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Dominik Birrer
Partner Corporate Tax, PwC Schweiz
Rolf Röllin
Director Corporate Tax, PwC Schweiz
Das von der OECD vorangetriebene Projekt «Base erosion and profit shifting 2.0», besser bekannt unter dem Kürzel «BEPS 2.0» – wird zu signifikanten Umwälzungen in der Steuer- und Standortpolitik führen. Vor gut einem Jahr haben wir unseren entsprechenden Basisartikel zu dieser Thematik veröffentlicht. Im Verlauf des Jahres 2022 und zu Beginn von 2023 haben sowohl die OECD als auch diverse Länder weitere Arbeiten vorwiegend im Bereich zur globalen Mindeststeuer – und damit zur Säule 2 – vorangetrieben. Vor diesem Hintergrund drängt sich ein Update auf, um die letzten Entwicklungen summarisch wiederzugeben.
Im Rahmen der Disclose Ausgabe 33 haben wir die Hauptkomponenten der Säule 2 des BEPS 2.0 Projekts beleuchtet. Säule 2 zielt auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer von 15 Prozent für Konzerne mit einem jährlichen Umsatz von über EUR 750 Mio. ab. Nach Schätzungen des Bundes sollten in der Schweiz ca. 200 Unternehmen mit Konzernsitz in der Schweiz sowie rund 2’000 bis 3’000 in der Schweiz angesiedelte Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne von Säule 2 betroffen sein. Die Rahmenregeln für die globale Mindestbesteuerung werden auch als Global Anti-Base Erosion (oder kurz: «GloBE») -Regeln bezeichnet und wurden von der OECD ausgearbeitet. Die GloBE-Regeln sind evolutiv und interpretationsbedürftig, weshalb die OECD bereits innerhalb eines Jahres nach deren Veröffentlichung weitere Interpretationshilfen publiziert hat, auf welche nachfolgend eingegangen wird. Es liegt nun an den einzelnen Ländern – darunter auch die Schweiz – die GloBE-Regeln in nationales Recht zu überführen und es zeigt sich nun, dass viele Länder dies per 1. Januar 2024 tun werden.
Herausfordernde Aufgabe der Unternehmen ist es, die GloBE-Regeln zu analysieren und insbesondere die unternehmensinterne Datenlage gründlich zu überprüfen, um sicherzustellen, dass die nötigen Daten in geforderter Form und rechtzeitig zur Verfügung stehen, um für die künftig nötige globale (und vermutlich teilweise auch lokale) Steuererklärung vorbereitet zu sein. In vielen Fällen ist diese Aufgabe ein Herkulesakt, welcher nur in enger Zusammenarbeit zwischen den Finanz-, Steuer- und IT-Funktionen bewältigt werden kann.
Am 20. Dezember 2022, genau ein Jahr nach der Publikation der GloBE-Musterregeln, veröffentlichte die OECD die lang erwarteten zusätzlichen Leitlinien zur künftigen Ausgestaltung der Säule 2. Das Umsetzungspaket enthält die folgenden drei Elemente:
Leitfaden zu Safe Harbours und der Nichtverhängung von Strafen / Sanktionen («Safe Harbours and Penalty Relief»);
Ein Konsultationsdokument zur globalen Steuererklärung («GloBE Information Return») und
ein Konsultationspapier zum möglichen Streitbeilegungsmechanismus, welcher im Rahmen der nationalen Umsetzung der Säule 2 zwischen den einzelnen Staaten in Einzelfällen nötig werden dürfte.
Der Leitfaden zu Safe Harbours and Penalty Relief stützt sich auf Erkenntnisse aus früheren öffentlichen Konsultationen. Wir empfehlen Unternehmen, insbesondere dieser Thematik ein genaues Augenmerk zu schenken, da sich unter Umständen aufgrund der (temporären bzw. permanenten) Safe Harbours praktische Vereinfachungen bzw. Erleichterungen in der Handhabung der ansonsten sehr komplexen Säule 2 Regeln ergeben könnten.
Andererseits bat die OECD die Öffentlichkeit um Stellungnahmen zu den oben genannten Themen der globalen Steuererklärung und dem Streitbeilegungsmechanismus.
Nebst dem obigen Umsetzungspaket hat die OECD am 2. Februar 2023 ein weiteres erläuterndes Dokument (sog. Agreed Administrative Guidance) veröffentlicht, welche eine Vielzahl technischer Detailfragen näher beleuchtet. Diese Erläuterungen werden letztlich einfliessen in die Neuauflage des Kommentars zu den GloBE-Musterregeln, welche noch im Jahr 2023 erwartet wird.
