Sozialversicherungen und Telearbeit: «Framework Agreement»

Stephen Turley Leader Employment Solutions, PwC Switzerland 07 Jun 2023

Die flexible Anwendung der Unterstellungsregeln im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens und des EFTA-Übereinkommens wurde nach der Pandemie aufgrund der Etablierung von Telearbeit bis zum 30. Juni 2023 verlängert. Demzufolge ändert sich derzeit nichts an der Sozialversicherungsunterstellung von Grenzgängern, welche ihre Tätigkeit im Homeoffice ausüben. Doch wie sieht das ab dem 1. Juli 2023 aus?

Auf europäischer Ebene sowie zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten wurde ein sogenanntes «Framework Agreement» ausgearbeitet, welches Grenzgängern bei einem Homeoffice-Anteil von weniger als 50% unter gewissen Voraussetzungen ermöglicht, im Sozialversicherungssystem im Staat ihres Arbeitgebenden verbleiben zu können. Diese Voraussetzungen betreffen einerseits die beiden betroffenen Staaten, andererseits aber auch die betroffenen Grenzgänger.

Die EU-Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie die entsprechende Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 bleiben nach wie vor in Kraft – und damit auch die sogenannte «25%-Regel» (Unterstellung im Wohnsitzstaat bei der dortigen Ausübung eines wesentlichen Teils der Tätigkeit). Das «Framework Agreement» ist eine Zusatzvereinbarung nach Art. 16 der EU-Verordnung (EG) Nr. 883/2004.

Definition von Telearbeit

Unter Telearbeit sind Arbeitstätigkeiten zu verstehen, die von einer Person ortsunabhängig ausgeübt werden können. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die digitale Vernetzung über Informationstechnologien, da Mitarbeitende weiterhin mit ihrem Arbeitgebenden und dem entsprechenden Arbeitsumfeld verbunden sein müssen, um ihre Tätigkeit ausüben zu können. Demzufolge fallen ausschliesslich manuelle Arbeiten nicht unter diese Definition. Ebenfalls nicht darunter fallen beispielsweise Kundenbesuche, da diese physisch an einem bestimmten Ort stattfinden müssen.

Der genaue Sachverhalt ist nach wie vor pro Mitarbeitenden individuell zu evaluieren, um die Sozialversicherungsunterstellung korrekt zu ermitteln.

Voraussetzungen

Damit das «Framework Agreement» überhaupt angewendet werden kann, müssen sowohl der Wohnsitzstaat als auch der Staat, in dem der Arbeitgebende seinen Sitz hat, dieses unterzeichnet haben. Die Schweiz sowie Deutschland, Liechtenstein und Österreich haben die Absicht, dies zu tun – Frankreich und Italien sind hingegen derzeit noch unklar. Nebst unseren Nachbarstaaten planen nachfolgende Länder, die Vereinbarung zu unterzeichnen: Belgien, Estland, Finnland, Ungarn, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, die Slowakei, die Tschechische Republik und Norwegen.

Hier finden Sie die offizielle Liste der Länder, die sich für die Teilnahme entschieden haben (wird wöchentlich akutalisiert).

Damit das Agreement auf Mitarbeitende angewendet werden kann, müssen diese wiederum unter die EU-Verordnung oder das EFTA-Übereinkommen fallen – die Nationalität spielt demzufolge eine massgebende Rolle. Zudem müssen sie mindestens 25%, aber weniger als 50% ihrer gesamten Arbeitszeit im Wohnsitzstaat ausüben und dürfen nur einen einzigen Arbeitgebenden (oder mehrere, aber alle im gleichen Mitgliedstaat) haben, ansonsten kommt die reguläre Verordnung zur Anwendung.

Antrag

Um das «Framework Agreement» anwenden zu können, ist pro Mitarbeitenden ein entsprechender Antrag zu stellen – dieser erfordert das Einverständnis des Arbeitgebenden sowie des Mitarbeitenden. Der Antrag ist im Sitzstaat des Arbeitgebenden zu stellen, wo gewünscht wird, dass der Mitarbeitende auch den Sozialversicherungen unterstellt bleibt. Grundsätzlich ist dies frühestens ab dem Inkrafttreten (bei beiden Vertragsstaaten) möglich und sollte generell immer im Voraus beantragt werden, es können jedoch bis zu drei bereits vergangenen Monaten inkludiert werden. Aufgrund einer Übergangsregelung bis und einschliesslich 30. Juni 2024 kann der Antrag sogar für 12 Monate rückwirkend (bis maximal zum Datum des Inkrafttretens) gestellt werden, sofern noch keine Beiträge im anderen Staat entrichtet worden sind. Das entsprechende A1-Zertifikat, welches aufgrund des Antrags ausgestellt wird, ist für maximal 3 Jahre gültig.

Fazit

Das neue «Framework Agreement» erhöht die Flexibilität für Arbeitgebende, welche ihren Grenzgängern Homeoffice ermöglichen möchten, stellt jedoch in der Umsetzung aufgrund der vielschichtigen Voraussetzungen auch eine Herausforderung dar. Der Sachverhalt muss genau im Blick behalten werden – es ist nach wie vor keine «one-fits-all»-Lösung. Es darf zudem nicht vergessen werden, dass sich das «Framework Agreement» ausschliesslich auf die Sozialversicherungsunterstellung bezieht und weitere Themenkreise wie z.B. Steuern ausser Acht lässt. Mit unserer grossen Erfahrung in diesem Bereich können wir Sie jedoch gerne individuell beraten und bei der konkreten Umsetzung unterstützen.

 

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Stephen Turley

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Melanie Imper

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