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Katja Barz
Senior Manager Accounting Consulting Services, PwC Switzerland
Die Digitalisierung bietet langfristige Chancen. Doch kurzfristig müssen die Unternehmen teilweise erheblich investieren, sei es für Hardware, Software, Cloudlösungen oder IT-Spezialisten. Im Folgenden legen wir dar, wie sich dieser Mehraufwand auf die Finanzberichterstattung auswirkt. Unabhängig nach welchen Rechnungslegungsvorschriften ein Abschluss erstellt wird, ist die Bilanzierung dieser Kosten ein Thema. Wir konzentrieren uns auf Rechnungslegungen nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) und legen die Ausführungen des IFRS Interpretation Committee (IFRS IC) dar.
Bei Software as a service (SaaS)-Vereinbarungen darf der Nutzer im Allgemeinen für einen bestimmten Zeitraum gegen eine Gebühr auf eine Anwendung zugreifen, erhält aber keine Lizenz- oder Besitzrechte daran. Die Software läuft dabei auf einer Cloudinfrastruktur. IFRS enthalten keine Regelungen für SaaS-Vereinbarungen. IFRS-Anwender müssen sich deshalb fragen, wie sie Kosten aus diesen Vereinbarungen bilanziell behandeln.
Das IFRS IC ist der Ansicht, dass eine Vereinbarung über ein Recht für den Zugriff auf eine Software einen Dienstleistungsvertrag darstellt, bei dem der Nutzer die Leistung über die Vertragslaufzeit erhält. Der Nutzer hat bei Vertragsbeginn keine Kontrolle über die Software und daher keinen aktivierungsfähigen Vermögenswert (vgl. Tabelle 1).
«On Premise»: Immaterieller Vermögenswert | SaaS-Arrangement: Dienstleistung |
Erwerb einer Lizenz zur Nutzung der Software | Vereinbarung, bei der ein Cloudanbieter Software und Anwendungen zur Verfügung stellt |
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Tabelle 1: Immaterieller Vermögenswert vs. Dienstleistung
Das IFRS IC hat im März 2021 die Behandlung der Konfigurations- und Anpassungskosten im Rahmen von SaaS-Vereinbarungen thematisiert. Für die Bilanzierung stellen sich danach zwei Grundsatzfragen:
In der Regel entstehen im Unternehmen neben SaaS-Gebühren zusätzliche und teilweise erhebliche Kosten für die Konfiguration und/oder Anpassung an eigene Systeme. Das IFRS IC grenzt diese Kosten wie folgt ab:
Wie die Kosten für Konfiguration und kundenspezifische Anpassung bilanziell zu erfassen sind, erläutert Abbildung 1.
Abbildung 1: Fragestellungen zur Bilanzierung der Kosten für Konfiguration und Anpassungen
Das IFRS IC hält fest, dass Nutzer mit SaaS-Vereinbarungen in der Regel keinen immateriellen Vermögenswert ansetzen können, da sie die Software nicht kontrollieren und durch die Anpassungen kein von der Software separierbarer Vermögenswert entsteht. Nur wenn die Anpassungen einen zusätzlichen, vom Nutzer kontrollierten Code generieren, ist zu prüfen, ob die Ansatzkriterien des IAS 38 erfüllt sind (vgl. IAS 38.25 bzw. 38.75).
Beispiel – Kosten für die Umstellung auf ein cloudbasiertes IT-Modell
Ein Unternehmen ist im laufenden Jahr auf ein SaaS-Modell übergegangen. Bei dessen Einrichtung sind dem Unternehmen in der laufenden Periode zusätzlich zur SaaS-Gebühr Kosten in Höhe von 110 TCHF entstanden:
Frage:
Wie sind die angefallenen Kosten von 110 TCHF in der laufenden Periode zu erfassen?
