Das globale Handelsumfeld wird zunehmend von Präferenzhandel, E-Zollabfertigung und Ausfuhrbestimmungen geprägt. Um hier wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen die Unternehmen eine kluge Strategie, die sämtliche Zoll- und Handelsaktivitäten in ihre Wertschöpfung integriert – gerade IT-seitig.
Der Zugang zu Warenmärkten war bereits ein Leitgedanke bei der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1994. Dieser ist es seither allerdings nicht gelungen, ein international massgebendes Abkommen zum Handel von Gütern auf multilateraler Ebene zu verabschieden. Die Anzahl bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen («Free Trade Agreement», kurz FTA) hingegen hat sich zwischen 2000 und 2015 weltweit fast verdoppelt. Diese Flut von bilateralen Verträgen zwischen Interessenparteien ist eine direkte Folge der Verhandlungsstarre bei der WTO. Die globale Handelsliberalisierung auf bilateraler Ebene schreitet rasant voran – voraussichtlich auch in Zukunft.
Ende der 1990er-Jahre verfügten nur wenige Zollbehörden über elektronische Zollabfertigungsanlagen. Knappe 20 Jahre später haben es der technologische Fortschritt und die Politik nach 9/11 unabdingbar gemacht, elektronische Abfertigungssysteme für grenzverkehrsbezogene Formalitäten und Abläufe einzusetzen. In den kommenden Jahrzehnten wird der papierlose Handel ganz sicher zum Standard.
Das Handelswachstum und der technologische Fortschritt bergen auch Risiken. Ausfuhrbestimmungen und -kontrollen sind eines der grössten wenn nicht sogar das grösste Hindernis für Handelstreibende. Diese Restriktionen sind gleichzeitig auch unverzichtbar – etwa für den Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder der Landessicherheit. Darum müssen sie schlicht erfüllt werden. Der globale Handel hat ein so grosses Ausmass erreicht, dass die Handelspolitik zu einem attraktiven Instrument staatlicher Interessenvertretung bei der Durchsetzung von Sanktionen und im Kampf gegen den Waffenhandel geworden ist. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, immer mehr Embargos, internationale Sanktionen und Dual-Use-Güterbestimmungen (Bestimmungen zu Gütern, die zur Herstellung von Waffen verwendet werden könnten) zu beachten, damit sie ihre Compliance-Anforderungen erfüllen und hohe Geldstrafen vermeiden können.
Drei Schlüsselentwicklungen werden den globalen Handel und die Handelsaktivitäten von Unternehmen in Zukunft prägen: Präferenzhandel, elektronische Zollabfertigung und Ausfuhrbestimmungen.
Im globalen Handelsdschungel den Überblick behalten
Das Wichtigste vorweg: Im grossen Welthandelsdschungel verstecken sich Risiken für die Unternehmen – aber auch ebenso viele Chancen. Nachfolgend einige Beispiele.
Freihandelsabkommen für sich nutzen
Die EU als wichtigste Handelspartnerin der Schweiz erhebt auf die meisten chemischen Produkte eine Einfuhrsteuer von 5 % bis 10 %. Elektrogeräte werden innerhalb der EU bei der Einfuhr mit 5 % bis 15 % besteuert. In China liegen die Zölle für Maschinen bei 15 %, in manchen Fällen sogar bei 20 %. Chemikalien, Elektrogeräte und Maschinen zählen zu den Exportschlagern der Schweiz.
Die Vorteile von Freihandelsabkommen sind also nicht schwer zu erkennen. Um den bestmöglichen Nutzen daraus zu ziehen, müssen die Unternehmen detailliert planen und eventuell umfassende Investitionen tätigen. Falsche Herkunftsnachweise oder eine fehlende Ursprungsauthentifizierung von Schweizer Waren im Rahmen einer Warendeklaration kann hohe Geldstrafen verursachen. Die Schweizer Verordnung über das Ausstellen von Ursprungsnachweisen (SR 946.32) schreibt für den Fall einer Nichtbeachtung der Bestimmungen Geldstrafen in der Höhe von bis zu 40’000 CHF vor. Darüber hinaus können Handelstreibende auch ihren Privilegiertenstatus (z. B. als autorisierter Exporteure) verlieren.
Präferenzursprung – ein Strategiethema für die Agenda des Managements
In den meisten Ländern werden Einfuhrzölle auf importierte Güter erhoben. Diese Zölle werden als prozentualer Anteil des Güterwerts berechnet. Importiert ein Unternehmen beispielsweise Güter für 1’000’000 EUR und erhebt der Zoll eine Einfuhrsteuer von 10 %, muss das Unternehmen 100’000 EUR an die örtliche Zollbehörde abgeben. Einige Regierungen verzichten im Rahmen bilateraler Abkommen oder regionaler FTAs auf Einfuhrzölle. Damit wollen sie ihren eigenen Handelsakteuren einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Was nun muss ein Unternehmen tun, um von Freihandelsabkommen zu profitieren? Regierungen handeln FTAs miteinander aus und vereinbaren dabei Ursprungsregeln, um einen Missbrauch der Abkommen zu vermeiden. Diese Regeln bestimmen, welche Art der Verarbeitung ein Produkt erfahren haben muss, um Präferenzursprungsstatus zu erlangen und bei der Einfuhr steuerbefreit behandelt zu werden. Zwei Beispiele:
- Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China besagt, dass eine in einem der beiden Länder hergestellte Maschine mindestens 50 % chinesische oder Schweizer Teile enthalten muss, um von den Vorzügen des Präferenzursprungsstatus profitieren zu können.
