Dominik Birrer
Partner, Corporate Tax, PwC Switzerland
Rolf Röllin
Partner, Corporate Tax, PwC Switzerland
Die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer stellt die betroffenen Unternehmen vor anspruchsvolle Aufgaben. Zu den schwierigsten gehört das Bereitstellen der benötigten Daten. Entsprechende Systemanpassungen bedingen eine komplette Neuordnung der Reportingprozesse. Und schliesslich sollten sich die Unternehmen auf Diskussionen über Abweichungen im Steuernarrativ gefasst machen.
Der Schweizer Volkssouverän hat im Frühsommer 2023 den Bundesrat beauftragt, die Global Anti-Base Erosion Model Rules der OECD – kurz GloBE bzw. besser bekannt als Pillar 2 – umzusetzen. Pillar 2 sieht vor, multinationale Konzerne mit einem konsolidierten jährlichen Umsatz von mindestens 750 Mio. EUR in jedem Land, in dem sie tätig sind, mit minimal 15 % zu besteuern. In der Folge hat der Bundesrat auf den 1. Januar 2024 eine nationale Ergänzungssteuer eingeführt – auch als Qualifying Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT) bekannt. Bis auf Weiteres verschoben hat er den Entscheid über die Einführung der internationalen Ergänzungssteuer in der Form der Income Inclusion Rule (IIR) bzw. der Undertaxed Payment Rule (UTPR).
Mir der Inkraftsetzung der QDMTT hat sich die Schweiz wie etliche weitere der rund 140 OECD-Mitgliedstaaten (wie insbesondere die EU-Mitgliedstaaten) zur Einführung der globalen Mindeststeuer bekannt. Damit will der Bundesrat der Schweiz einerseits wesentliche Steuereinnahmen erhalten. Andererseits gewährleistet er mit der derzeitigen Nichteinführung der IRR bzw. UTPR, dass hiesige Konzerne im internationalen Wettbewerb nicht benachteiligt werden. Und schliesslich folgt er einem Prinzip des Schweizer Gewinnsteuerrechts, wonach die Schweiz keine Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften besteuert. Die Implementierung der QDMTT – und damit die Gewinnbesteuerung zu einem Satz von mind. 15% – stellt etliche Kantone aber vor die schwierige Aufgabe, dass ein wesentlicher Standortvorteil erheblich relativiert wird. Als Reaktion darauf beobachten wir, dass mehrere Kantone sich aktiv Gedanken machen zur möglichen Einführung von qualifizierten Steuergutschriften oder Subventionen. Wir erwarten insofern – sowohl national als auch international – eine Verlagerung vom Steuer- hin zu einem Subventionswettbewerb.
Was nun? Diese Frage steht ganz oben auf der Pendenzenliste der Steuerabteilung und vieler Finanzchefs von betroffenen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz. Als Erstes sollten sie den nationalen Umsetzungsstatus in den Ländern ihrer Tochtergesellschaften identifizieren. Demnach gilt es zu definieren, für welche Gesellschaft in welchem Land oder welchen Ländern die GloBE-Regeln Anwendung finden. Hat ein Konzern zum Beispiel Zwischenholdinggesellschaften – sogenannte Intermediate Parent Entities – in Ländern mit IIR, so greift hier allenfalls die IIR-Regelung.
Im Sinne einer Übergangsphase hat die OECD die Transitional Safe Harbour Tests ins Leben gerufen, die auf dem Country-by-Country Reporting (CbCR) basieren. Erfüllt eine Gruppe für die Berichtsjahre 2024 bis 2026 mindestens einen von drei dieser Tests in einem Land, muss sie GloBE dort nicht detailliert berechnen. Derzeit trifft das für Schweizer Konzerne oftmals für viele Länder zu, in denen sie präsent sind. Aber Vorsicht: Die Verschnaufpause ist kurz. Die drei relevanten Tests sind wie folgt und sind pro Jurisdiktion zu berechnen:
a) De-minimis: Umsatz von unter 10 Mio. EUR und ein Vorsteuergewinn von unter 1 Mio. EUR.
b) Effektivsteuersatz: Beträgt die effektive Steuerbelastung (Verhältnis zwischen Steueraufwand und dem Vorsteuergewinn) mindestens 15 % (für 2024), 16 % (für 2025) oder 17 % (für 2026), ist dieser Test erfüllt.
c) Routinegewinn: Entspricht der erzielte Vorsteuergewinn von Konzerneinheiten laut CbCR maximal dem Substanzfreibetrag gemäss OECD-Musterregelungen, so greift ebenfalls eine Erleichterung. Falls ein Konzern somit in einem Land einen Verlust ausweist, ist dieser Test per se erfüllt.
