Verordnungsänderung bei Arbeits- und Ruhezeiten

Melanie Imper Manager, Employment Solutions, PwC Switzerland 27 Okt 2020

Der Bundesrat hat am 18. September 2020 eine Anpassung der Verordnung zum Arbeitsgesetz (ArGV 1) beschlossen, die per 1. November 2020 in Kraft tritt. Damit will er Unklarheiten bei der Anwendung der Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen ausräumen.

Unklare Formulierungen in der ArGV 1 haben bislang immer wieder zu unterschiedlichen Auslegungen in der Praxis geführt. Die jüngsten Änderungen sollen nun bei den betroffenen Artikeln mehr Klarheit zur praktischen Umsetzung schaffen. Unter anderem definieren sie die Anrechnung von Hin- und Rückreise bei Dienstreisen ins Ausland, die exakte Arbeitswoche für die Berechnung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit und den Umgang mit der medizinischen Eignungsuntersuchung bei dauernder Nachtarbeit.

Dienstreisen ins Ausland

Die ArGV 1 hält derzeit in Art. 13 Abs. 1 fest, dass «der Weg zu und von der Arbeit» nicht als Arbeitszeit gilt. Diese Bestimmung wird nun dahingehend präzisiert, dass es nicht um den Weg an sich, sondern um die Zeit für den Weg geht. Ein neuer Absatz 3bis hält fest, dass bei Dienstreisen ins Ausland die Zeit für die in der Schweiz zurückgelegte Hin- und Rückreise als Arbeitszeit angerechnet wird, sofern sie diejenige des gewöhnlichen Arbeitsweges übersteigt. Es ist dabei irrelevant, welches Transportmittel der Arbeitnehmende verwendet oder welche Arbeitstätigkeit er tatsächlich ausübt. Da sich das Arbeitsgesetz auf das Territorium der Schweiz beschränkt, muss der Umgang mit der Reisezeit im Ausland vertraglich geregelt werden (vorbehaltlich des zwingenden ausländischen Rechts).

In Abweichung zu den Regeln zu Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit ist für die Arbeitszeit, die durch die Hin- und Rückreise an den betroffenen Tagen oder Uhrzeiten erwächst, keine Bewilligung notwendig. Weiterhin eingehalten werden müssen hingegen die Bestimmungen zu Lohn- und Zeitzuschlägen sowie Ruhezeit. Letztere dauert elf Stunden. Der Arbeitgebende muss sie dem Arbeitnehmenden unmittelbar nach dessen Rückreise an den Wohnort gewähren.

Arbeitswoche und zusammengesetzter ununterbrochener Betrieb werden präzisiert

Die bisherigen Bestimmungen waren insofern unklar formuliert, als dass sie den Beginn und das Ende der Woche lediglich mit Tagen, jedoch nicht mit Uhrzeiten festlegten. Damit war in mehrschichtigen Betrieben unklar, zu welcher Woche die Arbeitszeit zwischen Sonn- und Montag zählt.

Die neue Bestimmung in Art. 16 Abs. 1 ArGV 1 legt nun eindeutig fest, dass die Arbeitswoche am Montag um 0.00 Uhr beginnt und am Sonntag um 24.00 Uhr endet. Die in diesem Zeitraum geleistete Arbeitszeit bildet somit unabhängig von mehrschichtigen Systemen die wöchentliche Arbeitszeit.

Beim zusammengesetzten ununterbrochenen Betrieb waren bislang Wochenendschichten zwischen Donnerstagabend und Montagmorgen (vier Nächte) zulässig, solange die Arbeitnehmenden unter anderem in keiner Schicht mehr als zehn Stunden Arbeitszeit innerhalb von zwölf Stunden leisten mussten. Neu darf die Arbeitszeit in der Nacht einmal auch mehr als zehn Stunden in einem Zeitraum von zwölf Stunden betragen. Dann darf jedoch nur in drei Nächten gearbeitet werden (Art. 39 Abs. 2 Bst. b ArGV 1).