- 1972 hat die Schweiz ein FTA mit der EU vereinbart. Dieses legt fest, dass Schweizer Käse nur dann von Einfuhrabgaben befreit ist, wenn die darin verarbeitete Milch aus der Schweiz stammt.
Solche Regeln werden mit jedem FTA frei ausgehandelt und fallen deshalb von Produkt zu Produkt unterschiedlich aus. Da die Schweiz derzeit etwa 30 aktive FTAs mit ungefähr 40 Ländern und Partnern unterhält, stehen Handelstreibende beim Umgang mit Präferenzbestimmungen vor einer grossen Aufgabe. Nicht selten werden für ein Produkt gleichzeitig unterschiedliche Präferenzursprungsstati geltend gemacht, abhängig vom passenden FTA und vom Ausfuhrpreis. Diese Situation hat zum «Spaghettischüsseleffekt» geführt, der die Verflechtung von Ursprungsregelungen bildlich beschreibt.
Für Handelsunternehmen bedeutet die aktuelle Sachlage Folgendes: Zunächst einmal müssen die Bereiche Sales, Produktion und Einkauf eng miteinander zusammenarbeiten. Wenn die Unternehmen die Inhalte und Ursprünge der Einzelbestandteile ihrer Exporte nicht kennen, können sie deren Ursprung auch nicht zertifizieren lassen. Das heisst, dass die Unternehmen die Ursprünge ihrer Einkäufe zurückverfolgen, authentifizieren und dokumentieren müssen. Ausserdem muss die Rechtsabteilung die jeweils relevante Gesetzgebung und die Folgen einer Nichteinhaltung kennen. Die Strafen für falsche Ursprungsdeklarationen sind hoch. Ebenfalls gut zu wissen: Die Unternehmen können keinen reibungslosen Präferenzhandel betreiben, wenn sie bei der IT sparen; sie müssen alle IT-Systeme solide miteinander verknüpfen. Das bedeutet Investitionen, Weiterbildung und Wartungsaufwand. Allerdings profitiert das Unternehmen dann von mehr Transparenz und gewährleistet eine bessere Auditierbarkeit bei Zollaudits. Und schliesslich muss es seine Organisation horizontal integrieren, damit der komplexe Präferenzplan funktioniert. Rollen und Verantwortlichkeiten müssen über Richtlinien klar definiert und Rechenschaftspflichten auf Managementebene sichergestellt werden.
E-Zoll-Abfertigung standardisieren
Die Abwicklung der Steuererklärung ist eine komplexe und anstrengende Aufgabe. Nicht umsonst engagieren viele Menschen einen Buchhalter dafür und sparen damit vermutlich sogar Geld. Aus denselben Gründen lassen Unternehmen Zollformalitäten von Zollagenten erledigen. Fragt sich, ob das in Zeiten der elektronischen Zollabfertigung noch notwendig ist. In der Schweiz verlangt ein Zollagent 50 CHF bis 100 CHF für das Ausfüllen und Einreichen einer Einfuhrerklärung. Rechnet man diesen Betrag auf das monatliche Versandvolumen eines Grossunternehmens hoch, weiss man ungefähr, wie viel Geld sich durch das Insourcing der Zollabwicklung einsparen liesse. Eine hauseigene Zollabwicklung kann dem Unternehmen darüber hinaus eine bessere Kontrolle über den Güterfluss verschaffen und die Auditierbarkeit sowie Nachverfolgbarkeit verbessern. Schliesslich haftet immer der Importeur für deklarierte Güter, nicht der Zollagent. Das Schweizer Zollgesetz (SR 631.0) ist bei falscher Güterdeklaration, die zu Nicht- oder Unterbezahlung von Zöllen führt, besonders streng: Es setzt Strafzahlungen in der Höhe des fünffachen Zollwerts an und sieht Freiheitsstrafen vor.
Dank der heutigen elektronischen Zollabfertigungssysteme haben die Unternehmen ihre Güterströme wieder unter Kontrolle. Gleichzeitig können sie damit eine Menge Geld sparen und von einer besseren Compliance und einer erhöhten Transparenz profitieren. Natürlich braucht es dafür Investitionen in die IT. Die Grundlagen hierfür dürften die meisten Unternehmen in Zeiten digitalisierter Wertschöpfungsketten und Logistik in den 1990er-Jahren gelegt haben. Angesichts des Mehrwerts sollte es sich um einen vertretbaren Aufwand handeln, bei dem das Unternehmen Kapital aus seinen bestehenden Systemen schlagen kann. Alles spricht also dafür, die Zollabwicklung in die automatisierte Wertschöpfungskette zu integrieren.