Finanzierung von Infrastrukturanlagen in der neuen BVV 2 Anlagekategorie

Marco Tiefenthal Assurance Director, Berufliche Vorsorge & Asset Management, PwC Switzerland 08 Sep 2020

Bisher galten Anlagen in Infrastrukturen als alternative Anlagen. Diese sind nur in Form diversifizierter kollektiver Anlagen möglich. Mit der vom Bundesrat per 1. Oktober 2020 beschlossenen Änderung der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) wird eine neue Anlagekategorie «Anlagen in Infrastrukturen» geschaffen. Die für sie geltenden Anforderungen entsprechen weitgehend jenen der alternativen Anlagen. Jedoch sind unter bestimmten Voraussetzungen auch direkte Anlagen in Infrastrukturen möglich. Kollektive Anlagen in Infrastrukturen, die einen Hebel aufweisen, gelten allerdings weiterhin als alternative Anlagen.

Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 26. August 2020 unter anderem punktuelle Anpassungen der Verordnung über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVV 2) beschlossen, und diese per 1. Oktober 2020 in Kraft gesetzt. Mit den vorliegend behandelten Anpassungen wird neu für Anlagen in Infrastrukturen eine eigene Anlagekategorie geschaffen, in welche bis zu 10 Prozent des Gesamtvermögens der Vorsorgeeinrichtung angelegt werden darf.

Neue Anlagekategorie: «Anlagen in Infrastrukturen»

Gemäss den Erläuterungen des Bundesamtes für Sozialversicherungen BSV (BSV) wird mit den vom Bundesrat beschlossenen Verordnungsanpassungen die Motion Weibel umgesetzt. Den Vorsorgeeinrichtungen soll demnach in grösserem Mass als bisher ermöglicht werden, auch in ökologisch nachhaltige Projekte im Inland zu investieren (bspw. in die Energieinfrastruktur, die Mobilitäts- und Versorgungsinfrastruktur sowie die Gesundheitsinfrastruktur) und damit die von Bundesrat und Parlament unterstützte Energiewende mit Finanzierungsquellen aus dem privaten Sektor zu stützen und gleichzeitig von langfristigen Erträgen für die Versicherten zu profitieren. Der Wortlaut der in der Motion verlangten Verordnungsänderung beschränkt diese Anlagen zudem nicht nur auf das Inland, es sind auch ausländische Anlagen zugelassen.

Solche Infrastrukturanlagen galten bisher als alternative Anlagen und mussten gemäss Art. 53 Abs. 4 BVV 2 diversifiziert und kollektiv angelegt werden. Neu sind auch Direktanlagen möglich, sofern eine angemessene Diversifizierung besteht. Gemäss den Erläuterungen des BSV zum neuen Art. 53 Abs. 2 zweiter Satz BVV 2 trifft dies dann zu, wenn die Gegenpartei 1% des Vorsorgevermögens nicht überschreitet. Ungewöhnlich erscheint dabei, dass diese strikte Limite – im Gegensatz zu den weiteren Anlagebegrenzungen in Art. 54 und 55 BVV 2 – lediglich in den Erläuterungen erwähnt ist und nicht direkt in die Verordnung aufgenommen wurde.

Zudem kann festgehalten werden, dass aufgrund der abschliessenden Aufzählung in Art. 53 Abs. 5 BVV 2 direkte Infrastrukturanlagen nicht mittels Fremdmittelaufnahme finanziert werden dürfen, weil ansonsten das Hebelverbot verletzt würde. Gemäss dieser Bestimmung ist ein Hebel nur bei alternativen Anlagen sowie – unter bestimmten Voraussetzungen – bei Immobilien und derivativen Finanzinstrumenten zulässig, nicht jedoch bei Direktanlagen in der neuen Kategorie «Anlagen in Infrastrukturen».

Hebelverbot bei diversifizierten kollektiven Infrastrukturanlagen

Anlagen in der neuen Kategorie Infrastrukturanlagen können nach wie vor auch mittels diversifizierter kollektiver Anlagen vorgenommen werden, sofern die jeweiligen Bestimmungen nach Art. 56 BVV 2 eingehalten sind. Aufgrund der Ergänzung des bisherigen Art. 53 Abs. 2 BVV 2 gelten für die kollektiven Infrastrukturanlagen dabei nach wie vor die bereits bisher für alternative Anlagen bestehenden Anforderungen (Art. 53 Abs. 4 BVV 2), wonach die Anlagen nur mittels diversifizierter kollektiver Anlagen, diversifizierter Zertifikate oder diversifizierter strukturierter Produkte vorgenommen werden dürfen. Art. 53 Abs. 5 BVV 2 wurde im Zuge dieser Verordnungsanpassungen jedoch nicht verändert. Gemäss dieser Bestimmung dürfen unter anderem nur alternative Anlagen, nicht jedoch solche in Infrastrukturen, einen Hebel aufweisen. Werden also in kollektiven Infrastrukturanlagen (und ihren Zielfonds) die Anlagen (teilweise und/oder temporär) fremdfinanziert, müssen diese, gemäss der neuen Verordnung und den Erläuterungen des BSV, nach wie vor unter der Kategorie der alternativen Anlagen ausgewiesen werden.

