KMU arbeiten seit Jahren regelmässig mit Treuhändern zusammen. Mit dem Aufkommen neuer Geschäftsmodelle und dem Trend zur Auslagerung administrativer Funktionen wandelt sich die Rolle der traditionellen Treuhandunternehmen. Einige von ihnen haben sich zu Experten für das Management und den Betrieb von integrierten Finanzfunktionen, Informatiksystemen und Dienstleistungsprozessen entwickelt.
Es gibt ihn nach wie vor: den klassischen Treuhänder. Er führt für seine Kunden die Buchhaltung, indem er die über das Jahr hinweg gesammelten Belege entgegennimmt, die auf diese Weise dokumentierten Geschäftsvorfälle verbucht und den Jahresabschluss erstellt. Er gibt Rat in Steuerfragen und füllt die Steuererklärung aus, hilft bei der Ausgestaltung der Arbeitsverträge, berät in Fragen der Unternehmensbewertung und unterstützt seine Klienten bei der Nachfolgeregelung.
Dieses Berufsbild wandelt sich. Viele Kunden wollen ihrem Treuhandunternehmen nicht nur die Buchhaltungsarbeiten übertragen, sondern auch alle damit verbundenen Finanzprozesse, und sie wollen eine automatische Anbindung an die Informatiksysteme erreichen; solche bilden heute den Unternehmenskern von Treuhändern. Die Kunden suchen zudem nach Mitteln und Wegen zur Entlastung bei weiteren administrativen Aufgaben, insbesondere bei jenen im Personalwesen, wo es besonders viele arbeitsintensive Pflichten gibt.
Neben Outsourcing [1] liegt auch Offshoring [2] im Trend. Mittlere Schweizer Firmen lassen beispielsweise das Management ihrer Verpflichtungen aus Lieferungen und Leistungen von einem Shared Service Center (SSC) [3] in Polen betreiben oder ihre Spesenabrechnungen von einer Partnerfirma in Ungarn erstellen. Die Erfahrungen aus kombinierten Outsourcing-/Offshoringprojekten zeigen, dass sich vor allem einfache Arbeitsabläufe, die gleichzeitig grosse Volumina an zu verarbeitenden Geschäftsvorfällen aufweisen, für einen Transfer in ein anderes Land eignen. In solchen Fällen können die Prozesse auf wenige Arbeitsschritte reduziert und relativ leicht standardisiert werden.
[1] Organisatorische Auslagerung von Aktivitäten zu einem firmenexternen Partner, der die ausgelagerten Dienstleistungen gegen vertraglich festgesetzte Service Levels und zu vordefinierten Kosten erbringt. Outsourcing bedeutet ausschliesslich, dass die Services von einem nicht dem Unternehmen zugehörigen Partner erbracht werden; eine Aussage über den Standort (In-/Ausland) ist hiermit noch nicht getroffen.
[2] Bezeichnet die geographische Verschiebung der Tätigkeiten in weit entfernte, kostengünstigere Länder. Die Auslagerung ins Ausland kann in eine firmeninterne Einheit oder an einen firmenexternen Partner (Outsourcing) erfolgen.
[3] Umfasst alle Arten von Prozessen, die innerhalb oder ausserhalb eines Unternehmens durch eine zentrale Instanz bearbeitet, gesteuert und mit separaten Ressourcen versorgt werden. Ziel ist es, definierte Dienstleistungen (Services) in vereinbarter Qualität und zu vereinbarten Kosten zu erbringen. Shared Services steht für das Entfernen von repetitiven, gemeinsamen Prozessen und somit für das Freisetzen von Personal in den Geschäftseinheiten mit dem Zweck, dieses in wertsteigernden Tätigkeiten einzusetzen. Shared Service Center nutzen Skaleneffekte und die Möglichkeiten, Prozesse effizienter zu gestalten.
Vielfältige Aspekte bei Auslagerungsprojekten
Gerade bei KMU jedoch sind die Möglichkeiten, Dienstleistungsprozesse in ferne Länder zu verlagern, beschränkt. Im Gegensatz zu denjenigen von Grossunternehmen sind viele Abläufe der kleinen und mittleren Firmen noch zu wenig standardisiert oder es werden zu kleine Mengen verarbeitet. Damit eine Auslagerung zum Erfolg führt, müssen zudem viele Aspekte beachtet werden. Es ist selten sinnvoll, die Prozesse auszulagern, ohne sie gleichzeitig neu zu gestalten und mit moderner Informatik zu unterstützen.
