Update: BEPS 2.0

Die neue internationale Steuerwelt

Martin Büeler
Partner, Leiter Financial Services Tax, PwC Schweiz

Rolf Röllin
Director, Corporate Tax, PwC Schweiz

«After many years of discussions and building on the progress made last year, we have achieved a historic agreement on a more stable and fairer international tax architecture.» Dieses Statement der G20-Finanzminister und Notenbankgouverneure macht klar: Die jahrelange Diskussion um die Besteuerung grosser internationaler Konzerne wird bald Realität. Das von der OECD vorangetriebene Projekt «Base erosion and profit shifting 2.0», besser bekannt unter dem Kürzel «BEPS 2.0» – wird zu signifikanten Umwälzungen in der Steuer- und Standortpolitik führen.

Zum Hintergrund

Das Projekt zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung der OECD zielt unter anderem darauf ab, das internationale Steuersystem und die Steuergerechtigkeit zwischen traditionellen und digitalen Unternehmen zu verbessern. BEPS 2.0 basiert auf einem 2-Säulen-Konzept: Säule 1 sieht im Wesentlichen die Verschiebung von Besteuerungsrechten für Grosskonzerne mit einem jährlichen Umsatz von über 20 Milliarden Euro in die Marktstaaten vor. Säule 2 zielt auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für Konzerne mit einem jährlichen Umsatz von über EUR 750 Mio. ab; allerdings können die einzelnen Länder auch tiefere Umsatzschwellen festlegen. Für die Schweiz ist davon auszugehen, dass die Umsatzschwelle von EUR 750 Mio. übernommen wird.

Nach aktuellen Schätzungen des Bundes sollten in der Schweiz von Säule 1 nur wenige Grosskonzerne betroffen sein. Säule 2 hingegen wird ca. 200 Unternehmen mit Konzernsitz in der Schweiz sowie rund 2’000 bis 3’000 in der Schweiz angesiedelte Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne betreffen. Aufgrund der grösseren Praxisrelevanz konzentrieren wir uns nachfolgend auf Säule 2.

Säule 2 im Überblick

Die Grundidee zur Entwicklung von Säule 2 besteht darin, dass mit einer globalen Mindestbesteuerung von 15 Prozent künftig der internationale Steuerwettbewerb und damit der Anreiz für ungerechtfertigte Gewinnverschiebungen innerhalb eines Konzerns zusätzlich eingeschränkt werden. Diese Rahmenregeln für die globale Mindestbesteuerung werden auch als Global Anti-Base Erosion (oder kurz: «GloBE») -Regeln bezeichnet. Zeitlich soll Säule 2 bereits ab dem 1. Januar 2023 greifen. Demnach sind die einzelnen Länder angehalten, im Jahr 2022 ihre Gesetzgebung anzupassen. Die OECD setzt sich damit ein äusserst ambitiöses Ziel.

15 Prozent wovon?

Bei den GloBE-Regeln geht es nicht allein um den (nationalen) Steuersatz. Vielmehr wird zur Ermittlung der geforderten Steuerbasis für die Mindestbesteuerung eine neuartige und komplexe Berechnung eingeführt. Die GloBE-Regeln nutzen dazu zwei Parameter: eine eigene Definition des Steueraufwands und eine spezifische GloBE-Bemessungsgrundlage. Zum massgebenden Steueraufwand zählen insbesondere die Gewinn- und Kapitalsteuern. Die Ermittlung der GloBE-Steuerbasis hingegen ist komplexer. Basis ist der finanzielle Abschluss jeder Konzerngesellschaft nach IFRS oder US-GAAP. Andere Rechnungslegungsstandards wie Swiss GAAP FER können grundsätzlich ebenfalls als Ausgangspunkt dienen, solange das konsolidierte Nettoergebnis nicht signifikant von dem nach IFRS ermittelten Nettoergebnis abweicht. Allerdings muss ein solcher Standard mit Hilfe von spezifischen OECD-Korrekturen angepasst und pro Land aggregiert werden. 

