Die Wichtigkeit der periodischen Überprüfung und materiellen Analyse von juristischen Personen

Die Risiken von nicht erkannten Sitzgesellschaften und komplexen Strukturen

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Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen gehen üblicherweise mit erhöhten inhärenten Geldwäschereirisiken einher. Damit ein effektives Management dieser Risiken überhaupt möglich ist, müssen die Struktur von juristischen Personen, deren Geschäftstätigkeit sowie deren Verwendungszweck angemessen erfasst werden. Nicht immer bestehen Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen jedoch bereits zum Eröffnungszeitpunkt einer Geschäftsbeziehung und sind ohne weiteres direkt erkennbar. Geschäftstätigkeiten und Verwendungszwecke können sich vielmehr im Laufe des Lebenszyklus verändern. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass risikoreiche Gesellschaften trotz Einhaltung der zum Eröffnungszeitpunkt geltenden Sorgfaltspflichten nicht erkannt und somit fortlaufend nicht angemessen überwacht werden. Die neue Pflicht nach Art. 7 Abs. 1bis GwG soll dem Risiko einer nicht angemessenen Qualifikation nun Abhilfe schaffen. Die gesetzliche Bestimmung verpflichtet Banken dazu periodisch und risikoorientiert juristische Personen in ihrer Geschäftskundenpopulation neu zu beurteilen. Aber werden in der operativen Umsetzung dieser Pflicht nun tatsächlich die zielführenden Elemente, Indizien und Dokumente neu materiell analysiert? Klar ist: Bleiben verborgene Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen unerkannt, birgt dies signifikante Geldwäschereirisiken.

Am 1. Januar 2023 hat der Gesetzgeber in Art. 7 Abs. 1bis GwG die Pflicht zur periodischen Überprüfung und Aktualisierung von sämtlichen geldwäschereirelevanten Geschäftsbeziehungen eingeführt. Davor bestanden im Gesetz (GwG) und in der Verordnung (GwV-FINMA) punktuelle und anlassbezogene Überprüfungspflichten bei Veränderung der Risikolage und Zweifel sowie eine periodische Überprüfung für Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken (GmeR), respektive politisch exponierten Personen (PEP). Die flächendeckende Überprüfung von Geschäftsbeziehungen mit tiefem und normalem Risiko ist jedoch ein Novum. Aufgrund hoher Volumina mit teilweise mangelhaften und unvollständigen Daten bedeutet dies nun eine operative Herausforderung. Wie detailliert und auf Grundlage von welchen Daten- und Informationsquellen diese periodische Überprüfung durchgeführt wird, befindet sich dementsprechend aktuell in der Definitions- und Adjustierungsphase von vielen Banken.

Die bisherige Praxis zeigt, dass Banken bei der Umsetzung der periodischen Überprüfungspflicht in einer ersten Phase ihre Geschäftsbeziehungen zu GmeR und PEP priorisiert haben. In einer zweiten Phase – und damit in den kommenden Jahren – steht die Überprüfung der breiten und risikoärmeren Kundenpopulationen bevor. Dazu zählt die Überprüfung von operativ tätigen Gesellschaften mit vermeintlich tieferen Geldwäschereirisiken, welche sich seit Jahren oder Jahrzehnten im Kundenbestand von Banken befinden können. Deren KYC-Profile und Transaktionen stellen Kundendaten dar, welche im Allgemeinen eher selten oder rein anlassbezogen analysiert, kritisch hinterfragt oder aufdatiert wurden. 

Das Risiko von Falschqualifikationen

Die nächsten Jahre geben nun Aufschluss über mögliche Falschqualifikationen. Denn es besteht durchaus das Risiko, dass sich hinter vermeintlich risikoarmen operativen Geschäftstätigkeiten Sitzgesellschaften oder Bestandteile von komplexen Strukturen verbergen, da initiale Risiken oder eine Veränderung der Umstände nicht angemessen erkannt oder adressiert wurden. Diese Risiken erhöhen sich, wenn sie nun im Rahmen der periodischen Überprüfung weiterhin nicht die entsprechende Fokussierung erhalten. Die periodische Überprüfung führt zu einem erhöhten Vertrauen in die Richtigkeit der Qualifikation einer vermeintlich risikoarmen Geschäftsbeziehung und deren operativen Status. Die periodische Überprüfung verlangt neben einer kritischen Grundhaltung bei der Verifikation und Aufdatierung von Kundendaten zudem die verbindliche Einhaltung der im Überprüfungszeitpunkt geltenden regulatorischen Anforderungen. Als Leitlinie gilt die Frage: «Wie würde die Bank die Geschäftsbeziehung einordnen, wenn sie nicht damals, sondern heute eröffnet worden wäre?»

