnte IFRS für die Praxis.

Hauptaussagen des IASB

Wie oben bereits erwähnt, veröffentlichte der IASB im März ein kurzes Dokument zur Anwendung des IFRS 9 i. Z. m. den derzeit aufgrund der Corona-Krise bestehenden Unsicherheiten. Ziel des Dokuments ist es, eine einheitliche and rechtssichere Anwendung des IFRS 9 zu unterstützen. Der IASB erkennt an, dass die Schätzung erwarteter Kreditverluste in der gegenwärtigen Situation eine Herausforderung darstellt und es zum gegenwärtigen Zeitpunkt möglicherweise schwierig sein kann, die spezifischen Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie staatlicher Unterstützungsmassnahmen auf einer angemessenen und belastbaren („reasonable and supportable“) Basis zu berücksichtigen. Der IASB führt jedoch auch klar aus, dass Veränderungen der wirtschaftlichen Bedingungen in den von den Unternehmen verwendeten makroökonomischen Szenarien und deren Gewichtung berücksichtigt werden müssen. 

Zu den vom IASB für alle Unternehmen (auch Nicht-Finanzinstitute) getroffenen Hauptaussagen gehören:

  • Unternehmen haben sämtliche angemessenen und belastbaren Informationen zu nutzen, die zur Verfügung stehen – dies beinhaltet –historische, aktuelle und soweit möglich zukunftsgerichtete Informationen
  • IFRS 9 sieht keine festen Schwellenwerte oder ein mechanistisches Vorgehen vor.

Im Folgenden gehen wir auf die Auswirkungen dieser sowie anderer Hinweise für Industrieunternehmen ein. 

Ermittlung und Ausweis erwarteter Kreditverluste (ECL) – Darstellung der grundlegenden Prinzipien sowie der Auswirkungen durch die geänderten Gegebenheiten

Obwohl die Unsicherheiten, die sich aus der Coronakrise ergeben, beträchtlich sind und sich die Umstände sicherlich noch weiter verändern werden, erwarten wir nicht, dass dies Unternehmen daran hindert, ihre erwarteten Kreditverluste (ECL) zu schätzen. Die Schätzung von Kreditverlusten in diesem Umfeld ist herausfordernd, aber dies bedeutet nicht, dass es unmöglich ist, die Auswirkungen auf der Grundlage der verfügbaren angemessenen und belastbaren Informationen abzuschätzen. Die Berücksichtigung folgender Aspekte ist aus unserer Sicht hierbei hilfreich:

