Vertrauen in die Blockchain-Technologie

Adrian Keller Partner and Leader Audit for Blockchain, PwC Switzerland 20 Apr 2019

Die Blockchain revolutioniert die Finanzwelt. In fünf Jahren dürften über 50% der Finanzprodukte digital sein. Für den Endkunden entsteht ein neuartiges Produkterlebnis. Die Anbieter hingegen stehen vor völlig neuen Aufgaben. PwC sorgt als unabhängige Prüfstelle für einen vertrauensbildenden Rahmen.

Die Blockchain-Technologie ist schon lange kein Hype mehr. Sie ist Realität, wenn sie auch ihr enormes Disruptionspotenzial noch nicht vollständig entfaltet hat. Für die Anwendung in der breiteren Masse wird es noch zwei bis drei Jahre dauern. Der Finanzwelt hingegen stehen interessante Lösungen im Bereich digitaler Wertschriften – sogenannte Security Tokens – zur Verfügung.

Finanzindustrie in Bewegung

In der Schweiz bieten erst wenige Banken und Effektenhändler Blockchain-Dienstleistungen an, etwa den Handel mit Kryptowährungen. Rund 10 bis 15 mittlere und kleine Banken arbeiten an einer Blockchain-Lösung für ihre Kunden. Weiter bewerben sich fünf neue, gut kapitalisierte Blockchain-Institute für eine Bank- oder Effektenhändlerlizenz der Finanzmarktaufsicht (FINMA). Wir erwarten, dass im Lauf dieses Jahres erste FINMA-lizenzierte Anbieter ihre Blockchain-Angebote ausrollen werden. In Liechtenstein hat die Bank Frick bereits einen ersten Security Token in Zusammenarbeit mit dem auf Crypto-Assets spezialisierten Finanzdienstleister Bitcoin Suisse herausgegeben. Damit steigt der Druck auf die bestehenden Institute, ihre Produktpalette entsprechend zu erweitern.

Verwahrung als «Key» zum Erfolg

Die SIX Digital Exchange (SDX) ist zwar noch nicht live. Trotzdem dürften im Sommer oder Herbst 2019 erste Blockchain-basierte Handels- und Verwahrungslösungen auf den Markt kommen. Neben der SDX arbeiten andere Marktteilnehmer ebenfalls an Verwahrungslösungen für Kryptowerte. Basis für deren Erfolg ist ein durchdachtes sicheres und verlässliches Management sogenannter privater Schlüssel (Private Keys). Diese sichern den Zugang und das Eigentum zu digitalen Vermögenswerten.

Öffentlich versus privat

Blockchain-Lösungen können sowohl öffentlich zugänglich als auch nach einem privaten Schema konzipiert sein. Öffentliche Blockchains – zum Beispiel die Bitcoin-Blockchain – zeichnen sich im Normalfall dadurch aus, dass sie durch eine breitere Masse von so genannten «Miners» in Stand gehalten wird und damit sicherer und robuster sind. Allerdings sind bei öffentlich zugänglichen Blockchains viele Probleme rund um die Performance, den Energieverbrauch oder die Governance erst ansatzweise gelöst. Private Blockchains benötigen noch immer eine zentrale Stelle. Dafür sind sie besser überwach- und kontrollierbar und weisen eine stärkere Performance aus. Private Blockchains sind für jene Bereiche interessant, in denen öffentliche Systeme noch keine abschliessende Lösung bieten (zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz oder hohe Transaktionsdurchläufe) aber auch wenn die Steuerung einem kontrollierten Muster entsprechen soll.

Regeln und Gesetze hinken hinterher

Der Bundesrat befasst sich derzeit mit einer Gesetzesreform, welche aktuelle Rechtsprobleme von dezentral geführten Kontenbüchern (auch Distributed Ledger Technology oder DLT genannt - das Grundprinzip nach welchem jedes Blockchain-System aufgebaut ist) lösen soll. Im Mittelpunkt der Bestrebungen stehen die elektronische Registrierung von Wertrechten und die Aussonderbarkeit bei Konkurs. International hat sich auf der regulatorischen Ebene noch wenig getan. Sowohl zur buchhalterischen Behandlung als auch zur Kapitalunterlegung liegen noch keine klaren Regeln vor, auch wenn letztere für die Finanzinstitute von zentraler Bedeutung sind. In der Schweiz hat die FINMA Übergangsregeln definiert.

