Mehr als ein Kostenvorteil
Der Mehrwert der Robotiktechnologie geht weit über eine blosse Reduktion der Arbeitskosten hinaus. Die Robotik ist Teil einer Welle neuer Technologien wie der 3-D-Druck oder das Industrial Internet of Things (IIoT). Diese bergen neuartige Möglichkeiten für die Herstellung, Echtzeitüberwachung der Maschinenleistung und präventive Wartung. Kombiniert mit anderen Technologien führt die Robotik zu einem neuen Wertgefüge, das die Produktion von qualitativ hochwertigeren Produkten mit innovativeren Designs, kürzeren Beschaffungszyklen, mehr Flexibilität («Just-in-time»-Montage) und massgeschneiderten Lösungen («Lot-of-1»-Produktion) umfasst.
Smart Factory – die moderne Art der Fertigung
Intelligente Fabriken – auch Smart Factorys genannt – vernetzen und optimieren Maschinen, Material, Arbeiter und Arbeitsabläufe, um die Produktivität zu steigern und Fehler zu eliminieren. Im Mittelpunkt steht die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. So setzen erfolgreiche Unternehmen Cobots ein, um schnelleres Arbeiten der Arbeitskräfte und schlankere Prozesse zu erreichen. Vor diesem Hintergrund gewinnen Kundenzentrierung und regionale Herstellung («Local for Local») an Bedeutung. Das Arbeitsumfeld in einer Smart Factory wird sich radikal verändern. Es müssen nämlich nicht nur neue Technologien implementiert, sondern auch Arbeitskräfte mit digitalen Fähigkeiten gesucht, eingestellt sowie aus- und weitergebildet werden.
Ein Blick auf den Werkplatz Schweiz
Die Schweiz blickt auf eine lange Tradition der Industrialisierung zurück, man denke nur an die Textilindustrie. Sie hat erste Schritte der Automatisierung lange vor anderen Ländern vollzogen – und schon damals gab es Bedenken, dass Arbeitsplätze verloren gehen könnten.
Heute steht der Werkplatz Schweiz in der Industrierobotik gleichauf mit anderen europäischen Ländern. Neue Automatisierungstechnologien werden gerade erst implementiert, befinden sich aber noch in den Kinderschuhen. Interessanterweise kommt das Konzept der Cobots der Schweizer Unternehmenskultur entgegen.
Warum sich der Cobot lohnt
Cobots sind berührungsempfindlich und darum keine Gefahr für den Menschen, wenn sie ohne Gitterschutz mit diesen zusammenarbeiten. Im Gegenteil, ein Cobot geht seinem Arbeitskollegen assistierend zur Hand oder nimmt ihm schwere Arbeiten, zum Beispiel das Heben von Gewichten, ab. Das macht die menschliche Arbeitskraft flexibler und frei, an einer anderen Stelle der Wertschöpfung seinen Beitrag zu leisten. Werden Cobots mit künstlicher Intelligenz bestückt, sodass sie aus Erfahrungen lernen und sich weiterentwickeln können, ermöglichen sie den menschlichen Arbeitskräften höher qualifizierte Arbeiten und damit mehr Flexibilität und einen weiteren Produktivitätsgewinn.
Im Weiteren sind Cobots heute erschwinglich. Auch kleine und mittelständische Unternehmen können sich gewisse Automatisierungstechnologien leisten und einfach in bestehende Produktionsprozesse integrieren. Die Robotik ist Teil von vielschichtig digital vernetzten Tätigkeiten, die mithilfe des IIoT möglich werden. Nehmen wir ein Beispiel: Der Automobilhersteller GM hat mindestens einen Viertel – sprich 30’000 – seiner Roboter mit dem Internet verbunden. Er erhebt damit Leistungsdaten und Informationen, die sich für die präventive Wartung nutzen lassen. Dadurch kann er die Anzahl Ausfälle und Störungen in den Montagelinien drastisch reduzieren.
«GM Hooking 30,000 Robots to Internet to Keep Factories Humming», April 2017, Bloomberg News
Die Hersteller schaffen also nicht nur durch mehr Effizienz einen Mehrwert, sondern auch durch Daten zu Material, Komponenten, Arbeit oder Arbeitsabläufen. Aggregieren sie diese Daten mit kundenbezogenen, finanziellen oder umweltspezifischen Daten, eröffnen sie neue Entscheidungsgrundlagen und Handlungsfelder.
Schnelligkeit und individuelle Anpassung
Die Robotik führt zusammen mit dem 3-D-Druck in eine neue Ära der Produktpersonalisierung. Die Fähigkeit zur «Losgrösse 1» erfordert von den Herstellern schnellere Rüstzeiten, um einen Auftrag individuell anzupassen und den Lebenszyklus eines Produktes weiter zu reduzieren. Das bedingt gleichzeitig, dass die Hersteller höhere Produktionsgeschwindigkeiten erreichen und flexibler werden. Es erstaunt daher nicht, dass sie der Einführung einer flexiblen Robotisierung für den Erhalt ihrer Wettbewerbsfähigkeit immer mehr Bedeutung einräumen.
Von Risiken und Nebenwirkungen
Die Einführung der Robotisierung birgt neue Risiken und bringt neue Haftungsaspekte mit sich. Beispielsweise muss sich bei einem Unfall mit Robotiksystemen – etwa aufgrund defekter Hardware, Software, mangelhafter Kommunikation oder missbräuchlicher Verwendung – feststellen lassen, welche Partei verantwortlich und haftbar ist.
Ein weiterer Aspekt ist der Datenschutz – die EU-DSGVO lässt grüssen. Unternehmen, die mit Robotiksystemen personenbezogene Daten erfassen oder damit arbeiten (beispielsweise via Kameras, Mikrofone und Sensoren), müssen deren Schutz gewähren und ihre Datenschutz-Compliance sicherstellen. Ein ebenso grosses Augenmerk gilt all jenen Arbeitsgesetzen, die anwendbar sind, wenn Arbeiter durch Roboter ersetzt werden.
Den Menschen braucht es weiterhin
Die gute Nachricht: Roboter können nicht alles. Darum konnten sich «Light-out»-Fabriken nicht durchsetzen. Beim roboterzentrierten Ansatz wird die Interaktion von Mensch und Maschine dahingehend limitiert, dass die Roboter zum Schutz der Arbeitskraft hinter Gittern oder Barrieren arbeiten. Mit den vielfältigen Möglichkeiten von Cobots lässt sich diese Zusammenarbeit harmonisieren. Mehr noch: Der Einsatz von Cobots fördert die Innovationskraft und Kreativität der Mitarbeiter in der Produktion, und zwar von unten nach oben. Arbeitskräfte, die in einem Bereich Experten sind, gewinnen Zeit für neue Ideen, die den Herstellungsprozess optimieren. Die repetitiven, eintönigen und schweren Aufgaben übernehmen derweil die Cobots – und werden dabei nicht unzufrieden.