Erstpublikation im ExpertFocus 09/2020
Im Zusammenhang mit der andauernden COVID-19-Pandemie haben vom Lockdown betroffene Mieter (z. B. Einzelhändler) Mietzugeständnisse von den Vermietern erhalten oder erwarten, diese zu erhalten. Die Anwendung von IFRS 16 «Leasingverhältnisse » wirft in diesem Zusammenhang insbesondere für Leasinggeber eine Reihe von Fragen auf.
Infolge der COVID-19-Pandemie haben einige Vermieter Mietzugeständnisse an ihre Mieter gewährt. Im Mai 2020 stimmte das Schweizer Parlament einem Antrag zu, bestimmte Mieten (vor allem im Zusammenhang mit Geschäftsflächen) nachträglich zu reduzieren. Zeitgleich veröffentlichte das IASB eine Änderung von IFRS 16, welche es Leasingnehmern als optionale Erleichterung ermöglicht, auf die Beurteilung, ob Mietkonzessionen eine Modifikation des Leasingverhältnisses darstellen, zu verzichten. Den Leasinggebern wurde keine Erleichterung bei der Bilanzierung von Mietvertragsänderungen gewährt.
Mietkonzessionen, die von einem Leasinggeber gewährt werden, können viele Formen annehmen, einschliesslich gegenwärtigen oder späteren Erlasses, Ermässigung und Stundung von Mietzahlungen. Ein Mietzugeständnis kann auch eine Änderung der Mietdauer beinhalten.
IFRS 16 «Leasingverhältnisse» enthält bestimmte Richtlinien zur Bilanzierung von Änderungen von Leasingverhältnissen [1] für Leasingnehmer wie auch für Leasinggeber. Aus der Sicht des Leasinggebers hängt die Bilanzierung der Mietkonzessionen von der Klassifizierung des Leasingvertrags als Operating-Leasingverhältnis oder Finanzierungsleasing ab. Dieser Artikel konzentriert sich auf die Behandlung bei Operating-Leasingverhältnissen, da davon ausgegangen wird, dass die Mehrzahl der betroffenen Leasingverhältnisse als Operating-Leasingverhältnisse qualifiziert. Weil ein Operating-Leasingverhältnis zu einer linearen Ertragserfassung führt, verbucht ein Leasinggeber eine Mietkonzession ab dem Datum des Inkrafttretens der Änderung als ein neues Leasingverhältnis, wobei alle vorausbezahlten oder abgegrenzten Leasingzahlungen in Verbindung mit dem ursprünglichen Leasingverhältnis als Teil der Leasingzahlungen für das neue Leasingverhältnis berücksichtigt werden [2]. Wenn ein Operating-Leasingverhältnis nicht geändert wird, aber ein Teil der Zahlungen gemäss dem Leasingvertrag nicht mehr fällig ist (z. B. aufgrund von Vertragsklauseln bezüglich höherer Gewalt, anderer ähnlicher Vertragsklauseln oder geltender Gesetze oder Vorschriften), wäre es für den Leasinggeber angemessen, die Änderung der Zahlungen als negative variable Leasingzahlungen zu behandeln und die Erfassung der Einnahmen für die betroffenen Zeiträume um den Betrag zu verringern, der vom Leasingnehmer gemäss Vertrag nicht mehr zu zahlen ist.
Die Beurteilung, ob es sich bei den Mietzugeständnissen um Änderungen von Leasingverhältnissen und die entsprechende standardkonforme Verbuchung handelt, könnte sich in der Praxis im derzeitigen Umfeld als schwierig erweisen. Daher veröffentlichte das IASB im Mai 2020 eine Änderung an IFRS 16 mit Erleichterungen zu COVID-19-bezogenen Mietkonzessionen. Sie ist sofort anwendbar und gewährt Leasingnehmern eine optionale Erleichterung, auf die Beurteilung zu verzichten, ob COVID-19-bezogene Mietkonzessionen eine Änderung des Leasingverhältnisses darstellen oder nicht. Die Änderung an IFRS 16 gilt nicht für Leasinggeber; daher basiert die Bilanzierung von Mietkonzessionen durch Leasinggeber auf den bestehenden Richtlinien.
Kürzung oder Verzicht auf Zahlungen aufgrund eines Vertrages (z. B. Klauseln über höhere Gewalt) oder geltender Gesetze oder Vorschriften.
Falls der Vermieter aufgrund eines bestehenden Mietvertrags, geltender Gesetze oder Vorschriften gezwungen ist, die Zahlungen für einen bestimmten Zeitraum zu kürzen, sind diese Zahlungen vom Mieter nicht mehr fällig.
Da der Leasinggeber vertraglich oder gesetzlich und/oder aufgrund von Vorschriften verpflichtet ist, die Zahlungen zu reduzieren, können die vom Leasingnehmer geschuldeten reduzierten Zahlungen nicht als eine Änderung des Leasingvertrags betrachtet werden. Dementsprechend würde diese Art von Änderung allgemein als negative variable Leasingzahlung verbucht werden, d. h. geringere Erträge aus Leasingverträgen, wenn diese anfallen.
