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VegüV: Aus Erfahrungen lernen

Dr. Robert W. Kuipers
Partner, Steuer & Rechtsberatung

Die Umsetzung der Verordnung gegen übermässige Vergütungen (VegüV) kommt gut voran. Hier erfahren Sie mehr über die zentralen Erfahrungen aus der Praxis. Und darüber, warum ein ausgewogenes «Say-on-Pay»-System die Wertschöpfung eines Unternehmens stärkt.

Umfangreichere Generalversammlungen

Die Ausweitung der Aktionärsrechte und die Umsetzung der VegüV bringt eine zentrale, wenn auch nicht überraschende Erkenntnis: Die Zahl der Generalversammlungstraktanden ist massiv gestiegen (Abbildung 1). Die durchschnittliche GV-Agenda ist etwa doppelt so lang wie in den Vorjahren. Dieser Anstieg hat mit der jährlichen Wahl der Verwaltungsräte und des Präsidenten, der Einzelwahl von Mitgliedern in den Vergütungsausschuss sowie den Abstimmungen über die Vergütung («Say-on-Pay») zu tun. [1]

[1] Temporär ist die Zahl der Traktanden 2014 und 2015 stärker gestiegen, als langfristig zu erwarten war, da Statutenänderungen erforderlich waren. Manche Unternehmen haben diese Änderungen in einem Traktandum abgehandelt, andere haben sie thematisch auf verschiedene Traktanden aufgeteilt.

Vor dem neuen Hintergrund sind die Anforderungen an drei Gruppen gestiegen:

  1. an alle Aktionäre, die ihre Stimmrechte ausüben wollen oder müssen (wie beispielsweise Schweizer Pensionskassen zu den VegüV-relevanten Themen);
  2. an die Unternehmen, die relevante Informationen liefern müssen;
  3. an Informationsintermediäre wie Stimmrechtsberater («proxy advisors»), die ihre Empfehlungen gut begründen müssen. [2]

[2] Organisationen, die insbesondere institutionelle Aktionäre (Pensionskassen, Asset Manager usw.) bei der Ausübung ihrer Stimmrechte beraten. Das Stimmrecht verbleibt beim Aktionär. Stimmrechtsberater sind keine Stimmrechtsvertreter. Bekannte Beispiele sind Ethos, Glass Lewis, ISS, SWIPRA und zRating


Abbildung 1: Durchschnittliche Anzahl Generalversammlungstraktanden in den SPI®-Gesellschaften 2010–2015

Wahl des Vergütungsausschusses und «Say-on-Pay»

Aktionäre bestimmen neu nicht nur die Vergütung an sich, sondern auch die Zusammensetzung des Vergütungsausschusses. Mit diesen Neuerungen steigt die Bedeutung der Reputation von Ausschussmitgliedern. Neu unterliegt der Vergütungsbericht einer separaten Prüfung durch die Revisionsstelle. Aktionäre reagieren zunehmend sensibel auf Doppelmitgliedschaften im Vergütungsausschuss und im Audit Committee. Solche Überlappungen erleichtern zwar den Informationsfluss, bergen aber auch die Gefahr von mangelnder Unabhängigkeit. Die Unternehmen sollten daher bei Doppelbesetzungen beschreiben, wie sie allfälligen Interessenkonflikten begegnen.

Besondere Aufmerksamkeit erhalten die eigentlichen «Say-on-Pay»-Traktanden. Wie nachfolgend ausgeführt, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Vergütungsbericht und jenen Unterlagen, die die bindenden Abstimmungen über die Vergütung betreffen und der GV-Einladung beiliegen. Bei der Vergütung an den Verwaltungsrat wird meistens eine Abstimmung von GV zu GV durchgeführt (wobei die Offenlegung der Vergütung wie bisher für das Geschäftsjahr erfolgt). Eine grosse Vielfalt zeigt sich hingegen bei den gewählten Abstimmungssystemen für die Vergütung der Geschäftsleitung. Etwa zwei Drittel der Unternehmen haben einen rein prospektiven Ansatz gewählt [3], während ein Drittel in gemischter Form abstimmen lässt.

[3] Bei Vergütungselementen, die im Kalenderjahr der GV zugeteilt werden, ist die Bezeichnung prospektive Abstimmung eigentlich nicht präzis. Es hat sich in der Praxis jedoch eingebürgert, alle nicht retrospektiven Abstimmungen als prospektiv zu bezeichnen.


Abbildung 2: Gewählte «Say-on-Pay»-Abstimmungsmodi in den SPI®-Gesellschaften der SIX Swiss Exchange

Die SPI-Familie umfasst verschiedene Börsenindizes, wobei das zugrunde liegende Titeluniversum rund 230 Beteiligungspapiere enthält. Im SPI-Large- und SPI-Mid-Cap-Segment sind Unternehmen mit mittleren bis hohen Kapitalisierungen enthalten.

