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Zoll und Handel: Ein Blick auf heute und übermorgen


Christina Haas Bruni
Senior Manager, Steuer & Rechtsberatung

Das globale Handelsumfeld wird zunehmend von Präferenzhandel, E-Zollabfertigung und Ausfuhrbestimmungen geprägt. Um hier wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen die Unternehmen eine kluge Strategie, die sämtliche Zoll- und Handelsaktivitäten in ihre Wertschöpfung integriert – gerade IT-seitig.

Der Zugang zu Warenmärkten war bereits ein Leitgedanke bei der Gründung der Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 1994. Dieser ist es seither allerdings nicht gelungen, ein international massgebendes Abkommen zum Handel von Gütern auf multilateraler Ebene zu verabschieden. Die Anzahl bilateraler und regionaler Freihandelsabkommen («Free Trade Agreement», kurz FTA) hingegen hat sich zwischen 2000 und 2015 weltweit fast verdoppelt. Diese Flut von bilateralen Verträgen zwischen Interessenparteien ist eine direkte Folge der Verhandlungsstarre bei der WTO. Die globale Handelsliberalisierung auf bilateraler Ebene schreitet rasant voran – voraussichtlich auch in Zukunft.


Ende der 1990er-Jahre verfügten nur wenige Zollbehörden über elektronische Zollabfertigungsanlagen. Knappe 20 Jahre später haben es der technologische Fortschritt und die Politik nach 9/11 unabdingbar gemacht, elektronische Abfertigungssysteme für grenzverkehrsbezogene Formalitäten und Abläufe einzusetzen. In den kommenden Jahrzehnten wird der papierlose Handel ganz sicher zum Standard.

Das Handelswachstum und der technologische Fortschritt bergen auch Risiken. Ausfuhrbestimmungen und -kontrollen sind eines der grössten wenn nicht sogar das grösste Hindernis für Handelstreibende. Diese Restriktionen sind gleichzeitig auch unverzichtbar – etwa für den Schutz der Gesundheit, der Umwelt oder der Landessicherheit. Darum müssen sie schlicht erfüllt werden. Der globale Handel hat ein so grosses Ausmass erreicht, dass die Handelspolitik zu einem attraktiven Instrument staatlicher Interessenvertretung bei der Durchsetzung von Sanktionen und im Kampf gegen den Waffenhandel geworden ist. Die Unternehmen sehen sich gezwungen, immer mehr Embargos, internationale Sanktionen und Dual-Use-Güterbestimmungen (Bestimmungen zu Gütern, die zur Herstellung von Waffen verwendet werden könnten) zu beachten, damit sie ihre Compliance-Anforderungen erfüllen und hohe Geldstrafen vermeiden können.

Drei Schlüsselentwicklungen werden den globalen Handel und die Handelsaktivitäten von Unternehmen in Zukunft prägen: Präferenzhandel, elektronische Zollabfertigung und Ausfuhrbestimmungen.

Im globalen Handelsdschungel den Überblick behalten

Das Wichtigste vorweg: Im grossen Welthandelsdschungel verstecken sich Risiken für die Unternehmen – aber auch ebenso viele Chancen. Nachfolgend einige Beispiele.

Freihandelsabkommen für sich nutzen

Die EU als wichtigste Handelspartnerin der Schweiz erhebt auf die meisten chemischen Produkte eine Einfuhrsteuer von 5 % bis 10 %. Elektrogeräte werden innerhalb der EU bei der Einfuhr mit 5 % bis 15 % besteuert. In China liegen die Zölle für Maschinen bei 15 %, in manchen Fällen sogar bei 20 %. Chemikalien, Elektrogeräte und Maschinen zählen zu den Exportschlagern der Schweiz.

