Im Fokus: Neue Geschäftsmodelle

Business Model Transformation und Outsourcing

Andreas Pratz
Partner and Head of Strategy& Switzerland

Outsourcing und Shared Services lassen sich als Elemente einer Transformation von Geschäftsmodellen interpretieren. Jedes Unternehmen – egal in welcher Branche – ist heute gezwungen, die Art und Weise seiner Wertschöpfung immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Das Tempo, mit dem sich Unternehmen mittlerweile verändern müssen, wird mitunter beängstigend hoch. Oft hängt der Erfolg einer Business Model Transformation davon ab, wie klar die Vorgaben der Geschäftsleitung sind, und in welchem Ausmass eine Organisation Veränderungen absorbieren kann.

Im Februar 2011 gelang es dem IBM-Computer Watson, in drei Folgen der amerikanischen Quizsendung «Jeopardy» zwei menschliche Mitspieler zu schlagen, die zuvor in dieser Show Rekordsummen gewonnen hatten. Im Spiel «Jeopardy» werden den Teilnehmern Antworten aus verschiedenen Kategorien präsentiert; Gewinner ist jener Spieler, dem es gelingt, schneller als seine Konkurrenten eine passende Frage auf die vorgegebene Antwort zu formulieren.


Watson ist ein bekanntes Beispiel für neue Ansätze im Bereich der künstlichen Intelligenz. Dabei handelt es sich meistens um semantische Suchmaschinen [1], die innert kürzester Zeit den Sinn einer Frage erfassen können. Künstliche Intelligenz könnte in vielen Branchen von Nutzen sein. Experten hoffen beispielsweise, dass demnächst individuelle Therapien zur Krebsbekämpfung entwickelt werden, die exakt auf die spezifischen Krankheitsbedingungen der einzelnen Patienten zugeschnitten sind. Bereits im Einsatz sind auch Anwendungen für die computergenerierte und -unterstützte Empfehlung von Finanzprodukten, sogenannte Robo-Advisors.

[1] Computerprogramme, die den Sinn einer Frage erfassen können, welche in natürlicher Sprache gestellt wird, um anschliessend in einer Datenbank, die ebenfalls Texte in natürlicher Sprache umfasst, die relevanten Passagen und Fakten zu finden.

Künstliche Intelligenz demonstriert auf drastische Weise, wie scheinbar selbstverständlich geltende Annahmen ins Wanken geraten – etwa darüber, was wirtschaftliche Aktivitäten sind, wie Wissen ausgetauscht wird oder wie Menschen kommunizieren. Maschinen werden menschliche Arbeit künftig nicht mehr nur ersetzen, weil sie einfache Routinetätigkeiten automatisieren. Sie werden zunehmend auch zu Konkurrenten der modernen Wissensarbeiter [2]. Gebildete Arbeitskräfte müssen sich überlegen, ob ihre heutigen Fähigkeiten auch in Zukunft noch gefragt sein werden oder ob sich ihr Wertschöpfungsbeitrag grundlegend ändern muss.

[2] Mitarbeiter, der mit Informationen, Ideen und Fachkenntnissen arbeitet.

Megatrends als Treiber der Transformation

Der Begriff Business Model Transformation kam gegen Ende der Neunzigerjahre auf. Die fortschreitende Kombination von Elementen der Informationstechnologie mit herkömmlichen Arbeitsabläufen führte dazu, dass die bisherige Art der Geschäftsabwicklung immer häufiger infrage gestellt wurde. Innovative Manager suchten und fanden neue Möglichkeiten, um ihr Business anders zu betreiben und es effizienter und effektiver zu gestalten.

Ein Geschäftsmodell kann immer nur eine Annäherung an die wirkliche Organisation eines Unternehmens oder der gesamten Wertschöpfungskette eines Geschäftes sein. Im Wesentlichen hat es drei Komponenten:

  • Das Nutzenversprechen oder die Value Proposition, die sich aus der Frage ergibt: Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen für seine Kunden und Geschäftspartner?
  • die Architektur der Wertschöpfung, die die Frage beantwortet: Welche Leistung bietet das Unternehmen an und wie konfiguriert sie diese?
  • das Ertragsmodell, das Antwort auf die Frage gibt: Mit welchen geschäftlichen Transaktionen verdient das Unternehmen Geld?

Nicht nur die Digitalisierung, auch andere global wirkende und tief greifende Faktoren treiben die Transformation bisheriger Businessmodelle an. Beispiele für die sogenannten Megatrends sind die rasch fortschreitende Urbanisierung, der umfassende demografische Wandel, die Verlagerung der ökonomischen und politischen Zentren aus der westlichen Welt nach Asien oder die zunehmende Ressourcenknappheit. Entwicklungen, die bewirken, dass sich die Bedürfnisse der Kunden wandeln, Potenziale für innovative Geschäftsprozesse entstehen und sich die Zahlungsbereitschaft für Leistungen verändert.