Meistens kann nicht der gesamte Ablauf ausgelagert werden, sondern die Arbeit ist zwischen der auslagernden Firma und dem Treuhänder neu zu verteilen. Das bedeutet, dass entsprechende Schnittstellen definiert werden müssen.
Zunächst gilt es, die bislang selbst betriebenen Prozesse sorgfältig zu analysieren. Dabei lässt sich immer wieder feststellen, dass viele auf den ersten Blick trivial erscheinende Arbeitsabläufe in Tat und Wahrheit höchst komplex sind. Meistens kann nicht der gesamte Ablauf ausgelagert werden, sondern die Arbeit ist zwischen der auslagernden Firma und dem Treuhänder neu zu verteilen. Das bedeutet, dass entsprechende Schnittstellen definiert werden müssen.
Bei der Auslagerung des Managements von Verpflichtungen aus Lieferungen und Leistungen beispielsweise muss bestimmt werden, wer welche eingehenden Rechnungen visiert, wo diese gesammelt und elektronisch gescannt werden und wer die Kontierungen vornimmt. Ferner muss festgelegt werden, in welchen Zeitintervallen die Zahlungsläufe erfolgen sollen und bis zu welchem Zeitpunkt sie vorbereitet sein müssen. Das konkrete Design der neuen Arbeitsteilung und die Definition der Schnittstellen zwischen Auftraggeber und Treuhänder/SSC hängen von zahlreichen weiteren Parametern ab, unter anderem davon, an welche Personen die Unterschriftsberechtigung erteilt wird. Wo und durch wen Zahlungen ausgelöst werden, ist nicht zuletzt unter Berücksichtigung «benachbarter» Prozesse – etwa des Cash Managements – zu definieren.
Ein qualifiziertes Treuhandunternehmen, das als zukünftiger Anbieter die ausgelagerten Prozesse betreiben wird, bringt nicht nur das Know-how zur Automatisierung und zur Evaluation der Informatiklösungen sowie zur Prozessgestaltung und Dokumentation oder Archivierung ein. Es leistet auch einen unverzichtbaren Beitrag zur Minimierung der Risiken auf beiden Seiten der Beteiligten. Beispielsweise müssen folgende Fragen vor Abschluss des Auslagerungsprojektes beantwortet werden:
- Wurden alle vorgeschriebenen und nötigen Sicherheitsmassnahmen erkannt und umgesetzt? Sowohl beim auslagernden Unternehmen als auch beim SSC/Treuhänder?
- Werden die gesetzlichen Anforderungen bei der internen Kontrolle, dem Datenschutz und der Informationssicherheit eingehalten? Beim auslagernden Unternehmen und beim Anbieter?
- Sind IT-Plattformen und Server an einem Ort untergebracht, an dem sie keinen physischen Schaden nehmen können? Wann und wo werden welche und wie viele Daten-Back-ups durch wen erstellt?
Ein integres Treuhandunternehmen stellt nicht nur eine Informatikplattform mit automatisierten Prozessen zur Verfügung. Es sorgt auch dafür, dass der Auftrag zur Prozessübernahme klar formuliert sowie sauber dokumentiert wird und die Betreiberplattform den rechtlichen und regulatorischen Bestimmungen entspricht. Es führt den Kundenauftrag so aus, dass seine Aktivitäten den Vorgaben eines Internen Kontrollsystems entsprechen.
Daneben beobachtet der gewissenhafte Treuhänder systematisch das regulatorische, technologische und fachliche Umfeld, um seinen Kunden rechtzeitig auf neue Entwicklungen hinzuweisen und vorausblickend gemeinsame Anpassungen in die Wege zu leiten. Damit schafft er einen echten Mehrwert. Er hebt sich ab gegenüber rein prozessorientierten Massenverarbeitungsanbietern und Technologieunternehmen, die nur das ausführen, wozu der Kunde sie instruiert hat und was im Zeitpunkt der Übernahme der Arbeiten definiert worden war. Gerade KMU lagern Teile ihrer Arbeiten aus, weil ihnen das fachliche Know-how oder die Ressourcen in diesen Bereichen fehlen.
Der gewissenhafte Treuhänder beobachtet systematisch das regulatorische, technologische und fachliche Umfeld, um seinen Kunden rechtzeitig auf neue Entwicklungen hinzuweisen und gemeinsame Anpassungen in die Wege zu leiten.