Die Zukunft der Finanzprodukte ist digital

Über 50% der Finanzprodukte sind mittelfristig digital

Wir gehen davon aus, dass in fünf Jahren über die Hälfte der Finanzprodukte digital angeboten werden. Schon heute geben jene Institute, die den Finanzmarkt aktiv mit Blockchain-Lösungen bearbeiten, pro Monat insgesamt zirka CHF 5 bis 7 Millionen aus, um ihr FINMA-Lizenzziel zu erreichen.

Weniger Risiko, schneller am Ziel

Es liegen Ideen und Ansätze vor, Blockchain-Produkte zu automatisieren. Diese weisen markant tiefere Risiken für die Gegenpartei auf und würden die Umsetzung digitaler Finanzprodukte aus (Kapital-)Kostenüberlegungen extrem beschleunigen. Auch eine Abwicklung in Nullzeit – also T+0 (Transaktionsdatum plus null Tage für die Transaktionsabwicklung) – dürfte die heutigen Kosten in vielen Fällen deutlich reduzieren.

Das Momentum der Ökosysteme

Finanzangelegenheiten werden vermehrt innerhalb von digitalen Ökosystemen abgewickelt. Ein Beispiel dafür ist WeChat aus dem asiatischen Raum. Das ursprüngliche Chat System ist heute ein verbreitetes Zahlungssystem. Neue Möglichkeiten ergeben sich mit Blockchain- Systemen, welche selbst auch die Verwahrung der Vermögenswerte sicherstellen. Solche Systeme erlauben es den Usern Beträge direkt auf «Mobile Wallets» (eine Krypto-Geldbörse auf dem Smartphone) zu speichern und von dort zu verwenden. Grössere Beträge werden gewöhnlich in Offline-Speicherplätzen gehalten (so genannte Cold-Wallets) wie beispielsweise auf einem dafür konzipierten Speicher-Stick geschützt in einem Safe.

Die Technology dezentral geführter Kontenbücher (DLT) wird in Anwendungen vermehrt eine zentrale Rolle spielen. Sie bietet neue Möglichkeiten für Produkterlebnisse und Geschäftslösungen.

Neue Chancen, neue Risiken

Rahmenbedingungen kennen und Kontrollen etablieren

Fakt ist: Die Blockchain bietet interessante Chancen – und damit auch ebenso viele Herausforderungen. Was als vertrauenswürdig erachtet wird, sollten die Institute nicht dem Zufall überlassen, sondern aus einer neutralen Betrachtung und Einschätzung der Möglichkeiten herausschälen. Dabei gilt es, die folgenden vier Risikobereiche im Auge zu behalten.

  • Peer to peer hebelt die Finanzkontrolle aus: Werden Vermögenswerte digital ohne Intermediär zum nächsten Inhaber übermittelt, entfällt die Finanzkontrolle beim Intermediär. Mit der digitalen Peer-to-Peer-Übermittlung von Vermögenswerten wird das Geldwäscherei-Risiko (GwG) ohne entsprechende Kompensationskontrollen erhöht.
  • Vermögensverwahrung tangiert die Sicherheit: Vermögenswerte auf digitalen Wallets sind flexibel und schnell erstellt. Allerdings sind sie nicht mit der Person verbunden, der das Vermögen gehört. Geht der Kontoschlüssel verloren, ist oft auch das Vermögen verloren, zumal dieses nicht im Vorfeld speziell abgesichert wurde (zum Beispiel mit einem dafür vorgesehenen Schema mit mehreren Schlüsseln). Zudem sind unterschiedliche Sicherheitsstufen für die Verwahrung technisch komplex und für den IT-Laien mit Risiko behaftet, wenn die Lösung zur sicheren Aufbewahrung nicht korrekt umgesetzt oder verstanden wurde.
  • Smart Contracts bieten Chancen beinhalten aber auch Risiken: Smart Contracts sind Software-Komponenten, die Verträge abbilden und Prozesse wie die eines Vertrags digitalisieren und automatisieren. Smart Contracts sind lediglich so gut wie die Informationen aufgrund welcher sie automatisiert Entscheidungen treffen (so genannte Oracles). Des Weiteren hat die Praxis gezeigt, dass durch unsorgfältige Programmierung Smart Contracts Verwundbarkeiten aufweisen, welche von Hackern ausgenutzt werden können. 
  • Erwartungen richtig einschätzen: Die Ausgabe von Security Tokens wird die Fremdfinanzierung vergünstigen und flexibler gestalten. Dazu braucht es Rahmenbedingungen, damit diese Finanzierungsformen keine falschen Hoffnungen oder Erwartungen wecken und im schlimmsten Fall zu Klagen führen.

