Blogbeitrag und Webinaraufzeichnung

TEPA-Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EFTA: Ein Überblick für Unternehmen

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  • 12/07/24
Christina Haas Bruni

Christina Haas Bruni

Senior Manager, Customs & International Trade, PwC Switzerland

Das Freihandelsabkommen zwischen Indien und den EFTA-Staaten, Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz (abgekürzt TEPA), markiert einen bedeutenden Meilenstein für die Handelsbeziehungen zwischen diesen Parteien. Nach 21 Gesprächsrunden über insgesamt 16 Jahre haben sich die vier kleinen europäischen Staaten verpflichtet, 100 Milliarden Dollar in Indien zu investieren und somit innerhalb von 15 Jahren eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Im Gegenzug wird Indien seine hohen Zölle auf 95,3 % der gewerblichen Einfuhren, mit Ausnahme von Gold, entweder sofort oder im Laufe der Zeit aufheben. Das Abkommen wurde am 10. März 2024 unterzeichnet und könnte bereits im Herbst 2025 in Kraft treten.

100 Md. $

Nach 21 Gesprächsrunden über insgesamt 16 Jahre haben sich die vier kleinen europäischen Staaten verpflichtet, 100 Milliarden Dollar in Indien zu investieren.

Wirtschaftliche Perspektiven

Indien gilt als eine der am schnellsten wachsenden grossen Volkswirtschaften der Welt und hat im April 2023 mit 1’428 Milliarden Einwohnern China als das bevölkerungsreichste Land der Welt abgelöst. Im Jahr 2023 betrug das Wirtschaftswachstum 8,4 %, und es wird weiterhin mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von sechs bis neun Prozent gerechnet. Für Schweizer Unternehmen bedeutet das Abkommen einen erleichterten Zugang zu diesem riesigen Markt, in dem bereits über 300 Schweizer Firmen wie Nestlé, Holcim, Sulzer und Novartis aktiv sind.

Global gesehen sind die Schweiz und Indien keine grossen Handelspartner, und ihr bilateraler Handel belief sich im Jahr 2023 auf rund 17,7 Milliarden Franken. Die Schweiz exportiert primär Edelmetalle, Maschinen, Pharmazeutika und Chemikalien nach Indien und importiert von dort hauptsächlich Chemikalien, Textilien, Edelmetalle und landwirtschaftliche Erzeugnisse. 

Das SECO erwartet jedoch, dass die Abschaffung der hohen Zölle Indiens zu zusätzlichen Exporten in Höhe von etwa 170 Millionen Franken pro Jahr führen wird. Dabei werden voraussichtlich Branchen wie Infrastruktur, Bauwesen, Luxusgüter, Digitalisierung, saubere Technologien und Elektromobilität von diesem Abkommen profitieren. Aber auch die Schweizer Hersteller von Werkzeugmaschinen, Uhren, Schokolade, Pharma- und Medizinprodukten können den erleichterten Marktzugang und die tieferen Einfuhrzölle im Wettbewerb nutzen.

Schliesslich bietet Indien vielen Unternehmen die Möglichkeit, eine „China+1-Strategie“ zu verfolgen und somit ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Auch im Dienstleistungsbereich ergeben sich neue Chancen für die Schweizer Wirtschaft. So werden Schweizer Finanzdienstleister von klaren und transparenten Fristen zur Bewilligung von Lizenzen profitieren. Zusätzlich wird der zulässige Anteil ausländischen Kapitals im Versicherungsbereich auf bis zu 49 % und bei den Banken von 51 auf 74 % erhöht. Indien verpflichtet sich auch zur Zulassung von Installations- und Wartungspersonal von Maschinen für einen Aufenthalt von bis zu 3 Monaten pro Jahr.

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Abkommens betrifft den Schutz des geistigen Eigentums. Es gibt Verbesserungen in den Bereichen Patentrecht, Patentverfahren und Schutz der "Swissness". Dennoch gibt es Bedenken, dass einige Aspekte über die Standards der Welthandelsorganisation hinausgehen und den Schutz vor missbräuchlichen Patenten schwächen könnten.

Verbesserungen und kritische Aspekte

Für 84,6 % der Schweizer Exporte werden nach Ablauf der Zollabbaufristen von 0 bis 10 Jahren sämtliche Zölle wegfallen. Zusätzlich erhalten 10,1 % der Exporte Teilkonzessionen, was zu einer Reduktion der Zölle um 50 % mit Übergangsfristen von bis zu 10 Jahren führt. Einige Bereiche wie Molkereiprodukte, Soja und empfindliche landwirtschaftliche Produkte und insbesondere Gold bleiben vom Abkommen ausgeschlossen. 

Gewisse Unsicherheiten bieten die sog. «Customs Administration Rules of Origin under Trade Agreements (CAROTAR)». Diese speziellen Import-Regeln, die Indien im Jahre 2020 eingeführt hat, verlangen vom indischen Importeur, den Ursprung der importierten Ware mit Dokumenten zu belegen, die teilweise über die im TEPA vorgesehenen Ursprungsnachweise des EFTA-Exporteurs hinausgehen könnten. Zudem ist Indien ein komplexes Land mit grossen regionalen Unterschieden, die in der künftigen Abwicklung ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

84.6%

Für 84,6 % der Schweizer Exporte werden nach Ablauf der Zollabbaufristen sämtliche Zölle wegfallen.

Zukunftsaussichten

Insgesamt stellt das Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EFTA eine Chance für Schweizer Unternehmen dar, neue Märkte zu erschliessen, Handelshemmnisse abzubauen und langfristige Partnerschaften in einem der dynamischsten Wirtschaftsräume der Welt aufzubauen. Mit dem Inkrafttreten des Freihandelsabkommens wird nach Abschluss des Ratifizierungsprozesses im Herbst 2025 gerechnet, sofern es kein fakultatives Referendum gibt.

In unserem nächsten Beitrag werden wir uns genauer mit den Herausforderungen beschäftigen, die dieses neuartige Abkommen mit sich bringt, und beleuchten, was es für Schweizer Unternehmen zu beachten gilt.

Webinaraufzeichnung

Sie finden eine Aufzeichnung unseres TEPA-Webinars vom 14. Mai 2024 hier:

Aufzeichnung (in Englisch)

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Christina Haas Bruni

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