Im Fokus: Verwaltungsrat von Sunrise

«Eine regelmässige Beurteilung des VR gehört zum Instrumentarium einer guten Corporate Governance»


Dr. Peter Kurer
Verwaltungsratspräsident (VRP) der Sunrise Communications AG

Bruno Rossi
Partner Wirtschaftsprüfung, PwC Schweiz

Der Verwaltungsrat der Sunrise Communications AG wurde im September 2018 von zRating von über 170 börsenkotierten Unternehmen in der Schweiz als das Gremium mit der besten Corporate Governance ausgezeichnet. Anfang 2018 hat Verwaltungsratspräsident Peter Kurer seinen VR einer umfassenden Evaluation durch PwC unterzogen, um ein objektives Bild zu Leistungsfähigkeit und Zusammenarbeit zu erhalten.

Warum er diese Analyse als wertvolles Instrument einer nachhaltigen Corporate Governance sieht und was er anderen Verwaltungsratspräsidentinnen und -präsidenten empfiehlt, erläutert er im Gespräch mit Disclose.


Herr Kurer, was waren Ihre Beweggründe, den Verwaltungsrat von Sunrise extern durchleuchten zu lassen?
Meines Erachtens ist die regelmässige Evaluation der Verwaltungsratsarbeit Teil einer guten Corporate Governance. Dazu sollte man auf die Hilfe eines externen Spezialisten zurückgreifen. Ein solcher weiss, wie man einen derartigen Prozess professionell durchführt. Wir werden diese Analyse in absehbarer Zeit wiederholen.

Die Beurteilung hat weniger die klassischen Governancetätigkeiten als vielmehr die Interaktion innerhalb des Verwaltungsrats unter die Lupe genommen. Wie haben Ihre Kolleginnen und Kollegen sowie die Geschäftsleitung darauf reagiert?
In unserem Verwaltungsrat sitzen durchgehend erfahrene Mitglieder. Diese wissen, dass eine regelmässige Board-Evaluation zum Instrumentarium der Corporate Governance gehört.

Was hat die Evaluation dem Unternehmen gebracht?
Wir wussten nachher, wie die einzelnen Mitglieder die Leistung und Zusammenarbeit des Gremiums beurteilen, wo Verbesserungspotenzial schlummert und ob ernsthafte Probleme existieren

Gab es Schlüsselerkenntnisse?
Schon der Prozess als solches war sehr aufschlussreich. Dem Bericht konnten wir entnehmen, ob sich die Mitglieder richtig informiert fühlen, in die Diskussion angemessen einbezogen werden und die Auseinandersetzung als offen und konstruktiv erleben. Ein weiterer Beurteilungsschwerpunkt widmete sich der Frage, wie das Management die Arbeit des Verwaltungsrats wahrnimmt. Wir erhielten Klarheit darüber, ob die Geschäftsleitung unser Wirken als effektiv und leistungsstark erachtet. Und schliesslich wurde die Tätigkeit von Audit Committee und Nomination and Compensation Committee beurteilt.

Gab es Überraschungen?
Es gab zwar keine Überraschungen, wohl aber Aspekte, die wir vorher nicht in dieser Klarheit gesehen hatten. So konnten wir im Umgang mit diesen Themen die Schwerpunkte neu setzen.

Was nehmen Sie persönlich als VRP aus diesem Prozess mit?
Ich erachte die Evaluation als Erfolg. Sie hilft mir, meine Arbeit weiterhin gut zu machen. Und sie unterstützt mich dabei, die richtigen Themen in den Mittelpunkt zu rücken und relevante neu anzugehen.

War die Analyse Ihrer Ansicht nach umfassend genug? Oder hätten Sie gerne weitere Bereiche geprüft?
In einem solchen Prozess kann man unterschiedlich vorgehen: Man kann eine umfassende Governance-Bewertung vornehmen, um zu erfahren, ob der Verwaltungsrat der Best Practice in der Corporate Governance genügt. Das war nicht unsere Fragestellung. Wir haben auch kein Assessment der einzelnen Verwaltungsratsmitglieder durchgeführt. Ein solcher Ansatz ist vor allem dann angebracht, wenn man Schwächen im Team vermutet. Wir wollten die Verwaltungsratsarbeit als Ganzes durchleuchten. Diese Betrachtung war sehr umfangreich und hat meiner Ansicht nach alle relevanten Bereiche umfasst.

Wie stellen Sie sicher, dass die geplanten Massnahmen umgesetzt werden?
Auf Basis des Evaluationsberichts haben wir fünf Massnahmen definiert. Diese lassen sich recht einfach umsetzen. Wir überprüfen regelmässig, wo wir mit der Umsetzung stehen.

Werden Sie eine solche Evaluation wiederholen?
Ja. Ich meine, sie gehört zum Standardinstrumentarium einer guten Corporate Governance. Darum sollte man sie regelmässig durchführen. Als sinnvoll erachte ich eine Evaluation alle zwei Jahre. Dazwischen kann sich der Verwaltungsrat mit einem standardisierten Fragebogen selber evaluieren.