Mit soliden Standards und Rahmenbedingungen reagieren

Identifikationsmechanismen einbauen

Diverse Anbieter arbeiten intensiv an Identifikationsmechanismen für digitale Wallets und den damit verbundenen Schlüsseln. Sind solche Protokolle installiert, lassen sich grössere Werte erst dann überweisen, wenn Sender und Empfänger identifiziert sind. Alltagszahlungen sollen davon jedoch nicht betroffen sein.

Nutzerspezifische Sicherheit etablieren

Vermögensverwahrungsformen müssen je nach Benutzungszweck verschiedene Kundenansprüche erfüllen. Ein Wallet für das «Taschengeld» ersetzt das heutige Portemonnaie. Vergisst der Besitzer sein Passwort (Private Key), ist das Geld weg – wie wenn er das Portemonnaie verliert. Für grössere Vermögen werden spezialisierte Dienstleister die Aufbewahrung des Private Keys übernehmen. 

Digitale Governance sicherstellen

In privat gehaltenen Blockchains lassen sich Programmierfehler durch eine zentralisierte Einheit beheben. In öffentlichen Systemen, welche von vielen Nutzern verwaltet und verbessert werden, funktioniert das nur dann, wenn digitale Governance-Mechanismen – zum Beispiel eine Abstimmung – etabliert sind. Der Grad nach welchen diese Mechanismen definiert sind, unterscheiden sich je nach Blockchain-System.

Ratings ermöglichen

Der Kauf von digitalen Anteilscheinen des lokalen Bäckers für dessen Zukunftssicherung ist für den einen eine grosszügige Spende und für den anderen ein Finanzinvestment. Wir meinen, dass nicht nur der Preis eines Tokens über dessen Qualität bestimmt. Kategorien, Limiten und die Überwachung grösserer Projekte können hier das notwendige Vertrauen schaffen. 

Den Wert digitaler Werte prüfen

Die Blockchain-Technologie kurbelt das Rad der digitalen Revolution an, aktuell insbesondere in der Finanzwelt. Das Verfahren der kryptografischen Verkettung in einem zentral oder dezentral geführten Buchführungssystem eröffnet den Finanzdienstleistern Zugang zu völlig neuen Gefilden. Und bringt aber auch neuartige Risiken mit sich.

Wer klare Regeln etabliert und ein starkes Rahmenkonzept erarbeitet, kann sich das enorme Potenzial der Blockchain erschliessen. Dazu sollten die Unternehmen gerade bei Projekten mit grossen Werten Standards einführen und sichere Rahmenbedingungen schaffen. Mit entsprechenden Kontrollen können sie Fehler, Vertrauensverlust oder Missverständnisse vermeiden.

Wie auch immer ein Blockchain-Projekt aussieht, eine fachkundige Beratung mit fundiertem IT-Wissen rund um Tokens, Smart Contracts, Redeem Scripts und andere Zahlungs- und Vertragslogiken macht sich auf jeden Fall bezahlt. Ebenso empfehlen wir Blockchain-aktiven Unternehmen die Prüfung ihrer Jahresrechnungen, Kryptowerte, Smart Contracts oder Token-Programme durch eine unabhängige Prüfstelle.

 

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Adrian Keller

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