Im Fokus: Digitalisierung

Data Analytics oder die hohe Kunst des Andersseins

Dr. Christian B. Westermann
Partner, Leiter Data & Analytics, PwC Digital Services

Dr. Isabelle Flückiger
Director, Data & Analytics, PwC Digital Services

Fakt ist: Wer in unserer globalisierten und digitalisierten Welt erfolgreich sein will, muss sich nachhaltig von seinen Mitbewerbern differenzieren, sprich anders und besser sein. Das ist nicht neu. Neu ist die Antwort auf die Frage nach dem Wie: mit Daten. Die Übersetzung dieser Denkweise ins echte Wirtschaftsleben gestaltet sich schwierig. Denn schon der reine Gedanke an IT-Investitionen löst in manchen Führungsetagen Stirnrunzeln aus. Hier ein Blick auf den unternehmerischen Wert von Daten und die Macht von Data Analytics.

Ein Unternehmen kann nur über eine Differenzierung erfolgreich sein. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Auch die Stellhebel, die es braucht, um sich im heutigen Hyperwettbewerb nachhaltig zu differenzieren, sind bekannt: eine weitsichtige Strategie und eine alleinstellende Positionierung. Dazu die nötigen Ressourcen und eine angemessene Flexibilität, um schnell und angemessen auf Marktveränderungen zu reagieren oder sie im besten Fall vorwegzunehmen. Und schliesslich braucht es ein feines Flair für Kundenbedürfnisse kombiniert mit einem langen Atem. Die meisten Unternehmen arbeiten eifrig an diesen wertsteigernden Faktoren. Nur einen lassen sie erstaunlicherweise häufig aussen vor: ihre Daten.


Zuerst das Fundament, dann der Hochbau – nicht umgekehrt

Viele Unternehmen unterhalten zahllose Applikationen und komplexe Datenbankstrukturen, um ihre Kunden-, Vertriebs- und Finanzdaten greif- und verwendbar zu machen. Alle paar Jahre starten sie einen neuen Versuch, der Komplexität primär durch Über- und Umbauten oder teilweise Neubauten Herr zu werden – mehr oder weniger erfolgreich, denn im Laufe der Zeit kommen weitere Applikationen hinzu, häufig getrieben durch das Geschäft. Doch mit jeder neuen Applikation erhöht sich die Komplexität der IT- und Datenlandschaft. Dabei geht ein wesentlicher Punkt oft vergessen: Daten sind ein mächtiges Kapital und damit ein riesiges Wertschöpfungspotenzial.

Um dieses auszuwerten, braucht ein Unternehmen ein solides Datenfundament. Nur auf einem soliden Fundament lässt sich das Potenzial von Daten systematisch ausnutzen, um neue Geschäftsfelder auszubauen oder bestehende Geschäftsfelder zu optimieren. Und nur auf ein solches ist auch wirklich Verlass. Allerdings bedingt die Investition in einen sogenannten Trusted Data Layer unternehmerische und finanzielle Weitsicht. Denn sie lässt sich selten im Berichtsjahr der Investition amortisieren. Der Mehrwert zeigt sich erst nach einer gewissen Zeit, dann aber umso deutlicher: Ein verlässliches Datenfundament macht ein Unternehmen agil, kampfstark und kostenschlank.

Nachfolgend erläutern wir drei Beispiele eines wertschöpfenden Einsatzes von Daten. Bei allen stehen diese im Zentrum. Und bei allen führt die gezielte Investition in Daten und entsprechende Datenanalyse zu einem monetarisierbaren Mehrwert.

Predictive Health: Die Menge hilft dem Einzelnen

Wir von PwC haben für eine deutsche Ärztegesellschaft ein Prognosemodell für die Medikation von Multiple-Sklerose-Patienten entwickelt. Die tatsächliche Anwendung läuft über eine einfach bedienbare App. Mit deren Hilfe kann der Arzt die Auswahl des passenden Medikamentes für seinen Patienten verbessern und dessen Wohlbefinden schneller und gezielter steuern. Denn die App greift auf über 190’000 Datensätze weiterer MS-Patienten, auf die Erfahrungswerte von Hunderten von Ärzten und auf das Medikamentenwissen weiter Teile der Pharmabranche zurück. Aus diesem Datenuniversum erstellt das Expertentool anhand komplexer Algorithmen verlässliche Prognosen zur Verträglichkeit von Medikamenten und zur individuellen Gesundheitsentwicklung des Patienten.

Eine derart prädiktive, personalisierte Datenanalyse optimiert den Nutzen der Daten, macht deren Informationsgehalt verwertbar und fördert den Austausch der Akteure. Davon profitieren alle Beteiligten: Der Patient erhält schneller eine erfolgreiche Behandlung und verbesserte Lebensqualität, der Arzt optimiert seine Empfehlung und damit sein Renommee, die Pharmaindustrie verfeinert ihr Wissen um die Wirksamkeit ihrer Präparate, die Krankenkassen können Gesundheitskosten senken, und die Ärztegesellschaft schliesslich steht in ihrem Bereich beinahe konkurrenzlos da.

