Die nationalen und internationalen Standardsetter für die nichtfinanzielle Berichterstattung machen Tempo. Das setzt die Unternehmen unter Druck. Denn die Umsetzung geht mit einer neuartigen Offenlegungssystematik, einer erhöhten Periodizität und einem neuen Mindset einher. Und mit mehr Verantwortung auf Führungsebene.
Standard ist, dass es keinen gibt – das galt lange für die Berichterstattung von Umweltzielen, gesellschaftlichen Aspekten und Governance-Themen (ESG). Das dürfte sich nun ändern, da der nationale und internationale Vereinheitlichungsprozess für die nichtfinanzielle Berichterstattung sich beschleunigt.
Im April 2021 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) veröffentlicht, die die Nonfinancial Reporting Directive (NFRD) von 2014 ersetzen soll. Die Richtlinie soll bis zum 1. Dezember 2022 in nationales Recht umgesetzt und erste Offenlegungsstandards bis am 31. Oktober 2022 verabschiedet werden. Grosse und kapitalmarktorientierte Unternehmen müssen also bereits das Berichtsjahr 2023 nach CSRD offenlegen. Die Schweiz gleicht sich mit der Umsetzung des Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungs-initiative (KVI) zumindest an die NFRD an. Voraussichtlich jedoch ohne die explizite Verknüpfung mit einem Berichterstattungsstandard. Auch hier wird eine erste Anwendung für 2023 erwartet.
Die geplanten Standards beeinflussen das zukünftige ESG-Reporting wesentlich:
3.1 Offenlegung von Klimarisiken
Am 18. August 2021 hat der Bundesrat seinen Exekutiventscheid kommuniziert, wonach die Klimarisikooffenlegung als Pflicht in einer ergänzenden Verordnung hinsichtlich der Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags zur KVI festzuschreiben ist. Dies wohl massgeblich mit beeinflusst durch die jüngsten Veröffentlichungen des Weltklimarats IPCC und den weltweiten ähnlichen Regulierungsbestrebungen rund um Klimarisiko-Offenlegungen.
Das bedingt ein Umdenken in der Abbildung nichtfinanzieller Risiken. Bisher standen Grössen wie Energie- und Wasserverbrauch oder der CO2-Ausstoss nach Emissionsquellen (Scope 1, 2 und 3) im Vordergrund; also der CO2-Fussabdruck eines Unternehmens. Neu müssen die Verantwortlichen analog zum klassischen Risikomanagement die finanziellen Auswirkungen eruieren, die mit unterschiedlichen Erreichungsgraden der Klimaziele und Massnahmen einhergehen. Auch die Auswirkung eines Unternehmens auf die Klimaerwärmung (‘double materiality’) wird berechnet. Zum Beispiel kann eine Erhöhung der CO2-Preise die ökonomische und kapitalmarktbezogene Position eines Unternehmens fundamental verändern.
3.2 Lieferkettentransparenz
Die Standardsetter verlangen insgesamt mehr Transparenz in der Lieferkette. In der Schweiz stehen Kinderarbeit und Konfliktmaterialien im Mittelpunkt. Deutschland strebt die Einführung eines umfassenden Lieferkettengesetz an. Die EU hegt ähnliche Pläne, welche die Transparenz von Beschaffungsketten auch von Schweizer Unternehmen massgeblich beeinflussen wird.
Neu müssen die Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht nachweisen. Dazu brauchen sie ein aktives Lieferantenmanagement mit systematischen Informationserhebungsprozessen und ein griffiges Monitoring. Das ist gerade für stark vernetzte Unternehmen komplex, lassen sich doch gewisse Abhängigkeiten kaum ersetzen.
3.3 Digitales Format
Gemäss CSRD müssen die Nachhaltigkeitsinformationen in einem digitalen «Single Electronic Reporting Format» im Lagebericht erscheinen. Die Taxonomie dafür wird zeitgleich mit den Standards erwartet. In der Schweiz ist bislang keine solche Pflicht vorgesehen.
3.4 Prüfpflicht
Die CSRD enthält eine Pflicht zur externen Prüfung der Nachhaltigkeitsinformationen, zunächst mit begrenzter Sicherheit (limited assurance). Mittelfristig dürfte die Prüfung auf hinreichende Sicherheit (reasonable assurance) ausgeweitet werden. In der Schweiz ist noch keine Prüfpflicht in Sicht.
Das hohe Tempo der Standardsetter setzt die Unternehmen zeitlich und inhaltlich unter Druck. Entsprechend dem Berichtsjahr eines Unternehmens, sollen die ESG-Zahlen gleichermassen und zeitgleich wie die Finanzberichterstattung vorliegen. Demnach müssen sie schnellere Abschlussprozesse aufbauen, die auch mit Zwischenschritten, Abschätzungen und möglichen Hochrechnungen einhergehen. Die Unternehmen sollten daher die Periodizität ihrer Berichterstattung erhöhen und parallel dazu schnelle interne und externe Prüfmechanismen mit Zwischenprüfungen einführen.
Die Vereinheitlichung der Standards erfordert einen veränderten Umgang mit Daten. IT-Systeme sind mit Schnittstellen auszustatten, um neue Datenpunkte rechtzeitig und konsistent zu bedienen. Zudem brauchen die Unternehmen qualifizierte Mitarbeitende, die einen risikobasierten Reporting-Ansatz mittragen und die Verbindung zwischen den finanziellen und nicht-finanziellen Leistung eines Unternehmens auch in der Berichterstattung herstellen können.
Schliesslich kommt eine neue Verantwortung auf Verwaltungsräte, Audit-Committee-Mitglieder und CEOs zu. Fragen der Haftung zur Offenlegung werden Schritt für Schritt durch den Regulator auf diese Ebene gehoben und sprechen damit insbesondere den Kapitalmarkt und die Shareholder an.
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ESG steht für betriebliche Standards betreffend Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Immer mehr Stakeholder fordern heute Transparenz und Nachhaltigkeit und suchen nach Informationen, die über die Finanzberichterstattung eines Unternehmens hinausreichen.