Vorausblickende Verwaltungsräte und CEO betreiben strategisches Monitoring und Frühwarnung, indem sie Megatrends beobachten und sich fragen, ob ihr aktuelles Geschäftsmodell auch in drei oder fünf Jahren noch Bestand haben wird.

Vorausblickende Verwaltungsräte und CEOs betreiben strategisches Monitoring und Frühwarnung, indem sie Megatrends beobachten und sich fragen, ob ihr aktuelles Geschäftsmodell auch in drei oder fünf Jahren noch in dieser Form Bestand haben wird. Falls sie zum Schluss kommen, dass eine Transformation nötig ist – was heute in vielen Branchen der Fall ist – entwickeln sie eine neue Vision oder ein Zielbild ihres künftigen Geschäftsmodelles. Dieses besteht aus mehr als nur einer vagen Beschreibung dessen, was kommen wird. Es muss vor allem aufzeigen, ob die geplante Transformation inkrementeller oder radikaler Natur ist, das heisst, ob es sich um eine kontinuierliche Verbesserung oder um einen revolutionären Neuanfang handelt, der zumindest einen Teil der Geschäftsbereiche betrifft.

Erfolgsfaktoren einer Transformation

Die Vision bildet die Grundlage für den «Transformation Scope», eine klare Beschreibung der Aufgaben und des Umfanges des geplanten Transformationsprojektes und die Benennung dessen, was nicht verändert werden soll. Projekte im Bereich der Business Model Transformation scheitern oft an überzogenen oder unpräzisen Erwartungen. Das Management möchte zu viel verändern oder es grenzt das Projekt nicht klar ab. Neben dem «Transformation Scope» ist es auch wichtig, messbare Zielvorgaben in Form von «Key Performance Indicators» zu definieren. Und es ist aufzuzeigen, mit welchen Massnahmen die Erreichung der Ziele gemessen wird.

Sobald das Management eine Transformation in Gang gesetzt hat, muss es den Wandel zielgerichtet, rasch und konsequent vorantreiben. Tief greifende Veränderungen bei der Organisation, den Prozessen und den Technologien erfordern in vielen Fällen, dass ganze Abteilungen oder Divisionen verändert werden. Ein rigoroses Change Management auf allen Stufen erhöht die Chancen auf den Erfolg in der Umsetzung. Trotz der Dominanz von Technologie und Digitalisierung sollte dabei auch dem Faktor Mensch Rechnung getragen werden. Durch eine gute Kommunikationsstrategie kann man viele Mitarbeiter vom Sinn einer Business Model Transformation überzeugen. Allerdings zeigen die praktischen Erfahrungen, dass ein fundamentaler Wechsel selten von der ganzen Belegschaft getragen wird. Doch ohne die Unterstützung von möglichst vielen, die unmittelbar an der Leistungserbringung beteiligt sind, sind die Erfolgschancen einer Transformation gering.

Der amerikanische Managementtheoretiker und Harvard-Professor John Kotter formulierte folgende Handlungsempfehlungen:

  • Etabliere ein Gefühl der Dringlichkeit
  • Schweisse eine mächtige Führungskoalition zusammen
  • Entwickle eine Vision und Strategie der Veränderung
  • Kommuniziere die Veränderungsvision
  • Befähige die Mitarbeiter für breit angelegte Massnahmen und räume Hindernisse aus
  • Generiere Erfolge nach kurzer Zeit
  • Konsolidiere den Nutzen
  • Verankere die Veränderung in der Unternehmenskultur

Neue Fähigkeiten durch Outsourcing und Offshoring

Werden im Zuge einer Business Model Transformation Dienstleistungsprozesse an Drittfirmen oder in andere Länder ausgelagert, dann bedeutet dies nicht, dass diese nun aus den Augen und aus dem Sinn sind. Ein Outsourcing [3] oder Offshoring [4] beinhaltet zunächst nur ein Aufbrechen und Neuordnen der bisherigen Wertschöpfungskette. Die aktuelle wirtschaftliche Situation in vielen Branchen ist mittlerweile so, dass es nicht mehr länger darum geht, alle wertschöpfenden Prozesselemente selbst zu beherrschen, sondern die Shared-Service-Bereiche effizient und zielorientiert zu führen. Erforderlich sind neue Fähigkeiten. Die im auslagernden Unternehmen verbleibenden Verantwortlichen müssen lernen, wie man eine Qualitätskontrolle in einem Shared Service Center durchführt oder Service Level Agreements aufsetzt und überwacht. Sie müssen zudem wissen, mit welchen Eskalationsmechanismen sie kontinuierliche Verbesserungen und Innovationen bei den bezogenen Dienstleistungen durchsetzen.