  • Die Bewertung der Bandbreite möglicher Ergebnisse erfordert ein erhebliches Mass an Ermessen, um die Anforderung von IFRS 9 zu erfüllen, dass der ECL einen unverzerrten und wahrscheinlichkeitsgewichteten Betrag widerspiegelt, der durch Auswertung einer Bandbreite möglicher Ergebnisse ermittelt wird – insbesondere für längerfristige Forderungen wie Darlehensforderungen oder Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Vertragsvermögenswerte mit einer signifikanten Finanzierungskomponente. Eine unverzerrte Schätzung ist eine Schätzung, die weder übermässig optimistisch noch übermässig pessimistisch ist.
  • Angesichts der Geschwindigkeit, mit der sich die Ereignisse entwickeln, dürfte die Ermittlung des ECL für Geschäftsjahre, die zum 31. März enden oder Zwischenberichte auf diesen Stichtag eine besondere Herausforderung darstellen. Unternehmen werden eine Schätzung entwickeln müssen, die auf den besten verfügbaren Daten über vergangene Ereignisse, die aktuelle Lage und die Prognosen der zukünftigen wirtschaftlichen Bedingungen basiert. Anpassungen der erwarteten Ausfallraten in der Wertberichtigungsmatrix und Post-Model-Adjustments (sofern Modelle verwendet werden) werden erforderlich sein. Änderungen der Sachverhalte und der Rahmenbedingungen sind weiterhin genau zu verfolgen, um neue Informationen, die für die Beurteilung der Bedingungen zum Berichtsstichtag relevant sind, zu identifizieren. 
  • Was die Methodik zur Schätzung des ECL betrifft, so wird es kaum einen „One Size Fit All“-Ansatz geben und im Einzelfall werden unterschiedliche Ansätze in Abhängigkeit von Faktoren wie lokale Bedingungen und verfügbare Daten jeweils am besten geeignet sein. Bestimmte Schuldner können in einigen Ländern staatliche Unterstützung erhalten, in anderen hingegen nicht. Derartige Unterstützungen zielen grds. darauf ab, Liquiditätsengpässe auszugleichen, die Umsetzung einiger dieser Massnahmen nimmt jedoch einige Zeit in Anspruch und selbst wenn diese erfolgt ist, ist nicht auszuschliessen, dass die Unternehmen die erhaltenen Mittel vorrangig zur Zahlung von Mieten oder Gehältern und nicht zur Tilgung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Lieferanten verwenden. Daher müssen die Auswirkungen staatlicher Unterstützungen im Hinblick auf ihre Einbeziehung in die Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit von Zahlungsverzögerungen oder -ausfällen sorgfältig abgewogen werden.
  • IFRS 9 verlangt von den Unternehmen bei der Ermittlung erwarteter Kreditverluste immer die Berücksichtigung mehrerer Szenarien. In der Praxis haben dies einige Unternehmen ggf. nicht getan, da es in einem günstigen wirtschaftlichen Umfeld keinen wesentlichen Unterschied für das Ergebnis gemacht hätte. Diese Annahme dürfte, insbesondere für Unternehmen mit längerfristigen Darlehensforderungen, Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Vertragsvermögenswerten mit einer signifikanten Finanzierungskomponente nicht mehr angemessen sein. In vielen Ländern gibt es kaum Zweifel daran, dass sich die wirtschaftlichen Bedingungen verschlechtert haben, was sich in den unterstellten makroökonomischen Szenarien und ihrer Gewichtung widerspiegeln sollte. Z. B. können Unternehmen ihren bisherigen Berechnungen ein oder mehrere Szenarien hinzufügen, um schwerwiegende Downside-Szenarien widerzuspiegeln und/oder die den Downside-Szenarien zugewiesene Gewichtung zu erhöhen. Kernszenarien, die von einer sehr geringen Ausfallwahrscheinlichkeit ausgehen, sind schwierig zu begründen. Im Zuge des Erhalts neuer Informationen, die für die Beurteilung der Bedingungen am Berichtsstichtag relevant sind, müssen die Schätzungen entsprechend aktualisiert und angepasst werden.
  • Bei der Bestimmung erwarteter Kreditverluste dürfen nur Finanzgarantien oder andere Formen der Kreditversicherung berücksichtigt werden, die integraler Bestandteil des finanziellen Vermögenswerts sind. Ein Beispiel hierfür in einigen Konzernen ist, dass Tochtergesellschaften nicht an bestimmte Kunden verkaufen dürfen, es sei denn, es besteht eine Kreditversicherung oder ein Akkreditiv. Selbst wenn Unternehmen die Finanzgarantie oder Kreditversicherung berücksichtigen können, ist zu bedenken, dass dies nur das Verlustrisiko verringern kann, nicht jedoch die Ausfallwahrscheinlichkeit. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, ob die Partei, die die Garantie oder Versicherung stellt, wahrscheinlich in der Lage sein wird, ihren Verpflichtungen nachzukommen, wenn sie in Anspruch genommen wird. Dies kann insbesondere bei konzerninternen Bürgschaften für Kredite in Einzelabschlüssen von Bedeutung sein.
  • Werden vertraglich vereinbarte Zahlungstermine verlängert oder Zahlungen voraussichtlich später als vereinbart eingehen, kann dies zur Erfassung einer Wertminderung führen, es sei denn, es erfolgt ein Ausgleich für den verlorenen Zeitwert des Geldes oder der Effektivzinssatz beträgt 0%. Dies kann insbesondere längerfristige Forderungen wie Leasingforderungen sowie einige Vertragsvermögenswerte und Darlehen betreffen. In Ländern, in denen das Zinsniveau niedrig ist, könnten die Auswirkungen im Verhältnis zu den Ausfallrisiken (d. h. dem Risiko, dass Beträge nie gezahlt werden), aber relativ gesehen geringer sein. 
  • IAS 1.82 verlangt die Darstellung von IFRS 9-Wertminderungsverlusten als separaten Posten in der Erfolgsrechnung. Wertminderungsverluste dürfen nicht mit Umsatzerlösen saldiert werden. Eine derartige getrennte Darstellung unterblieb ggf. bislang, wenn die Höhe der Wertminderung und deren jährliche Veränderung unwesentlich war. Im Zuge der Coronakrise und damit einhergehend zunehmender Ausfallrisiken wird diese Anforderung jedoch stärker in den Vordergrund rücken. 
  • Aufgrund der bestehenden Unsicherheiten bei der Bemessung der erwarteten Kreditverluste, kommt Angaben im Rahmen der Berichterstattung zu den erwarteten Kreditverlusten eine gesteigerte Rolle zu (siehe Nr. 5 weiter unten).

