Rechnungslegung Krypto-Assets

Bastian Stolzenberg Director, Blockchain Assurance, PwC Switzerland Jul 13, 2021

Krypto-Assets, einschliesslich Kryptowährungen wie etwa Bitcoin, haben in jüngster Zeit aufgrund ihres schnellen Wertzuwachses und ihrer Volatilität erhebliches Interesse geweckt. Da die Aktivitäten mit Krypto-Assets zunehmen, werden sie in vielen Ländern einer verstärkten Überprüfung durch die Aufsichtsbehörden unterzogen.

Es stellt sich die Frage, wie Tätigkeiten im Hinblick auf Ausgabe und Investitionen in verschiedene Arten von Krypto-Assets zu erfassen, bewerten und anzugeben sind. Da derzeit keine Rechnungslegungsstandards Krypto-Assets im Einzelnen behandeln, sind die bestehenden IFRS zu beachten und ein prinzipienorientierter Ansatz anzuwenden. In der vorliegenden Publikation werden einige der derzeit diskutierten rechnungslegungsbezogenen Themen erläutert sowie die nach unserer Auffassung verfügbaren Möglichkeiten, wie die IFRS angewandt werden könnten, diskutiert.

Die diskutierten Themenbereiche sind vielfältig und von einzelnen Sachverhalten und Umständen abhängig. Die Beispiele und Überlegungen veranschaulichen allgemeine Grundsätze, Transaktionen mit Krypto-Assets nehmen jedoch rasch zu und sind stetig Veränderungen unterworfen. Da sich Leitlinien und Praktiken in diesem Bereich gegenwärtig erst noch entwickeln, wird die vorliegende Publikation aktualisiert und erweitert werden, um weitere Bereiche von Interesse zu behandeln (wie etwa Krypto-Mining).

1. Hintergrund

Krypto-Assets sind übertragbare digitale Einheiten, die so gestaltet sind, dass Kopien oder Duplikate nicht möglich sind. Die Technologie, die der Übertragung von Krypto-Assets zugrunde liegt, wird als „Blockchain“ bzw. „Distributed Ledger“-Technologie bezeichnet. Eine „Blockchain” ist ein digitales dezentrales Kontenbuch („ledger“), in dem alle Transaktionen, die in einem Peer-to-Peer-Netzwerk stattfinden, aufgezeichnet werden und das die Verschlüsselung von Informationen ermöglicht. Krypto-Assets sowie deren zugrundeliegende Technologie bieten Möglichkeiten, eine Vielzahl an Objekten der „realen Welt“ zu digitalisieren. Die Vorteile der Digitalisierung (wie etwa Zugangs- und Übertragungsvereinfachung etc.) haben dazu geführt, dass sich Krypto-Assets zu einer Technologie entwickelten, die in zahlreiche Geschäftsbereiche hineindrängt.

Während es in den meisten Jurisdiktionen eine rechtliche Definition für Wertpapiere gibt, fehlt es an einer einheitlichen rechtlichen Definition für Krypto-Assets; allerdings gelten einige Krypto-Assets bei lokalen Aufsichtsbehörden rechtlich als Wertpapiere. Es ist zu beachten, dass es unterschiedliche Teilgruppen von Krypto-Assets gibt. Die Bezeichnung Krypto-Assets wird für eine Vielzahl an Zwecken verwendet, u. a. als Tauschmittel, als Medium der Bereitstellung eines Zugangs zu Blockchain-basierten Gütern oder Dienstleistungen und als Weg der Mittelbeschaffung für Unternehmen, die Tätigkeiten in diesem Bereich entwickeln.

Eine der bekanntesten Teilgruppen von Krypto-Assets sind Kryptowährungen, die mehrheitlich als Tauschmittel verwendet werden und durchaus einige gemeinsame Eigenschaften mit traditionellen Währungen aufweisen. Die bekannteste Kryptowährung ist Bitcoin. Allerdings entwickeln sich die Märkte schnell und wir stellen Ihnen in dieser Publikation auch andere Arten von Krypto-Assets dar.

Diese transformativen Technologien wurden auch von den Standardsettern zur Kenntnis genommen. Das Thema digitale Währungen („digital currencies“) wurde 2015 im Rahmen der Agenda-Konsultation des IASB als potentielles neues Projekt identifiziert. Der IASB hat jedoch entschieden, nicht sofort tätig zu werden, sondern die Entwicklungen weiter zu beobachten.

Als Teil dieses Prozesses diskutierte das Accounting Standards Advisory Forum (ASAF), ein Beratungsgremium der IFRS Foundation, bestehend aus Vertretern nationaler und internationaler Rechnungslegungs-Standardsetter, das Thema digitale Währungen anlässlich eines Meetings im Dezember 2016. Die Debatte hatte die Klassifizierung eines Krypto-Assets aus Sicht des Halters zum Schwerpunkt. Die Gespräche wurden in verschiedenen Rechnungslegungsgremien fortgesetzt, der IASB hat bis zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine formellen Leitlinien hierzu veröffentlicht.

Beim Board-Meeting im Juli 2018 kam der IASB überein, das IFRS IC mit der Entwicklung von Leitlinien zur Bilanzierung von Transaktionen zu ersuchen, die Kryptowährungen beinhalten, möglicherweise in Form einer Agenda-Entscheidung, wie Unternehmen die bestehenden Anforderungen der IFRS erfüllen könnten.

Im Juni 2019 veröffentlichte das IFRS IC eine Agenda-Entscheidung zu “Holdings of Cryptocurrencies“. Das IFRS IC definiert Kryptowährungen anhand der folgenden Merkmale:

  • eine digitale oder virtuelle Währung auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie und kryptografischen Sicherheitsmerkmalen;
  • keine zentrale Ausgabe durch eine staatliche bzw. behördliche Instanz oder eine andere Partei; und
  • führt nicht zu einem Vertrag zwischen dem Besitzer und der Gegenseite.

Das IFRS IC kam zu dem Schluss, dass IAS 2 “Vorräte“ auf solche Vermögenswerte anzuwenden ist, wenn sie zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Wenn IAS 2 nicht anwendbar ist, wendet ein Unternehmen IAS 38 "Immaterielle Vermögenswerte" auf Bestände von Kryptowährungen an.

Viele Bereiche sind stark ermessensbehaftet und erfordern weitere Untersuchungen im Zuge der Weiterentwicklung von Technologien und Märkten sowie der Etablierung von Bilanzierungsrichtlinien in den Unternehmen. Für einige Themen gibt es derzeit noch keine einheitlichen oder endgültigen Antworten.

2. Häufig verwendete Bezeichnungen

In der vorliegenden Publikation werden einige im Hinblick auf Krypto-Assets verwendete Bezeichnungen genutzt. Dieser Abschnitt erläutert diese Bezeichnungen.

Coin/Token

Ein Krypto-Asset kann als Token oder als Coin beschrieben werden. Der Unterschied beruht auf der Funktionalität des Vermögenswerts; in der Praxis können die Begriffe jedoch synonym verwendet werden, da keine universell akzeptierte Definition von beiden Bezeichnungen existiert.

Derzeit bezeichnet der Begriff „Coin“ im Allgemeinen ein Krypto-Asset, dessen ausdrücklicher Zweck einzig in seiner Funktion als Tauschmittel liegt, während „Token“ einen Vermögenswert bezeichnet, der dem Inhaber zusätzliche Funktionalität bzw. Nutzen verleiht. Die durch einen „Token“ übertragenen Rechte werden üblicherweise von der ausgebenden Organisation in einem “Whitepaper” oder ähnlichen Dokument festgelegt.

Whitepaper

Ein Whitepaper ist ein von den Entwicklern einer Plattform erstelltes Konzeptpapier zur Darlegung einer Idee und eines Leistungsversprechens für potentielle Investoren. Das Whitepaper beschreibt im Allgemeinen eine Entwicklungs-Roadmap und die wichtigsten Meilensteine, die das Entwicklungsteam voraussichtlich erreichen wird.

Plattform

Der Begriff Plattform bezeichnet die Software, die für deren Nutzer einen Nutzen bzw. Leistungen erbringt. Zur Nutzung der Software müssen Nutzer einen bestimmten Coin oder Token verwenden.

Initial Coin Offering

Initial Coin Offerings oder „ICOs“ sind zu einem gängigen Mittel für Entwickler geworden, Blockchain-Tokens oder Coins an Investoren zu verkaufen. Bei der Durchführung eines ICO erhält der Emittent eine Gegenleistung in Form von Barmitteln oder eines anderen Krypto-Assets (üblicherweise eine Kryptowährung wie beispielsweise Bitcoin). Im Austausch dafür kann der Emittent etwa einen digitalen Token an die Parteien ausgeben (bzw. dessen Ausgabe zusagen), die zur Entwicklung des digitalen Tokens beigetragen haben.

Es gilt zu beachten, dass ICOs möglicherweise lokalen Wertpapiergesetzen unterliegen und daher ggf. signifikante (aufsichts-)rechtliche Überlegungen zur Geltung kommen können.

Rechengeld/fiat money

Rechengeld („fiat money“) bezeichnet Papiergeld oder Münzen von geringem bzw. ohne inneren Wert, das nicht in Gold oder Silber getauscht, jedoch durch Anordnung einer Regierung als gesetzliches Zahlungsmittel (wie etwa US-Dollar oder Euro) eingesetzt werden kann.

3. Relevante Eigenschaften zu Rechnungslegungszwecken

Um festzustellen, welcher Rechnungslegungsstandard anwendbar ist und um die zugehörigen Rechnungslegungsfragen zu diskutieren, ist es hilfreich, Krypto-Assets gemäss ihren Eigenschaften in definierte Teilgruppen zu klassifizieren.

Derzeit existiert kein allgemein anerkanntes Rahmenwerk für die Klassifizierung verschiedener Krypto-Assets. Daher gibt es folglich auch keine allgemein angewandte Definition für ein Krypto-Asset. Dies bildet jedoch durchaus die breite Vielfalt der Eigenschaften und die Individualität der einzelnen Transaktionen in der Praxis ab. Basierend auf unseren Erkenntnissen aus der Praxis gibt es jedoch einige Eigenschaften, die zur Klassifizierung von Krypto-Assets in ähnliche Kategorien verwendet werden können. Wir sind der Auffassung, dass Krypto-Assets, die ähnlichen Kategorien zugeordnet werden können, auch auf ähnliche Weise zu bilanzieren sind.

Zu den von uns beobachteten Eigenschaften, die für die Klassifizierung von Krypto-Assets zu Rechnungslegungszwecken massgeblich sind, zählen:

  • Der Hauptzweck des Krypto-Assets und
  • Wie der Krypto-Asset seinen inneren Wert ableitet.

Es existieren noch viele andere Eigenschaften, wir erachten diese jedoch nicht als derart grundlegend, um eine gemeinsame bilanzielle Behandlung zu bestimmen.

Basierend auf den vorstehend aufgezählten Eigenschaften werden in der nachstehenden Tabelle vier einzelne Teilgruppen von Krypto-Assets definiert:

Teilgruppe Zweck Innerer Wert
Kryptowährung Kryptowährungen sind digitale Token oder Coins auf Basis der Blockchain-Technologie, wie etwa Bitcoin. Sie wirken derzeit unabhängig von Zentralbanken und sollen als Tauschmittel fungieren. Keiner –Wert leitet sich aufgrund von Angebot und Nachfrage ab.
Asset-backed Token Ein Asset-backed Token, so wie etwa ein in Abschnitt 6 beschriebener Stablecoin, ist ein digitaler Token, basierend auf der Blockchain-Technologie, der seinen Wert nicht aus der Blockchain ableitet, sondern das Eigentum an einem physischen Vermögenswert repräsentiert (beispielsweise natürliche Ressourcen, wie Gold oder Öl). Leitet seinen Wert aus dem zugrunde liegenden Vermögenswert ab.
Utility Token Utility Token sind digitale Token auf Basis der Blockchain-Technologie, die Nutzern Zugang zu einem Produkt oder einer Dienstleistung gewähren und seinen Wert aus diesem Recht ableiten. Utility Token verleihen Inhabern kein Eigentum an der Plattform oder den Vermögenswerten eines Unternehmens; obgleich sie zwischen Inhabern gehandelt werden können, dienen sie nicht in erster Linie als Tauschmittel. Der Wert wird aus der Nachfrage nach Produkt oder Dienstleistung des Emittenten abgeleitet.
Security Token Security Token sind digitale Token auf Basis der Blockchain-Technologie, die ihrer Art nach traditionellen Wertpapieren ähneln. Sie können einen wirtschaftlichen Anteil an einem Rechtsträger verleihen: etwa das Recht auf Erhalt von Barmitteln oder sonstigen finanziellen Vermögenswerten, entweder nach Ermessen oder verpflichtend; oder die Möglichkeit der Ausübung von Stimmrechten bei Entscheidungen des Unternehmens und/oder der Erhalt eines Residualanteils am Unternehmen. Der Wert wird aus dem Erfolg des Unternehmens abgeleitet, da der Inhaber der Token Anteile am zukünftigen Ergebnis in bar oder einen sonstigen finanziellen Vermögenswert erhält.

Es ist zu beachten, dass einige Krypto-Assets möglicherweise Elemente von zwei oder mehr der identifizierten Teilgruppen beinhalten. Dabei handelt es sich dann um hybride Krypto-Assets, die im Folgenden weiter zu beurteilen wären. Das vorliegende Dokument befasst sich mit Krypto-Assets, die einfache bzw. klar abgegrenzte Eigenschaften aufweisen und nicht mit hybriden Token.

PwC-Anmerkungen

Vor der Bestimmung der bilanziellen Abbildung einer Transaktion aus Sicht des Emittenten oder des Eigentümers ist es wichtig, Zweck und Nutzen des Krypto-Assets zu verstehen. Es gibt eine Vielzahl an Rechten und Pflichten im Zusammenhang mit Krypto-Assets. Das Whitepaper kann Erkenntnisse über die Modalitäten bzw. Eigenschaften des Krypto-Assets liefern, die zu Unterschieden im angewandten Bilanzierungsmodell führen können.

1. Allgemeine Beobachtungen

Die IFRS beinhalten keine konkreten Regelungen zur Bilanzierung von Krypto-Assets und auch in der Praxis wird dies gegenwärtig nicht einheitlich gehandhabt, so dass die Bilanzierung von Krypto-Assets in den Anwendungsbereich vieler verschiedener Standards fallen könnte. Ausserdem sollte das Ziel des Unternehmens bzw. der Zweck im Hinblick auf das Halten der Krypto-Assets bei der Bestimmung des Bilanzierungsmodells berücksichtigt werden. Nachstehend erfolgt eine Untersuchung der Rechnungslegungsstandards und anderer Faktoren, die für die unterschiedlichen Teilgruppen der Krypto-Assets massgeblich sein können.

