Im Fokus: Liquiditätsmanagement

Liquiditätsmanagement als Kernstrategie

Michiel Mannaerts
Partner Treasury and Commodity Management, PwC Switzerland

Tobias Thayer
Senior Manager Treasury Consulting, PwC Switzerland

Vor dem Hintergrund steigender Zinssätze und volatiler Rohstoffpreise benötigen Unternehmen solide Strategien für ein langfristiges Liquiditätsmanagement. Der Zugang zu Barmitteln ist ein ausschlaggebender Faktor. Die Unternehmen müssen Barmittel als Unternehmensvermögenswert betrachten, damit die Treasury-Abteilung sie dort einsetzen kann, wo sie den grössten Mehrwert bringen.

Rasch steigende Zinssätze, volatile Energie- und Rohstoffpreise sowie erhebliche Wechselkursschwankungen stellen das Risikomanagement der Unternehmen vor grosse Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Liquiditätsmanagements. Es bedarf der Entwicklung und Umsetzung langfristiger Zielbetriebsmodelle und Liquiditätsmanagementstrategien, damit Unternehmen in einem zunehmend und anhaltend volatilen Umfeld überleben können.

Aufgrund der niedrigen Zinssätze war das Zinsrisikomanagement in den letzten Jahren für die meisten Unternehmen relativ bedeutungslos. Angesichts rekordniedriger und stabiler Zinssätze war der wirtschaftliche Nutzen eines aktiven Zinsrisikomanagements begrenzt. Stattdessen konzentrierten sich die Unternehmen stärker auf die Steuerung ihrer Kreditrisiken. Zur Bekämpfung der in vielen Ländern höchsten Preisinflation seit 40 Jahren haben die Zentralbanken ihre Zinssätze jedoch rasch erhöht. Voraussichtlich werden weitere Zentralbanken folgen – mit entsprechenden Folgen für die Finanzierungskosten und die Renditen liquider Mittel.

Rasche Veränderungen im makroökonomischen Umfeld 

Infolge der gestiegenen Finanzierungskosten haben die Steuerung des Zinsrisikos – und somit auch des Liquiditätsrisikos – und die Verfügbarkeit von Barmitteln auf der Agenda der Unternehmen an Priorität gewonnen. Da dies in der Regel mit dem Einsatz von Derivaten verbunden ist, müssen auch Fragen der Bilanzierung von Sicherungsgeschäften stärker berücksichtigt werden.

Das Thema Liquidität wurde in den letzten Monaten nicht nur durch die Zinserhöhungen, sondern auch durch die massiven Schwankungen der Rohstoffpreise beeinflusst. Die Preisvolatilität im Energiesektor ist so hoch wie nie zuvor – der Preis für ein Barrel Rohöl der europäischen Sorte Brent stieg beispielsweise von Januar bis Juni 2022 um mehr als 40 %, während der Preis für Erdgas um 50 % zulegte. Ende September 2022 wurden die Brent-Rohöl-Futures bei 86 USD pro Barrel gehandelt, was einem vierteljährlichen Rückgang von mehr als 20 % entspricht. Die volatilen europäischen Erdgaspreise sind gegenüber ihren Höchstständen deutlich zurückgegangen, sind aber nach wie vor äusserst hoch. Auch die Industriemetalle haben im Laufe des Jahres deutlich zugelegt.

Absicherung hat ihre Grenzen

Die markanten Preisbewegungen hatten – und haben nach wie vor – erhebliche Auswirkungen auf die Unternehmen. Wie stark diese Auswirkungen ausfallen, ist natürlich von Branche zu Branche unterschiedlich, aber der Druck auf die Margen belastet die Gewinn- und Verlustrechnungen vieler Unternehmen und hat die Liquiditätsreserven aufgezehrt. Unternehmen ohne aktives Risikomanagement stehen vor grossen Herausforderungen. Selbst Unternehmen mit Absicherungsprogrammen stossen an ihre Grenzen. Das betrifft zum Beispiel – aber nicht nur – den Energiesektor, wo Unternehmen den Einschussforderungen für zusätzliche Sicherheiten nachkommen müssen, was sich massiv auf die Liquidität auswirkt. Absicherungsstrategien können nur einen bestimmten Zeitraum überbrücken. Das langfristige Betriebsmodell und die Strategie eines Unternehmens müssen daher grundlegend überdacht werden. Es müssen alternative Energiequellen gefunden und effizientere Verfahren eingeführt werden.

Zu dieser Mischung aus Liquiditätsverknappern kommt noch die Aufwertung des Schweizer Frankens hinzu. Einerseits neigen Schweizer Familien- und Privatunternehmen dazu, in ihrer eigenen Währung zu denken. Historisch gesehen gehörten sie in Bezug auf die Wechselkurse zu den Verlierern, da der Schweizer Franken in den letzten 20 Jahren gegenüber den wichtigsten Währungen mehr oder weniger kontinuierlich aufwertete. Andererseits waren internationale Unternehmen erheblichen Wechselkursschwankungen ausgesetzt. Die Unternehmen müssen Lösungen finden, um Währungsrisiken auf Lieferant:innen und Kund:innen zu verlagern und um interne Prozesse und die Verwendung von Barmitteln zu optimieren, damit ein maximaler Ausgleich gewährleistet oder eine natürliche Absicherung erreicht werden kann.