Auswirkungen auf Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, Leasingforderungen und Vertragsvermögenswerte, die nach dem vereinfachten Ansatz bewertet werden

Zu den Finanzinstrumenten, die in den Anwendungsbereich des Modells zur Bemessung erwarteter Kreditverluste des IFRS 9 fallen, gehören Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und sonstige Forderungen, Darlehensforderungen und sonstige Schuldinstrumente, die nicht erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet werden (einschliesslich konzerninterner Darlehen), Vertragsvermögenswerte, Leasingforderungen, Finanzgarantien und Kreditzusagen.

Für viele Industriekonzerne dürften die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen der wesentlichste Posten sein, für den erwartete Kreditverluste nach IFRS 9 zu bestimmen sind. IFRS 9 sieht für Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und Vertragsvermögenswerte, die keine signifikante Finanzierungskomponente enthalten einen vereinfachten Ansatz, bei dem der Lifetime-ECL zu erfassen ist, vor. Unternehmen berechnen in diesem Fall die erwarteten Kreditverluste oft unter Verwendung einer Wertberichtigungsmatrix. Der vereinfachte Ansatz ist auch für Leasingforderungen und Forderungen mit einer signifikanten Finanzierungskomponente zulässig, in diesem Fall handelt es sich jedoch um eine Wahlmöglichkeit bei der Festlegung der Rechnungslegungsmethode.

Bei der Beurteilung des Ausfallrisikos für die Bilanzposten und der Bemessung der erwarteten Kreditverluste müssen jedoch nach wie vor zukunftsgerichtete Informationen (einschliesslich makroökonomischer Informationen) berücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, könnten zukunftsgerichtete Informationen ein oder mehrere Downside-Szenarien im Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus beinhalten.

Unternehmen teilen ihre Forderungen häufig in verschiedene Gruppen ein, bevor sie eine Wertberichtigungsmatrix anwenden. So kann ein Unternehmen beispielsweise an Kunden in verschiedenen Branchen verkaufen, von denen einige in höherem Masse als andere von COVID-19 betroffen sind und daher unterschiedlichen Ausfallrisiken ausgesetzt sind. Andere Faktoren, die bei einer solchen Einteilung berücksichtigt werden könnten, wären u.a. geografische Regionen, Produkttyp, Kundenratings, Sicherheiten und die Art des Kunden (z. B. Grosshandel vs. Einzelhandel).