2. Auf eigene Rechnung gehaltene Kryptowährungen

2.1. Anwendbarer Standard

Bei den Überlegungen zur Bilanzierung von Kryptowährungen, die auf eigene Rechnung gehalten werden, sind verschiedene Standards zu analysieren.

Bargeld oder Währung

Die IFRS umfassen keine ausdrückliche Definition der Begriffe „Bargeld“ oder „Währung“. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Begriffe „Bargeld“ und „Währung“ zu Rechnungslegungszwecken austauschbar sind. IAS 32 „Finanzinstrumente: Darstellung“ stellt eine Verbindung zwischen Währung und Bargeld her und IAS 21 „Auswirkungen von Wechselkursänderungen“, verknüpft Bargeld, Währung und monetäre Posten.

Um zu bestimmen, ob Kryptowährungen als Bargeld oder als Währung gelten könnten, sind Ermessensentscheidungen erforderlich.

Einige der gemeinsamen Eigenschaften von Bargeld und Währung weisen Kryptowährungen nicht auf, insbesondere:

  • Kryptowährungen sind kein gesetzliches Zahlungsmittel und werden mehrheitlich nicht von Regierungen oder Ländern ausgegeben oder besichert und
  • Kryptowährungen sind derzeit nicht in der Lage, unmittelbar Preise für Güter und Dienstleistungen festzulegen. Anders ausgedrückt: Kryptowährungen werden möglicherweise zur Begleichung bestimmter Transaktionen akzeptiert, sie sind jedoch im Regelfall nicht direkt mit der Preisfestlegung für Güter oder Dienstleistungen verbunden.

Bei der Beurteilung einer Kryptowährung kommt es demnach auf die Umstände des Einzelfalls an. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels (Juli 2021) sehen wir, dass einige Zentralbanken Pilotprojekte zur Nutzung von digitalem Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currency, CBDC) durchführen. Digitales Zentralbankgeld wird näher in Abschnitt 6 behandelt.

Finanzieller Vermögenswert – ausser Bargeld

Das Halten einer Einheit einer Kryptowährung verleiht üblicherweise dem Inhaber weder ein vertragliches Recht, Bargeld oder andere finanzielle Vermögenswerte zu erlangen, noch entsteht die Kryptowährung infolge einer Vertragsbeziehung. Des Weiteren verleihen Kryptowährungen Inhabern keine Rechte an Residualanteilen an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller Verbindlichkeiten. Wie in Abschnitt 6 weiter ausgeführt, können Stablecoins die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllen. Unternehmen, die derartige Einheiten halten, müssen jedoch die vertraglichen Bestimmungen der Krypto-Assets genau untersuchen, da hier im Einzelfall Unterschiede zwischen verschiedenen Stablecoins bestehen.

Sachanlagen

Kryptowährungen fallen nicht in den Anwendungsbereich von IAS 16 „Sachanlagen“, da sie keine materiellen Posten darstellen.

Vorräte

IAS 2 „Vorräte“ verlangt nicht die Vorhaltung von Vorräten explizit in physischer Form, sondern in Form von Vermögenswerten, die zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Eine Bilanzierung von Kryptowährung als Vorräte kann somit in Betracht kommen, wenn ein Unternehmen im normalen Geschäftsgang Kryptowährungen zum Verkauf hält. Ein Unternehmen, das aktiv mit Kryptowährungen handelt, sie mit baldiger Weiterveräußerungsabsicht erwirbt und aus Schwankungen der Preise oder Händlermargen einen Gewinn erwirtschaftet, könnte gegebenenfalls die Regelungen des IAS 2 für Commodity Broker-Traders (Warenmakler/-händler) anwenden.

Hält das Unternehmen Kryptowährungen jedoch über längere Zeiträume zu Investitionszwecken (d. h. zur Kapitalwertsteigerung), wäre die Definition von Vorräten eher nicht erfüllt.

PwC-Anmerkungen

Wenn bestimmt wird, dass eine Bilanzierung als Vorräte aufgrund des Geschäftsmodells des Unternehmens sachgerecht ist, würden die Vorräte üblicherweise zum niedrigeren Wert aus Anschaffungskosten und Nettoveräusserungswert bewertet. Ein Unternehmen, das Kryptowährungen zur Veräusserung in naher Zukunft hält und aus Fluktuationen der Preise oder Händlermargen einen Gewinn erwirtschaftet, könnte die Befreiungsregel für „Commodity-Broker-Traders“ gemäss IAS 2 anwenden. Der Begriff „Commodity“ ist in IAS 2 nicht definiert, jedoch würde ein Broker-Trader, der zu dem Schluss kommt, dass eine gehaltene Kryptowährung eine Commodity ist, die Bestände zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Verkaufskosten bemessen, und die Änderungen des beizulegenden Zeitwerts im Gewinn oder Verlust erfassen.

Immaterieller Vermögenswert

Erfüllt eine Kryptowährung keine der Definitionen der vorstehenden Kategorien, so fällt sie ggf. unter Erwägung der nachstehenden Gründe als immaterieller Vermögenswert in den Anwendungsbereich von IAS 38 “Immaterielle Vermögenswerte”:

  • Bei der Kryptowährung handelt sich um eine Ressource, die aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit von einem Unternehmen beherrscht wird (d. h., das Unternehmen hat die Verfügungsmacht, den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögenswert zu erlangen und diesen Nutzen für andere einzuschränken) und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen durch sie künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufliesst.
  • Die Kryptowährung ist identifizierbar, da sie einzeln verkauft, getauscht oder übertragen werden kann.
  • Die Kryptowährung stellt keinen monetären Vermögenswert dar und
  • Die Kryptowährung weist keine physische Form auf.

IAS 38 gilt für alle immateriellen Vermögenswerte, mit Ausnahme solcher, die ausdrücklich aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen sind, wie etwa Vorräte.

2.2. Überlegungen zur Bewertung

Die vorstehende Analyse legt nahe, dass Kryptowährungen in den Anwendungsbereich unterschiedlicher Standards fallen können. Die nachstehende Übersicht fasst die unterschiedlichen Klassifizierungsalternativen und die zugehörigen Überlegungen zur Bewertung zusammen:

Anwendbarer Standard Erstmalige Bewertung Folgebewertung Erfassung von Veränderungen des Buchwerts

Vorräte (IAS 2) – Sonstige

Anschaffungs-/Herstellungs-kosten Niedrigerer Wert aus Anschaffungskosten und Nettoveräusserungswert

Erhöhung über die Anschaffungs-kosten – N/A Verminderung unter die Anschaffungskosten – im Gewinn und Verlust

Vorräte (IAS 2) – Ausnahmeregelung für Commodity Broker-Trader

Anschaffungs-/Herstellungs-kosten Beizulegender Zeitwert abzüglich Veräusserungs-kosten Im Gewinn und Verlust

Immaterielle Vermögenswerte (IAS 38) – Neubewertungsmodell (Bilanzierungswahlrecht bei Vorliegen eines aktiven Markts)

Anschaffungs-/Herstellungs-kosten Beizulegender Zeitwert abzüglich kumulierter Abschreibungen und Wertminderungen*

Erhöhung über die Anschaffungskosten – Im sonstigen Ergebnis Verminderung unter die Anschaffungskosten – Im Gewinn und Verlust

Immaterielle Vermögenswerte (IAS 38) – Anschaffungskosten-modell

Anschaffungs-/Herstellungs-kosten Anschaffungskosten abzüglich kumulierter Abschreibungen und Wertminderungen*

Erhöhung über die Anschaffungskosten – N/A Verminderung unter die Anschaffungskosten – Im Gewinn und Verlust

* In den meisten Fällen sollten für Kryptowährungen keine planmässigen Abschreibungen erwartet werden.

PwC-Anmerkungen

Die Bandbreite an möglichen Klassifizierungen sowie die zugehörigen Bewertungsfragen weisen auf die Bedeutung hin, Art und Eigenschaften der Kryptowährung sowie das Geschäftsmodell des jeweiligen Unternehmens zu verstehen. Dadurch erhöht sich die Bedeutung, spezifische Rechnungslegungsmethoden anzuwenden und deren durchgängige Anwendung auf ähnliche Transaktionen sicherzustellen sowie angemessene Angaben zu machen. Kann ein Unternehmen das Vorliegen eines eindeutig zu unterscheidenden Portfolios ähnlicher Vermögenswerte nachweisen, die zu unterschiedlichen Zwecken gehalten werden, könnten innerhalb des Unternehmens unterschiedliche Behandlungen denkbar sein.

3. Auf eigene Rechnung gehaltene Krypto-Assets (ohne Kryptowährungen)

3.1. Anwendbarer Standard

Ein ähnlicher Gedankengang wie zuvor gilt, wenn die Bilanzierung von Krypto-Assets, in Abgrenzung zu Kryptowährungen, betrachtet wird. Solche Krypto-Assets umfassen Security Token, Asset-Backed Token und Utility Token (zusammen als “Krypto-Token” bezeichnet), die ein Unternehmen auf eigene Rechnung hält.

Bargeld oder Währung

Krypto-Token werden nicht als Allzweck-Tauschmittel begeben, sondern verleihen Inhabern bestimmte Rechte, unter anderem Rechte auf Güter oder Dienstleistungen oder bestimmte physische Basis-Vermögenswerte.

Ermessensbehaftete Einschätzungen sind erforderlich, um zu bestimmen, ob Krypto-Token als Bargeld oder Währung gelten können. Da Krypto-Token im Allgemeinen jedoch nicht die Eigenschaften von Bargeld aufweisen (im vorstehenden Abschnitt 2.1 beschrieben), ist es unwahrscheinlich, dass sie im Rahmen der IFRS als Bargeld oder als Währung gelten.

Finanzieller Vermögenswert (exkl. Bargeld)

Bestimmte Krypto-Token verleihen dem Inhaber Rechte, künftig Bargeld oder einen finanziellen Vermögenswert zu erhalten. Diese Rechte können auf zukünftigen Ergebnissen einer Plattform, einem Residualanteil am Nettovermögen oder dem Wert eines Basis-Vermögenswerts basieren. Weitere Analysen sind jedoch erforderlich, um festzustellen, ob solche Rechte und Pflichten auch rechtlich durchsetzbar sind, da finanzielle Vermögenswerte ausschliesslich aus rechtlich durchsetzbaren Vertragsbeziehungen entstehen können.

Krypto-Token erfüllen die Definition eines finanziellen Vermögenswerts nicht, es sei denn, sie verleihen dem Inhaber ein Recht auf Bargeld oder einen sonstigen finanziellen Vermögenswert. Wie in Abschnitt 6 weiter ausgeführt, können bestimmte Stablecoins die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllen. Unternehmen, die derartige Einheiten halten, müssen jedoch die vertraglichen Bestimmungen der Krypto-Assets genau untersuchen, da hier im Einzelfall Unterschiede zwischen verschiedenen Stablecoins bestehen.

Für die Klassifizierung und Bewertung von Krypto-Token, die die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllen, haben Unternehmen die Leitlinien in IFRS 9 “Finanzinstrumente” zu beachten.

Sachanlagen

Krypto-Assets fallen nicht in den Anwendungsbereich von IAS 16 „Sachanlagen“, da sie keine materiellen Posten darstellen.

Vorräte

IAS 2 „Vorräte“ verlangt nicht die Vorhaltung von Vorräten in physischer Form, sondern in Form von Vermögenswerten, die zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Eine Bilanzierung von Krypto-Assets als Vorräte kann somit in Betracht kommen, wenn ein Unternehmen im normalen Geschäftsgang Krypto-Assets zur Veräusserung hält. Ein Unternehmen, das aktiv mit Krypto-Assets handelt, sie mit baldiger Weiterveräusserungsabsicht erwirbt und aus Schwankungen der Preise oder Händlermargen einen Gewinn erwirtschaftet, könnte gegebenenfalls die Regelungen des IAS 2 für Commodity Broker-Traders anwenden.

Hält das Unternehmen Krypto-Token jedoch über längere Zeiträume zu Investitionszwecken (d. h. zur Kapitalwertsteigerung), wäre die Definition von Vorräten wahrscheinlich nicht erfüllt.

Bewertungsleitlinien für Krypto-Token, die die Definition von Vorräten erfüllen, sind im vorstehenden Abschnitt 2. aufgeführt.

Immaterieller Vermögenswert

Abhängig von den mit einem Krypto-Token verbundenen Rechten könnte potentiell auch die Definition eines immateriellen Vermögenswerts gemäss IAS 38 erfüllt sein, wenn:

  • es sich bei dem Krypto-Token um eine Ressource handelt, die aufgrund von Ereignissen in der Vergangenheit von einem Unternehmen beherrscht wird (das Unternehmen hat die Verfügungsmacht, den wirtschaftlichen Nutzen aus dem Vermögenswert zu erlangen und diesen Nutzen für Andere einzuschränken) und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen durch sie künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufliesst,
  • der Krypto-Token identifizierbar ist, da er einzeln verkauft, getauscht oder übertragen werden kann,
  • der Krypto-Token kein Bargeld oder einen monetären Vermögenswert darstellt und
  • der Krypto-Token keine physische Form aufweist.

IAS 38 ist auf alle immateriellen Vermögenswerte anwendbar, es sei denn, diese sind ausdrücklich von seinem Anwendungsbereich ausgeschlossen, wie beispielsweise Vorräte.

Bewertungsleitlinien für Krypto-Token, die die Definition von immateriellen Vermögenswerten erfüllen, sind im vorstehenden Abschnitt 2. aufgeführt.

Vorauszahlung

Krypto-Token können dem Inhaber ein Recht auf zukünftige Güter oder Dienstleistungen verleihen. Solche Token stellen eine Vorauszahlung auf zukünftige Güter oder Dienstleistungen dar. Hierbei könnte die Definition eines immateriellen Vermögenswerts erfüllt sein und somit IAS 38 anwendbar sein.

Wenn die Definition eines immateriellen Vermögenswerts nicht erfüllt ist, erfolgt eine Bilanzierung vergleichbar zu sonstigen Vorauszahlungen.

Die Bewertungsleitlinien für Krypto-Token, die die Definition von immateriellen Vermögenswerten erfüllen, sind im vorstehenden Abschnitt 2. aufgeführt.

Basiswerte

In einigen Situationen verleihen Krypto-Token dem Inhaber Anteile an Basiswerten. Dabei kann es sich um Rohstoffe (wie etwa Gold oder Öl), immaterielle Vermögenswerte (beispielsweise Lizenzen oder Patente), Kunstwerke oder Immobilien handeln. Während einige Asset-Backed Token einen realen Anspruch auf den Wert selbst darstellen, besteht bei anderen nicht die Möglichkeit, den tatsächlichen Basiswert einzulösen.