Bei Mischformen wird meistens retrospektiv über den Bonus (sogenannter Short-Term Incentive, kurz STI) [4] abgestimmt. Bei der Abstimmung über die Long-Term Incentives, kurz LTI [5] gibt es hingegen verschiedene Varianten. Abbildung 3 stellt ein System dar, bei dem an der GV im Jahr t über das Fixsalär des Jahres t plus 1, über den LTI des Jahres t und über den STI des Jahres t minus 1 abgestimmt wird.

[4] Fachbegriff für die variable Vergütung der Leistung im Vorjahr. Unternehmen knüpfen die variable Vergütung an unterschiedliche Faktoren. Zu differenzieren ist einerseits zwischen quantitativen und qualitativen Zielen. Andererseits unterscheiden sich die Unternehmen darin, ob sie den STI nach einer Formel berechnen oder (teilweise) dem Ermessen des Vergütungsausschusses überlassen.

[5] So nennt sich eine aktienbasierte Vergütung. Diese kann in Form von Aktien, Optionen, Performance Shares, Restricted Stock Units usw. erfolgen. Performance Shares gehen erst bei Erfüllung bestimmter Leistungsbedingungen in der Zukunft ins Eigentum des Managers über. Bei Restricted Stock Units werden die Aktien am Ende der Sperrfrist den Teilnehmern übertragen. Manche Firmen teilen LTI-Elemente unabhängig von der Performance im Vorjahr zu. Dies kommt der ursprünglichen Idee von LTI am nächsten. Andere Unternehmen bezahlen den Bonus für das Vorjahr teilweise in Form von LTI, was zu einer Vermischung von rückwärtsgerichteter Belohnung und vorwärtsgerichteten Anreizen führt.

Eine weitere Schlüsselerkenntnis ist, dass es keine einheitliche Praxis gibt. Je nach Vergütungssystem und -philosophie und je nach Eigentümerstruktur können unterschiedliche Systeme sinnvoll sein. Tatsache ist: Unterschiedliche Abstimmungssysteme erfordern unterschiedliche Ansätze von Kommunikation durch das Unternehmen. [6]

[6] Executive Compensation and Corporate Governance: Insights 2014

Informationsbereitstellung für retrospektive und prospektive «Say-on-Pay»-Abstimmungen

Informationsbedürfnisse bei «Say-on-Pay»

Im Rahmen unserer Serie «Compensation Committee Luncheon» führen wir regelmässig Gespräche mit Unternehmern, Investoren und Stimmrechtsberatern. Aus diesem Dialog und aus unserer Erfahrung mit den Generalversammlungen 2014 und 2015 geht hervor, dass bei retrospektiven Abstimmungselementen drei Fragen im Mittelpunkt stehen:

  1. Ist der vorgeschlagene Betrag nachvollziehbar und vollständig?
  2. Wird das Verhältnis von Lohn und Leistung anschaulich erklärt? Oder: Existiert eine leistungsbasierte Begründung für die vorgeschlagenen Beträge auch in Bezug auf Beträge, die im vorherigen Referenzzeitraum bezahlt wurden?
  3. Wenn das System nicht rein formelhaft ist, ist dann das Verfahren zur Bestimmung der Boni übersichtlich?

Abbildung 3 zeigt zwei mögliche Arten, wie Aktionären Informationen zur Verfügung gestellt werden können. (Auch Mischformen sind möglich.)

Die drei orangen Pfeile kennzeichnen Vergütungselemente, zu denen den Aktionären bereits bei der GV 2015 detaillierte Informationen zur Verfügung stehen. Als Träger dieser Informationen ist der Vergütungsbericht bei retrospektiven Abstimmungen naturgemäss besonders wichtig, da er sich hier auf die Zeitperiode der Abstimmung bezieht. Auch bei prospektiv abzustimmenden Vergütungselementen spielt der Vergütungsbericht in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Für die Abstimmung über die Gewährung der Vergütung sollte nicht nur das Vergütungssystem der Vergangenheit beschrieben werden. Die Aktionäre benötigen entweder einen Hinweis darauf, dass das Vergütungssystem im Zielzeitraum der prospektiven Abstimmung unverändert bleibt, oder eine Erläuterung, wie das System in Zukunft funktionieren soll. Diese zukunftsorientierten Informationen können auch in den GV-Materialien dargestellt werden.