Zur Einteilung ist es wichtig, zunächst die Treiber des Ausfallrisikos für die zugrunde liegenden Forderungen zu verstehen und zu verstehen, wie sich diese angesichts der aktuellen Pandemie verändert haben könnten. Die Festlegung des erforderlichen Grads an Einteilung ist oft ermessensbehaftet, und in sich entwickelnden Segmenten sollte ein Unternehmen überprüfen, wo eine weitere Segmentierung erforderlich sein könnte. Die Einteilung kann in einigen Fällen bis auf die Ebene des einzelnen Kunden gehen. Wenn z.B. ein bestimmter Kunde bekanntermassen in finanziellen Schwierigkeiten ist, kann im Vergleich zu historischen Durchschnittswerten über alle Alterungskategorien eine höhere Wertberichtigung erforderlich sein. Es ist wichtig, in diesen Situationen eine Doppelzählung von Verlusten zu prüfen und zu vermeiden.

Bei dem Versuch, die Auswirkungen der Pandemie zu modellieren, könnten Unternehmen als Ausgangspunkt das Verhalten ihrer Kunden während früherer Rezessionen betrachten und dabei historische Erfahrungswerte zu Kreditverlusten als Schätzung künftiger Verluste heranziehen. Da jedoch vergleichbare Beschränkungen sowohl der Bewegungsfreiheit als auch der wirtschaftlichen Aktivitäten in den meisten Ländern in ähnlicher Weise noch nie vorgekommen sein dürften, müssen diese historischen Informationen angepasst werden, um sie gegenwärtig belastbar zu machen. Hieraus könnte sich eine Erhöhung des erwarteten Ausfallrisikos für jedes Alterungsband der Wertberichtigungsmatrix ergeben.

Ebenso kann es vorkommen, dass einige Kunden länger als normal brauchen, um zu zahlen, wodurch sich die Anzahl der Schuldner in den überfälligen Alterungsbändern erhöht. Inwieweit die Zahlungsverzögerungen auf das Ausfallrisiko zurückzuführen sind oder lediglich einen Hinweis auf praktische Probleme darstellen (z. B. weil Mitarbeiter nicht in der Lage sind, ihre Büros zu betreten), muss sorgfältig geprüft werden. Viele Lieferantenvereinbarungen beinhalten das Recht, auf überfällige Zahlungen Zinsen zu erheben, aber in der Praxis wird dies nicht immer umgesetzt, um gute Kundenbeziehungen aufrechtzuerhalten. Wenn Unternehmen nicht die Absicht haben, Zinsen zu erheben, sollten diese auch nicht angesetzt werden.

Auch die Wahrscheinlichkeit, dass Schuldner zahlen, und die Auswirkungen etwaiger staatlicher Initiativen müssen bei der Bemessung der erwarteten Kreditverluste am Ende jeder Berichtsperiode überprüft werden.

Darlehensforderungen, einschliesslich konzerninterner Salden und anderer Vermögenswerte, die nicht nach dem vereinfachten Ansatz bewertet werden – Identifizierung signifikanter Erhöhungen des Ausfallrisikos (SICR)

Wenn Unternehmen den vereinfachten Ansatz nicht anwenden dürfen oder sich dafür entschieden haben, dies nicht zu tun, können zusätzliche Informationen erforderlich sein, um festzustellen, ob eine signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos eingetreten ist und daher eine Risikovorsorge i. H. d. Lifetime-ECL anstatt des 12-Monats-ECL erforderlich ist. Dies wird für alle Forderungen gelten, auf die das vollständige IFRS 9-Modell angewandt wird, einschliesslich Darlehensforderungen und der meisten konzerninternen Salden. Zu den zu berücksichtigenden Faktoren gehören:

  • Ausfallrisiko - SICR basiert auf der Wahrscheinlichkeit, dass ein Ausfall eintritt, und nicht auf der Wahrscheinlichkeit von Verlusten. Daher haben einige staatliche Hilfsprogramme möglicherweise keinen Einfluss auf die SICR-Beurteilungen. Diejenigen Programme, die den Schuldnern schnell direkt Liquidität zur Verfügung stellen und damit das Ausfallrisiko mindern, sollten in Betracht gezogen werden, aber diejenigen, die Zahlungen direkt an das bilanzierende Unternehmen leisten, um etwaige Verluste auszugleichen, werden das Ausfallrisiko der zugrunde liegenden Forderungen nicht verringern. Wenn sich das Ausfallrisiko erhöht hat, kann dies bedeuten, dass ein SICR eingetreten ist, selbst in Fällen, in denen zu erwarten ist, dass anfallende Verluste vollständig ausgeglichen werden. 
  • Zahlungsaufschub - Wenn ein Unternehmen einer Gegenpartei eine Verlängerung der Laufzeiten gewährt, sollte das Management beurteilen, ob dies darauf hindeutet, dass das Ausfallrisiko signifikant gestiegen ist, da IFRS 9 B5.5.17(m) einen (Zins-)Zahlungssaufschub als einen potenziellen Indikator für einen signifikanten Anstieg des Ausfallsrisikos nennt. Der IASB stellt in seinem o. g. Dokument hierzu fest, dass die Ausdehnung eines Zahlungsaufschubs auf alle Kreditnehmer in bestimmten Klassen von Finanzinstrumenten nicht automatisch dazu führen sollte, dass für alle diese Instrumente eine signifikanten Erhöhung des Ausfallrisikos unterstellt wird. Solche "pauschalen" Zahlungsaufschübe werden jedoch grds. selten von Unternehmen gewährt, und ob eine signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos vorliegt, sollte von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der besonderen Fakten und Umstände beurteilt werden. Dies dürfte insbesondere für Leasinggeber von grosser Bedeutung sein, wozu Sie weitere Hinweise in unserem IFRS für die Praxis “Coronavirus: Die fünf wichtigsten Fragen zur Rechnungslegung für Banken” finden. 
  • Befreiung von der SICR-Beurteilung bei geringem Ausfallrisiko - Die Befreiung bei geringem Ausfallrisiko wird in der Regel für Wertpapiere mit einem Investment-Grade-Rating einer externen Rating-Agentur oder, in einem Konzern-Szenario, für konzerninterne Forderungen verwendet, die entstehen, wenn externe Schulden vom Treasury oder einer Finanzierungsgesellschaft auf eine Betriebsgesellschaft übertragen werden. Häufig besteht jedoch eine Zeitverzögerung zwischen dem Anstieg des Ausfallrisiko und einer Herabstufung des externen Kreditratings. IFRS 9 gibt ein externes Kreditrating mit Investment Grade nur als Beispiel dafür an, was als geringes Ausfallrisiko angesehen werden könnte - das grundlegende Prinzip ist, dass "geringes Ausfallrisiko" unter Bezugnahme auf die Perspektive eines Marktteilnehmers bestimmt werden muss [IFRS 9.B5.5.22]. Daher gilt die Befreiung von der SICR-Beurteilung bei geringem Ausfallrisiko nicht, wenn das externe Kreditrating eines bestimmten Schuldners zwar immer noch "Investment Grade" ist, dies jedoch nur auf die o.g. Zeitverzögerung zurückzuführen ist und Marktteilnehmer das Instrument bereits nicht mehr als Instrument mit geringem Ausfallrisiko einstufen würden. Das Management muss dies bei der Beurteilung der Frage berücksichtigen, ob die Befreiung von der SICR-Beurteilung weiterhin für konzerninterne Kredite gilt, die zuvor als gleichwertig mit anderen vom Kreditnehmer emittierten Instrumenten eingestuft wurden.
  • Wesentlichkeitsbeurteilungen - Vereinfachungen in früheren Bemessungen erwarteter Kreditverluste i. S. d. IFRS 9, die mit Wesentlichkeitsüberlegungen begründet wurden, müssen im Zuge der aktuellen Entwicklungen überprüft werden. 