Zugang zu Liquidität ist entscheidend 

Warum ist das Liquiditätsrisikomanagement in volatilen Märkten so wichtig? Wir stellen in der Praxis häufig fest, dass Unternehmen immer noch über einen zersplitterten Bargeldbestand in vielen verschiedenen Ländern und Rechtsordnungen und bei vielen verschiedenen Banken verfügen. Dieses Sammelsurium von Banken führt zu hohen Gebühren und schränkt den Zugang zu Barmitteln ein. Bedingt durch die häufig unzureichende unterstützende Technologie sind die internen Prozesse zudem nicht sehr transparent, was die Transparenz und Verfügbarkeit von Bargeld weiter einschränkt. Solche fragmentierten (technologischen) Strukturen können auch die betrieblichen und Cyber-Risiken erhöhen. All das führt dazu, dass viele Unternehmen nur auf monatlicher Basis und/oder durch manuelle Berichterstattung einen vollständigen Überblick über die freien Barmittel haben, was mangelnde Transparenz und mehr Risiken zur Folge hat.

Für einen konsistenten Zugang zu Barmitteln müssen die Unternehmen zunächst die freien Barmittel im gesamten Unternehmen im Auge behalten. Nur wenn Barmittel als Unternehmensvermögenswert – und nicht als «lokaler» Vermögenswert – betrachtet werden, kann die Treasury-Abteilung sie dort einsetzen, wo sie den grössten Mehrwert bringen.

Best Practice bedeutet Technologie und eine solide Strategie

In einer Best-Practice-Konfiguration hat die zentrale Treasury-Abteilung täglich und automatisch Einblick in die Barmittel; eine automatisierte Cash-Pooling-Einrichtung – oder virtuelle Konten oder eine interne Bank – gibt der Treasury-Abteilung die notwendige Kontrolle über die Liquidität. Mithilfe eines Systems zur Cashflow-Prognose erhält das Treasury-Team einen guten Überblick über den operativen Liquiditätsbedarf des Unternehmens für – beispielsweise – die nächsten zwölf Wochen. Es kann dann einen Liquiditätsüberschuss aktiv über verschiedene Zeithorizonte – von kurzfristig bis hin zu zwölf Monaten – verwalten, aber auch mit einem strukturellen Liquiditätsüberschuss umgehen. Die Liquidität kann also zur Rückzahlung externer Kredite, zur M&A-Finanzierung, zur Zahlung höherer Dividenden oder zur Übertragung von Mitteln in ein Vermögensverwaltungsportfolio verwendet werden.

Das Liquiditätsmanagement oder die Optimierung des Cash-Managements bietet einem Unternehmen die Möglichkeit, seine Abhängigkeit von externen Finanzierungen zu verringern, eine bessere Nutzung der Barmittel sicherzustellen und höhere Renditen für längerfristige Investitionen zu erzielen.

Insbesondere in Krisenzeiten hat sich die Verfügbarkeit und Steuerung von Barmitteln als ausschlaggebender Faktor erwiesen, der Alternativen zu einer restriktiveren externen Kreditaufnahme sowie Zugang zu einer «Kriegskasse» zur Finanzierung von M&A-Projekten in Zeiten bietet, in denen sich andere Unternehmen auf interne Probleme konzentrieren. Seit dem Ausbruch der Pandemie sind Liquiditätsmanagement und -prognose ein grosses Thema. Es werden aber noch weitere Stressfaktoren hinzukommen. Krisen haben gezeigt, dass Unternehmen, die darauf vorbereitet waren, ihre Wettbewerber übertreffen und von Wachstumschancen profitieren konnten.

Auf die Zukunft vorbereiten

Um auf schwierige Zeiten vorbereitet zu sein, müssen lange vor dem Eintreten der Krise angemessene und solide Massnahmen ergriffen und die erforderlichen Prozesse umgesetzt werden. Unternehmen, welche die Optimierung ihres Liquiditätsmanagements in Angriff nehmen möchten, sollten mit einer ersten Bestandsaufnahme beginnen und ein Treasury-Konzept entwickeln, z. B. in einem Workshop zum Verständnis des Status quo, und einen möglichen Zielzustand im Einklang mit der allgemeinen Unternehmensstrategie erörtern.

Auf der Grundlage der Erkenntnisse daraus kann dann der Fahrplan vom aktuellen Zustand zum Zielzustand bewertet und der Geschäftsplan für die Umstellung entwickelt werden. Dazu gehört auch eine Reihe von individuell angepassten Änderungsinitiativen in den Bereichen Organisation, Bankstrategie, Cash-Management, Finanzrisikomanagement, Finanzierung und Investitionen, Technologie und Governance. 


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