Stundung von Leasingzahlungen
Ein Leasinggeber gewährt einen kurzfristigen Zahlungsaufschub für feste Leasingzahlungen, die ansonsten fällig wären. Auf die gestundeten Zahlungen werden keine Zinsen erhoben, und die Zahlungen sind am Ende der laufenden Leasingdauer fällig.
Da in diesem Fall der Umfang des Leasingvertrags nicht geändert wird, besteht die einzige Änderung in der zeitlichen Verteilung der Zahlungsströme. Da eine Modifikation des Leasingverhältnisses als eine Änderung des Umfangs oder der Gegenleistung des Leasingverhältnisses definiert ist, die nicht Bestandteil der ursprünglichen Bedingungen des Leasingvertrages war, kann der Leasinggeber schlussfolgern, dass die Stundung der Leasingzahlungen keine Änderung des Leasingverhältnisses darstellt, weil das Gesamtentgelt für den Leasingvertrag unverändert bleibt.
Der Leasinggeber eines Operating-Leasingverhältnisses wird die fälligen nominalen Zahlungen weiterhin über die Laufzeit des Leasingvertrags auf derselben Grundlage wie vor der Änderung bilanzieren (was bei Operating-Leasingverhältnissen in der Regel linear erfolgt), ohne die Auswirkungen des Zeitwerts des Geldes auf die damit verbundenen Einnahmen zu berücksichtigen. Im Umfang, in dem die Abgrenzungen jedoch zum Aufbau von aufgelaufenen Mietforderungen oder einem aktiven Rechnungsabgrenzungsposten in Bezug auf die lineare Erfassung der Miete führt, sollte der Leasinggeber dennoch die Einbringlichkeit der Leasingforderung nach dem Wertminderungsansatz gemäss IFRS 9 beurteilen.
Verzicht auf zukünftige Leasingzahlungen eines Operating-Leasingverhältnisses
Alle bis zu einem bestimmten Datum fälligen Mietzahlungen sind fristgerecht eingegangen. Ein Vermieter verzichtet freiwillig auf bestimmte Mietzahlungen, bevor diese fällig werden. Als Beispiel verzichtet der Vermieter am 30. Juni 2020 auf die zukünftigen Mieten für die Monate Juli, August und September 2020 als Ausgleich für die von der Regierung angeordnete Schliessung der Restaurants.
Der freiwillige Verzicht auf noch nicht fällige (und daher nicht als Forderungen ausgewiesene) Leasingzahlungen stellt eine Änderung des Leasingverhältnisses dar und ist zum Zeitpunkt des Zahlungsverzichts, d. h. am 30. Juni 2020, wie ein neues Leasingverhältnis zu bilanzieren. Der Verzicht wirkt sich auf den Gesamtbetrag der Gegenleistung aus, die der Leasinggeber über die Laufzeit des Leasingvertrags erhält, und wirkt sich somit auch auf die Höhe der Einnahmen aus, die der Leasinggeber linear über die Laufzeit des Leasingvertrags erfasst. Die Zeiträume, in denen vom Leasingnehmer keine Zahlungen geschuldet sind, ähneln einer vom Leasinggeber gewährten mietfreien Zeit, womit der Leasinggeber die zu verbuchende Gesamtmiete auf der Grundlage des revidierten Entgelts für die Restlaufzeit neu bemessen und den reduzierten Betrag weiterhin auf linearer Basis verteilt über die Restdauer des Leasingvertrags verbuchen kann.
Verzicht auf oder Reduzierung von früheren Leasingforderungen in einem Operating-Leasingverhältnis [3]
Ein Verzicht auf oder eine Reduzierung von früheren Leasingforderungen in einem Operating-Leasingverhältnis kann von einem Leasinggeber freiwillig oder aufgrund eines neuen Gesetzes gewährt werden. In einem solchen Fall hat der Leasinggeber während des Lockdown Mieteinnahmen verbucht (z. B. fällige Mietzahlungen für die Zeit von April bis Juni 2020), die anschliessend im August oder September 2020 erlassen oder infolge der Verabschiedung eines neuen Gesetzes reduziert werden. Dabei hat das Schweizer Parlament aufgrund der Motion vom Mai 2020 die Senkung der Mieten unter CHF 20 000 pro Monat für Restaurants und andere Geschäftsbetriebe, die im März vom Bundesrat geschlossen wurden, um 60% oder durch freiwillige/n Verzicht/Reduktion des Leasinggebers beschlossen.
In Erwartung der künftigen Inkraftsetzung dieses Gesetzes zu einem späteren Zeitpunkt im Jahr oder eines freiwilligen Verzichts des Leasinggebers hat der Leasingnehmer die Leasingzahlungen für den Zeitraum April bis Juni womöglich ausgesetzt. In der Zwischenberichterstattung zum 30. Juni 2020 sollte der Leasinggeber eine Bewertung der Einbringlichkeit der Leasingforderung vornehmen und diese möglicherweise (teilweise) wertmindern, falls er erwartet, den ausstehenden Betrag nicht (vollständig) zu erhalten.