Zwischenberichterstattung nach IAS 34 und weitere Überlegungen zu Angaben im Anhang

Viele Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt überarbeiten die Fristen und Anforderungen für die Zwischenberichterstattung. Wenn Unternehmen Zwischenberichte gemäss IAS 34 veröffentlichen, wird es wichtig sein, die übergreifende Zielsetzung im Blick zu halten, Ereignisse und Transaktionen seit dem Ende der letzten vollständigen Berichtsperiode zu erklären, die für das Verständnis von Veränderungen der Vermögens- und Ertragslage von Bedeutung sind. Zu den wichtigsten Erwägungen bei der Erfüllung dieser Anforderung und bei der Erstellung anderer Formen von Zwischenberichten werden wahrscheinlich folgende gehören:

  • Bedeutsame Schätzungen - Es ist wichtig, die bedeutsamen Schätzungen, die bei der Bestimmung der ECL verwendet werden, klar zu identifizieren und zu erklären. Während die Angabe zu den bedeutsamen Schätzungen zum 31. Dezember 2019 in vielen Fällen einen guten Ausgangspunkt darstellt, ist eine undifferenzierte Fortschreibung dieser Angabe wahrscheinlich nicht angebracht. Es wird wahrscheinlich neue Aspekte der Rechnungslegung geben, die aufgrund der Veränderungen des wirtschaftlichen Umfelds und der Marktdynamik bedeutsam geworden sind. Daher könnten frühere Angaben von zuvor identifizierten bedeutsamen Schätzungen nicht mehr relevant sein. Wenn die Grösse von ECLs zu einer signifikanten Schätzung geworden ist, erwarten einige Regulierer Angaben zu Sensitivitäten i. S. d. IAS 1, der vorschlägt, dass dies eine nützliche Angabe im Rahmen der Angaben zu den Annahmen eines Unternehmens über die Zukunft wäre.
  • Die „Geschichte erzählen“ - Die Angaben sollten Einflussgrössen widerspiegeln, die spezifisch für das Unternehmen sind, und nicht nur allgemeine Floskeln sein, und sie sollten dem Abschlussadressaten vermitteln, wie eine Schätzung vorgenommen wurde. Zu diesen Angaben gehört auch eine Beschreibung, wie die Ausfall- und anderen Risiken, denen das Unternehmen ausgesetzt ist, durch die Coronakrise beeinflusst wurden, wie die Auswirkungen der Coronakrise in die ECL-Schätzungen eingeflossen sind und in welchem Umfang Unsicherheit besteht und sich die Schätzungen in Zukunft ändern könnten.
  • Kreditrisikokonzentrationen und Risikomanagementpraktiken - In der Vergangenheit haben Industrieunternehmen möglicherweise nicht viele Einzelheiten zu Ausfallrisiken oder ihren Risikomanagementpraktiken angegeben. Sofern nun wesentliche Ausfallrisiken vorliegen, dürfte sich der von den Investoren geforderte Informationsgrad jedoch erhöhen. Beispielsweise könnten Unternehmen ihre Angaben zu Ausfallrisikopositionen nach grossen und kleineren Unternehmen oder bestimmten Branchen, wie z. B. Transport oder Einzelhandel, unterteilen und die Verwendung von Versicherungen/Akkreditiven sowie Kreditrisikomanagementpraktiken näher erläutern.

Fazit

Der Ausbruch des Coronavirus hat zu beispiellosen Herausforderungen geführt, die praktisch jeden Aspekt des modernen Lebens betreffen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Virus werden sich in der Folge auf viele Aspekte der Rechnungslegung und der Finanzberichterstattung auswirken. Unternehmen stehen vor einigen der grössten Herausforderungen im Bereich der Rechnungslegung, und wir hoffen, dass diese Publikation Ihnen bei der Bewältigung der wichtigsten Probleme im Zusammenhang mit der Ermittlung erwarteter Kreditverluste helfen wird.


Hier gelangen Sie zu einer Zusammenstellung von häufig gestellten Fragen (Englisch)

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David Baur

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