Was würden Sie anderen Verwaltungsratspräsidentinnen und -präsidenten empfehlen, hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Funktionsweise zu prüfen?
Es lohnt sich, Fragen aus verschiedenen Blickwinkeln zu stellen. Zum einen über den Boardroom selber: Wie wird der Verwaltungsrat durch das Management informiert? Wie werden Präsentationen abgehalten? Wie sollen Entscheidungen vorbereitet und dargestellt werden? Wie gut ist die Diskussionskultur? Wie offen werden Meinungen geäussert? Wie weit werden unterschiedliche Meinungen respektiert? Das zweite Fragenspektrum betrifft die Committees: Wie effizient arbeiten diese? Wie treiben die Präsidenten deren Arbeit voran? Im Weiteren geht es um den Präsidenten: Wird dieser von seinen Kolleginnen und Kollegen akzeptiert? Fördert er eine fruchtbare Boardroom-Kultur? Lässt er die Committees effizient wirken? Wie etabliert er eine Balance in der Entscheidungsfindung? Und wie sorgt er dafür, dass der Verwaltungsrat zielgerichtet entscheidet? Schliesslich kommen themenspezifische Fragen hinzu: Werden die Traktanden angemessen gewichtet? Stehen strategische oder eher aufsichtsrechtliche Themen im Mittelpunkt? Diesbezüglich variieren die Meinungen oft stark, darum braucht es Ausgewogenheit.

Eines der heiklen Themen ist die angemessene Distanz respektive Nähe zur Geschäftsleitung. Wie tarieren Sie diese Balance aus?
Das ist eine komplexe Frage, denn dahinter verbirgt sich ein komplexes Interaktionssystem. CEO und VRP müssen beide die Regeln einer guten Zusammenarbeit beherrschen. Das beginnt mit einer klaren Rollendefinition. Der CEO ist verantwortlich für die Führung des Unternehmens, der VRP für die Governance. Diese umfasst verschiedene Aufgaben: Die Grundrichtlinien sind zu berücksichtigen, das Unternehmen soll im Interesse der Investoren arbeiten, es muss eine richtige Beaufsichtigung sicherstellen, Finanzangelegenheiten korrekt adressieren und ein Risikomanagement unterhalten.
Bei der Strategiedefinition gibt es Überschneidungen von VRP und CEO. Nach Schweizerischem Obligationenrecht hat der Verwaltungsrat hier einen strategischen Auftrag. Der CEO wiederum ist für die Umsetzung der Strategie verantwortlich. Das kann er aber nur, wenn er zusammen mit dem Verwaltungsrat  die Strategie erarbeitet und somit die spezifischen Stärken beider Seiten in die Strategie einfliessen. Wesentlich dabei ist, dass sich Verwaltungsratsmitglieder und VRP auf die strategischen Erfolgsfaktoren fokussieren und sich nicht in operative Belange einmischen. Umgekehrt darf das Management den VR nicht übergehen oder ihn als notwendiges Übel erachten. Leider werden diese Fehler in der Praxis immer wieder gemacht. Erfahrene Profis mit einer gesunden Selbstdisziplin tarieren diese Balance sauber aus.

Sie haben Ingrid Deltenre als zweite Frau in den Verwaltungsrat von Sunrise geholt. Welchen Stellenwert hat für Sie die Diversität im Verwaltungsrat? Welche Facetten der Vielfalt sind Ihnen besonders wichtig?
Neben der Genderdiversity gibt es natürlich zahlreiche weitere Aspekte. Diversität ist meines Erachtens zentral. Gerade auf die Geschlechtervielfalt habe ich schon immer grossen Wert gelegt. Leider wirkt sich die Art und Weise, wie dieser Anspruch heute erfüllt wird, in vielen Fällen kontraproduktiv aus. Ich stelle fest, dass Personen in Verwaltungsräte gewählt werden, die noch nie geführt haben. 

Bei Sunrise ist die Führungserfahrung eines der Hauptkriterien für die Wahl eines neuen Verwaltungsratsmitglieds. Wir wollen Persönlichkeiten im Verwaltungsrat, die die Herausforderungen einer Führungsposition kennen. Bei diesem Kriterium sollte man meines Erachtens keine Kompromisse eingehen. Weitere Eigenschaften sind Industrieerfahrung, Finanzwissen, Kenntnisse von Chancen und Gefahren der Digitalisierung, eine Affinität zu Mediencontent und schliesslich ein gutes Verständnis von Risikomanagement. Kein VR-Mitglied kann all diese Kriterien in der Tiefe sicherstellen. Deshalb braucht es Mitglieder mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen, um die Diversität im Gremium zu bewahren.

Herr Kurer, vielen Dank für das Gespräch.

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Bruno Rossi

Bruno Rossi

Assurance Partner, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 59 75

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