Update: Vorsorgeverpflichtungen

Vorsorgepflichten nach IAS 19

Stefan Haag
Director, Accounting Consulting Services, PwC Schweiz

Robel Ghebressilasie
Accounting Consulting Services, PwC Schweiz

Die Schweizer Vorsorgeeinrichtungen waren 2019 verschiedenen Einflüssen ausgesetzt. Einerseits bescherte die erfreuliche Entwicklung der Aktienmärkte deutliche Mehrerträge des Vorsorgevermögens. Andererseits ging das ohnehin tiefe Zinsniveau nochmals zurück und lag im Herbst 2019 für gewisse Laufzeiten (durations) von Vorsorgeverpflichtungen (Defined Benefit Obligation (DBO)) gar im negativen Bereich. Schliesslich sehen sich die Vorsorgeeinrichtungen unverändert einer steigenden Lebenserwartung gegenüber. Im Folgenden werden die Auswirkungen dieser Entwicklungen auf die Darstellung der Vorsorgeverpflichtungen in den IFRS-Abschlüssen per Ende 2019 und in den Folgeperioden skizziert.

Die gute Performance der Aktienmärkte führte zu höher als erwarteten Erträgen aus dem Planvermögen. Solche Mehrerträge sind nach IAS 19 als Teil des sonstigen Ergebnisses (other comprehensive income (OCI)) ausserhalb der Erfolgsrechnung zu erfassen. Sie erhöhten die Ausfinanzierung der Vorsorgeverpflichtung zum 31. Dezember 2019 und führen damit zu tieferen Finanzierungskosten bei der Berechnung der erfolgswirksam zu erfassenden Vorsorgekosten (defined benefit cost) der Folgeperiode.

Aus dem nochmals gesunkenen Zinsniveau ergaben sich verschiedene Fragestellungen für das IFRS-Accounting. Die naheliegendste betrifft die Diskontierung der DBO. Diesbezüglich sieht IAS 19 einen Diskontierungssatz vor, der sich an den Renditen von erstrangigen, festverzinslichen Industrieanleihen mit gleicher Laufzeit und Währung der Vorsorgeverpflichtung orientiert (vgl. IAS 19 Paragraph 83). Sind keine solchen Marktrenditen verfügbar, sind jene für Staatsanleihen zu verwenden. Dieser Marktbezug schliesst eine Untergrenze von 0% aus, womit auch negative Diskontierungssätze zur Anwendung kommen können.

Die Anwendung eines negativen Diskontsatzes führt zu einer Erhöhung der DBO, die als Neubewertung (remeasurement) im sonstigen Ergebnis erfasst wird. In der Folgeperiode resultiert daraus ein höherer Dienstzeitaufwand (service cost) und ein Zinsertrag durch die Aufzinsung der Vorsorgeverbindlichkeit.

Das tiefe Zinsniveau wirkt sich auch auf die verwendete Annahme der künftigen Verzinsung der Altersguthaben der Versicherten aus. Diese wurde bis anhin von einigen Anwendern mit dem Diskontierungssatz gleichgesetzt. Im Falle von sehr tiefen oder gar negativen Diskontierungssätzen ist diese Praxis nicht mehr vertretbar, da die vorsorgerechtliche Mindestgrenze greift (für 2020: 1% des obligatorischen Teils des Altersguthabens). Überdies ist eine negative Verzinsung des Altersguthabens vorsorgerechtlich unzulässig.

Sehr tiefe oder negative Zinsen wirken sich aber auch auf der Anlageseite aus. Vorsorgeeinrichtungen legen ihr Vermögen gemäss den vorsorgerechtlich massgebenden Bestimmungen unter anderem in festverzinslichen Kapitalanlagen an. Gehen Vorsorgeeinrichtungen von einer Zielrendite ihres gesamten Vermögens von aktuell rund 2% aus und werfen festverzinsliche Anlagen über einen längeren Zeitraum deutlich tiefere Renditen ab (vgl. Abbildung 1), ergibt sich eine grundlegende Diskrepanz. Diese bewirkt in der mittleren Frist, dass das aktuelle Leistungsniveau der Vorsorgeversprechen ungenügend finanziert sein wird.

Abbildung 1: Kassazinssätze von Eidgenössischen Obligationen mit einer Laufzeit von 10 Jahren
Quelle: Schweizerische Nationalbank, Statistik, Kassazinssätze von Eidgenössischen Obligationen für ausgewählte Laufzeiten

Abbildung 2: Lebenserwartung bei Geburt in Jahren 
Quelle: Bundesamt für Statistik, Indikatoren der Sterblichkeit in der Schweiz, 1970-2018: Lebenserwartung

Zusammen mit dem bereits seit längerer Zeit beobachtbaren Anstieg der Lebenserwartung (vgl. Abbilung 2) führt dies dazu, dass sich Unternehmen weiterhin über das künftige Leistungsniveau ihrer Vorsorgepläne intensiv Gedanken machen müssen. Für die Bilanzierung der Vorsorgeverpflichtungen im IFRS Abschluss des Unternehmens bedeutet dies zweierlei:

Zum einen werden die Vorsorgereglemente auch künftig laufend angepasst, wobei zu beobachten ist, dass im Zuge von «De-Risking»-Strategien die anwartschaftlichen Leistungsversprechen in Vorsorgeplänen zurückgenommen werden. Bei der Verabschiedung eines neuen Vorsorgereglements durch das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung hat das Unternehmen für seinen IFRS-Abschluss den neuen Leistungsplan mit den in diesem Zeitpunkt massgebenden versicherungsmathematischen Annahmen neu zu bewerten und eine allfällige Differenz zur DBO des alten Leistungsplans als nachzuverrechnender Dienstzeitaufwand (past service cost) erfolgswirksam zu erfassen.

Zum anderen stellen Unternehmen im Hinblick auf die IFRS Bilanzierung Überlegungen an, was realistische Annahmen bezüglich der Entwicklung des Leistungsniveaus für die Projektion der Vorsorgeverpflichtungen sind, ohne dass das Vorsorgereglement formell bereits angepasst wurde. Das Treffen realistischer Annahmen im Zuge dieses sog. «Risk Sharing», z.B. hinsichtlich der künftigen Entwicklung der Umwandlungssätze oder wie künftige Finanzierungslücken zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt werden sollen, ist sehr anspruchsvoll. Es ist verbunden mit aufwendigen Simulationsberechnungen und einer aussagekräftigen Offenlegung zu den gemachten Annahmen, ggf. unter zu Hilfenahme von Sensitivitäten. Die Anwendung von «Risk Sharing» setzt zudem voraus, dass auch die Versicherten eines Vorsorgeplans über die Vorsorgestrategie des Unternehmens informiert werden und damit abschätzen können, von welchen Entwicklungen das Unternehmen bei der Bilanzierung seiner Vorsorgeverpflichtungen ausgeht.

Zusammenfassung

Zusammenfassend ist davon auszugehen, dass die strukturellen Fragen in den Vorsorgeeinrichtungen der Unternehmen sowie das tiefe Zinsniveau zu einer weiteren Überprüfung des Leistungsniveaus der Vorsorgepläne führen werden. IFRS Anwender tun gut daran, diese Entwicklungen aktiv zu verfolgen, damit die Einflüsse auf IFRS Abschlüsse rechtzeitig erkannt werden.


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Stefan Haag

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