Der schweizerische Fahrplan zur Umsetzung der Säule 2 sieht nach wie vor eine Implementierung per 1. Januar 2024 vor. Im Jahr 2022 wurden zu diesem Zweck die entsprechende Verfassungsgrundlage sowie der erste Teil der notwendigen Ausführungsverordnung erlassen bzw. in die Vernehmlassung geschickt und im Bundesparlament diskutiert. Dieses Jahr wird der zweite Teil der notwendigen Ausführungsverordnung erwartet. Darüber hinaus wird 2023 ein wichtiges Jahr sein aufgrund der nationalen Volksabstimmung zur Verfassungsänderung (Juni 2023) und da sich die Kantone Gedanken darüber machen müssen, ob bzw. inwiefern sie erwartete Mehreinnahmen aus der Ergänzungssteuer für Massnahmen zur Standortattraktivität einsetzen werden.
Ein Meilenstein im letzten Jahr gelang auch der EU: die Botschafter der EU-Länder einigten sich im Dezember 2022 auf die Verabschiedung der Richtlinie zur Einführung der globalen Mindestbesteuerung in der EU. Die Richtlinie wurde vom Rat formell beschlossen und ist innerhalb der EU bis Ende 2023 umzusetzen.
Die EU wurde von etlichen Ländern als wichtigster «Vorreiter» zur eigenen Umsetzung der Säule 2 gesehen, weshalb wir nun von einem Dominoeffekt für weitere Länder ausgehen (bspw. in Kanada, Kolumbien, Liechtenstein, Norwegen, UK, Japan etc.). International wird der Umsetzungszeitpunkt in den meisten Ländern mit demjenigen der Schweiz bzw. der EU korrelieren, wobei es auch Abweichungen geben wird (bspw. planen Hong Kong und Singapur, Säule 2 erst per 2025 umzusetzen).
Als grosses Fragezeichen abseits steht nach wie vor die USA, welche im letzten Jahr den sogenannten Inflation Reduction Act erlassen hat. Letzterer sieht zwar ebenfalls eine globale Mindeststeuer von 15% vor. Die entsprechenden Kriterien bzw. der Anwendungsbereich deckt sich jedoch nicht mit demjenigen der Säule 2. Zeitlich findet die US Mindeststeuer zudem bereits für Steuerperioden ab dem 1. Januar 2023 Anwendung. Dies ergibt sowohl für US Konzerne als auch für nicht-US Konzerne mit US Tochtergesellschaften zahlreiche zusätzliche Komplexitäten, welche es zu berücksichtigen gilt.
Im November 2022 beschloss das International Accounting Standards Board (IASB) vorläufig, Änderungen am IAS 12 Standard vorzuschlagen. Die vorgeschlagenen Änderungen würden eine vorübergehende Ausnahme von der Bilanzierung latenter Steuern einführen, die sich aus der Umsetzung von Säule 2 ergeben. Diese Ausnahme soll so lange Bestand haben, als die Ausnahme entweder definitiv beschlossen oder abgeschafft wird.
Darüber hinaus hat das IASB ebenfalls im Sinne eines vorläufigen Beschlusses festgehalten, dass IAS 12 unter gewissen Umständen spezifische Angaben im Anhang zur Jahresrechnung in Perioden vor dem Inkrafttreten der Säule 2 vorsieht.
Das IASB hat im Januar 2023 einen entsprechenden Exposure Draft veröffentlicht, welcher innert einer verkürzten Frist von 60 Tagen kommentiert werden kann. Voraussichtlich könnten die entsprechenden Regelungen somit im zweiten Quartal 2023 verabschiedet werden.
Anfangs Februar 2023 hat sich auch das FASB dahingehend geäussert, dass die sich aus Säule 2 ergebende globale Mindeststeuer eine sog. «alternative minimum tax» darstellt, welche konsequenterweise keinen Einfluss auf die latenten Steuerguthaben bzw. -verbindlichkeiten einer Gesellschaft haben sollte. Im Gegensatz zur Stellungnahme des IASB scheint es sich bei dieser Ausklammerung des Effekts der Säule 2 um eine permanente – und nicht lediglich um eine vorübergehende – Ausnahme zu handeln und es werden keine spezifischen weiteren Ausführungen im Anhang zur Jahresrechnung verlangt.
BEPS 2.0 und insbesondere die Säule 2 wird die Steuerlandschaft grundlegend verändern. Der von der OECD losgetretene Prozess hat im Jahr 2022 noch weitere signifikante Fortschritte gemacht. Das Jahr 2023 wird nun ein essentielles Jahr der nationalen Umsetzung der entsprechenden Regeln. Die betroffenen Steuerpflichtigen sind mehr denn je gut beraten, sich jetzt mit dem Thema zu beschäftigen und mögliche Auswirkungen zu eruieren. Die Komplexität der Regeln und der zahlreichen praktischen Herausforderungen sollte nicht unterschätzt werden – vor allem angesichts des lediglich noch knappen Zeitraums, welcher vor der effektiven Umsetzung übrigbleibt.
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