Falschqualifikationen bergen diverse Risiken, welche eine Bank bei der Betreuung und Überwachung von juristischen Personen analysieren muss. 

Die Praxis zeigt, dass Banken Geschäftsbeziehungen zu Sitzgesellschaften und komplexen Strukturen regelmässig unter Anwendung erhöhter Sorgfalt eingehen. Üblicherweise werden sie als Geschäftsbeziehungen mit erhöhten Risiken eingestuft oder führen in Kombination mit anderen Kriterien zur Qualifikation als solche. In der Folge führen die erhöhten Risiken zu einer intensiveren und engeren Überwachung der Geschäftsbeziehung selbst (z.B. tiefere Periodizität bei der periodischen Überprüfung) oder im Transaktionsmonitoring (z.B. geringere Schwellenwerte für Abklärungspflichten). Bei einer Falschqualifikation werden deshalb die mit der Geschäftsbeziehung tatsächlich einhergehenden inhärenten Geldwäschereirisiken nicht angemessen mitigiert. 

Bei operativ tätigen Gesellschaften stellt die Bank den Kontrollinhaber (KI) mittels Formular K fest, wohingegen bei Sitzgesellschaften die wirtschaftlich berechtigte Person (WB) auf einem Formular A aufzuführen ist (Art. 20 ff. und 39 Abs. 1 ff. VSB 20). Die Person des KI und des WB müssen nicht zwingend identisch sein, was somit zu einer fehlenden Kenntnis und damit Feststellung über den tatsächlichen WB führen kann. Bei einem Verkennen einer Sitzgesellschaft als solche und einem fehlenden Formular A droht zusätzlich das Risiko eines Sanktionsverfahrens nach Art. 61 ff. VSB 20. Dies insbesondere dann, wenn der Charakter der Gesellschaft hätte erkannt werden können oder müssen, aber die nötigen Informationen nicht angemessen analysiert, erfragt oder gewürdigt wurden. Gleiches gilt, sollte die vermeintliche operative Gesellschaft trotz vorliegender Indizien für eine Sitzgesellschaft nicht als solche qualifiziert und die Gründe dafür nicht aktenkundig festhalten werden (Art. 39 Abs. 3 VSB 20).

Eine erhöhte Anzahl von fälschlich als operativ tätige Gesellschaften qualifizierte Sitzgesellschaften oder komplexe Strukturen kann eine Abweichung zur institutsspezifisch definierten Risikotoleranz bedeuten. Die tatsächlichen inhärenten Geldwäschereirisiken können dadurch höher sein, als eine Bank bereit ist zu tragen. Damit wissen letztendlich der Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung nicht angemessen über die vorliegenden Geldwäschereirisiken Bescheid und können die entsprechende Risikosteuerung nicht gezielt umsetzen.

Art. 9a GwV-FINMA verlangt, dass Banken die Gründe für die Verwendung von Sitzgesellschaften abklären. In der Praxis sehen Banken darüber hinaus regelmässig weitere KYC-Anforderungen für solche Gesellschaften und komplexe Strukturen vor. Eine Falschqualifikation bedeutet, dass die Bank die Gesellschaft nicht risikoadäquat kennt und analysiert, was sich wiederum limitierend auf die Überwachungs- und Abklärungspflichten auswirken kann. Obwohl die regulatorische Pflicht in Art. 9a GwV-FINMA erst seit dem 1. Januar 2020 in Kraft ist, gilt sie ab dem erstmaligen Überprüfungszeitpunkt im periodischen Review für sämtliche Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen unabhängig von ihrem Eröffnungszeitpunkt.

Nicht auszuschliessen ist, dass neu umqualifizierte Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen bei einer allfälligen Anpassung der Kontoführungsgebühren sowie aufgrund des erhöhten Informationsbedarfs der Bank einen Bankwechsel in Betracht ziehen. Umgekehrt kann eine Zunahme von bisher unerkannten Risiken bei der Bank vor dem Hintergrund der Risikotoleranz zu einem Überdenken der Weiterführung von Geschäftsbeziehungen führen. Ein gehäuftes Aufkündigen, respektive Abwandern von risikoreichen Gesellschaften kann für Aufsehen in der Öffentlichkeit und in den Medien sorgen. Ein ähnliches Risiko besteht, wenn Sitzgesellschaften oder komplexe Strukturen missbraucht werden sollten, ohne dass die Bank zeitnah und angemessen den eigentlichen Charakter solcher Gesellschaften, respektive deren Risiken in Erfahrung gebracht hat.