Neue Bestimmung zu Sonn- und Feiertagsarbeit

Mit der Anpassung der ArGV 1 hat der Bundesrat eine spezifische Regelung zum Lohnzuschlag und zur Ersatzruhe bei Sonn- und Feiertagsarbeit eingeführt. Bislang wurde die Definition der vorübergehenden und dauernden Sonntagsarbeit aus den Abgrenzungskriterien für die Bewilligungszuständigkeit in Art. 40 Abs. 3 und 4 ArGV 1 abgeleitet.

Bei maximal sechs Einsätzen pro Jahr handelt es sich um vorübergehende Sonntagsarbeit. In diesem Fall schuldet der Arbeitgebende zusätzlich zur Ersatzruhe einen Lohnzuschlag von 50%. Stellt sich dagegen erst im Verlauf eines Kalenderjahres heraus, dass ein Arbeitnehmender wider Erwarten Sonntagsarbeit an mehr als sechs Sonntagen leisten muss, so bleibt der Lohnzuschlag für die ersten sechs Sonntage geschuldet.

Obligatorische medizinische Untersuchung und Beratung

Bisher schrieb die Verordnung eine medizinische Untersuchung für Jugendliche vor, die dauernd oder regelmässig wiederkehrend – also mehr als zehn Nächte pro Jahr (vgl. Art. 12 Abs. 4 ArGV 5) – zwischen 1.00 Uhr und 6.00 Uhr Nachtarbeit leisten. Neu fällt diese zeitliche Beschränkung der Nachtarbeit in Abstimmung mit Art. 12 der Verordnung 5 zum Arbeitsgesetz (Jugendarbeitsschutzverordnung) weg. Die medizinische Untersuchung und Beratung ist nun generell für Jugendliche, die dauernd oder regelmässig Nachtarbeit leisten, obligatorisch.

Normalerweise muss die Untersuchung alle zwei Jahre erfolgen. Neu kann diese aber zusammen mit einer verkehrsmedizinischen Untersuchung koordiniert werden, sofern diese die für die Beurteilung der Eignung zur Nachtarbeit massgeblichen Aspekte berücksichtigt. In einem solchen Fall kann der Abstand einer Untersuchung um bis zu einem Jahr verlängert werden. Damit wollte der Gesetzgeber die verschiedenen gesetzlichen Fristen harmonisieren. Bei einer Zusammenlegung der Untersuchungen müssen die Resultate sich jedoch nicht zwingend decken.

Die aktuelle Gesetzgebung schreibt vor, dass die Ärzte sowohl den Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden als auch dem Staatssekretariat für Wirtschaft SECO die Eignung oder Nichteignung mitteilen müssen. Bei bedingter Eignung kann das SECO in Rücksprache mit den Ärzten eine ganze oder teilweise Beschäftigung in der Nacht bewilligen, sofern die notwendigen Massnahmen für den Gesundheitsschutz befolgt wurden. Diese Beurteilung ist aus der Ferne allerdings nur schwer möglich; daher hat bis jetzt niemand davon Gebrauch gemacht. Die Ärzte müssen das Ergebnis nicht länger mitteilen, denn das SECO hat weder genug Ressourcen für die administrative Verwaltung noch die Möglichkeit, effektiv zu überprüfen, ob alle Betriebe die notwendigen medizinischen Untersuchungen durchgeführt haben.

Mehr Klarheit und Stringenz

Die Anpassungen der ArGV 1 sorgen insgesamt für mehr Klarheit und inhaltliche Stimmigkeit in den betroffenen Thematiken. Sie passen sich im Hinblick auf die Information der Behörden bei Eignung zur Nachtarbeit dem gelebten Alltag an. Das wird die praktische Umsetzung erleichtern. Arbeitgebende müssen prüfen, inwieweit sie sich auf diese Anpassungen vorbereiten müssen. Allenfalls könnten die Anpassungen Änderungen im Geschäftsalltag, in der Zeiterfassung, in den Arbeitsverträgen oder in Personalreglementen erfordern. 

 

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