Spätestens als am 16. März 2020 vom Bundesrat die «ausserordentliche Lage» ausgerufen wurde, haben viele Firmen ihre Mitarbeitenden ins Home-Office geschickt – sofern das überhaupt ging. In diesem Blog beleuchten wir diese Situation im Hinblick auf die Sozialversicherungsunterstellung.
Mit der Erklärung der «ausserordentlichen Lage» hat der Bundesrat vor gut einem Jahr die Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung verschärft. Damit hielt er die Bevölkerung dazu an, sämtliche unnötigen sozialen Kontakte zu vermeiden und möglichst zu Hause zu bleiben. Zusammen mit anderen Massnahmen, die in der Zwischenzeit gelockert wurden, wurde auch die Home-Office-Pflicht aufgehoben – es handelt sich derzeit lediglich noch um eine Empfehlung.
Bei Mitarbeitenden, die ausserhalb der Schweiz ansässig sind, wirft das die Frage nach der Sozialversicherungsunterstellung auf. Grundsätzlich dürfen sie regelmässig nur weniger als 25% ihrer physischen unselbstständigen Tätigkeiten von ihrem Wohnort (Wohnsitzstaat) aus arbeiten, damit sie dort nicht für alle Tätigkeiten sozialversicherungspflichtig werden. Als Grundlage dafür dienen die Bestimmungen zwischen der Schweiz und der EU (Art. 13 der Verordnung Nr. 883/2004). Diese Regelung ist anwendbar auf die Schweiz, die EU und deren Nationalitäten sowie auf die EFTA. Beamte und weitere Sonderfälle/Sondersituationen wie mehrere Arbeitergeber müssen speziell betrachtet werden. Hier müssen die Arbeitgebenden weitere Bestimmungen im Detail hinzuziehen.
Freizügigkeitsabkommen, EU-/EFTA-Übereinkommen oder zweiseitiges Sozialversicherungsabkommen
Für Personen die dem Freizügigkeitsabkommen, dem EU-/EFTA-Übereinkommen oder einem zweiseitigen Sozialversicherungsabkommen unterstehen und die vor der Anordnung zum Home-Office physisch in der Schweiz gearbeitet haben, kommt die sogenannte «flexible Anwendung der Unterstellungsregeln» zur Anwendung. Die zeitliche Dauer dieser Vereinbarungen mit den einzelnen Ländern unterscheidet sich jedoch: Während sie mit Deutschland, Italien, dem Fürstentum Liechtenstein und Österreich bis zum 31. Dezember 2021 verlängert wurde, gilt sie mit Frankreich nur bis zum 30. September 2021. Für die anderen Staaten gilt diese Anwendung derzeit ebenfalls bis zum 31. Dezember 2021. Basierend darauf wird diese befristete Anordnung nicht als Erwerbstätigkeit in mehreren Staaten gewertet. Mit anderen Worten: Grenzgänger mit verordnetem Home-Office bleiben in der Schweiz sozialversicherungsunterstellt (z.B. 100% Tätigkeit in der Schweiz vor Covid). Eine Entsendebescheinigung (A1) brauchen sie dafür nicht. Auch für Grenzgänger, die bereits vor dem Coronavirus gewöhnlich/regelmässig in mehreren Staaten tätig und damit Schwankungen unterworfen waren, ändert sich grundsätzlich nichts an der Versicherungsunterstellung. Sobald sich die epidemiologische Lage jedoch wieder normalisiert hat, gelten wieder die üblichen Unterstellungsegeln.
Ohne Sozialversicherungsabkommen
Normalerweise müssen Personen mit Wohnsitz in einem Staat ohne Sozialversicherungsabkommen und Erwerbstätigkeit in der Schweiz auch in der Schweiz sozialversichert werden. Dies gilt ebenfalls, wenn die Tätigkeit vorübergehend aufgrund des Coronavirus im Wohnsitzland ausgeübt wird.
Arbeitnehmende, welche ihre neue Schweizer Arbeitsstelle im Home-Office angetreten haben, werden ebenfalls dem Schweizer Recht unterstellt. Die Versicherungsunterstellung umfasst alle Versicherungszweige mit Ausnahme der Krankenversicherung, denn diese bedarf physischer Präsenz. Das BAG hat dazu das Merkblatt «Coronavirus: Auswirkungen auf die Krankenversicherung bei Themen mit internationalem Bezug» veröffentlicht.
Krankenversicherung: Versicherungspflicht und Optionsrecht
Für die Betroffenen einiger umliegender Staaten existiert die Möglichkeit, dass sie für sich und ihre nichterwerbstätigen Familienangehörigen optieren, im eigenen Land versichert zu bleiben. Dieses Optionsrecht müssen sie innerhalb von drei Monaten ab Beginn des Arbeitsvertrags wahrnehmen und es ist nur für sozialversicherungsrechtliche Grenzgänger gültig. Diese kehren mindestens einmal wöchentlich an ihren Wohnort im Ausland zurück. Die Gemeinsame Einrichtung KVG stellt weiterführende Informationen diesbezüglich zur Verfügung.
Für Mitarbeitende ohne Optionsrecht besteht gemäss der Auskunft des BAG keine Möglichkeit, den Versicherungsbeginn in der Schweiz hinauszuschieben.
Für Personen aus Drittstaaten ist der Vor-Ort-Arbeitsbeginn massgebend
Anders verhält es sich bei Personen aus Drittstaaten. Für sie ist eine Versicherung erst ab dem physischen Arbeitsbeginn in der Schweiz möglich. Dazu zwei Beispiele:
Beispiel 1
Ein deutscher Arbeitnehmer hätte seine Stelle am 4. Mai 2021 in Zürich angetreten (Vertragsbeginn: 1. Mai 2021), konnte jedoch aufgrund von COVID-19 nicht einreisen. Stattdessen hat er seinen ersten Arbeitstag im Home-Office in Deutschland verbracht. Innerhalb von drei Monaten ab dem 1. Mai 2021 muss er sich bei einer Schweizer Krankenkasse versichern. Von seinem Optionsrecht, in der Krankenversicherung zu verbleiben, muss er ebenfalls innerhalb von drei Monaten Gebrauch machen.
Beispiel 2
Ein malaysischer Arbeitnehmer hätte seine Stelle am 4. Mai 2021 in Zürich angetreten (Vertragsbeginn: 1. Mai 2021), konnte jedoch aufgrund von COVID-19 nicht einreisen. Stattdessen hat er seinen ersten Arbeitstag im Home-Office in Malaysia verbracht. Am 20. August 2021 darf er einreisen und seine Stelle vor Ort in Zürich antreten. Folglich muss er ab dem 20. August 2021 eine Versicherung bei einer Schweizer Krankenkasse abschliessen.