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MWST – Neuerungen mit Chancen und Risiken


Julia Sailer
Director, MWST, PwC Schweiz

Die Mehrwertsteuer (MWST) gehört in der Schweiz und weltweit zu den wichtigsten staatlichen Einnahmequellen. Entsprechend zentral ist ein reibungsloses und faires Funktionieren der MWST. In der Schweiz traten das revidierte Mehrwertsteuergesetz (MWSTG) und die revidierte MWST-Verordnung per 1. Januar 2018 in Kraft. Ausserdem hat das Volk die Initiative zur Finanzierung der AHV durch höhere MWST-Sätze abgelehnt. In der EU stehen zahlreiche Neuerungen an, die administrative Erleichterungen bringen und dem MWST-Betrug entgegenwirken sollen. Nachfolgend die Hauptänderungen im Überblick.

Neuerungen für ausländische Unternehmen

Mit der Teilrevision des MWSTG ist der weltweite Umsatz eines Unternehmens für die Begründung der Mehrwertsteuerpflicht in der Schweiz ausschlaggebend: Wer pro Jahr weltweit mindestens CHF 100’000 Umsatz erzielt und in der Schweiz Leistungen erbringt, wird damit seit dem 1. Januar 2018 in der Schweiz unabhängig von der Höhe des Schweizer Umsatzes mehrwertsteuerpflichtig (im Gegensatz zu früher, wo die MWST-Pflicht erst ab einem Umsatz von CHF 100’000 in der Schweiz entstand). Für Unternehmen mit Sitz im Ausland und keiner Präsenz in der Schweiz greifen Ausnahmen; etwa, wenn sie ausschliesslich steuerbefreite Leistungen erbringen oder Leistungen, die der Bezugssteuerpflicht beim Empfänger unterliegen.

Diese Neuerungen sind auch für Schweizer Unternehmen relevant: Erbringen ausländische Unternehmen Leistungen für Schweizer Leistungsempfänger (zum Beispiel Montageleistungen oder Werklieferungen), müssen sich die Lieferanten in der Regel im Schweizer MWST-Register eintragen lassen. Schweizer Unternehmer sollten in solchen Fällen prüfen, ob ihr Lieferant tatsächlich registriert ist. So vermeiden sie spätere MWST-Nachbelastungen.

(Online-)Retailer unterliegen ab dem 1. Januar 2019 der Schweizer Mehrwertsteuerpflicht, wenn sie mit dem Versand von sogenannten «Kleinsendungen» an Kunden in der Schweiz jährlich mindestens CHF 100’000 Umsatz erzielen. Dabei handelt es sich um Warensendungen, deren MWST maximal CHF 5 beträgt (entspricht einem Nettobetrag von knapp unter CHF 70 bei Waren, die dem Normalsteuersatz unterliegen, oder von CHF 200 bei Waren zum ermässigten Steuersatz). Eine MWST-Pflicht in der Schweiz entsteht also dann, wenn ein ausländischer Händler Bestellungen entgegennimmt, die

  • zu einer physischen Warenbewegung über die Schweizer Grenze führen
  • bei der Einfuhr in die Schweiz nicht der Einfuhrsteuer unterliegen und
  • in Summe zu Umsätzen pro Jahr von CHF 100’000 oder mehr in der Schweiz führen

PwC bietet Unternehmen, die in der Schweiz neu MWST-pflichtig werden, mit Smart VAT eine kostengünstige Lösung, in der Schweiz MWST-konform Geschäfte zu tätigen.

Reduzierter Steuersatz für elektronische Medien

Zeitungen, Zeitschriften und Bücher unterliegen dem reduzierten MWST-Satz. Allerdings sind ihre elektronischen Pendants aktuell zum vollen MWST-Satz zu versteuern. Die Unterscheidung zwischen Printerzeugnissen und elektronischen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern bereitet in der Praxis zunehmend Probleme. Zusätzlich wird die ungleiche Besteuerung als Nachteil für elektronische Medien gesehen.

