Für eine Vorsorgeeinrichtung gehört der Umgang mit den Rentnern zum Tagesgeschäft: Aktive Versicherte pensionieren oder können als Folge einer Krankheit oder eines Unfalls invalid werden oder allenfalls versterben. Die daraus resultierenden Rentenleistungen müssen von der Vorsorgeeinrichtung langfristig finanziert werden, was für sie und die angeschlossenen Arbeitgeber im heutigen Umfeld eine grosse Herausforderung darstellen kann:
- Steigende Lebenserwartung: Gemäss den für Vorsorgeeinrichtungen massgebenden Grundlagen hat die Lebenserwartung in den letzten Jahren stetig zugenommen. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser Trend fortsetzt. Aber eine steigende Lebenserwartung bedeutet, dass eine Rentenleistung länger ausbezahlt und so mehr Kapital für die gleiche Leistung zurückgestellt werden muss.
- Anhaltende tiefe Zinsen: Rentner stellen üblicherweise keine Risikoträger dar, da mindestens die auf dem ursprünglichen Rentenanspruch basierende Leistung im Rahmen von Sanierungsmassnahmen nicht gekürzt werden kann. Folglich sollte das zur Finanzierung von Rentenverpflichtungen erforderliche Vermögen möglichst risikolos investiert werden, da ansonsten risikotragende Solidaritäten mit den aktiven Versicherten entstehen können. Eine risikolose Investition in Bezug auf die Rentner führt aber gleichzeitig zu einem höheren Kapitalbedarf, da langfristig weniger Erträge erwirtschaftet werden können.
- Veränderungen auf Seiten Arbeitgeber: Die Arbeitswelt und damit verbunden die Arbeitgeber unterliegen einem stetigen Wandel. Auf Seiten der Vorsorgeeinrichtung kann dies zu Veränderungen im Bestand der aktiven Versicherten oder gar zu Auflösungen von Anschlussverträgen führen, wie dies in unserem Blog zu möglichen Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf Vorsorgeeinrichtungen aufgezeigt worden ist. Eine Abnahme der aktiven Versicherten führt zu einer Zunahme der Rentnerlast verbunden mit einer abnehmenden Risikofähigkeit der Vorsorgeeinrichtung. Aus Sicht einer Vorsorgeeinrichtung ist es deshalb zentral, die Bestimmungen aus Anschlussvertrag und Teilliquidationsreglement in Bezug auf die Rentner so auszugestalten, dass die finanziellen Pflichten der Vorsorgeeinrichtung gegenüber denjenigen des Arbeitgebers in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.
- Finanzierungspflichten seitens Arbeitgeber: Im Rahmen einer Unterdeckung können für Arbeitgeber in Bezug auf seine Rentnerbestände mit entsprechender reglementarischer und anschlussvertraglicher Grundlage Sanierungspflichten in Form von Sanierungsbeiträgen entstehen. Zudem sind die Rentnerbestände für die Bilanzierung nach internationaler Rechnungslegung zu berücksichtigen, solange für den Arbeitgeber rechtliche und finanzielle Verpflichtungen bestehen.
Dazu kommen die durch kurzfristige Turbulenzen getriebenen Herausforderungen an den Anlagemärkten. Je nach Ausgangslage einer Vorsorgeeinrichtung können beispielsweise Ereignisse wie die COVID-19 Pandemie die langfristige Finanzierung von Rentnerbeständen gefährden, wobei die Entwicklungen aufgrund solch kurzfristiger Ereignisse mit Umsicht zu verfolgen sind.
Transfer von Rentnerbeständen als Lösungsansatz?
Für eine erfolgreiche Bewirtschaftung eines Rentnerbestandes spielt neben der Bewältigung der genannten Herausforderungen auch die Grösse desselben sowie der Anteil der aktiven Versicherten eine Rolle. Beispielsweise ist ein sehr kleiner Rentnerbestand ohne aktive Versicherte starken Schwankungen in Bezug auf die Langlebigkeit ausgesetzt, was zu höheren Kosten für die Vorsorgeeinrichtung führen kann. Gerade für solche Bestände könnte es interessant sein, den eigenen Rentnerbestand durch Übertragung an eine andere Vorsorgeeinrichtung mit anderen Rentnerbeständen zusammenzulegen. Doch gibt es überhaupt einen Anbietermarkt dafür?
