Die Nachhaltigkeitsthemen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) bilden, bezogen auf den Immobiliensektor, einen dichten Dschungel. Entsprechend unsicher und divers zeigen sich die Marktakteure bei der Umsetzung der ESG-Berichterstattung. Trotzdem sollten sie sich frühzeitig mit den neuen Anforderungen auseinandersetzen. Denn eine Prüfung der nichtfinanziellen Berichterstattung wird unter Umständen schon bald verpflichtend werden. Und beim Kauf von Liegenschaften sollten sie ESG-Kriterien prüfen, um Risiken von Sanierungskosten gezielt abzuwenden.
In der Schweiz verpflichtet die Schweizerische Bankiervereinigung ihre Mitglieder, bei der Beratung zur Immobilienfinanzierung Energieeffizienzaspekte einzubinden. Die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) legen kantonale Bau- und Sanierungskriterien vor. Zudem kommen diverse Zertifizierungslabels wie GEAK oder Minergie zum Tragen.
Die EU passt derzeit diverse Richtlinien an: Mit der Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden strebt sie die totale Dekarbonisierung des Immobiliensektors an. Mit der Energieeffizienzrichtlinie will sie den Energieverbrauch von Immobilien weiter senken und mit der Richtlinie über erneuerbare Energien deren Verbrauch anheben. Seit 2015 bietet die Energy Efficient Mortgage Initiative einen Bewertungsrahmen für Immobilienvermögen an.
Für die ESG-Berichterstattung sind die (selbst-)regulatorischen Grundlagen heterogen und nur wenige von ihnen verpflichtend. Doch der Druck von Anlegenden, Aufsicht, Branche und weiteren Anspruchsgruppen wächst, was die Unsicherheit über die Handhabung erhöht. Das zeigt eine aktuelle Studie von PwC Schweiz über die ESG-Berichterstattung von SIX-kotierten Immobiliengesellschaften. Die Resultate belegen eine uneinheitliche Offenlegung, teilweise fehlende Zielvorgaben und Messungen sowie heterogene Emissions- und Verbrauchszahlen.
Die aktuellen Entwicklungen weisen darauf hin, dass Europa die ESG-Offenlegung auf das Niveau der Finanzberichterstattung heben will. Mit anderen Worten: In Zukunft wird auch eine ESG-Prüfung notwendig sein, um der Forderung nach mehr Transparenz und Glaubwürdigkeit nachzukommen. Eine solche bietet wertvolle Vorteile: gestärktes Risikomanagement, reduzierte Greenwashing-Risiken und höheres Vertrauen in die Nachhaltigkeit von Immobilien und Immobilienanlageprodukten.
Es erstaunt nicht, dass ESG-Kriterien auch im Portfolio- und Assetmanagement an Bedeutung gewinnen. Institutionelle Investoren konzentrieren sich vorwiegend auf die Absenkung der CO2-Emissionen bei der Liegenschaftennutzung. Durch die wachsende Nachfrage nach Green Investments und höheren Rohstoffpreisen steigen die wirtschaftlichen Anreize zur Emissionsreduktion. Allerdings sind auch die Kosten fürs Umrüsten überproportional zur Baukostenteuerung gestiegen.
Über kurz oder lang wird eine Prüfung der ESG-Berichterstattung verbindlich.
Wer eine Liegenschaft akquiriert, kommt um die Analyse der ESG-Kriterien nicht herum. Entspricht ein Gebäude nicht den Ansprüchen von Regulator oder Investoren, sind Alternativen für die Investitionsstrategie zu finden. Ältere nicht ESG-konforme Liegenschaften lassen sich im regulären Sanierungszyklus anpassen. Neuere Liegenschaften ohne ESG-Konformität müssen vor Ende der Bauteillebenszyklen saniert werden. Entsprechend gross ist ihr Wertverlust gegenüber einem ESG-konformen Objekt.
Für den Immobilienmarkt gibt es vielfältige ESG-Standards und -Prinzipien, Ziele, Zertifizierungen und Benchmarks. Das macht die Materie so komplex. Daher ist es empfehlenswert, sich frühzeitig mit ihr auseinanderzusetzen und sich über die eigenen Pflichten im Klaren zu werden. Über kurz oder lang wird eine Prüfung der ESG-Berichterstattung verbindlich. Im Weiteren sollten die Verantwortlichen beim Kauf von Liegenschaften ESG-Kriterien prüfen, um Kostenrisiken von Sanierungen im Griff zu behalten.
Dieser Artikel erschien bereits in einer NZZ Verlagsbeilage im April 2023.
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