Im Fokus: Familienunternehmen ist ein Generationenprojekt

Nachfolgeplanung – Zeit ist Zukunft


Marco Tremonte
Director, Corporate Finance/M&A, PwC Schweiz

Ein Familienunternehmen ist ein Generationenprojekt. Denn nur wenn die unternehmerische Verantwortung in die nächsten Hände übergeht, bleibt das Projekt am Leben – also das Unternehmen. Fehler sind schnell geschehen und können grossen Schaden anrichten. Darum beginnt jede erfolgreiche Nachfolgeplanung mit einer detaillierten Analyse von Vorgeschichte, Strategie und Zielsetzungen. In der Folge gilt es, die optimalen Bedingungen zu schaffen. Erst dann stehen die Wahl des oder der passenden Kandidaten und der Abschluss geeigneter Verträge an. Das alles braucht Zeit – viel Zeit.
Wie geht’s weiter?

Diese Frage ist für niemanden so omnipräsent wie für den Familienunternehmer. Denn bei Familienbetrieben gesellt sich zu den Einflussfaktoren Markt, Wettbewerb, Zielgruppen, Chancen, Risiken, Stärken und Schwächen noch ein weiterer Schlüsselparameter: die Familie.


Eine Aufgabe mit mehreren Dimensionen

Am Anfang der Suche nach der besten Nachfolgelösung steht die eingehende Betrachtung der aktuellen Gegebenheiten. Hier unterscheiden wir drei Dimensionen (Abbildung 1). Sie bestimmen die Komplexität der Aufgabe und die Ausgestaltung der jeweiligen Führungsstruktur (Abbildung 2).

 

Abb 1: Das 3-Dimensionen-Modell in Familienunternehmen

a) Investmentstruktur: Die Vermögenslage von Familie und Unternehmen tangiert die Entscheidung, wer welche Anteile bekommt und was mit dem sonstigen Vermögen passiert. Hier sind vor allem die Zahl und die Finanzkraft der potenziellen Nachfolger zentral.

b) Governancestruktur: Ob die Geschicke des Unternehmens heute in den Händen einer Einzelperson – zum Beispiel eines Patrons – oder aber eines Gremiums liegen, entscheidet wesentlich darüber, wie es in Zukunft weitergehen kann.

c) Inhaberstruktur: Ein Alleininhaber hat für die Zukunft andere Interessen als eine Familiendynastie. Häufig werden die neuen Eigentumsverhältnisse zeitlich erst nach der Führungssituation umgesetzt.

 

Inhaberstruktur Governancestruktur Investmentstruktur
Alleininhaber Inhabergeführt

Junges FU

Machtmissbrauch

Abhängigkeit vom Alleininhaber

Nachfolge

Machtmissbrauch

Abhängigkeit vom Alleininhaber

Ungeplanter Ausfall

Nachfolge

Abhängigkeit vom Gründer

Geschäftsidee

Knappe Ressourcen

Fehlende Professionalität

Hohes Risiko

Geschwistergesellschaft Familiengeführt Fokussiertes FU

Geschwisterrivalität

Inhaberkompetenz

Unternehmergeist

Interessensgegensätze zwischen tätigen und nichttätigen Inhabern

Neid, Eifersucht, Missgunst

Lebenszyklusrisiken
Cousinkonsortium Familienkontrolliert Diversifiziertes FU

Diversität

Alte Rivalitäten

Entrepreneurial Spirit

Reduzierte Inhaberidentifikation

Zusammenhalt

Finden und Binden geeigneter Manager

Prinzipalagentenkonflikt

Nachlassende Inhaberidentifikation

Andere Kompetenzen

Professionelles Portfoliomanagement

Ressourcenzersplitterung

Reduzierte Inhaberidentifikation

Familiendynastie Fremdgesteuert Family Investment Office

Zusammenhalt

Reduzierte Inhaberidentifikation

Klumpenrisiko für die Inhaber

Fehlende Inhaberidentifikation

Andere Kompetenzen

Reduzierte Inhaberidentifikation

Abbildung 2: Herausforderungen und Ansätze für Inhaberschaft, Unternehmensführung und Besitzverhältnisse

Kein richtig oder falsch

Wer ist die oder der Richtige? Um dies zu ermitteln, lohnt sich ein umfassendes Assessment der Kandidatin oder des Kandidaten, nicht nur von ihrer schulischen und fachlichen Ausbildung und ihren Fähigkeiten, sondern auch von Interessen, Charaktereigenschaften, Wille, persönlichen Prioritäten, Wandelfähigkeit, moralischen Vorstellungen und Führungsstil. An der Spitze der Herausforderungen einer familieninternen Nachfolge stehen die finanziellen Mittel. Oft verfügt der junge Nachfolger oder die junge Nachfolgerin noch nicht über ausreichend finanzielle Mittel oder hat zu viele Geschwister, die er oder sie ausbezahlen muss (Abbildung 3).