Gestützt auf unsere Erfahrungen werden Rentner oftmals nur übernommen, wenn auch die aktiven Versicherten zur neuen Vorsorgeeinrichtung wechseln. Nichtdestotrotz gibt es reine Rentnerkassen oder unabhängige Sammelstiftungen, die Offerten für die Übernahme von reinen Rentnerbeständen abgeben. Einzelne Sammelstiftungen arbeiten weiter an Lösungen zur Übernahme von Rentnerbeständen ihrer Kunden resp. bieten eine solche bereits an (bspw. in Form eines Rentnerpools). Auch Anbieter der Vollversicherung haben ihre Bereitschaft kommuniziert, reine Rentnerbestände zu übernehmen.
Bei all diesen Lösungen ist darauf zu achten, dass im Rahmen der Übernahme von Rentnerbeständen die langfristige Finanzierung, allenfalls auch durch eine einmalige Zusatzfinanzierung durch den Arbeitgeber, sichergestellt ist und keine ungewollte Verwässerung der Ansprüche der bereits vorhandenen Versicherten erfolgt. Auch gilt es, das Rechtsverhältnis zum Arbeitgeber nach Übertragung dahingehend zu prüfen und zu regeln, inwiefern aus diesem eine rechtliche Bindung des Arbeitgebers in Bezug auf die Rentner mit der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung eingegangen wird und ob finanzielle Pflichten des Arbeitgebers entstehen (bspw. weitergehende Sanierungspflichten im Fall einer späteren Unterdeckung).
Ausblick: Neue Rahmenbedingungen gemäss Reformvorschlag
Im Rahmen der Botschaft zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. und Optimierung in der 2. Säule schlägt der Bundesrat für die Übernahme von Rentnern zwecks Vermeidung von Missbräuchen neue Rahmenbedingungen vor. Der Vorschlag sieht unter anderem vor, dass die Verpflichtungen in Bezug auf die Rentner ausreichend finanziert sein sollen (inkl. technische Rückstellungen und Wertschwankungsreserve). Es soll ein strukturierter Prozess inkl. Einbindung der Aufsichtsbehörden und des Experten für berufliche Vorsorge der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung etabliert werden. Dabei soll die Aufsichtsbehörde der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung nach Übernahme insbesondere darüber wachen, dass die für den übernommen Rentnerbestand gebildeten Vorsorgekapitalien und technischen Rückstellungen nur in begründeten Fällen angepasst werden. Dies mit dem Hintergrund, den Sicherheitsgedanken in Bezug auf die ausreichende Finanzierung von Rentnerbeständen weiter zu stärken und die Transparenz zu erhöhen.
Diese vorgeschlagenen Massnahmen können auf Seiten der übernehmenden Vorsorgeeinrichtung zu einem erhöhten Aufwand führen (insbesondere durch den Prozess zur Genehmigung der Übernahme durch die Aufsichtsbehörden). Weiter kann die Fortführung von Rückstellungen für den übernehmenden Rentnerbestand für die Vorsorgeeinrichtung die Attraktivität einer Übernahme eines Rentnerbestandes schmälern, da Solidaritäten zwischen den bereits existierenden Rentnerbeständen und den übernommenen Rentnerbeständen nur in begründeten Fällen zulässig sind. Nichtsdestotrotz sollten nach unserer Einschätzung die Möglichkeiten eines Rententransfers gegenüber der heutigen Rechtslage unter Anwendung der gebotenen Sorgfaltspflicht und einer fachmännischen Umsetzung durch den Reformvorschlag nicht eingeschränkt werden. Es bleibt abzuwarten, ob losgelöst oder mit der Reform eine Zusammenführung von Rentnerbeständen vermehrt stattfinden wird.
Zusammenfassung
- Die steigende Lebenserwartung, anhaltend tiefe Zinsen, Veränderungen und Finanzierungspflichten auf Seiten der Arbeitgeber stellen eine Herausforderung für die Führung von Rentnerbeständen dar.
- Ein Transfer von Rentnerbeständen an eine andere Vorsorgeeinrichtung zur Konsolidierung von Rentnerbeständen kann die finanziellen Verpflichtungen seitens bisheriger Vorsorgeeinrichtung und Arbeitgeber langfristig entlasten, wobei auf einmalige und/oder wiederkehrende Verpflichtungen des Arbeitgebers in Bezug auf Rentnerbestand zu achten ist.
- Mit den gemäss Botschaft zur Modernisierung der Aufsicht in der 1. und Optimierung in der 2. Säule vorgesehenen Änderungen sollen die finanziellen Anforderungen sowie die Transparenz im Rahmen eines Rentnertransfers erhöht, die Möglichkeit an sich eines Transfers aber nicht eingeschränkt werden.