Seit dem 1. Januar 2018 unterliegen nun Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ohne Reklamecharakter, die auf elektronischem Weg vertrieben werden, dem reduzierten Steuersatz. Das ist umso bemerkenswerter, als ein wichtiger Unterschied bleibt: Während es sich bei der Zurverfügungstellung von gedruckten Erzeugnissen aus mehrwertsteuerlicher Sicht um eine Lieferung handelt, ist das elektronische Verfügbarmachen von Zeitschriften mehrwertsteuerlich eine Dienstleistung. Anbieter solcher Medien müssen eine doppelte Abgrenzung vornehmen:

  • Abgrenzung elektronischer Medien von anderen elektronischen Dienstleistungen, die dem Normalsteuersatz unterliegen
  • Abgrenzung von Medien ohne Reklamecharakter zu Medien mit Reklamecharakter, die dem Normalsteuersatz unterliegen

Neue MWST-Sätze in der Schweiz

Ende September 2017 hat das Schweizer Stimmvolk eine Finanzierung der AHV durch eine Anhebung der MWST-Sätze abgelehnt. Damit sinken der Normal- und der Sondersatz wie folgt:

Steuersatz Bis 31. Dezember 2017 Ab 1. Januar 2018
Normalsatz 8,0% 7,7%
Sondersatz 3,8% 3,7%
Reduzierter Satz 2,5% 2,5%

Unternehmen müssen unter anderem ihre Buchhaltungssoftware und ihre Rechnungsformulare anpassen, Mitarbeiter informieren, gegebenenfalls Offerten und Verträge anpassen sowie sorgfältig prüfen, welcher Steuersatz jeweils anwendbar ist. Massgebend ist der Zeitpunkt, in dem eine Leistung erbracht wird. Gut möglich also, dass schon 2017 in einer Rechnung die neuen Steuersätze angewendet werden müssen oder 2018 Rechnungen (für 2017 ausgeführte Leistungen) die alten Steuersätze enthalten. Vielfach wurden Ende 2017 schon Anzahlungsrechnungen ausgestellt, die sich auf Leistungen im Jahr 2018 beziehen. In manchen Situationen (insbesondere, wenn der Kunde nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist) kann es nun notwendig sein, diese Rechnungen neu auszustellen. Übrigens: Als Vorsteuer darf immer nur die effektiv in Rechnung gestellte Steuer in Abzug gebracht werden.

Reform der EU-MWST

Das grenzüberschreitende MWST-System der EU gilt als kompliziert und betrugsanfällig. EUR 50 Milliarden sollen den EU-Staaten jedes Jahr alleine durch MWST-Betrug verloren gehen. Die Europäische Kommission hat am 4. Oktober 2017 Gegenmassnahmen vorgeschlagen. Ein Kernstück ist die Einführung des «zertifizierten Steuerpflichtigen».

Darunter versteht die Kommission Unternehmen, die die Einhaltung von Kriterien wie zum Beispiel regelmässige Zahlung von Steuern, interne Kontrollen und Zahlungsfähigkeit nachweisen können. Auf Antrag werden sie von ihrer nationalen Steuerbehörde zertifiziert und geniessen als zuverlässige Steuerzahler insbesondere im grenzüberschreitenden Handel bestimmte Vorteile. Wurde dem Antragsteller bereits der Status eines zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für Zollzwecke gewährt, gelten die Kriterien für den «zertifizierten Steuerpflichtigen» als erfüllt.

Der Vorschlag der Kommission bezieht sich aktuell nur auf Unternehmen, die den Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung in der EU haben. Das Gleiche gilt heute schon für zugelassene Wirtschaftsbeteiligte. Damit kann ein Unternehmen mit Sitz in einem Drittland wie etwa der Schweiz nicht von den Vereinfachungen eines «zertifizierten Steuerpflichtigen» profitieren. Noch ist unklar, ob der Schweizer AEO-Status, der im Zollbereich aufgrund entsprechender Abkommen auch von der EU anerkannt wird, für Mehrwertsteuerzwecke in der EU ausreicht.