Die lokale Steuerbemessungsgrundlage ist häufig weder mit dem IFRS/Swiss GAP FER-Gewinn noch mit der von der OECD vorgeschlagenen GloBE-Steuerbemessungsgrundlage identisch. So auch in der Schweiz (vgl. Abbildung 1).

Bestimmung GloBE-Steuerbasis

Abbildung 1: Vorgehen zur Bestimmung der GloBE-Steuerbasis

Nach Berechnung der GloBE-Bemessungsgrundlage sind weitere Schritte notwendig, etwa die Analyse, ob eine Gesellschaft allenfalls von gewissen Abzügen profitieren kann. Denn im Mittelpunkt von Säule 2 steht die Sicherstellung einer minimalen Besteuerung von hochmargigem Geschäft. Die Berechnungsansätze führen dazu, dass sich der GloBE-Mindeststeuersatz nicht direkt mit den Schweizer Gewinnsteuersätzen vergleichen lässt. Auch Unternehmen in Kantonen mit Gewinnsteuersätzen über 15 Prozent (Bund und Kantonsstufe kombiniert) können von GloBE betroffen sein.

Konsequenzen einer Niedrigbesteuerung

Sollte nach der Berechnung der effektiven Steuerbelastung in einem Land die geforderte Mindestbesteuerung nicht erreicht werden, darf die Differenz (sogenannter Top-up-Betrag) durch andere Länder besteuert werden. Dabei handelt es sich um das Land der Konzernobergesellschaft, einer Zwischenholdinggesellschaft oder um die Jurisdiktionen, aus denen Zahlungen an die entsprechende Gesellschaft geleistet wurden. Welches Land oder welche Länder den Top-up-Betrag abschöpfen dürfen, legt die OECD mit diversen Regeln fest. Demnach dürften die Länder ein Interesse haben, keinen Top-up-Betrag entstehen zu lassen, der von anderen Ländern abgeschöpft wird, sondern das Steuersubstrat selbst abzuschöpfen. Das trifft auch für die Schweiz zu.

Was bedeutet dies für die Schweiz?

Die Umsetzung von Säule 2 in der Schweiz wird anspruchsvoll. Zum einen muss die GloBE-konforme Berechnung des Steueraufwands für die betroffenen Unternehmen ins nationale Recht überführt werden. Zum anderen stellt sich die Frage nach weiteren Massnahmen, um sicherzustellen, dass internationale Konzerne die Schweiz trotz des teilweise massiv höheren Gewinnsteueraufwands als attraktiven Standort wahrnehmen. 

Derzeit wird mit Hochdruck an der Schweizer Antwort auf die globale Initiative gearbeitet. Dennoch ist eine Umsetzung in der Schweiz erst per 1. Januar 2024 realistisch. Das kann für internationale Konzerne herausfordernd sein, da viele Länder Säule 2 schon früher umsetzen werden. Eine zeitliche Divergenz resultiert in administrativem Mehraufwand und Planungsunsicherheiten für betroffene Unternehmen.

Fazit

BEPS 2.0 wird die Steuerlandschaft grundlegend verändern. Die OECD hat einen Prozess losgetreten, der weitreichende Konsequenzen nach sich zieht. Die betroffenen Steuerpflichtigen sind gut beraten, sich mit dem Thema zu beschäftigen und mögliche Auswirkungen zu eruieren. Einerseits können zusätzliche Deklarationspflichten anfallen. Andererseits ist zu prüfen, inwiefern die betroffenen Unternehmen derzeit über die notwendigen Daten für die Berechnung der GloBE-Steuerbelastung verfügen, um die Steuerbasis auf globaler Basis zeitnah zu berechnen. In vielen Fällen werden die Unternehmen ihre IT-Systeme oder Reporting-Prozesse anpassen müssen. Nur so können sie eine effiziente und möglichst automatisierte Berechnung vornehmen.


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