Steuern auf geistiges Eigentum – Klarstellung durch BMF-Schreiben

David Baur Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland Mrz 29, 2021

Unternehmen, die nicht in Deutschland ansässig sind, können wirtschaftlich Eigentümer von geistigem Eigentum sein und Lizenzgebühren für geistiges Eigentum erhalten, das in Deutschland verwertet, genutzt oder lediglich registriert ist. Solche Unternehmen können der deutschen Quellensteuer unterliegen, wenn der Zahler der Lizenzgebühren für das betroffene geistige Eigentum ebenfalls nicht in Deutschland ansässig ist. Das deutsche Finanzministerium hat hierzu mit Schreiben vom 6. November 2020 klargestellt, wann eine Verpflichtung zur Abgabe von Steueranmeldungen/-erklärungen besteht. Betroffene Unternehmen sollten ihr potenzielles Steuerrisiko abschätzen und hinsichtlich des Ansatzes einer Steuerschuld berücksichtigen.


Was ist das Problem?

Nach dem deutschem Steuerrecht können nicht in Deutschland ansässige Unternehmen, die wirtschaftlich Eigentümer von in Deutschland eingetragenem, verwertetem oder genutztem geistigen Eigentum sind und dafür Lizenzgebühren erhalten, der deutschen Quellensteuer auf Lizenzgebühren unterliegen, die für die Nutzung dieses geistigen Eigentums gezahlt werden muss, wenn der Zahler der Lizenzgebühren ebenfalls nicht in Deutschland ansässig ist. Darüber hinaus kann eine steuerpflichtige Übertragung eines solchen geistigen Eigentums der deutschen Kapitalertragsteuer unterliegen.

Das Gesetz gilt für bestimmte Arten von Vereinbarungen über Rechte an geistigem Eigentum, sobald diese Rechte in einem deutschen Register eingetragen sind, unabhängig davon, ob sie in Deutschland genutzt werden oder nicht. Betroffen sind nicht in Deutschland ansässige Steuerzahler, die eine Steuererklärung oder Steueranmeldungen hätten abgeben müssen, obwohl sowohl der Zahlende als auch der Zahlungsempfänger ausserhalb von Deutschland ansässig sind. Sofern kein gegenteiliges Steuerabkommen hierzu besteht, ist auf die Einkünfte eine Quellensteuer in Höhe von 15,825 % zu entrichten. Wenn hingegen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Land, in dem die Steuerzahler ansässig sind, ein Steuerabkommen besteht, könnte dies zu einer Reduzierung des effektiven Steuersatzes auf 0 % führen. Nach den bestehenden deutschen Gesetzen sind Steuerzahler aus Ländern, die einem solchen Abkommen unterliegen, jedoch trotzdem verpflichtet, die Quellensteuer abzuführen und dann einen Antrag auf Rückerstattung zu stellen, sofern keine vorherige Genehmigung der deutschen Regierung vorliegt.

Ein Verkauf von in Deutschland registriertem geistigem Eigentum kann nach demselben Gesetz auch zu Kapitalertragsteuer führen.

Das deutsche Finanzministerium hat mit Schreiben vom 6. November 2020 klargestellt, wann eine Verpflichtung zur Abgabe von Steueranmeldungen/-erklärungen zur beschränkten Steuerpflicht bei der Überlassung von in inländischen Registern eingetragenen Rechten besteht. Ein am 20. November 2020 veröffentlichter Gesetzesentwurf sieht vor, dass der Anwendungsbereich der Steuervorschriften rückwirkend für alle offenen Fälle reduziert wird. Rückwirkend entsteht demnach nur dann eine Steuerpflicht, wenn das geistige Eigentum in Deutschland verwertet (und nicht lediglich registriert) wird. Der Zeitplan für das Inkrafttreten dieses Gesetzentwurfs ist noch nicht klar.

Auswirkung

Die Gesetzgebung betrifft insbesondere Intellectual Property(IP)-Holdinggesellschaften, die nicht in Deutschland ansässig sind, die aber die Rechte am geistigen Eigentum in Deutschland registriert haben. Es scheint, als ob solche Konstruktionen häufig bei internationalen US-Konzernen vorkommen, aber es sind auch andere Ausgestaltungen denkbar und es können auch Unternehmen aus anderen Jurisdiktionen betroffen sein. Betroffen wären zum Beispiel auch Geschäftsmodelle, bei denen Lizenzgebühren an eine IP-Gesellschaft ausserhalb von Deutschland fliessen, oder steuerpflichtige Übertragungen von geistigem Eigentum (nach einer Akquisition, nach interner Umstrukturierung oder Ähnlichem).