Wenn der Krypto-Token ein vertragliches Recht zur Erlangung des Gegenwerts des Basiswerts in bar darstellt, könnte die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllt sein. Stellt der Krypto-Token einen Anspruch auf den Wert selbst dar, könnte er in ähnlicher Weise wie der Basiswert bilanziert werden.

Krypto-Token, die auf ähnliche Weise wie der Basiswert bilanziert werden, sind gemäss dem für den Basiswert relevanten Standard zu bewerten.

3.2. Anwendung auf Kategorien von Krypto-Token

Wird der vorstehende Gedankengang auf die in Abschnitt 1.3 beschriebenen Kategorien an Krypto-Token angewandt, können die allgemeinen Beobachtungen wie folgt zusammengefasst werden:

1. Krypto-Token mit den Eigenschaften von Asset-Backed Token

Asset-Backed Token können dem Inhaber einen Anspruch auf einen Basiswert verleihen. Solche Token werden zur Übertragung des Eigentums an den Basiswerten genutzt, ohne diese physisch zu bewegen. Es ist ein Mittel, Geschäfte mit Basiswerten zu geringen Kosten zu tätigen. Infolgedessen wird die Bilanzierung wahrscheinlich durch die Art des Basiswerts und den relevanten Rechnungslegungsgrundsatz bestimmt.

2. Krypto-Token mit den Eigenschaften von Utility Token

Utility Token verleihen dem Inhaber üblicherweise einen Anspruch auf zukünftige Güter oder Dienstleistungen. Solche Token stellen eine Vorauszahlung auf Güter oder Dienstleistungen dar. Hierbei könnte die Definition eines immateriellen Vermögenswerts erfüllt sein und somit IAS 38 anwendbar sein. Wenn die Definition eines immateriellen Vermögenswerts nicht erfüllt ist, erfolgt eine Bilanzierung vergleichbar zu sonstigen Vorauszahlungen.

3. Krypto-Token mit den Eigenschaften von Security Token

Security Token können dem Inhaber einen Anspruch auf Bargeld aufgrund der zukünftigen Gewinne bzw. auf einen Residualanteil am Nettovermögen der Plattform verleihen. Diese Rechte können fakultativ oder obligatorisch sein und gehen gegebenenfalls mit einem Stimmrecht einher, das Einfluss auf Entscheidungen im Hinblick auf die Basisplattform gewährt. Unter diesen Umständen könnte ein vertragliches Recht auf Bargeld oder einen anderen finanziellen Vermögenswert vorliegen. Entsprechend würden diese Security Token die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllen, der in den Anwendungsbereich von IFRS 9 fällt.

4. Krypto-Token mit hybriden Eigenschaften

Krypto-Token mit Elementen aus zwei oder mehreren Teilgruppen bedürfen der weitergehenden Analyse und erfordern Ermessensentscheidungen zur Bestimmung der anwendbaren bilanziellen Behandlung. Zu berücksichtigende Faktoren umfassen die Wechselbeziehung von Vertragsklauseln sowie deren Gehalt und Relevanz im Zusammenhang mit den allgemeinen Eigenschaften des Token.

4. Für Dritte gehaltene Krypto-Assets

4.1 Beobachtungen in der Praxis und resultierende Herausforderungen

Ein Unternehmen könnte auch Krypto-Assets für seine Kunden halten. Beispiele hierfür sind:

  • Ein Unternehmen, das eine Handelsplattform betreibt, auf der ihren Kunden der Tausch verschiedener Krypto-Assets oder der Tausch einer Fiat-Währung gegen ein Krypto-Asset ermöglicht wird.
  • Ein Unternehmen (wie etwa eine Bank oder ein ähnlicher Finanzdienstleister), das für die Krypto-Assets seiner Kunden Verwahrdienstleistungen anbietet. In diesem Fall hinterlegen die Kunden beim Unternehmen aus Sicherheitsgründen Krypto-Assets zur Verwahrung.

Die Haltevereinbarungen für solche Krypto-Assets unterscheiden sich. In den meisten Fällen gibt es einen Hinweis (wie etwa einen Vertrag oder eine Aussage in einem Whitepaper) darauf, dass das Krypto-Asset für Kunden gehalten wird, und wonach festgelegt ist, was Kunden zu tun haben, um Zugriff auf das Krypto-Asset zu erhalten oder dieses zu nutzen. Die weiteren Merkmale der Vereinbarungen können sich unterscheiden, u. a. durch folgende Faktoren; dabei handelt es sich jedoch nicht um eine abschliessende Aufzählung:

  • Die Möglichkeit des Unternehmens, die Krypto-Assets zu eigenen Zwecken „auszuleihen“. Selbst wenn ein solches Recht in den Vereinbarungen mit Kunden nicht ausdrücklich vermerkt ist, könnte es – in Abhängigkeit vom Ausmass der Abgrenzung von den Vermögenswerten der Kunden (siehe weiter unten) – implizit enthalten sein.
  • Das Ausmass der Abgrenzung der Krypto-Assets „im Besitz“ des Unternehmens von den für Kunden gehaltenen Krypto-Assets.
  • Die Ansprüche von Kunden im Fall einer Abwicklung des Unternehmens, die unterschiedlich bzw. unklar sein können. Kunden könnten den Status nicht bevorrechtigter Gläubiger einnehmen, ohne Vorrecht auf die vom Unternehmen für Kunden gehaltenen Krypto-Assets.
  • Die Sicherheit der Vermögenswerte. Für Kunden gehaltene Krypto-Assets können entweder in einer “Hot Wallet” (mit dem Internet verbunden), einer “Cold Wallet” (nicht mit dem Internet verbunden und mit erschwertem Zugriff) oder einer “Warm Wallet” (nicht mit dem Internet verbunden, aber über Hardware-Nutzung mit einfacherem Zugriff) verwahrt werden. Der Kunde bzw. das Unternehmen könnten den geheimen Schlüssel zur Wallet innehaben und in der Lage sein, ihn zu nutzen.
  • Das Ausmass, in dem die Börse/das Unternehmen/der Kunde in der Lage ist, einzelne veruntreute Krypto-Assets über die Blockchain-Technologie zu identifizieren.
  • Ob für Dritte gehaltene Vermögenswerte auf einem Konto/in der Wallet des Unternehmens/in der Wallet eines Dritten verwahrt werden.
  • Die massgeblichen Gesetze bzw. Vorschriften bezüglich der für Dritte gehaltenen Krypto-Assets oder in einigen Fällen die Tatsache, ob es spezifische Gesetze und Vorschriften für solche Krypto-Assets gibt.
  • Der Umfang, in dem Rechte und Pflichten der Parteien unklar oder vertraglich nicht durchsetzbar sind (beispielsweise, wenn sie in einem Whitepaper enthalten sind). Zur Etablierung dieser Rechte und Pflichten müssen möglicherweise externe juristische Gutachten herangezogen werden, die letztendlich gegebenenfalls keine schlüssigen Nachweise ergeben.

Die zentrale Frage der Rechnungslegung besteht darin, ob gemäss IFRS solche Bestände an für Kunden gehaltenen Krypto-Assets in oder ausserhalb der Bilanz anzusetzen sind.

4.2. Bei der Bestimmung der bilanziellen Behandlung zu berücksichtigende Faktoren

In den IFRS ist nicht unmittelbar geregelt, ob das Halten von Krypto-Assets für Dritte in der Bilanz eines Unternehmens darzustellen ist. Wir sind der Auffassung, dass solche Unternehmen die allgemeinen Leitlinien von IAS 8“‘Rechnungslegungsmethoden, Änderungen von rechnungslegungsbezogenen Schätzungen und Fehler“ in Betracht ziehen sollten, um eine Rechnungslegungsmethode für derartige Vermögenswerte zu entwickeln.

Dies verlangt die Berücksichtigung bestehender IFRS, die sich mit ähnlichen bzw. damit verbundenen Themen befassen, sowie der Definitionen im Rahmenkonzept der IFRS.

Das Rahmenkonzept definiert Vermögenswerte und Verbindlichkeiten wie folgt:

„Ein Vermögenswert ist eine gegenwärtige wirtschaftliche Ressource, die aufgrund eines Ergebnisses von Ereignissen in der Vergangenheit in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht. Eine wirtschaftliche Ressource ist ein Recht, das das Potenzial in sich birgt, künftig wirtschaftlichen Nutzen zu generieren.“ „Eine Verbindlichkeit ist eine gegenwärtige Verpflichtung des Unternehmens, eine wirtschaftliche Ressource aufgrund eines Ergebnisses von Ereignissen in der Vergangenheit zu übertragen.“

Bei der Bestimmung, ob ein Vermögenswert und eine Verbindlichkeit in der Bilanz des Unternehmens, das die Krypto-Assets für seine Kunden hält, anzusetzen sind, berücksichtigt ein Unternehmen,

  • ob es das Recht hat (explizit oder implizit), die Krypto-Assets „auszuleihen“, um diese für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Falls das Unternehmen ein solches Recht besitzt, scheint die oben angegebene Definition eines Vermögenswerts erfüllt zu sein.
  • die Rechte der Kunden an den für sie gehaltenen Krypto-Assets im Fall einer Abwicklung des Unternehmens. Insbesondere, wenn Kunden den Status ungesicherter Gläubiger hätten, d. h. ohne bevorrechtigten Anspruch auf die Krypto-Assets, die von dem Unternehmen für die Kunden gehalten werden, ist dies ein starkes Indiz dafür, dass die Krypto-Assets und die entsprechende Verbindlichkeit in der Bilanz erfasst werden sollten, weil die Definition des Rahmenwerks für eine Verbindlichkeit erfüllt zu sein scheint.

In der Praxis ist das Ausmass der Abgrenzung zwischen den Vermögenswerten der Kunden und denen des Unternehmens ausschlaggebend bei der Bestimmung, welche Vermögenswerte in der Bilanz zu erfassen sind (eigene Vermögenswerte und Vermögenswerte der Kunden, die nicht abgegrenzt sind) und welche Vermögenswerte nicht bilanziell erfasst werden (Vermögenswerte, die abgegrenzt sind und die das Unternehmen in der Funktion als Verwahrer hält).

Zu berücksichtigende Faktoren zur Bestimmung des Ausmasses der Abgrenzung beinhalten:

  • Ob die Rechte und Pflichten des Unternehmens und seiner Kunden in einem Vertrag oder einem Whitepaper niedergelegt sind, ob diese vertraglich durchsetzbar sind und ob externe juristische Gutachten als Nachweis zur Verfügung stehen. Die Durchsetzbarkeit wird unter Anwendung spezifischer Gesetze und Vorschriften, die sich mit Krypto-Assets befassen (soweit solche Gesetze und Vorschriften bestehen), bzw. im Rahmen anderer Gesetze und Vorschriften (soweit keine spezifischen Gesetze und Vorschriften bestehen) beurteilt.
  • Ob eine Abstimmung zwischen den durch das Unternehmen für seine Kunden gehaltenen Krypto-Assets und den jeweiligen Beständen jedes einzelnen Kunden erfolgt. Ebenso, ob es eine Abstimmung zwischen den im Markt durchgeführten Transaktionen mit Krypto-Assets und den im Namen der einzelnen Kunden ausgeführten Aufträgen gibt, um zu beurteilen, ob die einzelnen Geschäfte dem jeweiligen Kunden zugeordnet werden können. Des Weiteren, wie oft eine solche Abstimmung erfolgt.
  • Rückführbarkeit auf eine bestimmte Blockchain-Adresse (nicht alle Geschäfte können einzeln auf eine bestimmte Blockchain-Adresse zurückgeführt werden). Ist das Krypto-Asset auf eine bestimmte Blockchain-Adresse des Kunden rückführbar, deutet dies eher auf eine Abgrenzung hin.
  • Die Verwendung eines Kontos/einer Wallet bei einem Dritten (oder, anders ausgedrückt, ob das Krypto-Asset auf einem Konto/in einer Wallet des Unternehmens oder bei einem Dritten gehalten wird) und ob dieser Dritte Aufzeichnungen über die für Kunden gehaltenen Krypto-Assets macht. Wird das Krypto-Asset auf einem Konto/in einer Wallet bei einem Dritten gehalten, deutet dies eher auf eine Abgrenzung hin.
  • Die Verwendung von Hot oder Cold Wallets (oder, anders ausgedrückt, ob das Unternehmen Krypto-Assets von Kunden in Hot oder Cold Wallets hält). Ein Unternehmen gestattet seinen Kunden gegebenenfalls das Halten gewisser Beträge in einer Hot Wallet für regelmässige Handelsgeschäfte und gewisser anderer Beträge desselben Kunden in einer Cold Wallet. Ferner könnte hier auch entscheidend sein, ob der Kunde oder das Unternehmen den geheimen Schlüssel für die Wallet hält und in der Lage ist, diesen zu nutzen. Wird das Krypto-Asset in Cold Wallets und der geheime Schlüssel vom Kunden gehalten und kann der Schlüssel nur von diesem genutzt werden, deutet dies eher auf eine Abgrenzung hin.

Angesichts der oben geschilderten Sachverhalte und mangels eines IFRS, der sich konkret mit diesem Thema beschäftigt, ist die Beurteilung, ob die für die Kunden gehaltenen Krypto-Assets in oder ausserhalb der Bilanz anzusetzen sind, eine Ermessensfrage und könnte je nach den oben genannten Sachverhalten und Umständen unterschiedlich ausfallen. Demzufolge gibt es keine allgemein gültige „Pauschalantwort“.

1. Marktbeobachtungen in der Praxis

Ein Initial Coin Offering (ICO) ist eine Form der Mittelbeschaffung, die sich das Potenzial von Krypto-Assets und Blockchain-basiertem Handel zunutze macht. Ähnlich zu Crowdfunding werden bei einem ICO den Investoren/Zeichnern Token an Stelle von Anteilen zugewiesen. Diese ICO-Token stellen normalerweise keinen Anteilsbesitz an einem Unternehmen dar, ermöglichen aber oftmals den Zugang zu einer Plattform (sofern diese erstellt wurde) und können häufig an einer Krypto-Börse gehandelt werden. Die Gesamtanzahl an ICO-Token bei einem ICO wird im Allgemeinen mit einem bestimmten Betrag festgelegt.

Jedes ICO ist massgeschneidert und hat einzigartige Geschäftsbedingungen. Für Emittenten ist entscheidend, das Whitepaper bzw. die der ICO-Token-Emission zugrundeliegenden Dokumente einzusehen und zu verstehen, was genau den Investoren/Zeichnern angeboten wird. In Situationen, in denen die aus einem Whitepaper erwachsenden Rechte und Pflichten bzw. deren vertragliche Durchsetzbarkeit unklar sind, ist möglicherweise Rechtsberatung zur Festlegung der relevanten Bedingungen notwendig.

