Verifikation des wirtschaftlich Berechtigten

Eine neuartige Pflicht oder nur eine Stipulierung des Status quo? Ein Einblick in die Einschätzung aus der Praxis.

Per 1. Januar 2023 wird das revidierte Geldwäschereigesetz in Kraft gesetzt. Der neue Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 E-GwG führt das Prinzip der Verifikation des wirtschaftlich Berechtigten ein. Eine neuartige Pflicht oder nur eine Stipulierung des Status quo? Diese und andere Fragen rund um die Implementierung dieses vermeintlichen Paradigmenwechsels von Identifikation zu Verifikation des wirtschaftlich Berechtigten durften wir in einem Interview mit der anerkannten Expertin, Jeannine Huber-Bernhard, Head VSB-Desk Compliance, Bank Julius Baer & Co. AG, diskutieren.

Die systematische Überprüfung der Identität der wirtschaftlich berechtigten Person ist im Grundsatz nicht eine gänzlich neu definierte Pflicht, sondern vielmehr die gesetzliche Verankerung einer bereits bestehenden Praxis im Fall vorhandener Zweifel. Inwiefern wird die neu kodifizierte Pflicht im Art. 4 Abs. 1 E-GwG zur Verifikation der wirtschaftlich berechtigten Person einen Einfluss auf bestehende Weisungen, Prozesse und Kontrollen für Ihr Institut haben und wie wesentlich war der effektive Handlungsbedarf?

Zur Analyse der benötigten neuen Prozesse, Kontrollen und Pflichten hat sich die Bank Julius Bär («BJB») mit der Frage auseinandergesetzt, ob es sich bei der angepassten Pflicht im Art. 4 Abs. 1 E-GwG um eine für die BJB gänzlich neue Pflicht handelt und welche Implikationen dies auf die Weisungen und Prozesse haben könnte. Trotz vertiefter Debatten über den potenziellen Handlungsbedarf bestand Einigkeit über die bereits existente Praxis der BJB zur Plausibilisierung im Rahmen der Erstellung des Geschäftsprofils, insbesondere im Zusammenhang mit der Vermögensschaffung, Vermögensherkunft und dem Zweck der Eröffnung der Geschäftsbeziehung.

Die zentrale Frage zur neuen Formulierung des Gesetzeswortlauts ist weniger, «ob» bereits angemessene Informationen über den wirtschaftlich Berechtigten vorlagen, sondern vielmehr «wie» der gesetzlichen Pflicht zur Verifikation der wirtschaftlich berechtigten Person angemessen nachgekommen werden kann - dies nicht zuletzt auch zur Sicherstellung der Einhaltung der Erwartungshaltung der Aufsichtsbehörde FINMA wie aber auch der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Aufgrund der Tatsache, dass weder Gesetz noch Verordnung eine Präzisierung der Verifikationspflicht definieren werden und folglich institutsspezifisch sowie risikobasiert der neuen Verifikationspflicht nachgekommen werden muss, wurde der Handlungsbedarf zur Überarbeitung der Weisungen, Prozesse, Kontrollen und Guidances der Kundenberater, aber auch die Ergänzung des KYC-Formulars als sinnvoll qualifiziert. Die operative Umsetzung der prinzipienbasierten Pflicht zur Verifikation verlangt nach einer Stärkung und Erweiterung des bestehenden Rahmenwerks zum KYC-Prozess mit einem Fokus auf dem Definieren und der Präzisierung der Einholung und kritischen Würdigung von Drittbelegen. Diesbezüglich hat die BJB neue interne Richtlinien definiert, welche den Mindeststandard an die Informationen und Drittbelege für verschiedene Fallkonstellationen regeln.

Ressourcentechnisch wird diese Neuerung zur Verifikation jedoch nur unwesentliche Implikationen mit sich bringen. Die Umsetzung dieser Anforderungen ist beispielsweise in keinen Vergleich zu setzen mit der periodischen Aktualisierung der Kundendaten sämtlicher Geschäftsbeziehungen, welche ebenfalls eine Neuerung des revierten E-GwG ist.