Regulierung: Data Analytics erleichtert die Kostenlast

Der aufsichtsrechtliche Druck auf die Finanzdienstleister steigt laufend. In regelmässigen Abständen stellt die Regulierung neue Anforderungen, etwa im Bereich der Rechnungslegung, der Eigenmittel, des Risikoreportings usw. Zudem haben die Anfragen von Behörden über Kundenstrukturen, Produkteigenschaften, Portfoliostrukturen, Risikoprofile und andere Kennzahlen zugenommen – meist in Ergänzung zu den bereits bestehenden regulatorischen Anforderungen. Solche Anfragen binden enorme Ressourcen, und die Bearbeitung dauert erfahrungsgemäss lange. Das Problem: Die Daten lassen sich nicht auf Knopfdruck zusammenziehen und aggregieren. Sie sind in zunehmender Masse gar nicht mehr in der Granularität vorhanden, nach der gefragt wird. Sie werden weder einheitlich geführt noch nach derselben Logik strukturiert. Angesichts der Fülle an Transaktionen, die eine Durchschnittsbank täglich abwickelt, bürdet eine neue Anforderung einer Behörde dem Unternehmen unter Umständen eine erdrückende Zusatzlast auf.

Das muss nicht sein. Schon heute geben Banken viel Geld für ihre Rechtskonformität aus. Die sogenannten Costs of Compliance sind in kaum einer Branche so hoch wie in dieser. Würden die Finanzdienstleister auch nur einen Bruchteil dieser Beträge in ein verlässliches Datenfundament investieren, könnten sie enorm an Leichtigkeit, Schnelligkeit und Flexibilität zulegen. Denn in den hauseigenen Daten steckt ein grosses Wissen, insbesondere rund um das Kundenverhalten. Mit einem soliden Datenfundament und darauf aufbauend einer modernen Data-Analytics-Infrastruktur können sich Banken einerseits besser vor unverhofften Anfragen von Behörden wappnen, andererseits wertschöpfendes Wissen aus ihren Daten ziehen und damit das Kundenerlebnis verfeinern.

Ökosysteme: Das Ganze ist mehr als die Summe der Einzelteile

Eine Kreditkartenfirma, ein Anbieter von Luxusgütern und wir von PwC haben unsere Fähigkeiten zum Vorteil aller Kooperationspartner zusammengelegt. Das Luxusgüterunternehmen wollte mehr über die Kaufdaten seiner Kunden erfahren. Die Kreditkartenfirma stellte diese Daten in anonymisierter und aggregierter Form gegen Entgelt zur Verfügung. Und wir von PwC haben die Daten als neutrale Drittpartei strukturiert und entsprechende Analysen vorgenommen. So konnten wir aufzeigen, wo das Luxusgüterunternehmen im Markt und im Konkurrenzvergleich steht und wie es den Endkundennutzen, den Vertrieb und die Marktleistungsgestaltung optimieren kann.

Das Beispiel macht deutlich, dass sich Daten durch das gezielte Zusammenspiel von bewusst gewählten Akteuren und unter Einhaltung der geltenden Datenschutzgesetze monetarisieren lassen. Wer seine Daten in ein derartiges Ökosystem einbringt, kann Fähigkeiten bündeln, Marktpotenziale herausschälen und einen geldwerten Nutzen für alle Beteiligten erzielen. Die eigene Rolle innerhalb eines Datenökosystems muss jede Partei selber definieren. Zum Beispiel kann ein Unternehmen auf externe Daten wie die Geolokalisierung oder Social-Media-Aktivitäten zugreifen, um die Bedürfnisse seiner Kunden besser zu verstehen oder Kundendienst und Beratung zu optimieren. Oder aber es sieht sich als Datenlieferant, der – wie im dritten Beispiel – seine Daten verkauft, zum Beispiel in Form von Kommunikations-, Bewegungs- oder Konsumdaten.

Fazit

Daten sind wertvoll; sogar wertvoller, als Sie denken. Darum lohnt es sich, Daten zu sammeln, in ein solides Datenfundament zu investieren und mit Data Analytics nach dem strategischen Erz darin zu schürfen. Das ist im Einklang mit Datenschutz- und Compliancebestimmungen möglich. Allerdings zeigt sich die Rentabilität einer derartigen Investition oft erst nach mehreren Jahren. Und höchstwahrscheinlich erfordert sie grundlegende Änderungen, etwa die digitale Transformation Ihres Geschäftsmodells. In diesen Betrachtungen dürfen Sie den Kundennutzen nie aus den Augen verlieren. Eventuell lässt sich ein solcher erst über eine echte Innovation im Zusammenspiel mit anderen Markt- und Wertschöpfungspartnern im Rahmen eines Ökosystems finden. Welchen Weg auch immer Sie gehen, die Anerkennung von Daten als unternehmerisches Kapital mit attraktiver Rendite und eine materielle Langzeitinvestition in diesen immateriellen Wertschöpfungsparameter zahlen sich in Form von Marktagilität und Spielraum aus. Beides verschafft Ihnen einen einmaligen Konkurrenzvorsprung.

Kontaktieren Sie uns

Follow us