Im Fokus:  Aktionärsaktivismus

Bereit zum Dialog


Peter Kartscher
Partner und Global Health Industry Assurance Leader

Schweizer Unternehmen stehen zunehmend auf dem Radar von Aktionärsaktivisten. Diese versuchen, ihrer Stimme mit einem breiten Instrumentarium Gehör zu verschaffen, und fordern den direkten Dialog der Unternehmensführung mit den Aktionären.

Eine solche Auseinandersetzung ist anspruchsvoll, kann aber die Eigentümerrechte stärken und sich positiv auf das Unternehmen auswirken. Denn sie bietet die Chance, sich verstärkt an Eigentümerinteressen zu orientieren und ein neues Verständnis der Corporate Governance zu entwickeln.


Als Aktionärsaktivismus gilt die direkte Einflussnahme auf die Unternehmensführung durch Anteilseigner, die nicht direkt mit der Geschäftsführung betraut sind. In der Schweiz ist er ein vergleichsweise junges Phänomen, anders als in den USA. Allerdings gewinnt Aktionärsaktivismus auch in der Schweiz deutlich an Bedeutung. Denn insgesamt zeichnet sich eine wachsende Bereitschaft von Aktionären ab, Abstimmungsvorschläge des Verwaltungsrats (VR) abzulehnen, zum Beispiel hinsichtlich (Wieder-)Wahl von Verwaltungsräten, «Say-on-pay» oder anderen strategischen Anträgen an die Generalversammlung (GV).

Aktivisten – im Namen vielfältiger Interessen

Zu den wichtigsten Aktivisten gehören Hedgefonds. Sie verleihen ihrem Interesse an überdurchschnittlichen Renditen Ausdruck. Institutionelle Investoren mit einer langfristigen Orientierung können ebenfalls aktivistisch tätig werden. Sie verlangen eine verantwortungsvolle Unternehmensführung im Sinn einer guten Performance ihrer Investitionen. Ihre Vorstellungen von Corporate Governance legen sie ihrem Abstimmungsverhalten an den GVs zugrunde. Und schliesslich führen Aktionärsschutzvereinigungen wie Ethos (Schweizerische Stiftung für nachhaltige Entwicklung) den Aktionärsaktivismus an. Sie wollen eine nachhaltige Anlagetätigkeit fördern und eine Corporate Governance sicherstellen, die die Interessen der Gesellschaft als Ganzes langfristig wahrt.

Ziele – mehr als ein scharfer Blick

Es gibt viele Gründe, warum Anteilseigner zur Tat schreiten:

  • Das Unternehmen hat sich insbesondere hinsichtlich der Dividenden schlechter entwickelt als seine Konkurrenten.
  • Das Unternehmen weist einen relativ zum Buchwert geringen Marktwert auf.
  • Die Liquiditätsreserven des Unternehmens sind in der Vergangenheit und im Vergleich zur Konkurrenz hoch. Trotzdem will es weder seine Ausschüttungspolitik wesentlich anpassen noch Aktien zurückkaufen.
  • Die Performance eines bestimmten Geschäftsbereichs bleibt deutlich hinter den Erwartungen zurück.
  • Es treten Fragen zur Corporate Governance auf, insbesondere wenn das Unternehmen empfohlene «Best Practices» missachtet, etwa hinsichtlich der Vergütung.

Massnahmen – Nägel mit Köpfen

Den Aktionärsaktivisten steht ein Werkzeugkasten prall gefüllt mit Massnahmen zur Verfügung, mit denen sie Stimmrechtsvertreter auf ihre Seite ziehen und strategisch auf sie einwirken können. In einem ersten Schritt wird häufig der Dialog mit dem Management und dem VR gesucht, um einen Konsens zu bestimmten Anpassungen zu finden. Diese Form des Austauschs ist in der Schweiz weit verbreitet, obwohl weder die Geschäftsleitung noch der VR rechtlich dazu verpflichtet sind. Die Diskussion können die Aktivisten auch über die Medien, übers Internet oder Social-Media-Kanäle anstossen. Diese Kanäle verleihen einer Offensive Kampagnencharakter, da sie die öffentliche Meinung einbeziehen und mitbeeinflussen.

Der Kampf um Beschlussvorlagen lässt sich zudem direkt an der GV führen. In der Schweiz hat jeder zum Stichtag im Aktienregister eingetragene Aktionär das Recht, an der GV teilzunehmen und sein Stimmrecht auszuüben. Er kann zu einem bestimmten Traktandum Stellung nehmen oder Gegenvorschläge einreichen. Dabei muss der VR alle Aktionäre gleich behandeln. Allerdings ist der Nutzen dieser Massnahme begrenzt, da sich der Entscheidungsprozess von der GV auf deren Vorbereitungsphase verlagert hat. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Aktionärsrede – wie überzeugend sie auch immer gehalten wird – das Ergebnis der Aktionärsabstimmung an der GV ändert.

Die Beteiligungsaufstockung ist ein probates Mittel, um strategische Entscheidungen mitzubeeinflussen. Durch mehr Beteiligungen steigen gemäss Schweizer Aktien- und Obligationenrecht (OR) die Rechte und Möglichkeiten der Mitbestimmung.