Die Bewertung des Risikos ist abhängig von der konkreten Ausgestaltung des Geschäftsmodells und der Frage, ob Steuererleichterungen aus Steuerabkommen zwischen Deutschland und den relevanten Ländern genutzt werden können.

Die Verjährungsfrist in Deutschland beträgt 7 Jahre, daher ist es unwahrscheinlich, dass wesentliche Risiken für Transaktionen vor diesem Zeitpunkt bestehen.

Zur Quantifizierung des potenziellen Risikos müssen Unternehmen zunächst den Umfang der seit 2013 (7 Jahre vor 2020) gezahlten Lizenzgebühren schätzen und (unter Anwendung der Verrechnungspreisgrundsätze) einen angemessenen Anteil der Einkünfte auf die betroffenen Rechte allokieren. Auf diese Einkünfte ist der Quellensteuersatz von 15,825 % anzuwenden. Sofern ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem IP-Land (Lizenzgeberland) und Deutschland existiert, ist zu prüfen, ob hierin eine Erstattungsfähigkeit der Quellensteuer geregelt wird. Sofern die Inanspruchnahme und ggfs. die Erstattungsfähigkeit wahrscheinlich ist, ist gem. IAS 12 eine Verbindlichkeit und ggfs. eine Forderung zu erfassen. Auf die Steuer, die aus zu wenig gemeldeten Einkünften resultiert, sind weiterhin Strafen und Zinsen auf Basis der aktuellen deutschen Vorschriften zu berücksichtigen.

Sofern seit 2013 eine Übertragung von geistigem Eigentum stattgefunden hat, die der Kapitalertragsteuer unterliegen könnte, müssen Unternehmen prüfen, ob diese als "Verkauf" von geistigem Eigentum zu qualifizieren ist (da unter bestimmten Bedingungen Übertragungstransaktionen wie Einlagen/Dividenden nicht als "Verkauf" von geistigem Eigentum qualifiziert werden können). Unternehmen müssen den Wert des seit 2013 übertragenen geistigen Eigentums und jeglichen damit verbundenen Gewinn ermitteln und (unter Anwendung von Verrechnungspreisprinzipien) den Anteil bestimmen, der dem deutschen geistigen Eigentum zuzurechnen ist. Die Kapitalertragsbesteuerung von 15,825 % erfolgt jeweils auf Basis des relevanten Kapitalertrags (basierend auf dem Marktwert abzüglich des steuerlichen Buchwerts). Schliesslich müssen die Unternehmen prüfen, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen zwischen dem IP-Land (übertragende Jurisdiktion) und Deutschland existiert, wodurch etwaige Kapitalerträge steuerfrei sind. Auf die Steuer, die aus zu wenig gemeldeten Kapitaleinkünften resultiert, sind weiterhin Strafen und Zinsen auf Basis der aktuellen deutschen Vorschriften zu berücksichtigen.


Es gilt die folgenden Bilanzierungsfragen zu klären:

1. Sind die zu zahlenden Steuern Ertragsteuern nach IAS 12?

Ja. Die Beurteilung, ob die Quellensteuer eine Ertragsteuer gem. IAS 12 ist, stellt eine Ermessensentscheidung dar. Oft wird die Quellensteuer anstelle einer Einkommensteuer gezahlt und wird daher als Ertragsteuer bilanziert. Im vorliegenden Fall wird die Steuer auf Einkünfte aus der Nutzung des geistigen Eigentums in Deutschland erhoben. Sofern die Steuer nicht von anderer Stelle einbehalten wird, ist der Inhaber des geistigen Eigentums verpflichtet, eine Steuererklärung in Deutschland abzugeben. In dieser Erklärung sind alle Einnahmen und relevante Ausgaben, das heisst implizit der Nettogewinn, aufzunehmen. Der relevante Steuersatz entspricht dem Körperschaftsteuersatz. Die Zahlung der Quellensteuer würde zu einer ausländischen Steuergutschrift führen, die in den USA und ggfs. auch in anderen Jurisdiktionen mit der Einkommenssteuer verrechnet werden kann. Dies deutet darauf hin, dass es sich um eine Einkommensteuer handelt.

Jegliche kapitalertragsteuerlichen Konsequenzen aus dem Verkauf des geistigen Eigentums fallen ebenfalls unter IAS 12.
Zusätzliche Vertragsstrafen und Zinsen fallen jedoch nicht unter IAS 12.