ICOs könnten von einer Wertpapieraufsichtsbehörde als Wertpapiere angesehen werden. Jedoch gilt es zu beachten, dass keine weltweit einheitliche Auffassung hierzu besteht. Daher sollten Emittenten regulatorische Entwicklungen genau beobachten und mögliche Auswirkungen von Änderungen auf die Rechnungslegung berücksichtigen.

2. Bilanzierung von Token-Vorverkaufsvereinbarungen („pre-sale agreements“)

Unternehmen, die Mittel über ein ICO aufnehmen wollen, bedienen sich gelegentlich einer einfachen Vereinbarung über künftige Token-Verkäufe, „Simple Agreement for Future Tokens“ (kurz „SAFT“), um erste Investoren zu gewinnen und eine Finanzierung von interessierten Parteien in privaten Verkäufen vor einem öffentlichen Verkauf sicherzustellen. Ein SAFT ist eine frühzeitige Investition, noch vor dem ICO, der zufolge der Investor dem Emittenten Vorfinanzierungen im Austausch für eine Zusage über den Erhalt einer variablen Anzahl von Token bei einem erfolgreichen ICO zur Verfügung stellt. Die Anzahl der Token, die von dem Investor des SAFT zu beziehen sind, hängt üblicherweise vom Preis des ICO-Tokens bei der Ausgabe ab. Als Anreiz für eine Investition in das Pre-ICO-Unternehmen wird der SAFT-Emittent das SAFT üblicherweise unter Nutzung eines ICO-Token-Preises realisieren, der um einen festgelegten Betrag reduziert ist (beispielsweise einen 10%igen Abschlag auf den ICO-Token-Preis bei Ausgabe). Bei einem erfolgreichen ICO wird der Investor des SAFT demnach eine Anzahl von Token erhalten, die dem ursprünglichen Investitionswert entspricht, zuzüglich einer Rendite, die dem festgelegten Abschlag auf den ICO-Token entspricht. Die Bedingungen eines SAFT können variieren und sich auf die Bestimmung der bilanziellen Behandlung auswirken. Zu berücksichtigende Faktoren umfassen unter anderem die Merkmale/Eigenschaften, die die Token haben werden, und die Rechte, die den zukünftigen Inhabern zustehen.

Beispiel

Eine übliche Form ist ein SAFT über Utility Token, die dem Investor das Recht auf einen Vorzugspreis für die Token gegenüber anderen Investoren zum Zeitpunkt eines ICO einräumt. Typischerweise endet das SAFT, wenn das ICO nicht an einem oder bis zu einem festgelegten Zeitpunkt erfolgt, wonach das Unternehmen dann den ursprünglich investierten Betrag (bzw. einen Teil davon) an den Investor zurückführen muss.

Der Erfolg eines ICO liegt ausserhalb der Kontrolle des Unternehmens – beispielsweise wird das ICO aufgegeben, wenn das Mindestziel der Mittelaufnahme (manchmal auch „Soft Cap“ genannt) nicht erreicht wird. Inhaber von SAFT sind nicht berechtigt, ihre SAFT vor dem festgelegten Zeitpunkt abzulösen.

Wenn die dem SAFT zugrundeliegenden Utility Token den Inhaber eindeutig zum Bezug zukünftiger Güter und Dienstleistungen berechtigen, würden diese Token nicht als Finanzinstrument betrachtet werden. Aus Sicht des Emittenten folgt daraus die Annahme, dass ein SAFT zum Zweck der Lieferung eines Utility Tokens nicht im Anwendungsbereich von IFRS 9 liegt, denn es ist normalerweise kein Vertrag “zum Kauf oder Verkauf eines nicht finanziellen Postens, der durch Ausgleich in bar oder anderen Finanzinstrumenten erfüllt werden kann, oder durch den Tausch von Finanzinstrumenten, als ob die Verträge Finanzinstrumente wären” (IFRS 9.2.4). In einem solchen Fall könnte das SAFT als eine Vorauszahlung des Kunden für zukünftige Güter und Dienstleistungen nach IFRS 15 „Erlöse aus Verträgen mit Kunden“ angesehen werden.

Aufgrund der Tatsache, dass die Realisierung eines erfolgreichen ICO ausserhalb der Kontrolle des Unternehmens liegt und die Eigenschaften der auszugebenden Token möglicherweise unklar sind, mag angenommen werden, dass das SAFT eine finanzielle Verpflichtung beinhaltet, da es eine vertragliche Verpflichtung zur Bereitstellung von Barmitteln darstellt, falls das ICO nicht bis zum festgelegten Zeitpunkt erfolgt. In einem solchen Fall könnte das SAFT entsprechend IAS 32 bei erstmaliger Erfassung als finanzielle Verbindlichkeit des Emittenten gelten. Ausserdem könnten andere eingebettete Eigenschaften vorliegen, die eine weitere Beurteilung erfordern, wie etwa eingebettete Derivate basierend auf den spezifischen Vertragsbedingungen.

PwC-Anmerkung

Bei der Bestimmung, welche Auffassung die gesamte Substanz und die wirtschaftlichen Aspekte aus Sicht der Emittenten angemessen wiedergibt, wird es erforderlich sein, Sachverhalte und Umstände sorgfältig zu beurteilen.

3. Bilanzierung von ICOs durch den Emittenten

Wenn ein ICO vorgenommen wird, erhält das ausgebende Unternehmen eine Gegenleistung. Die Form der Gegenleistung ist dabei unterschiedlich (beispielsweise Bargeld oder sonstige Krypto-Assets) und zum Zweck der Rechnungslegung gilt es, die wirtschaftlichen Aspekte und Eigenschaften der Transaktion zu verstehen.

Es ist möglich, dass ein ICO eine gemeinsame Vereinbarung hervorbringt, die gemäss IFRS 11 „Gemeinsame Vereinbarungen“ zu beurteilen wäre. Die Tatsache, dass die Zeichner den Grossteil der Finanzierung bereitstellen, könnte nahelegen, dass die Vereinbarung eine Zusammenarbeit zwischen dem ICO-Unternehmen und dem Zeichner ist. Allerdings sind die Zeichner typischerweise passiv, was wiederum darauf hindeutet, dass die Parteien durch die Vereinbarung keine gemeinsame Kontrolle erlangen. Einige Emittenten könnten den Zeichnern Vetorechte bei der zukünftigen Ausrichtung des Projekts einräumen, welche üblicherweise schützenden Charakter haben und in den meisten Fällen zu keiner gemeinsamen Kontrolle führen werden.

Wenn die Gegenleistung für das ICO nicht in Form von Bargeld, sondern als sonstiges Krypto-Asset erfolgt, ist die Transaktion möglicherweise ein Austausch von ähnlichen Gütern oder Dienstleistungen. Ein Austausch von ähnlichen Gütern könnte bedeuten, dass keine Bilanzierung erforderlich ist. Wir halten es jedoch für eher unwahrscheinlich, dass ein ICO ein Austausch von „ähnlichen Gütern oder Dienstleistungen“ ist, da im Allgemeinen kein Krypto-Asset dem anderen gleicht.

Unter der Annahme, dass ein Tauschgeschäft vorliegt und die Vereinbarung keine gemeinsame Kontrolle hervorbringt, ist die vom ICO-Unternehmen erhaltene Gegenleistung als Aktivum einzubuchen. Abhängig von der Form der Gegenleistung werden an dieser Stelle die Erläuterungen in den vorstehenden Abschnitten 2. und 3. einbezogen.

Die wesentliche Herausforderung für emittierende Unternehmen besteht jedoch in der Bilanzierung der ausgegebenen ICO-Token. Diese ist abhängig von der Art der ausgegebenen ICO-Token sowie den Regelungen des anwendbaren Rechnungslegungsstandards.

Das folgende Schaubild enthält Fragestellungen zur Analyse, welcher Rechnungslegungsstandard bei der Bilanzierung der ausgegebenen ICO-Token einschlägig wäre. Dabei ist eine Berücksichtigung der Vertragsbedingungen erforderlich, um die Verpflichtungen des Emittenten verstehen zu können.

Grafik ICO

Finanzielle Verbindlichkeit

Ein Emittent eines ICO-Tokens sollte beurteilen, ob ein Token die Definition für eine finanzielle Verbindlichkeit erfüllt. Insbesondere würde ein Unternehmen die Definition in IAS 32 berücksichtigen, welche angibt, dass eine finanzielle Verbindlichkeit:

  • eine vertragliche Verpflichtung ist,
    • um einem anderen Unternehmen Barmittel oder einen sonstigen finanziellen Vermögenswert zu liefern, oder
    • um finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potentiell nachteiligen Bedingungen für das Unternehmen auszutauschen, oder
  • ein bestimmter Vertrag ist, der in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Unternehmens erfüllt wird oder erfüllt werden kann, wie beispielsweise solchen, die gegen den Grundsatz in IAS 32.11 verstossen (allgemein bekannt als „Fixed-for-Fixed“-Prinzip).

Handelt es sich bei dem ICO-Token um eine finanzielle Verbindlichkeit, würde die Bilanzierung den anwendbaren Leitlinien von IFRS 9 folgen.

Auch wenn nicht viele ICO-Token die Definition einer finanziellen Verbindlichkeit erfüllen werden, gibt es Fälle, in denen die Geschäftsbedingungen eine Rückerstattung der Einnahmen vorsehen, und zwar bis zu dem Punkt, an dem ein bestimmter Meilenstein erreicht wird. Es können Situationen vorliegen, in denen der Vertrag eine finanzielle Verbindlichkeit hervorruft, zumindest bis zu dem Punkt, an dem die Rückerstattungsklausel wegfällt.

Eigenkapitalinstrument

Ein Eigenkapitalinstrument ist ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller dazugehörigen Verbindlichkeiten begründet (IAS 32.11). Typischerweise bieten ICO-Token den Inhabern keinen solchen Residualanspruch; beispielsweise haben Inhaber keinen Anspruch auf Residualgewinne, Dividenden oder Erlöse bei Abwicklung oder Liquidation. Bei diesen ICO-Token sollten daher die Eigenschaften eines Eigenkapitalinstruments fehlen. Bei der Beurteilung, ob sich die Rechte auf die Cashflows nur auf ein bestimmtes Projekt beziehen oder ob sie faktisch Rechte an verbleibenden Cashflows des ICO-Unternehmens verleihen, bedarf es sorgfältiger Analyse und Abwägung.

Erlöstransaktion/Vorauszahlung für zukünftige Güter und Dienstleistungen

Das ausgebende Unternehmen sollte überlegen, ob der ausgegebene ICO-Token faktisch einen Vertrag mit einem Kunden darstellt, der nach IFRS 15 zu bilanzieren ist.

IFRS 15 würde dann gelten, wenn (1) der Empfänger des ICO-Tokens ein Kunde ist, (2) ein „Vertrag“ zu Rechnungslegungszwecken vorliegt und (3) die mit dem ICO-Token verbundenen Leistungsverpflichtungen nicht unter den Anwendungsbereich anderer Standards fallen.

Anlage A zu IFRS 15 definiert einen Kunden als “eine Partei, die mit einem Unternehmen einen Vertrag über die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens im Austausch für eine Gegenleistung eingegangen ist”.

Zur Bestimmung, ob ein Vertrag mit einem Kunden vorliegt, sollte ein Unternehmen überlegen, ob das Whitepaper, der Kaufvertrag und/oder sonstige dazugehörige Dokumente „durchsetzbare Rechte oder Pflichten“ begründen (IFRS 15 Anlage A). Um die Voraussetzungen für einen Vertrag mit einem Kunden für Zwecke von IFRS 15 zu erfüllen, müssen solche Rechte vertraglich durchsetzbar sein. Diese Beurteilung könnte sich als Herausforderung erweisen, wenn die Dokumentation durch den Emittenten nicht klar definiert ist. Zur Bestimmung, ob ein Vertrag mit einem Kunden vorliegt, sollten Unternehmen eine Bewertung aller Kriterien von IFRS 15.9 vornehmen.

PwC-Anmerkung

Whitepaper sind nicht mit einem gewöhnlichen rechtsgültigen Vertrag oder anderen Angebotsdokumenten, wie etwa einem Emissionsprospekt, gleichzusetzen. Unternehmen sollten das Whitepaper oder ein ähnliches Dokument genau prüfen, um sicherzustellen, dass tatsächlich gesetzlich durchsetzbare Rechte bestehen. Klauseln, die eine rechtliche Verpflichtung des Emittenten ausschliessen, bedürfen weiterer Untersuchungen. In bestimmten Fällen kann eine zusätzliche Rechtsberatung notwendig sein.

In vielen Fällen können Emittenten die im Rahmen des ICO erhaltene Gegenleistung zur Entwicklung einer Softwareplattform verwenden. Der Betrieb und die Pflege der spezifischen Plattform sind häufig ein integraler Bestandteil des zukünftigen Geschäftsmodells des ICO. Der Token könnte dem Inhaber Zugang zu der Plattform verschaffen, die gegebenenfalls im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens betrieben wird.

Das kann dazu führen, dass die Inhaber die Definition von „Kunden“ aus Sicht des ICO-Unternehmens erfüllen; dementsprechend könnten die Einnahmen aus dem ICO Umsatzerlöse i.S. d. IFRS 15 darstellen, die voraussichtlich zunächst abgegrenzt werden.

Die Bestimmung der Leistungsverpflichtungen, der Art, wie diese erfüllt werden, und des Zeitraums, über den die Erlöse zu erfassen sind, unterliegt der Ermessensausübung und hängt von bestimmten Sachverhalten und Umständen des ICO ab.

Berücksichtigung sonstiger massgeblicher Regelungen

Stellt sich keine der oben genannten Überlegungen als relevant heraus, sollte zur Bestimmung der angemessenen bilanziellen Behandlung die Hierarchie in IAS 8 zu Rate gezogen werden. Wir halten es für unwahrscheinlich, dass Emittenten Gegenleistungen erhalten, ohne dabei eine Verpflichtung gegenüber den Zeichnern zu übernehmen. Auch wenn die Vereinbarung nicht zu einem Finanzinstrument bzw. einer Zusage über die Lieferung von Gütern und Dienstleistungen an einen Kunden führt, dürfte eine rechtliche oder faktische Verpflichtung gegenüber dem Zeichner bestehen. Das kann zur Folge haben, dass der Emittent eine Rückstellung entsprechend IAS 37 erfasst.

