Die Umsetzung der Verordnung gegen übermässige Vergütungen (VegüV) kommt gut voran. Hier erfahren Sie mehr über die zentralen Erfahrungen aus der Praxis. Und darüber, warum ein ausgewogenes «Say-on-Pay»-System die Wertschöpfung eines Unternehmens stärkt.
Umfangreichere Generalversammlungen
Die Ausweitung der Aktionärsrechte und die Umsetzung der VegüV bringt eine zentrale, wenn auch nicht überraschende Erkenntnis: Die Zahl der Generalversammlungstraktanden ist massiv gestiegen (Abbildung 1). Die durchschnittliche GV-Agenda ist etwa doppelt so lang wie in den Vorjahren. Dieser Anstieg hat mit der jährlichen Wahl der Verwaltungsräte und des Präsidenten, der Einzelwahl von Mitgliedern in den Vergütungsausschuss sowie den Abstimmungen über die Vergütung («Say-on-Pay») zu tun. [1]
[1] Temporär ist die Zahl der Traktanden 2014 und 2015 stärker gestiegen, als langfristig zu erwarten war, da Statutenänderungen erforderlich waren. Manche Unternehmen haben diese Änderungen in einem Traktandum abgehandelt, andere haben sie thematisch auf verschiedene Traktanden aufgeteilt.
Vor dem neuen Hintergrund sind die Anforderungen an drei Gruppen gestiegen:
- an alle Aktionäre, die ihre Stimmrechte ausüben wollen oder müssen (wie beispielsweise Schweizer Pensionskassen zu den VegüV-relevanten Themen);
- an die Unternehmen, die relevante Informationen liefern müssen;
- an Informationsintermediäre wie Stimmrechtsberater («proxy advisors»), die ihre Empfehlungen gut begründen müssen. [2]
[2] Organisationen, die insbesondere institutionelle Aktionäre (Pensionskassen, Asset Manager usw.) bei der Ausübung ihrer Stimmrechte beraten. Das Stimmrecht verbleibt beim Aktionär. Stimmrechtsberater sind keine Stimmrechtsvertreter. Bekannte Beispiele sind Ethos, Glass Lewis, ISS, SWIPRA und zRating
Abbildung 1: Durchschnittliche Anzahl Generalversammlungstraktanden in den SPI®-Gesellschaften 2010–2015
Wahl des Vergütungsausschusses und «Say-on-Pay»
Aktionäre bestimmen neu nicht nur die Vergütung an sich, sondern auch die Zusammensetzung des Vergütungsausschusses. Mit diesen Neuerungen steigt die Bedeutung der Reputation von Ausschussmitgliedern. Neu unterliegt der Vergütungsbericht einer separaten Prüfung durch die Revisionsstelle. Aktionäre reagieren zunehmend sensibel auf Doppelmitgliedschaften im Vergütungsausschuss und im Audit Committee. Solche Überlappungen erleichtern zwar den Informationsfluss, bergen aber auch die Gefahr von mangelnder Unabhängigkeit. Die Unternehmen sollten daher bei Doppelbesetzungen beschreiben, wie sie allfälligen Interessenkonflikten begegnen.
Besondere Aufmerksamkeit erhalten die eigentlichen «Say-on-Pay»-Traktanden. Wie nachfolgend ausgeführt, besteht ein enger Zusammenhang zwischen Vergütungsbericht und jenen Unterlagen, die die bindenden Abstimmungen über die Vergütung betreffen und der GV-Einladung beiliegen. Bei der Vergütung an den Verwaltungsrat wird meistens eine Abstimmung von GV zu GV durchgeführt (wobei die Offenlegung der Vergütung wie bisher für das Geschäftsjahr erfolgt). Eine grosse Vielfalt zeigt sich hingegen bei den gewählten Abstimmungssystemen für die Vergütung der Geschäftsleitung. Etwa zwei Drittel der Unternehmen haben einen rein prospektiven Ansatz gewählt [3], während ein Drittel in gemischter Form abstimmen lässt.
[3] Bei Vergütungselementen, die im Kalenderjahr der GV zugeteilt werden, ist die Bezeichnung prospektive Abstimmung eigentlich nicht präzis. Es hat sich in der Praxis jedoch eingebürgert, alle nicht retrospektiven Abstimmungen als prospektiv zu bezeichnen.
Abbildung 2: Gewählte «Say-on-Pay»-Abstimmungsmodi in den SPI®-Gesellschaften der SIX Swiss Exchange
Die SPI-Familie umfasst verschiedene Börsenindizes, wobei das zugrunde liegende Titeluniversum rund 230 Beteiligungspapiere enthält. Im SPI-Large- und SPI-Mid-Cap-Segment sind Unternehmen mit mittleren bis hohen Kapitalisierungen enthalten.
Bei Mischformen wird meistens retrospektiv über den Bonus (sogenannter Short-Term Incentive, kurz STI) [4] abgestimmt. Bei der Abstimmung über die Long-Term Incentives, kurz LTI [5] gibt es hingegen verschiedene Varianten. Abbildung 3 stellt ein System dar, bei dem an der GV im Jahr t über das Fixsalär des Jahres t plus 1, über den LTI des Jahres t und über den STI des Jahres t minus 1 abgestimmt wird.
[4] Fachbegriff für die variable Vergütung der Leistung im Vorjahr. Unternehmen knüpfen die variable Vergütung an unterschiedliche Faktoren. Zu differenzieren ist einerseits zwischen quantitativen und qualitativen Zielen. Andererseits unterscheiden sich die Unternehmen darin, ob sie den STI nach einer Formel berechnen oder (teilweise) dem Ermessen des Vergütungsausschusses überlassen.
[5] So nennt sich eine aktienbasierte Vergütung. Diese kann in Form von Aktien, Optionen, Performance Shares, Restricted Stock Units usw. erfolgen. Performance Shares gehen erst bei Erfüllung bestimmter Leistungsbedingungen in der Zukunft ins Eigentum des Managers über. Bei Restricted Stock Units werden die Aktien am Ende der Sperrfrist den Teilnehmern übertragen. Manche Firmen teilen LTI-Elemente unabhängig von der Performance im Vorjahr zu. Dies kommt der ursprünglichen Idee von LTI am nächsten. Andere Unternehmen bezahlen den Bonus für das Vorjahr teilweise in Form von LTI, was zu einer Vermischung von rückwärtsgerichteter Belohnung und vorwärtsgerichteten Anreizen führt.
Eine weitere Schlüsselerkenntnis ist, dass es keine einheitliche Praxis gibt. Je nach Vergütungssystem und -philosophie und je nach Eigentümerstruktur können unterschiedliche Systeme sinnvoll sein. Tatsache ist: Unterschiedliche Abstimmungssysteme erfordern unterschiedliche Ansätze von Kommunikation durch das Unternehmen. [6]
[6] Executive Compensation and Corporate Governance: Insights 2014