Die Vorteile von Freihandelsabkommen sind also nicht schwer zu erkennen. Um den bestmöglichen Nutzen daraus zu ziehen, müssen die Unternehmen detailliert planen und eventuell umfassende Investitionen tätigen. Falsche Herkunftsnachweise oder eine fehlende Ursprungsauthentifizierung von Schweizer Waren im Rahmen einer Warendeklaration kann hohe Geldstrafen verursachen. Die Schweizer Verordnung über das Ausstellen von Ursprungsnachweisen (SR 946.32) schreibt für den Fall einer Nichtbeachtung der Bestimmungen Geldstrafen in der Höhe von bis zu 40’000 CHF vor. Darüber hinaus können Handelstreibende auch ihren Privilegiertenstatus (z. B. als autorisierter Exporteure) verlieren.

Präferenzursprung – ein Strategiethema für die Agenda des Managements

In den meisten Ländern werden Einfuhrzölle auf importierte Güter erhoben. Diese Zölle werden als prozentualer Anteil des Güterwerts berechnet. Importiert ein Unternehmen beispielsweise Güter für 1’000’000 EUR und erhebt der Zoll eine Einfuhrsteuer von 10 %, muss das Unternehmen 100’000 EUR an die örtliche Zollbehörde abgeben. Einige Regierungen verzichten im Rahmen bilateraler Abkommen oder regionaler FTAs auf Einfuhrzölle. Damit wollen sie ihren eigenen Handelsakteuren einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Was nun muss ein Unternehmen tun, um von Freihandelsabkommen zu profitieren? Regierungen handeln FTAs miteinander aus und vereinbaren dabei Ursprungsregeln, um einen Missbrauch der Abkommen zu vermeiden. Diese Regeln bestimmen, welche Art der Verarbeitung ein Produkt erfahren haben muss, um Präferenzursprungsstatus zu erlangen und bei der Einfuhr steuerbefreit behandelt zu werden. Zwei Beispiele:

  • Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China besagt, dass eine in einem der beiden Länder hergestellte Maschine mindestens 50 % chinesische oder Schweizer Teile enthalten muss, um von den Vorzügen des Präferenzursprungsstatus profitieren zu können.
  • 1972 hat die Schweiz ein FTA mit der EU vereinbart. Dieses legt fest, dass Schweizer Käse nur dann von Einfuhrabgaben befreit ist, wenn die darin verarbeitete Milch aus der Schweiz stammt.

Solche Regeln werden mit jedem FTA frei ausgehandelt und fallen deshalb von Produkt zu Produkt unterschiedlich aus. Da die Schweiz derzeit etwa 30 aktive FTAs mit ungefähr 40 Ländern und Partnern unterhält, stehen Handelstreibende beim Umgang mit Präferenzbestimmungen vor einer grossen Aufgabe. Nicht selten werden für ein Produkt gleichzeitig unterschiedliche Präferenzursprungsstati geltend gemacht, abhängig vom passenden FTA und vom Ausfuhrpreis. Diese Situation hat zum «Spaghettischüsseleffekt» geführt, der die Verflechtung von Ursprungsregelungen bildlich beschreibt.

Für Handelsunternehmen bedeutet die aktuelle Sachlage Folgendes: Zunächst einmal müssen die Bereiche Sales, Produktion und Einkauf eng miteinander zusammenarbeiten. Wenn die Unternehmen die Inhalte und Ursprünge der Einzelbestandteile ihrer Exporte nicht kennen, können sie deren Ursprung auch nicht zertifizieren lassen. Das heisst, dass die Unternehmen die Ursprünge ihrer Einkäufe zurückverfolgen, authentifizieren und dokumentieren müssen. Ausserdem muss die Rechtsabteilung die jeweils relevante Gesetzgebung und die Folgen einer Nichteinhaltung kennen. Die Strafen für falsche Ursprungsdeklarationen sind hoch. Ebenfalls gut zu wissen: Die Unternehmen können keinen reibungslosen Präferenzhandel betreiben, wenn sie bei der IT sparen; sie müssen alle IT-Systeme solide miteinander verknüpfen. Das bedeutet Investitionen, Weiterbildung und Wartungsaufwand. Allerdings profitiert das Unternehmen dann von mehr Transparenz und gewährleistet eine bessere Auditierbarkeit bei Zollaudits. Und schliesslich muss es seine Organisation horizontal integrieren, damit der komplexe Präferenzplan funktioniert. Rollen und Verantwortlichkeiten müssen über Richtlinien klar definiert und Rechenschaftspflichten auf Managementebene sichergestellt werden.