4. Bilanzierung eines Erwerbs von Gütern oder Dienstleistungen durch das ICO-Unternehmen im Austausch für ausgegebene ICO-Token

4.1. Allgemeine Überlegungen

Einzelne Emittenten von ICO-Token könnten entscheiden, einige der im Rahmen des ICO generierten Token zu behalten, um diese als Zahlungsmittel für Güter oder Dienstleistungen zu verwenden. Beispiele für die Verwendung solcher ICO-Token sind die Inanspruchnahme von Dienstleistungen durch das Entwickeln oder Betreiben der Plattform des Unternehmens oder die Vergütung der/Anreizschaffung für die Arbeitnehmer. Dies wird in den folgenden Abschnitten weiter untersucht.

Wenn ein ICO-Unternehmen eine bestimmte Anzahl von ICO-Token für seinen eigenen Gebrauch vorsieht, ist es zunächst fraglich, ob das Unternehmen die Generierung der ICO-Token selbst zu bilanzieren hat.

Die Generierung von ICO-Token für den eigenen Gebrauch führt nicht zu Einnahmen bei dem ICO-Unternehmen. Der Vorgang der Generierung von ICO-Token an sich ist kein Tauschgeschäft.

Die Generierung von ICO-Token ist vergleichbar mit Einzelhandels-Rabattgutscheinen für zukünftige Einkäufe in diesem Einzelhandelsgeschäft, die jedoch nicht an Kunden verteilt werden. Daher scheint es angemessen, dass ein solches Ereignis nicht in die Rechnungslegung einbezogen wird. Die Situation ändert sich jedoch, sobald die Gutscheine an Dritte im Austausch für eine Gegenleistung ausgegeben werden – oder, in Bezug auf die Rechnungslegung, sobald ein Tauschgeschäft stattfindet.

Normalerweise würde ein ICO-Unternehmen die Generierung von Token so lange nicht bilanzieren, bis ein Tauschgeschäft erfolgt ist.

4.2. Eigene Krypto-Assets im Austausch für Fremdleistungen

Gelegentlich werden ICO-Token an Dritte für Dienstleistungen, wie beispielsweise die Entwicklung einer Plattform, ausgegeben. Die in diesem Abschnitt zusammengefassten Beobachtungen decken solche Fälle ab, in denen die empfangende Partei als Dritter gilt (und nicht als Arbeitnehmer, wie in IAS 19 „Leistungen an Arbeitnehmer“ definiert).

Zur Bestimmung der angemessenen bilanziellen Behandlung eines Tauschgeschäfts, das zwischen dem ICO-Unternehmen und einem Dritten stattfindet, ist es wichtig, ein detailliertes Verständnis der wirtschaftlichen Substanz des Austauschs zu erlangen.

Grundsätzlich erfolgt die Rechnungslegung anhand:

  • der Substanz dessen, was das ICO-Unternehmen als Gegenleistung für Krypto-Assets erhält und
  • der Eigenschaften der ICO-Token, die von dem Unternehmen generiert und geliefert werden.

Um zu ermitteln, wie eine Transaktion auf der Aktivseite abgebildet werden würde, hat ein Unternehmen die Art der erhaltenen Güter oder Dienstleistungen zu berücksichtigen ebenso wie die Frage, ob Kosten vorliegen, die als Vermögenswert aktiviert werden können oder ob die Kosten als Aufwand zu erfassen sind. Wenn beispielsweise die Zahlung zur Entwicklung von Software verwendet werden soll, können die Kosten dann als Teil der immateriellen Vermögenswerte basierend auf den anwendbaren IFRS aktiviert werden oder sind sie aufwandswirksam zu erfassen (z. B. Leitlinien zu Forschung und Entwicklung nach IAS 38)?

Die Passivseite bildet die Verpflichtungen des Unternehmens ab, die als Ergebnis der Emission der ICO-Token entstehen. Die mit den ICO-Token verbundenen Zusagen bestimmen, welcher Standard anzuwenden ist (siehe hierzu die Überlegungen in Abschnitt 3.).

Wenn die ICO-Token beispielsweise einen Anspruch auf die zukünftige Lieferung von Gütern oder Dienstleistungen an einen Kunden in Aussicht stellen (wie z. B. einen Rabatt auf künftige Dienstleistungen, die von dem ICO-Unternehmen erbracht werden), sollte die Verpflichtung auf der Grundlage von IFRS 15 bestimmt werden. In diesem Fall sind die Erlöse aus der Bereitstellung der ICO-Token zum beizulegenden Zeitwert der von dem ICO-Unternehmen erhaltenen Güter und Dienstleistungen zu bemessen.

4.3. Eigene ICO-Token im Austausch für Arbeitnehmerleistungen

Einige ICO-Unternehmen könnten ihre Arbeitnehmer in Form einer bestimmten Anzahl an Token, die im Rahmen des ICO generiert wurden, entlohnen. Hier sind gegebenenfalls IAS 19 oder IFRS 2 „Anteilsbasierte Vergütung“ in Betracht zu ziehen.

Bei der Beurteilung der bilanziellen Behandlung solcher Vereinbarungen berücksichtigt ein Unternehmen die Eigenschaften der generierten ICO-Token.

Solange die ICO-Token nicht die Definition eines Eigenkapitalinstruments des ICO-Unternehmens erfüllen (d. h. ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten des ICO-Unternehmens nach Abzug aller dazugehörigen Verbindlichkeiten begründet), würden die Vereinbarungen auch nicht die Definition einer anteilsbasierten Vergütungsvereinbarung nach IFRS 2 erfüllen. Stattdessen würden sie als eine Sachleistung an Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich von IAS 19 fallen.

IAS 19 wird danach Ansatz und Bewertung der Leistung an Arbeitnehmer bestimmen, wie im folgenden Beispiel verdeutlicht wird.

Praxisbeispiel

Ein ICO-Unternehmen vergütet Arbeitnehmer mit einer bestimmten Anzahl von Utility Token, die von dem ICO-Unternehmen generiert (und aktuell gehalten) werden. Basierend auf der Art und den Eigenschaften der Utility Token folgert das Unternehmen, dass diese faktisch einen Vertrag mit einem Kunden darstellen, der nach IFRS 15 zu bilanzieren ist, wobei in diesem Fall der Arbeitnehmer der Kunde ist. Die „Auszahlung“ der Vergütung erfolgt kurz nach dem Ende des Geschäftsjahres, in dem das ICO erfolgreich durchgeführt wurde, an die Arbeitnehmer, die:

  • zum Erfolg des ICO beitragen und
  • ihr Arbeitsverhältnis bis zum Ende des Geschäftsjahres, in dem das ICO erfolgreich durchgeführt wurde, aufrechterhalten.

Ansatz:

Das ICO-Unternehmen legt fest, dass die Substanz der Vereinbarung einen Austausch von Arbeitnehmerleistungen für von dem Unternehmen zu liefernde Güter und zu erbringende Dienstleistungen darstellt. Die entsprechende Bilanzierung erfolgt als kurzfristige Leistung an Arbeitnehmer (IAS 19.11, IFRS 19.19–23) und als Sachleistung für Güter und Dienstleistungen (IFRS 15.66–69).

Die Vereinbarung umfasst eine Bedingung, dass die Arbeitnehmer während des Erdienungszeitraums ihr Arbeitsverhältnis bei dem ICO-Emittenten aufrechterhalten. Das ICO-Unternehmen hat eine Verbindlichkeit und kurzfristige Aufwendungen für Leistungen an Arbeitnehmer über den Erdienungszeitraum anzusetzen. Die Verbindlichkeit wird als passivische Abgrenzung (deferred revenue) umklassifiziert, sobald die Arbeitnehmer das Recht haben, auf ihrem digitalen Konto auf die Utility Token zuzugreifen.

Diese Behandlung steht auch im Einklang mit der Definition einer vertraglichen Verbindlichkeit in IFRS 15, welche besagt, dass eine vertragliche Verbindlichkeit dann entsteht, wenn das Unternehmen die Gegenleistung erhalten hat. Im vorliegenden Fall handelt es sich um den Zeitpunkt, zu dem die Arbeitnehmerleistungen erbracht worden sind.

Bewertung:

Das ICO-Unternehmen erfasst den nicht diskontierten Betrag, den es im Austausch für die von Arbeitnehmern erbrachten Leistungen voraussichtlich zahlen muss, als Verbindlichkeit und als Aufwand (IAS 19.11). Dabei ist der Betrag, den das ICO-Unternehmen voraussichtlich zahlen muss, mit dem beizulegenden Zeitwert der an die Arbeitnehmer zu liefernden Utility Token oder mit den erwarteten Kosten der Güter oder Dienstleistungen, die in Zukunft voraussichtlich bereitgestellt werden müssen, zu bemessen.

Buchungssätze:

a) Über den Erdienungszeitraum als Leistung erbracht

  • Per: Mitarbeiterkosten
  • An: Verbindlichkeit für kurzfristige Leistungen an Arbeitnehmer

b) Nach Ausgabe der Utility Token vom ICO-Unternehmen

  • Per: Verbindlichkeit für kurzfristige Leistungen an Arbeitnehmer
  • An: Passivische Abgrenzung (deferred revenue)

PwC-Anmerkung

Bei der Bestimmung, welche Auffassung die gesamte Substanz und die wirtschaftlichen Aspekte bei der Bemessung der Leistungen, insbesondere aus Sicht des Emittenten, angemessen wiedergibt, wird es erforderlich sein, die Umstände jeder einzelnen Transaktion sorgfältig zu beurteilen.

1. Die „Fair Value-Hierarchie“ gemäss IFRS 13

Der beizulegende Zeitwert eines Krypto-Assets kann bilanziert bzw. im Abschluss anzugeben sein. Der beizulegende Zeitwert kann bei einer Vielzahl von Situationen erforderlich sein, darunter:

Von einem Broker-Trader gehaltene Vorräte, bei denen die Bilanzierung „zum beizulegenden Zeitwert abzüglich Veräusserungskosten“ zur Anwendung kommt Aufwendungen für Fremdleistungen, die mit Krypto-Assets bezahlt werden
Krypto-Assets, die als immaterielle Vermögenswerte klassifiziert werden: bei Anwendung des Neubewertungsmodells Aufwendungen für Arbeitnehmerleistungen, die mit Krypto-Assets bezahlt werden
Aus Sicht eines ICO-Emittenten erzielte Erlöse Krypto-Assets, die bei einem Unternehmenszusammenschluss erworben werden
Angabe des beizulegenden Zeitwerts für Krypto-Assets, die für andere gehalten werden Krypto-Assets, die von einem Investmentfonds gehalten werden (die entweder zum beizulegenden Zeitwert bewertet oder deren beizulegender Zeitwert angegeben wird)

IFRS 13 „Bemessung zum beizulegenden Zeitwert“ definiert den beizulegenden Zeitwert als “den Preis, den man in einer gewöhnlichen Transaktion zwischen Marktteilnehmern am Bewertungsstichtag beim Verkauf eines Vermögenswerts erhalten würde oder bei der Übertragung einer Verbindlichkeit zu zahlen hätte”, und legt Regelungen zur Bestimmung von beizulegenden Zeitwerten nach IFRS fest.

Die beizulegenden Zeitwerte werden in eine 3-stufige „Fair Value-Hierarchie“ eingeteilt, basierend auf der niedrigsten Stufe wesentlicher Inputfaktoren, die wie folgt in Bewertungsmodellen verwendet werden:

  • Stufe 1: notierte Preise auf aktiven Märkten für identische Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten, die dem Unternehmen am Bewertungsstichtag zugänglich sind,
  • Stufe 2: beobachtbare Inputfaktoren ausser den Inputfaktoren der Stufe 1, und
  • Stufe 3: nicht beobachtbare Inputfaktoren.

Im Allgemeinen gibt IFRS 13 den beobachtbaren Inputfaktoren den Vorrang vor den nicht beobachtbaren Inputfaktoren. Wenn eine Bewertung am Abschlussstichtag nicht auf Inputfaktoren der Stufe 1 beruht (weil beispielsweise zum Stichtag oder Zeitpunkt der Bilanzierung kein aktiver Markt besteht), ist der Wert anhand eines Bewertungsmodells zu ermitteln. Das Ziel solcher Bewertungen ist es, den Abgangspreis zum Bewertungsstichtag zu schätzen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Hierarchiestufe eines Krypto-Assets mit der Zeit ändern kann. So kann es beispielsweise möglich sein, dass ein Krypto-Asset, das bisher mittels Inputfaktoren der Stufe 3 bewertet wurde, in der Folgezeit in einem aktiven Markt gehandelt wird, oder umgekehrt.

IFRS 13 umfasst eine Reihe von Angabepflichten in Abhängigkeit von der Stufe der Fair Value-Hierarchie, in die eine Bewertung zum beizulegenden Zeitwert fällt, sowie die im Abschluss verwendete Bemessungsgrundlage.

Aufgrund der Tatsache, dass sich die Märkte für Krypto-Assets rasch weiterentwickeln, kann die Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts von Krypto-Assets komplex sein. IFRS 13 gibt an, dass im Rahmen der Angaben zum beizulegenden Zeitwert die folgenden Faktoren zu berücksichtigen sind:

  • der notwendige Detaillierungsgrad zur Erfüllung der Angabepflichten,
  • wie viel Gewicht jeweils auf die verschiedenen Angaben gelegt werden soll,
  • wie viel Aggregation oder Disaggregation erfolgen soll und
  • ob die Abschlussadressaten zusätzliche Informationen benötigen, um die angegebenen quantitativen Informationen zu bewerten.

Für den Fall, dass die einzelnen nach dem Standard erforderlichen Angaben zur Erfüllung der Zielsetzung, d. h. die Adressaten bei der Beurteilung des beizulegenden Zeitwerts zu unterstützen, nicht ausreichen, verlangt IFRS 13 für diese Zielerreichung zusätzliche Informationen.

Viele Krypto-Assets weisen eine hohe Preisvolatilität auf und die Märkte können 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche offen bleiben. So könnte der Zeitpunkt, zu dem ein Berichtsunternehmen die Krypto-Assets bewertet, entscheidend sein. Ist beispielsweise der Bewertungszeitpunkt um 23:59 Uhr am Ende der Berichtsperiode oder am Geschäftsschluss dieses Tages? Wie wird der Bewertungszeitpunkt in Konzernen mit Tochterunternehmen in verschiedenen Zeitzonen bestimmt? Die Beantwortung dieser Fragen könnte eine wesentliche Rechnungslegungsmethode darstellen und wäre somit auch im Anhang des Abschlusses anzugeben.

2. Empfohlener Ansatz zur Bestimmung der Bewertung eines Krypto-Assets

Empfohlener Ansatz zur Bestimmung der Bewertung eines Krypto-Assets

3. Bestimmung eines aktiven Marktes

Der erste Schritt bei der Betrachtung des beizulegenden Zeitwerts eines Krypto-Assets umfasst die Bestimmung, ob am Bewertungsstichtag ein aktiver Markt für dieses Krypto-Asset besteht (d. h., ob eine Bewertung auf der Stufe 1 erfolgen kann).