Warum sich hinter vermeintlich operativ tätigen Gesellschaften falsch qualifizierte Sitzgesellschaften und Risiken verbergen können

Nichterkennen zu Beginn der Geschäftsbeziehung
Die Pflicht zur Abklärung des WB an Sitzgesellschaften sowie die entsprechende Qualifikation besteht seit der Einführung des Geldwäschereigesetz im Jahr 1997 (Art. 4 Abs. 1 lit. b GwG). Seither haben sich die praxisbezogenen Anforderungen an den Grundsatz KYC sowie an die Prüfung des Vorliegens einer Sitzgesellschaft oder komplexen Struktur stets weiterentwickelt. Damit einher gehen die Grundsätze zur kritischen Grundhaltung und Analyse bei der Eröffnung einer Geschäftsbeziehung, die nicht mehr wegzudecken sind. Möglich ist deshalb, dass eine Bank eine Sitzgesellschaft oder komplexe Struktur, zu welcher die Geschäftsbeziehung vor vielen Jahren oder gar Jahrzehnten eröffnet wurde, trotz Vornahme der damals branchenüblichen Sorgfalt nicht als solche erkannt hat.

Nichterkennen von Veränderungen im Verlauf der Geschäftsbeziehung
Ursprüngliche operativ tätige Gesellschaften können ihr tatsächliches kaufmännisches Gewerbe im Verlauf einer Geschäftsbeziehung niederlegen. In dieser Hinsicht kann ein im Handelsregister geführter Gesellschaftszweck weit gefasst sein, sodass eine de facto-Veränderung der Geschäftstätigkeit und Umwandlung in eine Sitzgesellschaft nicht zwingend eine Anpassung im Handelsregister nach sich zieht. Ein zusätzliches Risiko ist, dass eine eingetragene operative Tätigkeit zwar beabsichtigt ist, diese aber seit Jahren nicht mehr verfolgt wird, respektive eine Wiederaufnahme kurzfristig nicht bevorsteht. Ferner kann sich eine anfängliche operative Geschäftsidee nicht realisiert haben. Ein Überdenken des Geschäftsmodells ist insbesondere als Folge der Covid-19 Pandemie keine Seltenheit. So galt das Jahr 2020 mit einem erhöht feststellbaren Streben nach selbständiger Erwerbstätigkeit als eines der gründungsstärksten Jahre seit der Gründung des Schweizer Handelsregisters. Mit der darauffolgenden wirtschaftlichen Normalisierung können Gründer:innen eine selbständige Erwerbstätigkeit wieder niedergelegt und den (mehrheitlich) operativen Charakter verändert haben. Diverse Szenarien können deshalb Anlass dazu geben, dass eine einst als operativ tätig qualifizierte Gesellschaft mittlerweile den Charakter einer Sitzgesellschaft aufweist und somit aus Sicht von GwG wie auch VSB 20 eine Neubeurteilung angezeigt ist.

Unfreiwillige Offenlegung von Sitzgesellschaften und Strukturen durch Gesellschafter:innen
Gesellschafter:innen verspüren nur wenig Anreiz eine Sitzgesellschaft offenzulegen, solange die Bank sie nicht als solche erkennt. Mitunter ein Grund sind die teils hohen Kontoführungsgebühren für Sitzgesellschaften, welche je nach Bank im hohen dreistelligen oder vierstelligen Betrag pro Jahr liegen können. Zusätzlich bedeuten sie für Gesellschafter:innen aufgrund der erhöhten Sorgfaltspflichten der Bank einen administrativen Mehraufwand. Operativ tätige Gesellschaften und namentlich KMUs profitieren hingegen von regulären Gebühren oder gar Sonderkonditionen. Aufgrund der geringeren Risiken und der dadurch beschleunigten Prozesse kann ein bebuchbares Geschäftskonto bereits nach wenigen Tagen vorliegen.

Zentrale Faktoren bei der periodischen Überprüfung zur Adressierung der Risiken von potenziellen Falschqualifikationen bei juristischen Personen