Immerhin wurde in einer nachträglichen Rechtsinterpretation "Auslegung der Änderung von Artikel 53 und 55: Infrastrukturanlagen" vom BSV spezifiziert, dass - in Analogie zu kotierten Aktienanlagen nach Art. 53 Abs. 1 Buchstabe b BVV 2 Buchstabe b - ein "(...) Einsatz von Fremdkapital auf der Ebene einer Infrastruktur-Firma nicht als Hebel gilt" und solche Anlagen (bspw. Beteiligungen an solchen Firmen) als Infrastrukturanlagen gemäss der neuen Verordnung klassifizieren.

Praxistauglichkeit der neuen BVV 2 Kategorie «Anlagen in Infrastrukturen»

In der Praxis zeichnen sich Infrastrukturanlagen, die umfangreiches fachspezifisches Know-how erfordern, unter anderem durch lange Laufzeiten, eine gewisse Illiquidität aber auch einen hohen Investitionsbedarf aus. Es ist deshalb nicht unüblich, dass solche in- und ausländischen Projekte kollektiv finanziert werden, unter anderem auch mit einer (teilweisen und/oder temporären) Fremdmittelaufnahme auf Stufe der kollektiven Infrastrukturanlage oder ihren Zielfonds (und nicht erst auf Ebene der Infrastruktur-Firma).

Aus heutiger Sicht erscheint es daher einerseits fraglich, inwiefern sich Direktanlagen in Infrastrukturen bei Vorsorgeeinrichtungen in der Praxis durchsetzen werden. Andererseits konnte in den letzten Jahren bei Schweizer Pensionskassen ein langsamer, aber zunehmender Trend zur Anlage in Infrastrukturen beobachtet werden, indem diese solche Anlagen indirekt bzw. kollektiv über Anlagestiftungen tätigten. Aufgrund des hohen Kapitalbedarfs wurde bzw. wird dabei, wie oben beschrieben, auch auf eine Fremdfinanzierung auf Stufe Fonds oder Zielfonds zurückgegriffen. Zumindest für Anlagestiftungen und deren Anlagegruppen im Infrastruktur-Bereich ist dieses Vorgehen so auch explizit vorgesehen und erlaubt (Art. 28 Abs. 4 ASV: «Bei Anlagegruppen im Infrastruktur-Bereich dürfen der Fremdkapitalanteil des über Zielfonds gehaltenen Kapitals maximal 40 Prozent des Vermögens der Anlagegruppe und der Fremdkapitalanteil pro Zielfonds maximal 60 Prozent betragen»).

Es soll daher die Frage erlaubt sein, inwiefern aufgrund der beschriebenen Praxis das Potential der neuen Kategorie «Anlagen in Infrastrukturen» vollständig ausgeschöpft werden kann, wenn kollektive Anlagen in Infrastrukturen mit Fremdfinanzierung auf Stufe Fonds oder Zielfonds nach wie vor als alternative Anlagen zu kategorisieren sind. Die Motion Weibel verlangte nämlich unter anderem ausdrücklich, dass die Anlagekategorie "Infrastrukturanlagen" nicht länger als "alternative" Anlage zu betrachten sei.  

Zusammenfassung

Es erscheint inkonsequent, dass bei Anlagestiftungen und deren Anlagegruppen im Infrastruktur-Bereich explizit ein Fremdkapitalanteil auf Stufe Zielfonds zugelassen wird, diese Anlage gemäss der neuen BVV 2 aber weiterhin als alternative Anlage zu klassifizieren ist.

Zudem könnte die fehlende Möglichkeit, kollektive Anlagen in Infrastrukturen auf Stufe Fonds oder Zielfonds mit Fremdkapital zu finanzieren, dazu führen, dass sich die neu geschaffene Kategorie «Anlagen in Infrastrukturen» für Vorsorgeeinrichtungen in der Praxis nur bedingt durchsetzt und das Potential dieser neuen Anlageklasse nicht vollständig ausgeschöpft wird.

Damit würde wohl aber auch eine Chance verpasst, den Vorsorgeeinrichtungen zu ermöglichen, in grösserem Mass als bisher auch in ökologisch nachhaltige Projekte im In- und vor allem im Ausland zu investieren und die Energiewende mit Finanzierungsquellen aus dem privaten Sektor zu unterstützen.

 

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Marco Tiefenthal

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