Anlage A zu IFRS 13 definiert einen aktiven Markt als einen Markt “auf dem Geschäftsvorfälle mit dem Vermögenswert oder der Verbindlichkeit mit ausreichender Häufigkeit und Volumen stattfinden, so dass permanent Preisinformationen zur Verfügung stehen”.

Ein Maßstab für die Bewertung der Markttiefe kann die Anzahl aktiver Handelstage innerhalb eines bestimmten Zeitraums sein. Die durchschnittliche tägliche Umschlagshäufigkeit, die sich aus dem Verhältnis des durchschnittlichen täglichen Handelsvolumens zur Gesamtmenge der ausstehenden Krypto-Assets ergibt, ist eine ebenfalls zu berücksichtigende Volumenkennzahl.

IFRS 13 definiert keine spezifischen Schwellenwerte, die in Bezug auf Frequenz (z. B. aktive Handelstage) und Volumen (z. B. Umschlagshäufigkeit) überschritten werden müssen, um festzustellen, ob ein aktiver Markt existiert. Das bedeutet, dass die Schlussfolgerung die Ausübung pflichtgemässen Ermessens („professional judgement“) erfordert.

Viele „traditionelle“ Aktien grosser Unternehmen haben eine Umschlagshäufigkeit von weniger als 1% pro Tag. Das Vorhandensein eines aktiven Markts würde für diese Aktien wahrscheinlich regelmässig bejaht werden, wenn es innerhalb eines bestimmten Zeitraums genügend aktive Handelstage gibt.

Die von CoinMarketCap (“CMC“) für Mai 2021 verfügbaren Daten für die fünf Krypto-Assets mit der höchsten Marktkapitalisierung zeigten eine durchschnittliche tägliche Umschlagshäufigkeit zwischen 4% und 302% sowie täglichen aktiven Handel. Aus einer rein quantitativen Sicht kann man daher zu dem Ergebnis kommen, dass ein aktiver Markt für diese Krypto-Assets existiert.

Eine tiefergehende Analyse der zugrunde liegenden Daten deutet jedoch darauf hin, dass auch qualitative Faktoren berücksichtigt werden müssen:

  • Zuverlässigkeit der Daten im Allgemeinen (siehe Abschnitt 4. unten) und
  • Handelspaare (siehe Abschnitt 5. unten).

In einigen Fällen können verschiedene Märkte für ein bestimmtes Krypto-Asset vorhanden sein, die die Definition für einen aktiven Markt erfüllen, und jeder dieser Märkte kann zum Bewertungsstichtag unterschiedliche Preise aufweisen. In diesen Fällen verlangt IFRS 13, dass das Unternehmen den Hauptmarkt für den Vermögenswert festlegt.

Der Hauptmarkt ist der Markt mit dem grössten Volumen und der höchsten Aktivität im Hinblick auf das relevante Krypto-Asset, zu dem das Unternehmen, welches das Krypto-Asset hält, Zugang hat. IFRS 13 enthält ausserdem eine Regelung, falls es keinen eindeutigen Hauptmarkt gibt (weil mehrere Märkte mit ungefähr gleich hoher Aktivität vorhanden sind). Im Fall eines Gleichstands stellt IFRS 13 auf den vorteilhaftesten Markt innerhalb der Gruppe aktiver Märkte, zu dem das Unternehmen Zugang hat, ab.

IFRS 13.17 besagt: "Zur Ermittlung des Hauptmarktes [....] ist keine umfassende Durchsuchung aller möglicherweise bestehenden Märkte seitens des Unternehmens notwendig. Es hat aber alle Informationen zu berücksichtigen, die bei vertretbarem Aufwand verfügbar sind. Solange kein gegenteiliger Beweis erbracht ist, gilt die Annahme, dass der Markt, in dem das Unternehmen normalerweise den Verkauf des Vermögenswerts [....] abschliessen würde, der Hauptmarkt [....] ist.“

Sobald ein Hauptmarkt identifiziert ist, ist es weiterhin notwendig, die vom Markt verwendeten Preisbildungsmechanismen zu untersuchen, um sicherzustellen, dass die Preisbildung auf geordneten Transaktionen gemäss IFRS 13.15 und .B37-.B44 basiert.

Ein Unternehmen kann Krypto-Assets ausserhalb einer Börse im Rahmen einer Privatplatzierung erwerben (z. B. Kauf von einem Liquiditätsanbieter). In diesem Fall ist der Kaufpreis ein Zugangspreis und damit keine relevante Bewertungsgrundlage für die Bewertung der Krypto-Assets. Der beizulegende Zeitwert der gehaltenen Vermögenswerte basiert auf einem Abgangspreis gemäss IFRS 13.9 und .B2.

4. Zuverlässigkeit der Daten

Die Präsentation eines Marktteilnehmers vor der SEC zur Analyse von Handelsdaten aus einem der wichtigsten Hauptmärkte lieferte Hinweise dafür, dass es – nach einem Vergleich der Handelsdaten eines prominenten Anbieters im Hinblick auf verschiedene Krypto- und “traditionelle“ Börsen und der Durchführung weiterer Analysen – Indikatoren dafür gibt, dass verschiedene Börsen überhöhte Handelsdaten melden.

Dieser IFRS für die Praxis geht nicht auf diesen Bericht ein, aber der Bericht hebt hervor, dass es bei der Verwendung von Handelsdaten zur Bewertung von Häufigkeit und Volumen, entscheidend ist, die Quelle der Daten zu berücksichtigen. Daten von regulierten Börsen gelten im Allgemeinen als zuverlässiger als von einer unregulierten Börse, aber es ist notwendig, die Regulierungskriterien zu berücksichtigen und festzustellen, ob eine Überwachung der Handelsdaten stattfindet.

5. Handelspaare

Ein Level 1 Fair-Value-Input ist in Anhang A zu IFRS 13 definiert als “In aktiven, für das Unternehmen am Bemessungsstichtag zugänglichen Märkten für identische Vermögenswerte oder Schulden notierte (nicht berichtigte) Preise“. Ein Krypto-Asset wird oft gegen ein anderes Krypto-Asset (“crypto to crypto“) ausgetauscht, anstatt in eine traditionelle Währung (“fiat“) (“crypto to fiat“) getauscht zu werden. Diese “crypto to crypto“-Transaktionen sind in der Regel in den Handelspreisen und Volumina eines bestimmten Krypto-Assets, die von Datenanbieter-Websites veröffentlicht werden, enthalten. Die in diesen Fällen verwendeten Handelspreise scheinen das Ergebnis einer impliziten Umwandlung des Krypto-Assets in eine Fiat-Währung zu einem Kurs zu sein, der grundsätzlich im Ermessen der jeweiligen Börse oder des Datenanbieters liegt.

Unserer Ansicht nach existiert ein aktiver Markt für ein bestimmtes Krypto-Asset nur, wenn “crypto to fiat“-Transaktionen existieren, zu denen Daten von zuverlässigen Quellen veröffentlicht werden. “Crypto to crypto“-Transaktionen sollten bei der Beurteilung, ob es einen aktiven Markt gibt, nicht berücksichtigt werden.

Es gibt Börsen, die überhaupt keine Möglichkeit für “crypto to fiat“-Transaktionen bieten. In diesen Fällen könnte ein Unternehmen ein Krypto-Asset gegen ein anderes Krypto-Asset tauschen und dann das zweite Krypto-Asset an einer anderen Börse in Fiat-Währung tauschen. Dies bedeutet, dass es möglich ist, dass ein Markt für ein Krypto-Asset existiert, in dem Frequenz und Handelsvolumen gegeben ist, dass dieser Markt jedoch kein aktiver Markt im Sinne von IFRS 13 ist.

Während nach IFRS 13 im Allgemeinen der Markt, der vom Unternehmen überwiegend zum Verkauf eines Krypto-Assets genutzt wird, als Hauptmarkt anzusehen wäre, kann ein Markt, in dem es keine „crypto to fiat“-Transaktionen gibt, jedoch nicht der Hauptmarkt sein, da es sich nach IFRS 13 nicht um einen aktiven Markt handelt.

Wenn ein Unternehmen beispielsweise feststellen möchte, ob es aktive Märkte für Bitcoin gibt, würde es alle Exit Trades (Bitcoin/fiat) von Börsen, zu denen es Zugang hat, berücksichtigen. Das Unternehmen könnte dann die aktiven Handelstage und die durchschnittliche Fluktuationsrate analysieren und gemäss IFRS 13 Frequenz und Handelsvolumen beurteilen, um festzustellen, ob eine bestimmte Börse der Hauptmarkt ist.

Beispiel

Angenommen, es existieren zwei Krypto-Assets A, Asset A und Asset B. Die Assets A und B werden häufig gegeneinander getauscht, basierend auf einem Markt, auf dem beobachtbare Tauschquoten bestehen. Diese Krypto-Assets werden nicht als Währungen im Rahmen des Anwendungsbereichs von IAS 21 angesehen.

Asset A kann auf einem aktiven Markt unmittelbar in Bargeld umgetauscht werden, es besteht jedoch kein aktiver Markt für Asset B, auf dem ein Umtausch in Bargeld stattfinden kann. Wären dann bei der Bewertung von Asset B die Transaktionen, bei denen Asset B in Asset A auf dem aktiven Markt umgetauscht wird, beobachtbare Transaktionen, die für eine Fair-Value-Bewertung der Stufe 1 zu qualifizieren sind?

Für Asset B liegt kein aktiver Markt und somit kein beizulegender Zeitwert der Stufe 1 in der funktionalen (Fiat-)Währung des Unternehmens vor. Dies ist auf das Fehlen eines aktiven Marktes zurückzuführen, auf dem Asset B direkt in Bargeld umgetauscht werden kann. Wird daher Asset B zunächst in Asset A und dieses in der Folge in Bargeld umgetauscht, entstehen Kosten bzw. ein Spread, der kein Inputfaktor der Stufe 1 ist. Zudem nimmt der Umtausch Zeit in Anspruch, während derer sich der beizulegende Zeitwert der Assets ändern kann. Da die Bemessung innerhalb der Fair-Value-Hierarchie die niedrigste Stufe wesentlicher Inputfaktoren für die „gesamte Bemessung“ (IFRS 13.73) verlangt, ist die „gesamte Bemessung“ in diesem Fall als Stufe 2 zu qualifizieren.

Obwohl sich die Definition eines aktiven Marktes nicht auf Fiat-Währung bezieht, wird davon ausgegangen, dass die Transaktion in einer Fiat-Währung bemessen wird, um als Fair-Value-Bewertung der Stufe 1 zu qualifizieren. Eine solche Fiat-Währung könnte eine Fremdwährung sein, die nach IAS 21 in die funktionale Währung des Berichtsunternehmens umgerechnet wird. Allerdings muss die Bewertung für Zwecke der Rechnungslegung in einer Einheit erfolgen, die als eine Währung nach IAS 21 eingestuft werden kann.

Alle Krypto-Assets, die auf einem aktiven Markt nicht direkt in Fiat-Währung konvertierbar sind, erfüllen nicht die Kriterien eines Vermögenswertes des Fair Value Level 1 im Sinne von IFRS 13.76-78, da es immer eine zusätzliche implizite Gebühr oder einen Spread für den Umtausch in Fiat-Währung geben wird.

Wenn eine solche implizite Gebühr oder Spread beobachtbar ist (z. B. weil das gehaltene Krypto-Asset über ein anderes Krypto-Asset, dass auf einem aktiven Markt in Fiat-Währung gehandelt wird, in Fiat-Währung umgewandelt werden kann), spricht viel dafür, dass der beizulegende Zeitwert des gehaltenen Krypto-Assets als Vermögenswert der Stufe 2 in der Fair-Value-Hierarchie zu qualifizieren ist.

Krypto-Assets, die nicht ohne weiteres in Fiat-Währung umgewandelt werden können, werden in den meisten Fällen als Level-3-Assets eingestuft werden.

Bei der Bestimmung, ob es einen aktiven Markt gibt, sind zudem die beiden folgenden Aspekte zu beachten:

  • In einigen Fällen kann es zu erheblichen Preisschwankungen zwischen verschiedenen Märkten kommen. Diese können zu einer Differenz zwischen dem Preis auf dem Hauptmarkt (oder dem vorteilhaftesten Markt) und dem tatsächlich erhaltenen Preis und damit zu sog. „day one gains or losses“ bei Verwendung eines Fair-Value-Models führen. Das Vorhandensein solcher Preisunterschiede stellt für sich genommen keinen Indikator dafür dar, dass es keinen aktiven Markt gibt.
  • Einige Krypto-Assets zielen darauf ab, durch eine Fiat-Währung besichert („backed“) zu werden; z. B. ein Token, der den Wert von 1 US-Dollar repräsentiert. Da diese Krypto-Assets allerdings nicht als Fremdwährung oder funktionale Währung gemäss der Definition in IAS 21 gelten, werden sie bei der Bestimmung, ob ein aktiver Markt besteht, nicht anders behandelt als andere Krypto-Assets.

6. Bewertung bei Fehlen eines aktiven Marktes

6.1. Bewertungstechniken und Inputfaktoren

Für viele Krypto-Assets wird kein aktiver Markt, wie in IFRS 13 beschrieben, vorliegen und diese sind daher anhand einer Bewertungstechnik zu bewerten.

Eine angemessene Bewertungstechnik verfolgt das Ziel, einen ordnungsgemässen Transaktionspreis für den Verkauf des Vermögenswerts oder die Übertragung einer Verbindlichkeit am Bewertungsstichtag nach aktuellen Marktbedingungen zu schätzen.

In manchen Fällen sollten mehrere Bewertungsansätze angewendet werden. Letztendlich soll die geeignete Bewertungstechnik abbilden, wie ein Marktteilnehmer den beizulegenden Zeitwert des zu bewertenden Krypto-Assets bestimmen würde.

In vielen Fällen stellt der marktbasierte Ansatz (IFRS 13.B5) die am besten geeignete Technik für ein Krypto-Asset dar, und dieser würde von einem Marktteilnehmer genutzt werden. Gegebenenfalls liegen aber auch bestimmte Sachverhalte und Umstände vor, in denen ein Unternehmen nachweisen könnte, dass ein Marktteilnehmer einen abweichenden Ansatz anwenden würde. Eine Anwendung des kostenbasierten Ansatzes (IFRS 13.B8) oder des einkommensbasierten Ansatzes (IFRS 13.B10) sollte in der Praxis eher selten vorkommen.

Zur Bestimmung einer geeigneten anwendbaren Bewertungstechnik gibt IFRS 13 an, dass die Technik unter den gegebenen Umständen angemessen sein muss; dabei soll der Einsatz relevanter beobachtbarer Inputfaktoren maximiert und der Einsatz nicht beobachtbarer Inputfaktoren minimiert werden.