Die drei grauen Pfeile zeigen Informationen an, von denen Aktionäre bei der GV 2015 wissen (oder hoffen), dass sie in zukünftigen Vergütungsberichten oder GV-Materialien enthalten sein werden. Zu einem gewissen Grad kann ein Unternehmen den Aktionären versprechen, dass in zukünftigen Vergütungsberichten detailliert Rechenschaft abgelegt wird. Dieses Versprechen des Unternehmens ist naturgemäss glaubwürdiger, wenn das Unternehmen zusagt, eine konsultative Abstimmung über die zukünftigen Berichte abzuhalten.


Bei prospektiv abzustimmenden Vergütungselementen stellen sich den Unternehmern, Investoren und Stimmrechtsberatern folgende Schlüsselfragen:

  1. Ist der vorgeschlagene Betrag nachvollziehbar und vollständig?
  2. Wird der angepeilte Maximalbetrag auf schlüssige Weise (das heisst gleichwertig) mit der aktuellen Vergütung des vorherigen Referenzzeitraums verglichen?
  3. Wenn die Gesamtvergütung oder Teile davon von der Vergütung des vorherigen Referenzzeitraums abweichen, wird dies nachvollziehbar begründet?
  4. Wissen Aktionäre, wie der Gesamtbetrag in unterschiedliche Vergütungskomponenten aufgeteilt wird?
  5. Geht aus dem Vorschlag hervor, warum das vorgeschlagene System und die vorgeschlagenen Beträge als angemessen gelten?
  6. Für variable Incentive-Programme: Sind die Mechanismen von STI und LTI nachvollziehbar? Wissen Aktionäre, wie sie Anreize für das Management schaffen?
  7. Für LTI-Programme: Erfahren Aktionäre, ob effektive Ausschüttungen in künftigen Vergütungsberichten offengelegt werden?
  8. Ist das Verfahren zur Vergütung von Mitgliedern des Managements übersichtlich?

Frage 7 beispielsweise zeigt, dass die Abstimmung an der GV im Jahr t und die Berichterstattung in den folgenden Vergütungsberichten eng zusammenhängen. Je glaubwürdiger das Unternehmen den Aktionären die Gelegenheit einräumt, sich im Rahmen einer zukünftigen konsultativen Abstimmung über den Vergütungsbericht über die Verwendung der prospektiv genehmigten Budgets äussern zu können (graue Pfeile in Abbildung 3), desto eher sind die Aktionäre bereit, die Genehmigung zu erteilen. [7] Aktionäre und Stimmrechtsberater wollen zudem wissen, ob ein Unternehmen die zukünftige Zielerreichung von LTI-Programmen und die Übertragung von Aktien an Manager offenlegen wird.

[7] Exkurs Sozialversicherungen: Eine spezielle Schwierigkeit der VegüV zeigt sich bei den Beiträgen zur Sozialversicherung. Es ist unmöglich, diese Beiträge für Long-Term-Incentive-Pläne mit Vesting in der Zukunft genau zu bestimmen; daher werden Erwartungswerte verwendet. Ausserdem gab es grosse Divergenzen bei den Arbeitgeberbeiträgen, die einen wesentlichen Teil ausmachen können. Wie auch immer die korrekte rechtliche Auslegung aussieht: Die Aktionäre wollen letztlich die wahren Kosten der Vergütung kennen.

Fazit

Die Vergütung an sich mag im Vergleich zu Themen wie der Kapitalstruktur oder der Dividendenpolitik (die ihrerseits eng mit der Wachstumsstrategie des Unternehmens verknüpft sind) von untergeordneter Bedeutung sein. Allerdings sind wir überzeugt, dass die konsequente Umsetzung eines ausgewogenen Vergütungssystems für das Unternehmen einen strategischen Erfolgsfaktor darstellt.

Das neue regulatorische Umfeld stellt hohe Anforderungen an die Beteiligten. Für den Verwaltungsrat und das Management börsenkotierter Firmen bedeutet die Vorbereitung von «Say-on-Pay»-Traktanden – also die Aufbereitung eines aussagekräftigen Vergütungsberichts, der Dokumentation und der Begründung der Anträge an die Aktionäre – einen grossen Aufwand. Trotzdem können Unternehmen von einer ganzheitlichen Herangehensweise profitieren, sprich von einer frühzeitigen Zusammenarbeit von Human Resources, Legal, Finance und Verwaltungsrat. Ein erfolgreiches «Say-on-Pay»-System stärkt eine wertorientierte Unternehmensführung und widerspiegelt sich im «Value Reporting». Damit fördert es beim Management, bei den Aktionären und den übrigen Interessengruppen ein gemeinsames Verständnis von Erfolgsfaktoren und Herausforderungen des Unternehmens. Dieser Konsens führt letztlich zu besseren, wertschöpfenden Entscheiden.

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