Sofern ein Konzern in einer spezifischen Jurisdiktion nicht von den vorgenannten Safe Harbour Regel profitieren kann, sieht er sich mit der Herausforderung konfrontiert, die für eine detaillierte GloBE-Berechnung nötigen Daten bereitzustellen. Ein durchschnittlicher Konzern dürfte pro Ländergesellschaft i.d.R. rund 120 bis 170 der insgesamt 250 vorgesehenen Datenpunkte benötigen. Schätzungsweise können die Unternehmen derzeit 40 % bis 60 % aus ihren bestehenden Systemen zusammentragen. In der Praxis stellt sich aber oftmals das Problem, dass gewisse Datenpunkte gar nicht, nicht passend aggregiert oder in ungenügender Granularität vorliegen. Gewisse Datenpunkte müssen zudem aufwendig manuell ermittelt werden oder sind nur schwer quantifizierbar. Demnach müssen die Verantwortlichen festlegen, welche Daten sie brauchen, wer sie wo sammelt und wohin übermittelt und wer letztlich dafür verantwortlich ist. Das verändert die Berichterstattungsprozesse mit entsprechenden Verantwortlichkeiten und Kompetenzen fundamental.
Als Reaktion auf die erhöhten Datenanforderungen wird der Markt aktuell mit GloBE-Softwarelösungen geflutet. Solche Anwendungen unterstützen entweder die Berechnung oder das Sammeln von Daten. Letzteres läuft noch in den meisten Unternehmen manuell, was aufwendig und fehleranfällig ist. Die Verantwortlichen müssen schon bald technologiegestützte Lösungen konkretisieren, um die manuellen Ressourcen, Fehleranfälligkeit und damit Kosten zu reduzieren. So dürfte die eine oder andere verschobene IT-Investition auf der Budgetierungsagenda wieder auftauchen bzw. priorisiert werden.
Konzerne sollten wissen, wie sich die Schweizer QDMTT-Deklaration auf ihren GloBE Information Return auswirkt und welche Dokumente wo und bis wann einzureichen sind. Neu kommen mehrere neue Steuerdeklarationen zum statutarischen Jahresbericht und demjenigen nach international anerkannten Rechnungslegungsstandards hinzu und die Umsetzung der Regeln in der Schweiz wie auch im Ausland hat potentiell auch Auswirkungen auf die Steuerrückstellungsposition sowie auf die Anhangsangaben zu den Steuern in den Jahresrechnungen. Das steuerliche Narrativ wird also aus einer neuen Perspektive erzählt. Dabei sollte die Storyline geradlinig bleiben und sich Abweichungen schlüssig darlegen lassen. Auf solche Diskussionen müssen sich die Verantwortlichen zeitnah vorbereiten und ihr Steuernarrativ hinterfragen und allenfalls von Expertenteams überprüfen lassen.
Die Ermittlung der Besteuerungsbasis für GloBE ist hochkomplex und steht unmittelbar an. Sie beschert den betroffenen Unternehmen substanziellen Mehraufwand. Deshalb empfehlen wir die Flucht nach vorn: Sie beginnt mit der Evaluation der für Pillar 2 relevanten Konzernobergesellschaft und den Jurisdiktionen, in denen eine Gruppe mit Holding- oder Zwischenholdinggesellschaften domiziliert ist. Zwar können Safe-Harbour-Erleichterungen zum Tragen kommen. Doch bereits ab dem Berichtsjahr 2027 wird das volle GloBE-Programm verlangt. Die wohl grösste Hürde besteht im Bereitstellen der erforderlichen Daten. Die Verantwortlichen müssen entsprechende technologische und prozessuale Grundlagen schaffen, was wiederum eine tiefgreifende Reform von Digitalisierung, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Reportingprozesse verlangt. Und schliesslich sollten die Unternehmen ihr steuerliches Narrativ aus einem holistischen Blickwinkel betrachten, da es in Zukunft für Steuerverwaltungen transparenter werden wird.