Der Bundesrat hat am 7. Oktober 2020 beschlossen, das neue Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung umzusetzen. Die erste Etappe tritt am 1. Januar 2021, die zweite am 1. Juli 2021 in Kraft.
Angehörige übernehmen bei der Pflege und Betreuung kranker und pflegebedürftiger Personen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft. Deshalb will der Gesetzgeber die Vereinbarkeit mit der Erwerbstätigkeit verbessern. Das Parlament hat das neue Gesetz bereits am 20. Dezember 2019 verabschiedet; ein Referendum wurde nicht ergriffen. Daher hat der Bundesrat nun in der ersten Etappe die Lohnfortzahlung bei kurzen Abwesenheiten geregelt, die Betreuungsgutschriften in der Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV ausgeweitet und den Anspruch auf den Intensivpflegezuschlag und die Hilflosenentschädigung der Invalidenversicherung IV für Kinder angepasst.
Die zweite Etappe umfasst den bezahlten 14-wöchigen Urlaub für die Betreuung von schwerkranken oder verunfallten Kindern. Die Pflegenden können den Urlaub tageweise oder am Stück innerhalb von 18 Monaten beziehen. Die Ausführungsbestimmungen dazu werden in einem zweiten Schritt verabschiedet.
Kurzzeitige Abwesenheiten betrifft Arbeitgebende
Bisher regelte das Obligationenrecht (OR) eine bezahlte Absenz zur Betreuung von kranken oder verunfallten Familienmitgliedern oder Lebenspartnern nicht. Viele Unternehmen verankerten das in ihren Reglementen und ermöglichen ihren Mitarbeitenden bis zu drei Tagen bezahlten Urlaub. Nun soll diese Regelung auch im OR abgebildet werden: Der bezahlte Urlaub pro Fall beträgt maximal drei Tage. Allerdings dürfen zehn Tage pro Jahr nicht überschritten werden. Sie als Arbeitgebende müssen Ihre Vertragsbestimmungen und Reglemente entsprechend anpassen und gegebenenfalls eine zusätzliche Absenzenart in Ihrer Zeiterfassung einrichten.
Betreuungsgutschriften der AHV
Betreuungsgutschriften sind keine direkten Geldleistungen. Sie gelten vielmehr als Zuschläge zum rentenbildenden Erwerbseinkommen und können nach dem 17. Geburtstag bis längstens zum 31. Dezember des Jahres des Rentenalters angerechnet werden. Anspruchsberechtigt waren bisher Personen, die pflegebedürftige, leicht erreichbare Verwandte (Wohnort nicht weiter als 30 Kilometer entfernt und weniger als eine Stunde Anreise) betreuen. Diese Verwandten beziehen von der AHV, IV, Unfall- oder Militärversicherung eine Hilflosenentschädigung mittleren oder schweren Grades.
Dank der Pflege durch Angehörige können mehr pflegebedürftige Personen ein selbstständiges Leben zu Hause führen. Deshalb will der Gesetzgeber den Anspruch auf Betreuungsgutschriften auch auf die Pflege von Personen mit einer Hilflosenentschädigung leichten Grades ausdehnen. Ebenfalls anspruchsberechtigt sind Lebenspartner, die mindestens seit fünf Jahren im gleichen Haushalt leben.
Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag
Nach bisheriger Regelung erlosch der Anspruch auf Hilflosenentschädigung und einen allfälligen Intensivpflegezuschlag für Minderjährige, die einen Aufenthalt in einer Institution oder Heilanstalt verbrachten, etwa zur Durchführung von Eingliederungsmassnahmen und medizinischen Massnahmen. Neu erlischt dieser Anspruch nicht mehr bei einem Aufenthalt von weniger als einem vollen Kalendermonat. Ist die Anwesenheit der Eltern beim Kind länger als einen Kalendermonat notwendig und wird das durch das Spital bestätigt, wird die Hilflosenentschädigung auch länger ausbezahlt.
Tragen die Eltern die Kosten für einen Aufenthalt ihres Kindes im Heim selber – beispielsweise, weil sie sich für ein Wochenende entlasten möchten –, werden die Hilflosenentschädigung sowie ein allfälliger Intensivpflegezuschlag ebenfalls weiterbezahlt.
Korrektur Ergänzungsleistungen (EL)
Gleichzeitig mit der ersten Etappe des Gesetzes über die Angehörigenbetreuung tritt eine Korrektur der Reform der EL in Kraft. Dabei geht es um die anrechenbaren Mietzinskosten bei der EL-Berechnung von Bezügerinnen und Bezügern, die in Wohngemeinschaften mit Personen leben, die nicht in die EL-Berechnung eingeschlossen sind. Bislang wurden die Haushaltsmaxima zu gleichen Teilen auf alle Personen aufgeteilt. Dadurch entstand eine Benachteiligung gegenüber Bezügerinnen und Bezügern, die beispielsweise nur in einem Zweipersonenhaushalt zusammenleben. Mit der Anpassung berechnet sich der Betrag nun gleich wie für Zweipersonenhaushalte.
Anpassungsbedarf im Auge behalten
Die Pflege von kranken und pflegebedürftigen Angehörigen erfordert Kraft und Zeit. Sie ist daher nur schwer mit einer Erwerbstätigkeit vereinbar. Gleichzeitig entlastet sie die Pflegeeinrichtungen und bietet den Vorteil, dass sich kranke und pflegebedürftige Personen in ihrem gewohnten Umfeld aufhalten können. Die gesetzlichen Anpassungen sollen die Vereinbarkeit mit dem Berufsleben und die Entschädigung für Eltern mit Kindern mit Anspruch auf Hilflosenentschädigung und Intensivpflegezuschlag verbessern. Personen, die EL beziehen und in einer Wohngemeinschaft leben, sollen nicht länger benachteiligt werden.
Für Sie als Arbeitgebende relevant sind die kurzzeitigen Absenzen und der 14-wöchige Urlaub. Dieser tritt allerdings erst am 1. Juli 2021 in Kraft. Sicherlich werden Sie dafür Ihr Zeiterfassungssystem anpassen und allenfalls Verträge sowie Reglemente überarbeiten müssen.