E-Zoll-Abfertigung standardisieren

Die Abwicklung der Steuererklärung ist eine komplexe und anstrengende Aufgabe. Nicht umsonst engagieren viele Menschen einen Buchhalter dafür und sparen damit vermutlich sogar Geld. Aus denselben Gründen lassen Unternehmen Zollformalitäten von Zollagenten erledigen. Fragt sich, ob das in Zeiten der elektronischen Zollabfertigung noch notwendig ist. In der Schweiz verlangt ein Zollagent 50 CHF bis 100 CHF für das Ausfüllen und Einreichen einer Einfuhrerklärung. Rechnet man diesen Betrag auf das monatliche Versandvolumen eines Grossunternehmens hoch, weiss man ungefähr, wie viel Geld sich durch das Insourcing der Zollabwicklung einsparen liesse. Eine hauseigene Zollabwicklung kann dem Unternehmen darüber hinaus eine bessere Kontrolle über den Güterfluss verschaffen und die Auditierbarkeit sowie Nachverfolgbarkeit verbessern. Schliesslich haftet immer der Importeur für deklarierte Güter, nicht der Zollagent. Das Schweizer Zollgesetz (SR 631.0) ist bei falscher Güterdeklaration, die zu Nicht- oder Unterbezahlung von Zöllen führt, besonders streng: Es setzt Strafzahlungen in der Höhe des fünffachen Zollwerts an und sieht Freiheitsstrafen vor.

Dank der heutigen elektronischen Zollabfertigungssysteme haben die Unternehmen ihre Güterströme wieder unter Kontrolle. Gleichzeitig können sie damit eine Menge Geld sparen und von einer besseren Compliance und einer erhöhten Transparenz profitieren. Natürlich braucht es dafür Investitionen in die IT. Die Grundlagen hierfür dürften die meisten Unternehmen in Zeiten digitalisierter Wertschöpfungsketten und Logistik in den 1990er-Jahren gelegt haben. Angesichts des Mehrwerts sollte es sich um einen vertretbaren Aufwand handeln, bei dem das Unternehmen Kapital aus seinen bestehenden Systemen schlagen kann. Alles spricht also dafür, die Zollabwicklung in die automatisierte Wertschöpfungskette zu integrieren.

Abbildung 2: Zentrale Punkte in einer komplexen internationalen Wertschöpfungskettenstruktur

  • Importeur oder Exporteur von Gütern aus unterschiedlichen Ländern
  • Zollwertermittlung
  • Produktklassifizierung
  • Auswirkungen hinsichtlich Unternehmenssteuern und direkten Steuern
  • Verrechnungspreisfragen (innerbetriebliche Transaktionen)
  • Internationale Handelsklauseln (Incoterms)
  • Ursprungskalkulation
  • Zertifikate über Präferenz-/Nichtpräferenzursprung
  • Potenzielle Mehrwertsteuerverbindlichkeiten in unterschiedlichen Ländern
  • Steuer- und Zollübersicht
  • Verantwortlichkeiten
  • Dokumentation
  • Ablage und Archivierung
  • Zusammenarbeit mit Dienstleistern (Zollagenten, Spediteure)
  • Andere
Ausfuhrbestimmungen einhalten

Die meisten Unternehmen freuen sich, wenn die Medien über ihre positiven Jahresabschlüsse oder ihrenpraktizierte Unternehmensverantwortung berichten. Anders sieht es jedoch bei Berichten über Waffenlieferungen an diktatorische Regimes oder über den Verkauf von Dual-Use-Gütern an sanktionierte Al-Kaida-Mitglieder aus. Verstösse gegen das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen Sanktionen (SR 946.231) sind kein Kavaliersdelikt. Sie werden mit bis zu fünf Jahren Gefängnis und Strafzahlungen in der Höhe von 1 Million CHF bei der Unterwanderung von Sanktionen und Embargos und mit bis zu zehn Jahren Freiheitsentzug und Strafzahlungen in Höhe von 5 Millionen CHF beim Handel mit Dual-Use-Gütern und Munition geahndet. Die US-Bestimmungen gehören zu den strengsten weltweit: Bei Nichteinhaltung der Vorschriften kann einem Unternehmen ein Handelsverbot auferlegt werden, das es wirtschaftlich handlungsunfähig macht. Noch viel schlimmer hingegen ist nach Einschätzung der Unternehmen der Imageschaden in der Öffentlichkeit, bei Geschäftspartnern und Behörden. Darum: Unternehmen, die sich strikt an die Exportbestimmungen halten, können von einfacheren Abläufen profitieren, etwa wenn sie eine allgemeine Exportlizenz erhalten.