Bei einem Krypto-Asset können die beobachtbaren Inputfaktoren Informationen, die aus bilateralen Transaktionen ausserhalb eines aktiven Marktes gewonnen wurden, bestimmte Notierungen von Brokern und sonstige Informationen enthalten, da viele Märkte immer noch nicht reguliert sind.

Wenn Brokernotierungen verwendet werden, sind diese sorgfältig zu beurteilen. Brokernotierungen können eher von Modellen abgeleitet werden, als dass sie auf beobachtbaren Markttransaktionen basieren.

Zum jetzigen Zeitpunkt (Stand Juni 2021) haben wir allerdings noch nicht festgestellt, dass in dieser Branche Brokernotierungen verwendet werden.

Im Allgemeinen ist ein Bewertungsmodell durchgängig von Periode zu Periode anzuwenden. Der Markt für Krypto-Assets unterliegt einer rasanten Entwicklung, so dass sich voraussichtlich auch die von Marktteilnehmern verwendeten Bewertungstechniken weiterentwickeln. IFRS 13 gestattet Unternehmen, Bewertungstechniken zu ändern (bzw. die Gewichtung bei mehreren Bewertungstechniken zu ändern), wenn die Änderung unter den gegebenen Umständen zu einer gleichen oder repräsentativeren Bemessung des beizulegenden Zeitwerts führt. Eine Änderung der Bewertungstechnik kann beispielsweise durch folgende Faktoren hervorgerufen werden:

  • neue Märkte entwickeln sich;
  • neue Informationen stehen zur Verfügung;
  • bisher genutzte Informationen stehen nicht mehr zur Verfügung;
  • Bewertungstechniken verbessern sich oder
  • Marktbedingungen ändern sich.
6.2. Kalibrierung von Bewertungstechniken

IFRS 13 enthält gewisse Einschränkungen hinsichtlich der Bestimmung des beizulegenden Zeitwerts beim erstmaligen Ansatz im Falle einer Fremdvergleichstransaktion („arm’s length transaction“). Dies beruht darauf, dass das Erwerbsgeschäft eine beobachtbare Transaktion für die Krypto-Assets darstellt.

Beispiel

Ein nicht auf einem aktiven Markt gehandeltes Krypto-Asset wird im Rahmen einer Fremdvergleichstransaktion ohne sonstige Elemente zu einem Preis von GE100 zu Tagesbeginn des 1. Juni erworben.

Am Tagesende wendet das Unternehmen eine Bewertungstechnik an und legt fest, dass sich der Wert auf GE104 beläuft. Vor Berücksichtigung der Erhöhung des beizulegenden Zeitwerts um GE4 hätte das Unternehmen zum einen die Angemessenheit der verwendeten Bewertungstechnik/des Bewertungsmodels neu bemessen müssen. Zum anderen müsste ermittelt werden, ob das Modell, wie in IFRS 13.64 festgelegt, auf den zu Tagesbeginn gezahlten Transaktionspreis von GE100 kalibriert wurde. Das bedeutet, das Bewertungsmodell müsste zum Erwerbszeitpunkt angesetzt werden, um zu bestimmen, ob der Transaktionspreis von GE100 abweicht.

Nun sei angenommen, die Bewertungstechnik (unter Verwendung nicht beobachtbarer Inputfaktoren) würde zeigen, dass das Krypto-Asset zum Erwerbszeitpunkt mit GE102 zu bewerten wäre, obgleich nur ein Kaufpreis von GE100 gezahlt wurde. In diesem Fall beträgt die Differenz zwischen der Bewertungstechnik und dem beizulegenden Zeitwert zu Tagesbeginn GE102 – GE100 = GE2.

Dementsprechend würde zum Bewertungszeitpunkt (im vorliegenden Beispiel zum Tagesende) das Ergebnis der Bewertungstechnik um diese Differenz bereinigt werden, so dass sich ein beizulegender Zeitwert von GE104 – GE2 = GE102 ergibt.

Je mehr Zeit zwischen dem erstmaligen Transaktionszeitpunkt und dem Bewertungszeitpunkt vergeht, desto weniger relevant könnte der erstmalige Transaktionspreis werden. Bei der Bemessung der Krypto-Assets sollten Unternehmen jedoch sicherstellen, dass ihre Bewertungsmethode ein sachgerechtes Ergebnis angesichts der Vorschriften zur Kalibrierung gemäss IFRS 13 liefert.

Hierbei ist anzumerken, dass nicht alle Bewertungsgutachten von externen Bewertungssachverständigen diesen Kalibrierungsvorschriften Rechnung tragen. Wenn ein Unternehmen auf ein Drittgutachten zurückgreift, muss sichergestellt werden, dass die von dem Gutachter angewandte Methodik mit allen Aspekten von IFRS 13 einschliesslich der Vorschriften zur Kalibrierung im Einklang steht.

Der vom Unternehmen gezahlte Transaktionspreis könnte auch für die Bewertung anderer Einheiten desselben am Bewertungsstichtag gehaltenen Krypto-Assets relevant sein.

Die bilanzielle Behandlung von Krypto-Assets und zugehörigen Transaktionen erfordert wesentliche Ermessensentscheidungen und umfassende Kenntnisse der zugrundeliegenden Sachverhalte und Umstände, da es keinen Rechnungslegungsstandard gibt, der eigens auf die Bilanzierung dieser Arten von Vermögenswerten gerichtet ist. Deshalb bestehen keine expliziten Angabepflichten speziell für Krypto-Assets und zugehörige Transaktionen.

Das bedeutet aber nicht, dass keine oder nur begrenzte Angaben für Krypto-Assets und zugehörige Transaktionen zu machen sind. Neben der Tatsache, dass es sich bei solchen Sachverhalten um Ermessensbereiche handelt, besteht der Hauptgrund für das Erfordernis transparenter Informationen darin, dass Krypto-Assets und zugehörige Transaktionen ein Thema von wesentlichem Interesse für alle Anteilseigner sind (insbesondere Aktionäre, Analysten und Aufsichtsbehörden). Dies gewinnt angesichts der bisweilen unterschiedlichen Informationsbedürfnisse auf lokaler Ebene seitens der genannten Adressaten sogar noch mehr an Bedeutung.

Aufgrund dessen sollten Unternehmen sicherstellen, dass ihre Jahresabschlüsse eine Reihe von eindeutigen und belastbaren Angaben enthalten. Dazu gehören einige der anwendbaren allgemeinen Angaben, die entsprechend den IFRS, abhängig von der Klassifizierung nach Zeichner/Inhaber, erforderlich sind.

Die folgende Tabelle fasst einige der allgemeineren Themen in Bezug auf zu machende Angaben zusammen. Allerdings erhebt diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit und bedarf einer Anpassung, um die Angaben zu erarbeiten, die speziell auf das Unternehmen und die massgeblichen Sachverhalte und Umstände zutreffen:

Topic Examples
Involvement with cryptographic assets and related transactions, including purpose for transactions
  • Description of the cryptographic assets held, including their characteristics
  • Business model for holding cryptographic assets
  • Details of ICO transactions undertaken (cash and non-cash transactions)
  • Success of project, especially with regard to the promises included in ICO whitepaper
Accounting policies, and judgements made in applying them (IAS 1 paras 117(b), 122)
  • Accounting standard applied to cryptographic assets held
  • Measurement basis
  • On/off balance sheet treatment of cryptographic assets held for third parties, including rationale
  • Recognition of ICO proceeds (especially nature of credit in an ICO issuance)
  • Possible future regulatory developments, including changes in accounting standards and/or interpretations
Sources of estimation uncertainty (IAS 1 para 125)
  • Non-level 1 fair values
  • Pattern of recognition of deferred revenue
Events after the reporting period (IAS 10)
  • Major change in the value of cryptographic assets held
  • Achieving/not achieving an ICO or other significant milestone (such as key performance obligations)
Fair value of cryptographic assets (IFRS 13)
  • Fair value of cryptographic assets held
  • Level of the fair value hierarchy within which the fair value measurements are categorised
  • Description of the valuation techniques and inputs used to determine fair value
  • Inputs used to determine fair value measurement, especially considerations around determination of the principal or most advantageous market and reliability and sources of data used
  • A discussion of the sensitivity to unobservable inputs
Risks and how they are managed (IFRS 7 – although not necessarily applicable – could be useful guidance)
  • Nature and extent of risks arising from the holding of cryptographic assets
  • Risk management process, strategies and actions

Since this is an evolving area of accounting, entities should closely monitor developments, so that they can align their disclosures with market expectations and requirements.

1. Was sind Stablecoins und digitales Zentralbankgeld?

1.1. Stablecoins

Stablecoins sind Krypto-Assets, deren Hauptzweck darin besteht, den Wert eines Vermögenswerts zu repräsentieren, der im Allgemeinen keiner grossen Volatilität unterliegt, wie beispielsweise Fiat-Währungen, Gold oder andere Rohstoffe.

Dies wird in der Regel durch die Besicherung des Vermögenswerts erreicht, an dessen Wert der Stablecoin gekoppelt werden soll. Wenn ein Stablecoin beispielsweise den Wert einer Fiat-Währung repräsentieren soll, wie z. B. einen USD, würde die Besicherung sicherstellen, dass für jeden im Umlauf befindlichen Stablecoin ein USD sicher bei der ausgebenden Stelle hinterlegt ist. Konzeptionell ist es im Gegensatz zu dezentralen Finanzen oder "DeFi" auch möglich, dies durch die Besicherung andere Vermögenswerte als die, an die der Stablecoin eigentlich gekoppelt ist, zu erreichen. Wenngleich dies in der Praxis seltener vorkommt, schliesst das auch die Besicherung mit anderen Krypto-Assets ein. Schliesslich kann der gewünschte Effekt auch ganz ohne Besicherung erreicht werden. In diesem Fall wird der stabile Wert durch einen Algorithmus aufrechterhalten, der das Angebot und die Nachfrage der Coins steuert, um die Volatilität zu beseitigen.

Ein Hauptgrund für die Existenz von Stablecoins ist, dass sie es den Inhabern ermöglichen, das Engagement in Krypto-Assets mit einer hohen Volatilität zu reduzieren, indem sie diese volatilen Vermögenswerte relativ schnell und kostengünstig in Stablecoins umtauschen. Wenn ein Inhaber stattdessen die volatilen Krypto-Assets verkaufen würde, um den Basiswert (underlying asset) eines Stablecoins zu kaufen, würden ihm typischerweise deutlich höhere Transaktionskosten entstehen und es würde typischerweise deutlich länger dauern, bis die Transaktion abgeschlossen ist. Dies liegt daran, dass die meisten Börsen entweder den direkten Handel von bestimmten Krypto-Assets in nicht kryptografische Vermögenswerte, wie z. B. Fiat-Währungen, nicht zulassen, was in der Folge zu mehreren Transaktionen führt, oder sie berechnen höhere Transaktionsgebühren für solche Transaktionen.

1.2. Digitales Zentralbankgeld

Digitales Zentralbankgeld (Central Bank Digital Currencies, CBDC) gilt als digitales Abbild einer staatlichen Währung, die von einer Zentralbank ausgegeben - oder zur Ausgabe autorisiert - wird und einen Anspruch gegenüber der ausgebenden Zentralbank darstellt. Diese Attribute sind auch die Hauptunterscheidungsmerkmale zwischen digitalem Zentralbankgeld und einem Stablecoin, der von einem privat gehaltenen oder kontrollierten Unternehmen ausgegeben wird.

Obwohl sich die Entwicklung noch in einem frühen Stadium befindet, werden auf der Grundlage der Überlegungen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vier verschiedene Arten von CBDCs diskutiert:

a) Direktes digitales Zentralbankgeld (Direct CBDC) - ein Zahlungssystem, das von der Zentralbank betrieben wird und Dienstleistungen für Privatkunden anbietet. Bei direktem, digitalen Zentralbankgeld handelt es sich um einen direkten Anspruch gegen die Zentralbank. Die Zentralbank zeichnet alle Transaktionen auf und führt den Massenzahlungsverkehr aus.

b) Hybrides oder zweistufiges digitales Zentralbankgeld (Hybrid or two-tiered CBDC) - eine Zwischenlösung. Intermediäre wickeln den Massenzahlungsverkehr ab, aber das digitale Zentralbankgeld stellt eine direkte Forderung an die Zentralbank dar, die auch weiterhin sämtliche Transaktionen aufzeichnet und eine technische Back-up-Infrastruktur betreibt, die es ihr ermöglicht, das Zahlungssystem neu zu starten, wenn Intermediäre ausfallen.

c) Intermediäres digitales Zentralbankgeld (Intermediated CBDC) - eine Architektur, die dem hybriden digitalen Zentralbankgeld ähnelt, bei der die Zentralbank jedoch nur die Transaktionen mit den Intermediären und nicht sämtliche Transaktionen aufzeichnet. Auch hier stellt das digitale Zentralbankgeld eine Forderung gegen die Zentralbank dar, und private Intermediäre führen Massenzahlungsverkehr aus.

d) Indirektes oder synthetisches digitales Zentralbankgeld (Indirect or synthetic CBDC) - ein Zahlungssystem, das von Intermediären betrieben wird. Die Privatkunden haben Forderungen gegen diese Intermediäre, die den Massenzahlungsverkehr durchführen. Die Intermediäre müssen sämtliche Verbindlichkeiten gegenüber Privatkunden vollständig mit Forderungen gegen die Zentralbank unterlegen.

2. Welche Art von Krypto-Assets sind Stablecoins und digitales Zentralbankgeld?

2.1. Stablecoins

Um zu bestimmen, welcher Rechnungslegungsstandard anwendbar ist, und um die damit verbundenen Rechnungslegungsfragen zu erörtern, ist es sinnvoll, Krypto-Assets anhand ihrer Merkmale in definierte Untergruppen zu gliedern.

Ein einziger, allgemein akzeptierter Rahmen für die Klassifizierung verschiedener Krypto-Assets existiert derzeit nicht. Folglich gibt es keine allgemein gültige Definition eines Krypto-Assets. In der Praxis findet sich eine grosse Vielfalt an Merkmalen der Transaktionen wieder. Basierend auf unseren Beobachtungen gibt es jedoch einige Merkmale, die zur Klassifizierung von Krypto-Assets in ähnliche Typen verwendet werden können.

Die Merkmale, die unserer Meinung nach für die Klassifizierung von Krypto-Assets für Rechnungslegungszwecke am relevantesten sind, sind:

  • der primäre Zweck des Krypto-Assets und
  • wie das Krypto-Asset seinen inhärenten Wert ableitet.