Schliesslich versuchen manche Aktivisten über die direkte Kontaktaufnahme oder Zusammenarbeit mit institutionellen Stimmrechtsvertretern wie Institutional Shareholder Services (ISS) oder Glass Lewis Aktionärsentscheidungen zu beeinflussen. Bringt man solche Dienstleister auf seine Seite, kann es für einen VR schwierig werden, Mehrheiten für gewisse Anträge zu erreichen.

Schweiz – ein Trend im Aufwind

In der Schweiz ist die Zahl der aktivistischen Kampagnen verglichen mit anderen Ländern relativ gering. Trotzdem machen Aktionärsaktivisten auch in der Schweiz von sich reden. Welche Auswirkungen derartige Massnahmen haben und welche Dimensionen sie erreichen können, zeigen die folgenden Fälle aus der jüngsten Vergangenheit:

  • Fusion von Clariant und Huntsman: Einer kleinen Gruppe von Aktionärsaktivisten gelang es, Management und VR von Clariant dazu zu bewegen, die geplante Fusion mit Huntsman aufzugeben.
  • Fusion von Holcim und Lafarge: Aktionärsaktivisten zwangen den VR von Holcim zu Nachverhandlungen. Diese resultierten unter anderem in einem besseren Umtauschverhältnis für die Holcim-Aktionäre bei der Fusion mit Lafarge.
  • Aufspaltung von Credit Suisse: Ein Hedgefonds mit lediglich 0,2 Prozent Stimmen beantragte die Aufspaltung der Credit-Suisse-Gruppe in drei unabhängige Unternehmenseinheiten: Investment-Banking, Vermögensverwaltung und Asset-Management.
  • Umstrukturierung von Nestlé: In einem offenen Brief an die Aktionäre warb ein Hedgefonds für den Verkauf der 23-prozentigen Beteiligung von Nestlé an L'Oréal, den Rückkauf von Aktien und den Verkauf nicht strategischer Aktivitäten. Nur zwei Tage nach dem Schreiben kündigte Nestlé ein Aktienrückkaufprogramm in der Höhe von bis zu 20 Milliarden Franken an. Auch der Anforderung, drei externe Personen in den VR zu holen, kam Nestlé nach.

Empfehlungen – den Diskurs führen

Um potenziellen Anliegen von Aktionärsaktivisten präventiv und proaktiv zu begegnen, braucht ein Unternehmen eine offene Kommunikation der Unternehmensstrategie und eine transparente Darstellung des unternehmerischen Erfolgs bei der Umsetzung der Strategie. Dazu gehört, dass es die Ergebnisse im Vergleich zu Mitbewerbern und zu relevanten Benchmarks regelmässig offenlegt. Ebenso muss es die Gefährdungslage (z.B. hinsichtlich unrentabler Unternehmensbereiche) analysieren und im Auge behalten.

Werden Aktionärsstimmen tatsächlich laut, empfiehlt sich eine objektive und sachliche Auseinandersetzung mit den Anliegen der Aktivisten. Dazu muss sich das Unternehmen im Vorfeld eine klare Strategie zurechtlegen, wie es den Diskurs mit Aktionärsgruppen und Stimmrechtsvertretern führen will und wie VR-Mitglieder darin eingebunden sein sollen. Das bedingt ein neues Verständnis von Corporate Governance, das sich stärker an den Anliegen von Aktionären und Aktionärsschutzvereinigungen orientiert.

Dieses Verständnis wird derzeit gerade im europäischen Umfeld präzisiert. So nimmt der kürzlich publizierte Entwurf des überarbeiteten «Deutschen Corporate Governance Kodex» erstmals direkten Bezug auf institutionelle Investoren, zu denen auch aktivistische Investoren zählen. In diesem Papier empfiehlt die Regierungskommission unter anderem: «Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte in angemessenem Rahmen bereit sein, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen.»

Ausblick – Engagement als Chance

Aktionärsaktivistische Offensiven werden sich in Zukunft häufen und wahrscheinlich an Intensität zunehmen, nicht nur international, sondern auch in der Schweiz. Dies wird Verwaltungsräte vor neue Anforderungen stellen. Sie müssen sich mit unterschiedlichsten Interpretationen von «guter» Governance und damit auch mit gesellschaftspolitischen und sozialen Fragen wie fairen Löhnen oder Diversität in der Zusammensetzung von Management und VR auseinandersetzen.

Dieser Meinungsaustausch stellt jedoch nicht nur einen zeitraubenden Mehraufwand für VR und Geschäftsleitung dar, sondern kann für beide Seiten fruchtbar sein. Denn über ihr Engagement bringen die Aktionäre ihre Besorgnis über das Unternehmen zum Ausdruck und verlangen eine klare Perspektive der Unternehmensführung. Auf diese Weise testen sie die Sorgfalt des VRs und legen den strategischen Plan des Unternehmens frei. Der VR seinerseits lernt die Prioritäten und Bedenken der Aktionäre kennen und kann entsprechend reagieren. In diesem Sinn ist Aktionärsaktivismus eine Chance, die Eigentümerrechte zu stärken und den strategischen Kurs des Unternehmens zu justieren.

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