Das endgültige MWST-System der EU baut auf die folgenden Grundpfeiler. Diese sollen 2022 eingeführt werden:

  • Grenzüberschreitende Lieferungen von Waren von einem EU-Staat in einen anderen unterliegen am Bestimmungsort der MWST.
  • Bei solchen grenzüberschreitenden Warenlieferungen von einem EU-Staat in einen anderen ist der Käufer für die Entrichtung der MWST verantwortlich, wenn es sich um einen zertifizierten Steuerpflichtigen handelt.
  • Andernfalls ist der Verkäufer für die Berechnung und Erhebung der MWST verantwortlich.
  • Die einzelne Anlaufstelle («one-stop shop») wird erweitert. Neu können Unternehmer die MWST auf grenzüberschreitende Warenlieferungen über ein gemeinsames Onlineportal der EU-Länder melden und entrichten, wie das heute schon bei elektronischen Dienstleistungen der Fall ist.

Im Weiteren hat die Europäische Kommission Sofortmassnahmen präsentiert. Dazu gehören Vereinfachungen

  • für den Abruf von Waren aus einem Konsignationslager,
  • bei der Bestimmung der bewegten Lieferung in Reihengeschäften,
  • beim Transportnachweis als Voraussetzung für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Die vorgeschlagenen Vereinfachungen stehen allerdings nur Unternehmen offen, die als zuverlässige Steuerpflichtige zertifiziert wurden. Demnach ist fraglich, ob auch Schweizer Unternehmen von den Sofortmassnahmen profitieren können oder ob sie beim bisherigen System mit entsprechenden administrativen Hürden bleiben müssen.

Ein weiterer Vorschlag zielt eher auf die Betrugsbekämpfung ab, schafft aber für Unternehmen auch Klarheit: Die in der MIAS-Datenbank erfasste MWST-UID-Nummer des Abnehmers soll Voraussetzung für steuerfreie grenzüberschreitende Lieferungen sein, zusammen mit einer korrekt erstellten «zusammenfassenden Meldung».

Strategie, Prozesse, Kontrollen

Damit ein Unternehmen in Zukunft in der EU den Status eines zertifizierten Steuerpflichtigen erhalten kann, darf es nicht schwerwiegend oder wiederholt gegen die steuer- oder zollrechtlichen Vorschriften verstossen und im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit keine schweren Straftaten begangen haben. Zudem muss es ein hohes Mass an Kontrolle seiner Tätigkeiten und der Warenbewegungen sowie seine Zahlungsfähigkeit nachweisen.

Gerade die ersten beiden Kriterien setzen voraus, dass das Unternehmen seine MWST-Agenden im Griff hat. Viele auch multinational tätige Unternehmen betrachten die MWST als nebensächliche, meistens lokal zugeteilte Funktion innerhalb der Finanz- oder Steuerabteilung. Die Anforderungen an zertifizierte Steuerpflichtige und an die mehrwertsteuerliche Berichterstattung verlangen jedoch ein Umdenken bei den Verantwortungsträgern. Hinzu kommt, dass Steuerbehörden jetzt schon dank neuer Möglichkeiten etwa im Bereich Datenanalyse umfangreiche Informationen über Unternehmungen sammeln. So können sie ihre Kontrollen verbessern und zudem über den Einsatz neuer Technologien wie zum Beispiel Blockchain administrative Abläufe vereinfachen und MWST-Betrug vermeiden.

Ist ein Unternehmen grenzüberschreitend tätig und unterliegt damit komplexen mehrwertsteuerlichen Bestimmungen, muss es sich mit der MWST in Zukunft auf einer strategischen Ebene auseinandersetzen, statt sie isoliert zu betrachten. Es muss die MWST als Teil eines gesamthaften Prozesses begreifen, der im Unternehmen, in der gesamten Wertschöpfungskette und im Geschäftsumfeld verwurzelt ist. Eine gut durchdachte Strategie, reibungsfreie Prozesse und moderne Technologien zur Verarbeitung und Analyse von Daten werden den Unternehmen mittelfristig Kosten- und Geschäftsvorteile bringen.

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