Antwort:
Bei der Erbringung der Leistungen durch den SaaS-Anbieter oder dessen Subunternehmer stellt sich die Frage, wann die Erfassung der Kosten erfolgen soll. Von der SaaS-Vereinbarung abgrenzbare Kosten sind über den Zeitraum der Leistungserbringung zu erfassen. Ist keine eigenständige Abgrenzung möglich, sind die Kosten als Vorauszahlung zu aktivieren und über die Laufzeit der SaaS-Vereinbarung zu verteilen. Die Beurteilung, ob die Konfigurations- und Anpassungsleistungen von der SaaS-Vereinbarung eigenständig abgrenzbar sind, hängt von den vertraglichen Vereinbarungen ab. Führen Konfigurations- und Anpassungsleistungen zu einer signifikanten Änderung der vertraglich zugesagten Nutzungsmöglichkeit einer Software, ist anzunehmen, dass diese Leistungen nicht eigenständig abgrenzbar sind (vgl. in Analogie zu IFRS 15.29(b) in Verbindung mit IFRS 15.BC110).
Beispiel – Kosten für die Anpassung eines SaaS-Quellcodes
Eine Bank implementiert eine SaaS-Vereinbarung. Da die Basisversion nicht alle regulatorischen Anforderungen erfüllt, nimmt der SaaS-Anbieter Anpassungen vor und erweitert bestimmte Funktionen der Software durch Eingriffe in den Quellcode:
Alle Anpassungen wurden vom Unternehmen im Voraus bezahlt.
Frage:
Kann das Unternehmen die Kosten der kundenspezifischen Anpassungen aktivieren?
Antwort:
Das Unternehmen kommt zu dem Schluss, dass die Aufwendungen für die kundenspezifischen Anpassungen nicht die Definition eines immateriellen Vermögenswerts erfüllen. Die Anpassungen sind nicht von den SaaS-Leistungen abgrenzbar, da sie die zu erbringende SaaS-Leistungen signifikant verändern. Die Leistungen sind untrennbar miteinander verbunden, da die SaaS-Leistung ohne die kundenspezifische Anpassung die regulatorischen Anforderungen nicht erfüllt. Die Aufwendungen sind daher als Vorauszahlung für die SaaS-Leistung zu aktivieren und über die Laufzeit der Vereinbarung abzuschreiben.
Die Konfigurations- und Anpassungsleistungen können sowohl vom SaaS-Anbieter als auch von einer Drittpartei erbracht werden. Bei Letzterem sind die Kosten dafür in der Regel bei ihrem Anfall als Aufwand zu erfassen. IFRS IC verlangt hier die Klärung, ob der Drittanbieter ein Subunternehmer (Agent) des SaaS-Anbieters ist; in diesem Fall gelten die Konfigurations- und Anpassungsleistungen als vom SaaS-Anbieter erbracht (s. Frage 2). Diese Beurteilung ist Ermessenssache. Hilfreich können die folgenden Fragen sein, die bei Bejahung für das Vorliegen eines Subunternehmens sprechen:
IFRS-Anwender sollten die Behandlung von Konfigurations- und Anpassungskosten, die in früheren Berichtsperioden angefallen sind, überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Vor allem, wenn sie diese Kosten aktiviert haben. Eine solche Anpassung erfolgt rückwirkend unter Anpassung der Vorjahreszahlen.
Die Überwachung der aktivierungspflichtigen Kosten erfordert geeignete Prozesse und Tools. Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmen über komplexe IT-Infrastrukturen verfügen, die bei der Umsetzung Schnittstellen und Anpassungen erfordern. Zudem gilt es, den folgenden Aspekten Rechnung zu tragen:
Die Bilanzierung von Cloudvereinbarungen wie SaaS-Lösungen stellt die Unternehmen vor anspruchsvolle Herausforderungen. Im Idealfall werden Rechnungslegungsfragen bereits im Vorfeld von Softwareprojekten abgeklärt. Denn die Bilanzierung von Softwarekosten kann erfolgswirksame Kennzahlen wie Capex/Opex oder EBIT wesentlich beeinflussen.
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