Basierend auf den gemeinsamen Untergruppen von Krypto-Assets, die üblicherweise verwendet werden und auf die in Abschnitt 1 Bezug genommen wird (d. h. Kryptowährungen, Asset-backed Token, Utility Token und Security Token), fallen Stablecoins in die Untergruppe der Asset-backed Token. Der Zweck eines Asset-backed Tokens kann als ein digitales Token verstanden werden, das auf der Blockchain-Technologie basiert und seinen Wert auf der Grundlage eines zugrunde liegenden Vermögenswerts ableitet. Der inhärente Wert des Asset-backed-Tokens basiert demnach auf diesem zugrunde liegenden Vermögenswert.

Allerdings sollte nicht jeder Asset-backed Token als Stablecoin angesehen werden. Wenn der Basiswert beispielsweise ein anderes volatiles Krypto-Asset ist, das nicht darauf abzielt, den Wert eines allgemein als stabil angesehenen Vermögenswerts zu repräsentieren, wäre ein solcher Asset-backed Token typischerweise nicht als Stablecoin anzusehen.

Für den Zweck dieser Publikation werden wir nur Stablecoins betrachten, die durch Fiat-Währungen gedeckt sind, die nicht von Zentralbanken hyperinflationärer Volkswirtschaften ausgegeben werden oder durch andere Vermögenswerte mit geringer Volatilität gedeckt sind, wie z. B. Zahlungsmitteläquivalente.

2.2. Digitales Zentralbankgeld

Wenn digitales Zentralbankgeld zu einer direkten Verbindlichkeit der emittierenden Zentralbank führt, fällt sie wahrscheinlich in keine der zuvor definierten Untergruppen und sollte als separate Untergruppe betrachtet werden.

Alternativ kann digitales Zentralbankgeld, wenn er so konzipiert ist, dass es dem Inhaber lediglich das Recht gibt, traditionelle Fiat-Währung im Austausch zu erhalten, auch als eine Form von Stablecoin betrachtet werden, die in die Untergruppe der Asset-backed-Token fällt.

Aus Sicht des Inhabers von digitalem Zentralbankgeld würde sich der Ansatz zur Bestimmung der bilanziellen Behandlung nicht unterscheiden.

3. Aktueller Stand der Rechnungslegung nach IFRS

Im Juni 2019 veröffentlichte das IFRS Interpretations Committee ("IFRS IC") seine Agenda-Entscheidung zu "Holdings of Cryptocurrencies" und betrachtete dabei eine Untergruppe von Krypto-Assets mit den folgenden Merkmalen:

  • eine digitale oder virtuelle Währung auf Basis der Distributed-Ledger-Technologie und kryptografischen Sicherheitsmerkmalen;
  • keine zentrale Ausgabe durch eine staatliche bzw. behördliche Instanz oder eine andere Partei; und
  • führt nicht zu einem Vertrag zwischen dem Besitzer und der Gegenseite.

Das IFRS IC kam zu dem Schluss, dass IAS 2 "Vorräte", auf solche Vermögenswerte anzuwenden ist, wenn sie zum Verkauf im normalen Geschäftsgang gehalten werden. Wenn IAS 2 nicht anwendbar ist, wendet ein Unternehmen IAS 38 "Immaterielle Vermögenswerte" auf Bestände solcher Krypto-Assets an.

Während Stablecoins im Allgemeinen das erste und zweite Kriterium wie oben aufgeführt erfüllen, ist die Erfüllung des dritten Kriteriums weniger klar. Die für einige Stablecoins veröffentlichten Bedingungen scheinen vertragliche Verpflichtungen zwischen dem Inhaber und der Gegenpartei (im Allgemeinen dem Emittenten der Coins oder einem verbundenen Unternehmen des Emittenten) zu begründen. Daher könnte die Agenda-Entscheidung auf solche Coins nicht anwendbar sein. Darüber hinaus könnte Komplexität entstehen, da verschiedene Stablecoins unterschiedliche Bedingungen haben könnten.

Da digitales Zentralbankgeld entweder von einer Zentralbank emittiert und/oder von der Zentralbank besichert werden, erfüllt digitales Zentralbankgeld eindeutig nicht das zweite Kriterium, so dass die Agenda-Entscheidung möglicherweise auch nicht auf sie anwendbar ist.

4. Entscheidungsbaum

Der nachstehende Entscheidungsbaum unterstützt Unternehmen bei der Abbildung von Stablecoins und digitalem Zentralbankgeld in der IFRS-Rechnungslegung, die das Unternehmen für eigene Rechnung hält. Wenn Stablecoins oder digitales Zentralbankgeld im Auftrag Dritter gehalten wird, sind die Ausführungen in Abschnitt 4.2 zu beachten.

Oftmals erfordert die Abbildung von Stablecoins und digitalem Zentralbankgeld nach IFRS die Ausübung von Ermessen. Für einige Fragestellungen gibt es derzeit keine einheitlichen oder abschliessenden Antworten.

Diese Zusammenfassung berücksichtigt die derzeit verfügbaren Informationen zum Zeitpunkt dieser Veröffentlichung, die sich je nach zukünftigen Entwicklungen jederzeit ändern können.

Bild Entscheidungsbaum

* Unternehmen sollten ggf. eine rechtliche Einschätzung einholen, um die mit verschiedenen Stablecoins und CBDCs verbundenen Rechte zu beurteilen. Zu prüfen ist ggf. auch, ob Rückgaberechte Teil des Tokens sind oder ein separates Instrument darstellen.

Es besteht die Möglichkeit, dass bestimmte Inhaber von Token auch eine Verkaufsoption haben, die von dem zugrunde liegenden Token selbst getrennt ist. Wenn der Token und das Rückgaberecht getrennt übertragen oder abgerechnet werden können, kann dies ein Indiz dafür sein, dass diese separat abzubilden sind.

5. Allgemeine Überlegungen

5.1. Hat der Stablecoin-Inhaber das rechtlich durchsetzbare Recht, die Coins gegen Bargeld zurückzugeben (IAS 32.11 und .13)?

Um die angemessene Bilanzierung für einen Stablecoin zu bestimmen, muss der Inhaber des Coins feststellen, ob der Coin ein Finanzinstrument darstellt. Ein Finanzinstrument wird in IAS 32 als ein Vertrag definiert, der zu einem finanziellen Vermögenswert eines Unternehmens und einer finanziellen Verbindlichkeit oder einem Eigenkapitalinstrument eines anderen Unternehmens führt. Typischerweise werden Stablecoins nach unserer derzeitigen Erfahrung durch vertragliche Vereinbarungen ausgegeben. Dementsprechend muss der Stablecoin-Inhaber sie im Zusammenhang mit der Frage bewerten, ob die Definition eines finanziellen Vermögenswerts erfüllt ist.

Ein finanzieller Vermögenswert würde einen Vertrag umfassen, der ein Eigenkapitalinstrument eines anderen Unternehmens darstellt, oder ein vertragliches Recht auf den Erhalt von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten von einem anderen Unternehmen. Um zu bestimmen, in welche Kategorie ein finanzieller Vermögenswert fällt, muss ein Unternehmen zunächst prüfen, ob es sich bei dem finanziellen Vermögenswert um ein Eigenkapitalinstrument (aus Sicht des Emittenten) oder ein Schuldinstrument handelt. Ein Eigenkapitalinstrument ist ein Vertrag, der einen Residualanspruch an den Vermögenswerten eines Unternehmens nach Abzug aller seiner Schulden verbrieft. Ein Schuldinstrument würde ein vertragliches Recht auf den Erhalt von Bargeld darstellen (z. B. das Recht, vom Emittenten eines Stablecoins eine Barrückzahlung zu verlangen). Es ist wichtig, die Rückgaberechte im Vertrag inhaltlich vollständig zu durchdringen. Diese Rechte können aufgrund von Bedingungen, die ausserhalb der alleinigen Kontrolle des Emittenten liegen, eingeschränkt sein (z. B. wenn sie nicht eingelöst werden können, insofern der Inhaber die Erlöse für kriminelle Aktivitäten verwendet, oder der Emittent nicht über ausreichend Liquidität verfügt).

Ein finanzieller Vermögenswert, der kein Eigenkapitalinstrument ist, wird nach dem Modell in IFRS 9 für Schuldinstrumente klassifiziert und bewertet. Das heisst, das Geschäftsmodell, in dem das Instrument gehalten wird, und die Tatsache, ob es sich bei seinen Merkmalen ausschliesslich um Kapital- und Zinszahlungen handelt, bestimmen die Klassifizierung des Instruments (fortgeführte Anschaffungskosten, als erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert oder als erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert).

Da es sich um eine sich entwickelnde Branche handelt, sollten Unternehmen bei der Beurteilung der mit verschiedenen Stablecoins und CBDCs verbundenen Rechte Rechtsberater konsultieren. Zu beurteilen ist insbesondere, ob Rückgaberechte Teil des Tokens sind oder ein separates Instrument darstellen.

5.2. Hat der Stablecoin-Inhaber ein rechtlich einklagbares Recht auf einen Residualanspruch?

Wenn es keine Rückgaberechte gibt (d. h., der Emittent kann nach eigenem Ermessen entscheiden, ob er die Rücknahme vornimmt), könnte das Instrument dennoch ein Finanzinstrument sein, wenn es die Definition eines Eigenkapitalinstruments erfüllt (d. h., wenn es kein kündbares Instrument ist oder von einem Unternehmen mit begrenzter Laufzeit ausgegeben wird). Ein Eigenkapitalinstrument impliziert einen Anteil an den Residualwerten eines Unternehmens, und es ist wichtig, die rechtlichen Bestimmungen zu verstehen, die für einen Inhaber solcher Coins bei der Liquidation des Unternehmens gelten würden. D. h.: Hätte der Inhaber eines Coins bei einer Liquidation oder der Insolvenz des Unternehmens ein Recht auf einen Anteil am Nettovermögen des Emittenten? Sowohl der Inhalt als auch die rechtliche Form der vertraglichen Rechte des Inhabers sind hierbei zu beachten.

Ein Finanzinstrument, das ein Eigenkapitalinstrument darstellt, würde nach dem Modell für Eigenkapitalinstrumente des IFRS 9 klassifiziert und bewertet werden, welches beim erstmaligen Ansatz ein Wahlrecht zur Einstufung des Instruments als erfolgsneutral zum beizulegenden Zeitwert im sonstigen Ergebnis vorsieht. Dieses Wahlrecht besteht jedoch nur für Eigenkapitalinstrumente, die nicht zu Handelszwecken gehalten werden. Ansonsten hat eine Klassifizierung und Bewertung als erfolgswirksam zum beizulegenden Zeitwert zu erfolgen.

5.3. Der Stablecoin-Inhaber hat keinen rechtlichen Anspruch, die Coins in Bargeld einzulösen oder deren Rücknahme zu verlangen und hat keinen Residualanspruch

Wenn der Stablecoin nicht der Definition eines Finanzinstruments entspricht, würde er nach anderen anwendbaren Standards wie IAS 2 "Vorräte", oder IAS 38 "Immaterielle Vermögenswerte", bilanziert werden, wobei die Hierarchie in IAS 8 als Grundlage für die Bestimmung der angemessenen Bilanzierungsmethode verwendet wird.

5.4. Definitionen von Zahlungsmitteln und Zahlungsmitteläquivalenten

Die IFRS enthalten keine explizite Definition der Begriffe "Zahlungsmittel" oder "Währung". Es könnte argumentiert werden, dass die Begriffe "Zahlungsmittel" und "Währung" für Bilanzierungszwecke austauschbar sind. IAS 32 "Finanzinstrumente: Darstellung" stellt eine Verbindung zwischen Währung und Zahlungsmitteln her und IAS 21 "Auswirkungen von Wechselkursänderungen" stellt eine Verbindung zwischen Zahlungsmitteln, Währung und monetären Posten her.

Daher ist Ermessen erforderlich, um zu bestimmen, ob Kryptowährungen als Bargeld oder als Währung angesehen werden können.

Orientierung bietet z. B. IAS 7.6, da hier Zahlungsmittel als "bestehend aus Kassenbestand und Sichteinlagen" definiert werden:

  • Bargeldbestand wird typischerweise als physisch gehaltene Währung verstanden; und
  • Sichteinlagen sind in den IFRS nicht definiert. Es wird jedoch allgemein angenommen, dass es sich dabei um Einlagen bei Kreditinstituten handelt, die rückzahlbar und innerhalb von 24 Stunden oder einem Arbeitstag ohne Vertragsstrafe verfügbar sind. Sichteinlagen umfassen Konten, auf denen jederzeit zusätzliche Mittel eingezahlt und jederzeit ohne vorherige Ankündigung abgehoben werden können (z. B. ein Girokonto).

Als weitergehende Überlegung sollte bedacht werden, dass die Attribute einer Fiat-Währung neben der Tatsache, dass sie ihren Wert daraus bezieht, dass sie als gesetzliches Zahlungsmittel deklariert ist, folgende sind:

  • Tauschmittel;
  • Rechnungseinheit; und
  • Wertaufbewahrung.

Nur wenn digitales Zentralbankgeld alle diese Merkmale aufweist, einschliesslich der Tatsache, dass es als gesetzliches Zahlungsmittel gilt, kann es ggf. als Bargeld angesehen werden.

IAS 7.6 definiert Zahlungsmitteläquivalente weiter als kurzfristige, hochliquide Anlagen, die jederzeit in bekannte Zahlungsmittelbeträge umgewandelt werden können und nur unwesentlichen Wertschwankungsrisiken unterliegen.

Dies ist wichtig, da es für einen Stablecoin oder digitales Zentralbankgeld unmöglich ist, als Zahlungsmitteläquivalent eingestuft zu werden, wenn er einem mehr als nur unwesentlichen Wertänderungsrisiko unterliegt oder andere Teile der Definition nicht erfüllt.

6. Vorläufige Schlussfolgerung

Krypto-Assets im Allgemeinen entwickeln sich weiter, sowohl in Bezug auf Produktinnovationen als auch in Bezug auf ihr Design und ihre Funktionen. So gibt es bis dato eine Vielzahl von Varianten, was im Grundsatz auch auf Stablecoins und digitales Zentralbankgeld zutrifft. Diese Instrumente sind daher im Einzelfall unterschiedlich zu beurteilen.

Unternehmen sollten bei der Beurteilung dieser Instrumente vorsichtig sein, die Art und Substanz der mit ihnen verbundenen vertraglichen Rechte sorgfältig analysieren und im Zweifel Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Insbesondere bei Stablecoins und digitalem Zentralbankgeld sollte auf die Existenz, die Art und den Inhalt der mit diesen Instrumenten verbundenen Rückgaberechte geachtet werden, da diese regelmässig entscheidend für die Beurteilung der angemessenen bilanziellen Behandlung sein dürften.

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Bastian Stolzenberg

Bastian Stolzenberg

Director, Blockchain Assurance, PwC Switzerland

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