[3] Organisatorische Auslagerung von Aktivitäten zu einem firmenexternen Partner, der die ausgelagerten Dienstleistungen gegen vertraglich festgesetzte Service Levels und zu vordefinierten Kosten erbringt. Outsourcing bedeutet ausschliesslich, dass die Services von einem nicht dem Unternehmen zugehörigen Partner erbracht werden; eine Aussage über den Standort (In-/Ausland) ist hiermit noch nicht getroffen.

[4] Bezeichnet die geographische Verschiebung der Tätigkeiten in weit entfernte, kostengünstigere Länder. Die Auslagerung ins Ausland kann in eine firmeninterne Einheit oder an einen firmenexternen Partner (Outsourcing) erfolgen.

Wenn Mitarbeiter zusammen mit den Dienstleistungen in eine externe Firma transferiert werden, müssen sie meistens ebenfalls neue Qualifikationen erwerben. Notwendige erweiterte Fähigkeiten sowohl im Umgang mit leistungsfähigen Informatiksystemen als auch in der Organisation rationalisierter Abläufe dürften am häufigsten Weiterbildungsbedarf verursachen. Einem Mitarbeiter, der in ein Shared Service Center wechselt, können sich attraktive Karrierechancen eröffnen. Denn fortan verrichtet er nicht mehr marginalisierte Dienstleistungen innerhalb eines einzigen Unternehmens, sondern er ist in einer Einheit oder Firma tätig, die im Auftrag mehrerer interner oder externer Kunden Dienstleistungen als ihr Kerngeschäft versteht.

Outsourcing und Offshoring gehen selten spurlos an jenen Mitarbeitern vorbei, die bislang die Dienstleistungen intern erbracht haben. Die Betroffenen müssen sich immer grossen persönlichen Veränderungen stellen. Umso wichtiger ist es, dass ein Unternehmen sich um sozialverträgliche Lösungen bemüht, transparent kommuniziert und immer sorgfältig prüft, ob ein Prozess tatsächlich ausgelagert, automatisiert oder eliminiert werden soll. Ein solches Verhalten trägt dazu bei, die langfristigen Erfolgschancen einer Firma zu fördern.

Fazit

Das Internet und immer leistungsfähigere Computer verändern die Machtverhältnisse in der Wirtschaftswelt fundamental. Kleinstfirmen attackieren mit pfiffigen Ideen und raffinierten Konzepten Grosskonzerne in ihren angestammten Märkten und machen ihnen ihre Existenz streitig. Mitunter wehren sich die angeschlagenen Konzerne, indem sie die innovativen «Attackers» einfach aufkaufen und übernehmen – manchmal für hohe, zwei- bis dreistellige Millionenbeträge.

Viele Berufe, die bis vor Kurzem noch als unverzichtbarer Bestandteil einer modernen Gesellschaft galten, werden verschwinden. Es zeichnet sich ab, dass künftig vielerorts manche Angestellten mit wissensbasierten Tätigkeiten durch intelligente Maschinen ersetzt werden.

Nicht nur die Digitalisierung, sondern auch andere Megatrends stellen bei vielen Firmen den Kundennutzen ihrer bisherigen Angebote infrage. Auf den Prüfstand kommen auch die Art und Weise der herkömmlichen Leistungserbringung und der gewohnte Mechanismus zur Ertragsgenerierung. Jedes Unternehmen, in jeder Branche, muss sein Business Model immer wieder überdenken und allenfalls anpassen: Business Model Transformation ist keine Ausnahme mehr, sondern wird zum «business as usual» oder – wie es auch genannt wird – «the new normal».

Die Geschwindigkeit, mit der heute in der Geschäftswelt Transformationsprozesse ablaufen, ist für viele Menschen schwindelerregend. Der Schweizer Soziologe Peter Gross erkannte dies bereits in den Neunzigerjahren und beschrieb das Phänomen treffend mit dem Begriff «Multioptionsgesellschaft». Vielleicht ist das rasante Tempo des Wandels der Grund dafür, weshalb sich vor ein paar Jahren ein Neologismus wie «Entschleunigung» etablieren konnte und Lifestylebewegungen wie «Slow Food» und «Slow Living» populär geworden sind.

Firmenverantwortliche können den Umgang mit raschen und ständigen Veränderungen trainieren, indem sie bei Transformationen die Erfolgsfaktoren beachten. Dazu gehört vor allem, dass es keine Veränderungen um der Veränderung willen gibt, der «Scope» richtig definiert wird, die Umsetzung eines Projektes schnelle Gewinne hervorbringt und dass die betroffenen Mitarbeiter «auf die Reise mitgenommen» werden.

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Andreas Pratz

Andreas Pratz

Partner and Head of Strategy& Switzerland, PwC Switzerland

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