Die Überprüfung der Geschäftsbeziehungen zu juristischen Personen mit tiefem und normalem GwG-Risiko fällt in eine Zeit, in welcher das öffentliche Bedürfnis nach Informationen über Gesellschaften aufgrund des erhöhten Missbrauchsrisikos gegenüber natürlichen Personen ansteigt. Dies zeigen internationale Bestrebungen zur Einführung von nationalen Transparenzregistern bei juristischen Personen, wie dies der Bundesrat mit seiner Botschaft zum Transparenzgesetz vom 22. Mai 2024 auch für die Schweiz konkretisiert hat. Die neue Pflicht zur flächendeckenden periodischen Überprüfung bedeutet, dass Banken Sitzgesellschaften und komplexe Strukturen bei bestehenden juristischen Personen aktiv identifizieren, analysieren und aufdecken müssen. Dies unter Anwendung der zum Überprüfungszeitpunkt branchenüblichen Sorgfalt in der Umsetzung der Pflichten nach Art. 7 Abs. 1bis GwG. Es empfiehlt sich deshalb, bei juristischen Personen eine kritische Grundhaltung einzunehmen und in einer für unabhängige Dritte nachvollziehbaren Weise (Art. 22 Abs. 1 GwV-FINMA) folgende Punkte zu berücksichtigen:

  • Analyse des Transaktionsverhaltens zur Verifikation, dass die erfasste Geschäftstätigkeit der tatsächlichen Realität entspricht;
  • Allfällige Diskrepanzen zwischen dem im Handelsregister, respektive im Kundenprofil eingetragenen Zweck;
  • Ein persönliches Gespräch bringt Klarheit über Risikoveränderungen sowie über das tatsächliche Vorliegen eines kaufmännischen Gewerbes. Zentral ist, dass eine Bank im Weisungswesen oder in Anleitungen, Guidance, Manuals usw. den persönlichen Kontakt und die dabei zu erfassenden Informationen präzisiert;
  • Risikobasiert kann die Überprüfung einer operativen Tätigkeit ebenfalls mittels Konsultation von allgemein zugänglichen öffentlichen Quellen und Datenbanken erfolgen, respektive mittels Einholens von schriftlichen Auskünften;
  • Bei nicht zweifelsfrei feststellbarer operativer Geschäftstätigkeit ist eine Jahresrechnung einzuholen;
  • Zwischenzeitlich eingetretene Indizien für das Vorliegen einer Sitzgesellschaft sollen trotz scheinbarem operativen Charakter kritisch und aktenkundig beurteilt werden;
  • Die Umqualifikation einer Gesellschaft neu als Sitzgesellschaft oder komplexe Struktur bedeutet das Nachholen der besonderen Sorgfaltspflichten nach Art. 6 Abs. 1 und 2 GwG sowie deren systematische Übernahme in das KYC-Profil. Sie umfassen:
    • Zweck der Gesellschaft sowie deren Verwendungszweck
    • Die wirtschaftlichen Hintergründe für die Sitzgesellschaft (Art. 9a GwV-FINMA) sowie der komplexen Strukturen
    • Art und Zweck der von der Vertragspartei gewünschten Geschäftsbeziehung
    • Nachweise über die durchgeführten zusätzlichen Abklärungen und Prüfung des Vorliegens einer komplexen Struktur abschliessend verständlich gewesen ist
    • Risikoadäquate Informationen und Plausibilisierung der Vermögensherkunft
    • Die Gründe und neuen Erkenntnisse für die Umqualifikation der Gesellschaft
    • Einholen der institutsspezifischen Bewilligungen bei einer Risikoveränderung

What’s next?

Die periodische Überprüfung führt zu einer Überprüfung und Aktualisierung von sämtlichen geldwäschereirelevanten Geschäftsbeziehungen. Gleichzeitig steigt die Erwartungshaltung der Aufsichtsbehörden sowohl an die Vollständigkeit, Korrektheit und Angemessenheit der KYC-Kundenprofile und Kundendossiers und als auch an die damit verbundenen Fähigkeiten, Risiken zeitnah zu erkennen und zu adressieren. Jede Bank sollte vor diesem Hintergrund über adäquate institutsspezifischer Regularien (Weisungen, Anleitungen, Guidelines o.Ä.), Prozesse und Kontrollen zur Umsetzung der periodischen Überprüfung verfügen und deren Effektivität sicherstellen.

Als Ihr Partner des Vertrauens unterstützen wir Sie im risikobasierten Umgang mit einer Analyse, Überprüfung oder Ausgestaltung institutsspezifische Regularien, Prozesse und Kontrollen zur Umsetzung der periodischen Überprüfung mit Fokus auf Geschäftsbeziehungen zu juristischen Personen. Wir beraten Sie rund um Ihre individuellen Bedürfnisse basierend auf unserer Fach- und Branchenkenntnis aus unserer Prüf- und Beratungspraxis und entwickeln gemeinsam mit Ihnen risikogerechte und massgeschneiderte Lösungen zur nachhaltigen Stärkung Ihres Instituts. Gerne stehen wir Ihnen für ein ausführliches Gespräch zur Verfügung. 

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