IFRS 16 enthält keine klare Regelung, wie der im August oder September 2020 gewährte nachträgliche Verzicht bzw. die nachträgliche Reduzierung zu bilanzieren ist, und es gibt verschiedene Ansichten darüber, wie eine angemessene Bilanzierung aussehen könnte. Aufgrund der fehlenden spezifischen Grundsätze könnten in der Praxis bei der Zwischenberichterstattung zum 30. September 2020 unterschiedliche
Bilanzierungsmethoden angewandt werden. Die Unternehmen sollten ihre
Bilanzierungsmethode wählen und diese konsequent auf Änderungen von Verträgen mit ähnlichen Charakteristiken und unter vergleichbaren Umständen anwenden.
Ein möglicher Ansatz ist, die Mietkonzession als Änderung des Leasingverhältnisses zu behandeln. Der Leasinggeber würde die Modifikation ab dem Datum des Inkrafttretens
der Änderung (August oder September 2020) als neuen Leasingvertrag behandeln, wobei der gewährte Verzicht (prospektiv) linear über die neue Leasingvertragslaufzeit verteilt wird. Somit könnte ein Leasinggeber Paragraf 87 von IFRS 16 befolgen, wonach eine Änderung des Operating- Leasingverhältnisses als neues Leasingverhältnis zu betrachten ist und alle «abgegrenzten Leasingzahlungen» (nach allen zum 30. Juni 2020 verbuchten Wertberichtigungen) als Teil der Leasingzahlungen für das neue Leasingverhältnis zu behandeln sind. Infolgedessen würde der Leasinggeber den bisher in der Bilanz ausgewiesenen Betrag für vertraglich fällige frühere Mietzahlungen nicht unmittelbar nach der Änderung des Leasingverhältnisses anpassen, aber er würde niedrigere Mieteinnahmen über die Restlaufzeit des Leasingvertrags realisieren.
Ein weiterer möglicher Ansatz könnte wie folgt aussehen: Der Leasinggeber verzichtete nicht auf seinen vertraglichen Anspruch auf die Leasingzahlungen für April bis Juni und verbuchte dementsprechend eine Leasingforderung für die ausstehenden Zahlungen. Der anschliessende Verzicht des Leasinggebers auf diese Leasingzahlungen würde bedeuten, dass der vertragliche Anspruch des Leasinggebers zu diesem Zeitpunkt erlischt, was zur Ausbuchung der Leasingforderung (oder des damit verbundenen Teils der Leasingforderung) führen würde [4]. Nach diesem Ansatz würde der Verzicht (soweit die Forderung am 30. Juni 2020 noch nicht wertberichtigt wurde) als Verlust in der Erfolgsrechnung verbucht mit einer entsprechenden Verringerung der Leasingforderung in der Periode, in der der Verzicht oder die Reduktion vertraglich vereinbart wurde.
Infolge von COVID-19 ist die Einbringlichkeit der Mieten bei einigen Operating-Leasingverhältnissen zunehmend unsicher geworden. Damit stellt sich die Frage, ob der Leasinggeber weiterhin die entsprechenden Leasingerträge ausweisen sollte.
Im Gegensatz zu anderen Standards, wie IFRS 15 «Erlöse aus Verträgen mit Kunden», bezieht sich IFRS 16 nicht auf die Einbringlichkeit, um zu bestimmen, ob (und wann) Leasingeinnahmen realisiert werden sollten. Daher werden in der Praxis unterschiedliche Ansätze zu beobachten sein. Der Leasinggeber kann weiterhin Einnahmen aus Operating-Leasingverhältnissen verbuchen, auch wenn diese möglicherweise nicht einbringbar sind, und die IFRS-9-Richtlinien zu Wertminderungen auf verbuchten Leasingforderungen anwenden.
Alternativ könnte der Leasinggeber die Leasingzahlungen nur in dem Umfang erfassen, in dem er sie als realisierbar einschätzt, um die hohe Unsicherheit in Bezug auf die Einbringlichkeit der vollständigen Leasingzahlungen zu berücksichtigen. Die Unternehmen sollten eine Bilanzierungsmethode wählen, die mit der Bilanzierungsmethode übereinstimmt, welche in der Vergangenheit in ähnlichen Fällen der Nichteinbringlichkeit angewandt wurde.
[1] Definiert als eine Änderung des Geltungsbereichs eines Leasingvertrags oder der Gegenleistung für einen Mietvertrag, die nicht Bestandteil der ursprünglichen Bedingungen des Leasingvertrags war.
[2] IFRS 16.87
[3] Vgl. Positionspapier‚ «Coronavirus and implications on Accounting: Considerations regarding lessor accounting for COVID-19-rent-concessions» vom 10. Juli 2020, herausgegeben von der Kommission für True and Fair View Rechnungslegung von Expertsuisse
[4] Diese Leasingforderung fällt in den Anwendungsbereich von IFRS 9 für die Zwecke der Ausbuchung und Wertminderung (IFRS 9.2.1(b)) und wird dementsprechend ausgebucht, wenn das vertragliche Anrechte auf die Zahlungsströme auslaufen (IFRS 9.3.2.3(a)).
David Baur
Partner and Leader Corporate Reporting Services, PwC Switzerland
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