Abbildung 3: Die Hauptherausforderungen bei einer familieninternen Nachfolge

Viele Wege führen nach Rom

Der Einstieg ins Unternehmen kann unterschiedlich erfolgen. Dabei gibt es weder richtig noch falsch. Allgemein gilt: Je grösser ein Betrieb ist, desto komplexer wird die Vorbereitung auf die Führungsrolle.

  • Top-down: Der Nachfolger sitzt vorerst als Gast im Verwaltungsrat ein und verfolgt den Geschäftsverlauf von der Zuschauertribüne aus. Ab einem gewissen Zeitpunkt wird er vollwertiges Verwaltungsratsmitglied.
  • Buttom-up: Manche Aspiranten erhalten einen Ferienjob im familieneigenen Unternehmen, absolvieren ein Praktikum, eine Lehre oder starten als Sachbearbeiter in irgendeiner Abteilung. Von hier aus arbeiten sie sich Schritt für Schritt bis zum Mitglied der Geschäftsleitung oder zum CEO vor.
  • Direkt: Ein Nachfolger kann sofort eine Führungsfunktion auf oberster Ebene übernehmen, sei es als alleiniger CEO oder als Co-Geschäftsführer gemeinsam mit einer externen Führungskraft.
  • Indirekt: Mit einer Zwischenlösung lässt sich jene Zeit überbrücken, in der ein Thronfolger seine Nachfolge noch nicht antreten kann, zum Beispiel weil er zu jung ist oder operativ tätig sein möchte. Dabei stellt das Unternehmen über einen befristeten Zeitraum einen familienexternen CEO an. In dessen Aufgabenbereich fällt das Einarbeiten der nächsten Generation.

Schluss mit Familie – auch eine Lösung

Nicht immer muss ein Unternehmen in Familienhand bleiben. Auch eine familienexterne Lösung kann sich anbieten, etwa wenn die Kinder kein Interesse zeigen, über keine finanziellen Mittel verfügen oder eine andere berufliche Richtung einschlagen möchten, oder wenn keine Kinder da sind. Ein Trennen der Familienbande kann auch strategisch begründet sein, zum Beispiel wenn Internationalisierung, Wettbewerbs-, Investitions- oder Innovationsdruck so hoch werden, dass die Familie die finanzielle Herausforderung allein nicht tragen kann. In solchen Fällen bietet sich ein Verkauf an Dritte oder ein Management-Buy-out an. Ein derartiger Ansatz bringt frischen Wind und frisches Kapital und ist unter Umständen gesünder als ein unglücklicher Generationenwechsel – für das Unternehmen ebenso wie für die Familie.

Aus Erfahrung besser

Bei einer Stabübergabe stellt sich meist die Frage nach dem Wissens- und Erfahrungstransfer. Hier ist zwischen Industriekenntnissen und Führungserfahrung zu differenzieren. Branchenspezifische Technologien und Fertigkeiten können die Führung des Unternehmens erleichtern. Für diesen Bereich bieten sich ein Studium, eine Lehre oder entsprechende Weiterbildungen an.

Die Weitergabe der Führungserfahrung ist facettenreicher. Entscheidend in diesem Bereich ist der Erfahrungsaustausch mit Gleichgesinnten. Denn Führen kann man nur teilweise lernen – man muss es erfahren. In themenspezifischen Clubs (siehe Kasten) oder bei Netzwerkseminaren treffen Nachfolgekandidaten Personen in ähnlichen Situationen. Aufgaben, Herausforderungen und Unsicherheiten aus einer Nachfolgesituation lassen sich hier einfacher diskutieren als im engen Freundes- oder Familienkreis.

Die hohe Kunst des Abtretens

An einer Nachfolge sind immer zwei Parteien beteiligt: diejenige, die kommt, und diejenige, die geht. Für die abtretende Generation ist dieser Schritt ebenso schwierig wie für die antretende. Plötzlich stehen unangenehme Themen und schwere Entscheidungen an: Welche Alternativen gibt es? Was will der Wunschkandidat, was wollen die anderen? Wann beginnt man mit den nötigen Gesprächen? Wie wird die eigene Vorsorge finanziell geregelt? Für einen Anstoss zu diesem Diskurs lohnt sich die Hilfe eines externen Moderators oder die Teilnahme an Workshops. Denn die Suche im Alleingang nach der perfekten Kopie ist oft zum Scheitern verurteilt.

NextGen-Club

Im NextGen-Club von PwC können sich Nachfolgepersönlichkeiten von 25 bis 40 Jahren an ausgesuchten Events mit ihresgleichen austauschen und von der Erfahrung anderer profitieren. Denn die nächste Generation hat häufig ein anderes Rollenverständnis als die derzeitige. Im NextGen-Club finden (angehende) Unternehmerinnen und Unternehmer neue Ansätze und einen familienneutralen Dialog.