Carolina Thomaz

Über unsere Interviewpartnerin

Jeannine Huber-Bernhard
Head VSB-Desk Compliance
Bank Julius Baer & Co. AG

Welche Rolle spielt im Kontext der Verifikation der wirtschaftlich berechtigten Person ein risikobasierter Ansatz beim Definieren der internen Prozesse? Inwiefern hat die Qualifikation einer Geschäftsbeziehung mit geringem respektive mit erhöhtem Risiko bei der Überprüfung der wirtschaftlich berechtigten Person einen Einfluss?

Der risikobasierte Ansatz ist insbesondere bei der Einholung von zusätzlichen Informationen und Drittbelegen relevant, welche von der Komplexität und Struktur der Geschäftsbeziehung getrieben wird. Dies nicht zuletzt aufgrund der vielschichtigen Involvierung von Sitzgesellschaften, Stiftungen und Trusts sowie der darin definierten Bedingungen, welche eine Vermögensausschüttung erlauben. Die neue Pflicht zur Verifikation bringt unweigerlich das Bedürfnis eines vertieften Verständnisses der Struktur, der Rollen und der Governance der an der Geschäftsbeziehung beteiligten juristischen und natürlichen Personen mit sich. Fragen wie «Wer sind die Aktionäre bei einer Sitzgesellschaft?» oder «Wer und zu welchem Zweck wurde eine Stiftung gegründet?» erhalten eine neue Bedeutung. Die eingeholten Drittbelege werden mit den Informationen auf den eingereichten Formularen und mündlichen Aussagen abgeglichen werden müssen.

Von besonderer Bedeutung erachtet die BJB bei der Umsetzung des risikobasierten Ansatzes die Nachvollziehbarkeit für qualifizierte Dritte gemäss Art. 22 Abs. 1 GwV-FINMA. In der Praxis kennen die Kundenberater ihre Kunden gut. Die erstellten Informationen, die Informationsdichte, die Drittbelege und deren kritische Würdigung müssen aber auch für einen qualifizierten Dritten selbsterklärend und nachvollziehbar dokumentiert sein. Nicht zuletzt auch die in der Vergangenheit abgeschlossenen Enforcement-Verfahren und die durchgeführten regulatorischen Prüfungen haben das Bedürfnis zur Erhöhung des Dokumentationsstandards mit Schwerpunkt auf der Nachvollziehbarkeit für Dritte geprägt. Die Umsetzung der kritischen Verifikation und angemessenen Dokumentation von wirtschaftlich berechtigen Personen muss stringent erfolgen.

Von untergeordneter Relevanz bei der Umsetzung der Pflicht zur Verifikation der wirtschaftlich berechtigten Person ist dagegen die mit der Geschäftsbeziehung verbundene Compliance-Risikoklassifizierung gemäss Art. 13 GwV-FINMA.

Welche Informationen, Quellen und / oder Dokumente werden neu zur Verifikation der wirtschaftlich berechtigten Person eingeholt werden müssen? Wie schätzen Sie diesbezüglich die Akzeptanz von Kunden und Kundenberatern zur Einholung weiterer Drittbelege ein?

Dies hängt von der Maturität der Umsetzung der aktuell geltenden Pflicht zur Identifikation der wirtschaftlich berechtigten Person zusammen. Hat ein Finanzintermediär bereits vor der neuen gesetzlichen Verankerung der Pflicht zur Verifizierung der Identität des wirtschaftlichen Berechtigten Drittbelege eingeholt und eine kritische Plausibilisierung vorgenommen, kann es unter Umständen angemessen sein, nur mit einer neuen Check-Box-Bestätigung zu arbeiten. In dieser Check-Box würde der Kundenberater die Vornahme der Verifikationspflicht bestätigen. Waren die Anforderungen an die Verifikation zuvor tiefer, mündet dies in eine umfassende neue Pflicht zur Dokumentation der wirtschaftlichen Berechtigung. Die BJB hat diesbezüglich, wie zuvor erwähnt, Mindeststandards an Informationen und Drittbelegen für verschiedene Fallkonstellationen definiert, welche je nach Komplexität der Geschäftsbeziehung eine Erhöhung der Anforderungen zur Folge haben. Die Frage, ob nur die Einholung eines Passes / einer ID des wirtschaftlich Berechtigten oder auch ein Aktienregister, ein Gutachten oder eine Stiftungsurkunde angemessen sind, hängt von der Kundenstruktur ab.