2. Welche Auswirkungen ergeben sich für die Bilanzierung für Perioden vor 2020?

Die steuerlichen Vorschriften galten auch für frühere Perioden. Soweit Konstruktionen bereits in früheren Perioden bestanden, stellt sich die Frage, welche Auswirkung sich für die Bilanzierung ergeben. Nach IAS 8.5 liegt eine Änderung einer rechnungslegungsbezogenen Schätzung vor, wenn die Schätzungsänderung aus neuen Informationen und neuen Entwicklungen resultiert. Hingegen handelt es sich um einen Fehler, wenn eine Auslassung oder fehlerhafte Darstellung im Abschluss aus der Nicht- oder Fehlanwendung von zuverlässigen Informationen resultiert, die zum Zeitpunkt der Genehmigung des Abschlusses verfügbar waren oder von denen man vernünftigerweise hätte erwarten können, dass sie zu dem Zeitpunkt beschafft und berücksichtigt werden konnten. IFRIC 23 schreibt vor, dass die Bilanzierung einer steuerlichen Unsicherheit nur dann überprüft wird, wenn sich die Umstände ändern.
Unternehmen, die die betroffenen Geschäftsmodelle und Konstruktionen implementiert haben, haben im Vorfeld typischerweise eine Due-Diligence-Prüfung durchgeführt, haben sich i. d. R. vor der Implementierung professionell beraten lassen und steuerliche, rechtliche und andere Spezialisten konsultiert. Dabei scheinen die steuerlichen Konsequenzen der vorliegenden Gesetzgebung nicht bekannt gewesen zu sein. Es gibt keinen juristischen Präzedenzfall und es waren viele komplexe Analysen erforderlich, um festzustellen, dass in einigen Fällen wesentliche Verbindlichkeiten bestehen können. Bis dato bleiben zudem weitere Fragen unbeantwortet. Dies deutet darauf hin, dass von den gesetzlichen Vertretern vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, dass sie potenzielle Steuerverpflichtungen aus der Quellensteuer zu Berichtszeitpunkten vor 2020 berücksichtigen konnten.
Eine Schätzungsänderung ergibt sich aus neuen Informationen und neuen Entwicklungen. Erst die detaillierte Analyse zahlreicher Experten hat dazu geführt, dass den gesetzlichen Vertretern die steuerlichen Konsequenzen solcher Konstrukte vernünftigerweise bewusst werden konnten. Das Ergebnis dieser Analysen kann als eine neue Entwicklung eingestuft werden, die mehr Informationen über die potenziellen steuerlichen Folgen der betroffenen Konstruktionen liefert. Folglich liegt im vorliegenden Fall eine Änderung einer rechnungslegungsbezogenen Schätzung vor. Anstatt die Anpassungen als Korrektur eines Fehlers aus einer früheren Periode zu behandeln und abzubilden, ist es angemessen, jegliche Änderungen in laufender Rechnung zu erfassen.

3. Können gezahlte und zu erstattende Beträge saldiert werden?

Einige Länder scheinen mit Deutschland Steuerabkommen geschlossen zu haben, wodurch der auf die Transaktionen angewandte Steuersatz Null gewesen wäre. Unternehmen, die das geistige Eigentum besitzen, hätten jedoch im Vorfeld (vor Zahlung der Lizenzgebühren) eine Steuererklärung in Deutschland einreichen und eine Bescheinigung hierfür einholen müssen. In Ermangelung einer Gesetzesänderung müssen solche Unternehmen nun zunächst die Steuer in Höhe von 15,825% zahlen und können anschliessend eine Erstattung beantragen. Da Zahlung und Erstattung nicht gleichzeitig erfolgen und auch rechtlich nicht verrechnet werden können, sind die laufende Steuerzahlung und die laufende Steuerforderung brutto dazustellen. Um einen Vermögenswert anzusetzen, muss nach IAS 12 die Realisierung wahrscheinlich sein. Die Wahrscheinlichkeit sollte angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts auf Basis der konkreten Ausgestaltung im Einzelfall beurteilt werden.

4. Wie ist eine Änderung des deutschen Steuerrechts nach dem Jahresende zu behandeln?

Nach IAS 12 sind die Steuern auf Basis der am Bilanzstichtag geltenden Steuergesetze zu ermitteln. Jede wesentliche Änderung nach dem Bilanzstichtag wird als ein nicht zu berücksichtigendes Ereignis nach dem Bilanzstichtag behandelt. Die Auswirkungen solcher Ereignisse sind jedoch anzugeben, sofern sie wesentlich sind.


 

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