Allerdings reicht die Kenntnis der Bestimmungen allein nicht aus. Grossunternehmen, die Tag für Tag Tonnen von Gütern rund um den Globus schicken, müssen den Überblick über Dutzende von sanktionierten Handelspartnern behalten. Sie müssen sicherstellen, dass ein bestimmtes Gut an einem bestimmten Ort nicht als Dual-Use-Gut erachtet wird. Weiter müssen sie die relevanten Lizenzen und Zertifikate ihrer Wertschöpfungskette jederzeit bereithalten, da der Just-in-time-Handel heute den Weltmarkt beherrscht. Mittler und Zollagenten sind keine Hilfe, wenn es um Ausfuhrkontrollen geht: Nur das Unternehmen selbst kann für Verstösse belangt werden und ist für die Compliance verantwortlich. Die Gesamtheit dieser Aufgaben ist unserer Ansicht nach nur bewältigbar, wenn ein Unternehmen seine IT-Umgebung vollständig integriert – inklusive eines Screenings von Gütern, Partnern, Exportzielen usw. Ebenfalls dazu gehören minutiös geplante Sicherheitsmassnahmen und Verantwortliche, die bei der Einhaltung der relevanten Bestimmungen mithelfen.

Planen heisst antizipieren: Learnings und Best Practices

Unsere Arbeit im Zoll- und Handelsmanagement zeigt, dass den meisten Unternehmen mit globalen Handelsaktivitäten eine koordinierte Strategie fehlt. Sie sehen die Themen Präferenzmanagement, Zollabwicklung und Ausfuhrkontrollen nicht als zusammenhängendes Ganzes. Dies rührt daher, dass Zollformalitäten und Handelsoperationen häufig mehrere Abteilungen betreffen, also Einkauf, Sales, IT, Rechtsabteilung, Produktion und Logistik. Oft weiss hier die rechte Hand nicht, was die linke tut. Deshalb empfehlen wir einen ganzheitlichen Ansatz mit einer einheitlichen Strategie auf Managementebene. Nachfolgend einige praktische Massnahmen:

  • Klare Kompetenzen zuteilen und Richtlinien für Handel und Zölle schaffen
  • In Mitarbeiterweiterbildung investieren und Wissen ins Unternehmen holen
  • Organisationsabläufe festlegen und IT-Strukturen integrieren
  • Lückenlose Dokumentation, Benutzerhandbücher usw. erstellen, diese vorschriftsgemäss archivieren und verfügbar machen

Fazit

Der globale Handel entwickelt sich stetig weiter: Neue Bestimmungen, Technologien und Risiken ergeben sich beinahe täglich – ebenso neue Chancen. Um diese zu erkennen und zu nutzen, müssen Sie in Ihrem Unternehmen Instrumente und Lösungen definieren, die sich an den technologischen Entwicklungen orientieren. So schaffen Sie eine Aufbau- und Ablauforganisation, die Ihre Handels- und Zollaktivitäten ganzheitlich aufsetzt. Investitionen in die Optimierung der Logistik sind zwar richtig und wichtig, aber nicht ausreichend. Damit Sie in einer dynamischen Handelsumgebung wettbewerbsfähig bleiben, sollten Sie Ihre Aufgaben aus den oben beschriebenen Trends aktiv an die Hand nehmen.

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Christina Haas Bruni

Christina Haas Bruni

Senior Manager, Customs & International Trade, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 51 24

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