Die Akzeptanz zur Erhöhung dieser formalen Hürde der Eröffnung einer Geschäftsbeziehung im Zusammenhang mit der internationalen Kundschaft wird hoch eingeschätzt, zumal der internationale Vergleich zeigt, dass die regulatorischen Anforderungen im Ausland zuvor bereits höher waren als in der Schweiz. So hat sich der Standard zu weitergehenden Belegen für die ausländische Kundschaft bereits etabliert.

Zudem wird auch die Akzeptanz der Kundenberater gegenüber den weitergehenden regulatorischen Pflichten aufgrund der gestärkten Compliance-Kultur als gut wahrgenommen. Die Kundenberater werden bei der Umsetzung in Bezug auf die Verifikationspflichten und erhöhten Dokumentationsstandards aktiv unterstützt. Dabei pflegt die BJB einen intensiven Austausch zwischen der Front und der Compliance, welcher von der Eröffnung bis zur Überprüfung reicht. Hierbei handelt es sich zu Beginn gewiss um einen Lernprozess, bis es schlussendlich als «Selbstläufer» und etablierter Standard angesehen werden darf.

Welche Funktionen, Rollen und Verantwortlichkeiten sind im Prozess zur Verifikation und Plausibilisierung der wirtschaftlich berechtigten Person involviert, und bei welchen Funktionen liegt die effektive Verantwortung für die Angemessenheit effektiver Informationen?

Die Endverantwortung zur Verifikation des wirtschaftlich Berechtigten sowie für die Führung des gesamten Geschäftsprofils liegt bei der Front (1LoD), welche direkt vom Front Risk Management unterstützt wird. Die Compliance (2LoD) und insbesondere der VSB-Desk nehmen hierbei zunächst eine beratende Funktion ein. Zudem ist die Compliance im Rahmen ihrer Überwachungs- und Kontrolltätigkeit in den Verifikationsprozess involviert. Abhängig von der Compliance-Risikoklassifizierung der Geschäftsbeziehung sind zusätzliche Funktionen und Expertisen involviert.

Was ist Ihre Ansicht zur Bedeutung der neuen Formulierung des Art. 4 Abs. 1 E-GwG für den Schweizer Finanzplatz? Erwarten Sie eine Auswirkung auf die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz?

Die internationale Wettbewerbsfähigkeit sollte nicht tangiert sein. Im Gegenteil führt der neu stipulierte Standard zu einer Annäherung an die im Ausland bereits seit Jahren etablierten, regulatorischen Anforderungen und erhöht dadurch die Akzeptanz des Finanzplatzes Schweiz. Als Bank distanziert man sich von der Kundschaft, die etwas verstecken will und daher dieses regulatorische Bedürfnis als Hindernis für den Vertragsschluss ansieht.

Welche Chancen und Risiken sehen Sie für Ihr Institut bei der Implementierung der neu kodifizierten Pflicht im Art. 4 E-GwG?

Die Gesetzesrevision wird aus Compliance-Perspektive zur besseren und präziseren Dokumentation der Geschäftsbeziehung, deren Verlauf und der Nachvollziehbarkeit führen. Dadurch wird die Datenqualität weiter gefördert. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Kunden im Verlauf der Geschäftsbeziehung umstrukturieren und die Bank nicht systematisch über etwaige Änderungen in Kenntnis setzen. Die neue Pflicht soll das Verantwortungsbewusstsein der Kundenberatung zur Führung eines aktuellen Kundendossiers stärken.

Herausforderungen liegen bei der operativen Umsetzung sowie ihrer Angemessenheit und Effektivität, da keine genaueren Ausführungsbestimmungen erlassen wurden. Einzelne Hinweise lassen sich der Botschaft entnehmen. Dies kann ein regulatorisches Risiko begründen, dass die FINMA oder die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften die institutseigene Umsetzung als nicht angemessen erachten. Die Branchenpraxis sowie klare Erwartungshaltungen müssen sich zunächst abzeichnen. Eine Annäherung an die internationale Praxis kann als Risikomitigation in der Übergangsphase hilfreich sein.

 

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