Erfahren Sie mehr über den NextGen-Club, oder lesen Sie die NextGen-Studie 2017 von PwC (in englischer Sprache).

Juristische Fakten schaffen

Untenstehend haben wir die wichtigsten Verträge aufgeführt, die eine Nachfolgeplanung in Form bringen. Sie beantworten Fragen zu Finanzierung, Steuern, Versicherungen, Rechten und Pflichten.

  • Der Kaufvertrag: Dieser regelt den Übergabepreis und die juristische Übertragung von Risiken und Gewährleistungen. Damit entsteht Rechtssicherheit zur finanziellen und organisatorischen Situation vor, während und nach der Stabübergabe.
  • Der Erbvertrag: Dieser regelt die Situation im Todesfall des Eigentümers. Ein solches Ereignis kann das Überleben der Firma gefährden. Damit stellt der Erbvertrag Teil der unternehmerischen Verantwortung des Eigentümers als Arbeitgeber dar.
  • Der Ehevertrag: In einem solchen geht es zwar um den ehelichen Verbund von zwei Menschen. Allerdings kann sich dieser wesentlich auf das Familienunternehmen auswirken. Mit einem Ehevertrag werden zum Beispiel die Stellung der Angeheirateten oder die Folgen einer Scheidung geordnet.
  • Der Aktionärsbindungsvertrag: Dieser hält die Rechte und Pflichten der Aktionäre fest und regelt deren Zusammenleben. Darin enthalten sind zum Beispiel die Bedingungen und die Zeitachse bei Aktienverkauf.
  • Der Vorsorgeauftrag: Damit stellt der Unternehmer sicher, dass eine Person seines Vertrauens die Angelegenheiten für ihn erledigt, sollte er selber nicht mehr dazu in der Lage sein – etwa bei Demenz oder nach einem folgenschweren Unfall.
  • Die Familienverfassung: Diese hält fest, wie die Unternehmerfamilie funktioniert und sich nach innen und aussen präsentiert. In der Familienverfassung enthalten sind die familieneigenen Werte, das Verhältnis von Familie zu Firma und der Umgang mit Konflikten. Eine Familienverfassung kann integrative Funktion haben und gewisse Familienmitglieder stärker ans Unternehmen binden.

Der Start ist nie zu früh

Wenn Sie eine Nachfolgeplanung gezielt angehen möchten, brauchen Sie vor allem eines: Zeit. Eine Nachfolge läuft meistens in Etappen ab (Abbildung 4), die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen. Von den ersten Gedanken bis zur Umsetzung sind 10 bis 15 Jahre üblich.

Abbildung 4: Eine Unternehmensnachfolge erfolgt sequenziell und dauert Jahre bis Jahrzehnte

In diesem Prozess empfiehlt sich ein Denken in Szenarien. Um solche zu skizzieren, brauchen Sie Antworten auf diese Schlüsselfragen: An wen übertragen Sie? Was wird übertragen? Wie stellen Sie Gerechtigkeit sicher? Was ist das Übertragungsobjekt? Wie sehen die Governancestrukturen aus? Wann oder über welchen Zeitraum soll übergeben werden?

Zur Vorgeschichte und Vorbereitung gehört unter anderem die Definition von Zweckmässigkeit und Strategie. In dieser Phase müssen Sie sich über die Stabilität und Fitness Ihres Unternehmens sowie über das rechtliche Korsett klar werden. Besonders heikel ist die Fairness. Dazu müssen das Selbstverständnis des Familienunternehmens und die finanzielle Vorsorge für die abgebende Generation klar geregelt sein. Auch die Rechtmässigkeit erfordert Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt dieser Betrachtungen stehen Bewertung und Finanzierung sowie Transaktionskosten und Steuern.

Für eine gelungene Nachfolgeplanung gibt es kein Erfolgsrezept. Trotzdem empfehlen wir, das Thema so früh wie möglich anzugehen. Wer bei seinen Kindern kein Interesse für die Firma entwickeln kann oder keine familieninternen Bewerber hat, soll ganz objektiv externe Alternativen in Betracht ziehen. Dabei lohnt es sich, parallel mit verschiedenen Kandidaten oder potenziellen Käufern zu sprechen. Erst im direkten Vergleich zeigt sich jene Lösung, bei der Sie das Unternehmen mit einem guten Gefühl übergeben oder Ihre Funktion loslassen können.

Für Sie als Unternehmer ist die Nachfolge in der Regel einmalig. Fehler sind schnell passiert und zerstören unter Umständen viel Wert oder werden sehr teuer. Wenn Sie auf die Erfahrung von Experten zurückgreifen, minimieren Sie das Risiko. Darum macht sich der zeitige Beizug eines familienexternen Moderators oder Beraters im gesamten Nachfolgeprozess auf jeden Fall bezahlt.

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Marco Tremonte

Marco Tremonte

Managing Director Corporate Finance / M&A, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 15 32

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