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Von Brüssel nach Bern: Wie Schweizer Unternehmen die Vorteile des ESRS nutzen können

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  • 06/10/23

Die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) prägen die Art und Weise, wie Unternehmen über Nachhaltigkeit berichten. Was bedeutet dies für Schweizer Unternehmen, und wie können sie es zu ihrem Vorteil nutzen?


Dr. Philipp Thaler
Senior Manager, Sustainability and Climate Change
PwC Switzerland

Ralf Hofstetter
Director, Leader Trust & Transparency Solutions
PwC Switzerland


In den letzten Jahren haben sich Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien von einem Randthema zu einem Kernthema in Gesellschaft, Politik, Unternehmen sowie bei Investoren entwickelt. Als Teil des globalen Wandels hin zu einer nachhaltigen Entwicklung und zur Erreichung der Netto-Null-Ziele haben das Europäische Parlament und der Rat die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) eingeführt. Die Einzelheiten, wie Unternehmen ihre nichtfinanziellen Informationen gemäß dieser Richtlinie offenlegen müssen, sind in den Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) festgelegt, was einen wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung darstellt. Im Juli 2023 wurde das erste Set dieser Standards von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Was bedeutet das für die Schweizer Unternehmen?

CSRD und ESRS: Nachhaltigkeit durch Offenlegung

Das Hauptziel von CSRD ist die Förderung nachhaltiger Geschäftspraktiken um Marktversagen zu beheben, das auf einen Mangel an Informationen zwischen den verschiedenen Akteuren zurückzuführen ist. Die ESRS sind das Hauptinstrument des CSRD, um dieses Ziel zu erreichen:

  1. Schaffung von Transparenz im operativen Geschäft durch umfassende Offenlegung und gleichzeitig,

  1. Schaffung eines anwendbaren Standards, der eine echte Vergleichbarkeit ermöglicht.

Interessant ist, dass diese Vorschriften keine spezifischen ESG-Verpflichtungen auferlegen, sondern die Unternehmen stattdessen dazu verpflichten, umfassende Informationen offenzulegen. Der ESRS verkörpert einen eindeutig neoliberalen Marktansatz, der eher auf Transparenz als auf verbindliche Ziele oder Maßnahmen setzt. Indem er die Unternehmen zur Offenlegung spezifischer Informationen verpflichtet, erzeugt er nicht nur Marktdruck, sondern signalisiert auch eine klare Überzeugung: Transparenz fördert die Nachhaltigkeit. Da informierte Märkte nachhaltigere Unternehmen begünstigen, werden Unternehmen, die nachhaltigen Praktiken Vorrang einräumen, davon profitieren, während diejenigen, die zurückbleiben, Wettbewerbsnachteile riskieren. Letztlich dürfte dies die Branche zu einem nachhaltigen Fortschritt ermutigen.

Allein die Verpflichtung zur Offenlegung hat den Markt erheblich in Bewegung gebracht. Über die bloße Erfüllung der Offenlegungsnormen hinaus analysieren die Unternehmen aktiv Branchen-Benchmarks, die Positionen ihrer Konkurrenten und realisierbare Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitspraktiken. Nehmen wir zum Beispiel die CO2-Emissionen: Unternehmen sind zwar verpflichtet, ihre Emissionen offenzulegen, aber es gibt kein Mandat, sie zu reduzieren. Dennoch legen viele Unternehmen freiwillig Reduktionen fest und veröffentlichen diese Ziele. Diese selbst auferlegten Benchmarks fördern nicht nur die internen Bemühungen um einen umweltfreundlicheren Wandel, sondern erhöhen auch die externen Wettbewerbsstandards und zwingen Branchenkollegen, ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu verstärken.

Auf den ersten Blick mögen die ESRS wie ein komplizierter Regelungskoloss wirken. Doch sein Fundament ist auf vertrautem Terrain aufgebaut:

  • Ein modularer Aufbau, analog zur Global Reporting Initiative (GRI);

  • ein Berichtskonzept zur Offenlegung von Informationen zu vier Kernthemen (Governance; Strategie; Folgen-, Risiko- und Chancenmanagement; Kennzahlen und Ziele) für jedes wesentliche Thema, das sich an der Taskforce on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) orientiert; und

  • das Konzept der doppelten Wesentlichkeit, das von der EU bereits 2019 in den Leitlinien zur Berichterstattung über klimabezogene Informationen eingeführt wurde. Das erste Konzept, die "Impact Materiality" (Wesentlichkeit der Auswirkungen), nimmt eine "Inside-Out"-Perspektive ein, welche die Auswirkungen des Unternehmens auf die Umwelt, die Gesellschaft und andere externe Faktoren erfasst, und lehnt sich im Wesentlichen an die GRI-Standards an. Im Gegensatz dazu wird bei der "finanziellen Wesentlichkeit" eine Outside-in-Perspektive eingenommen, bei welcher der Einfluss externer Faktoren wie Umwelt, Wirtschaft und gesellschaftliche Fragen auf die finanzielle Lage des Unternehmens bewertet wird. Dieser Ansatz ist auf den Informationsbedarf von Investoren ausgerichtet und spiegelt den Ansatz des amerikanischen Sustainability Accounting Standards Board (SASB) wider. 

Bemerkenswert ist auch der Doppelcharakter der CSRD/ESRS als robustes Gesetz und definierender Standard. Es ist ein Novum, dass ein wichtiger Rechtsakt den Standard direkt formt, anstatt sich auf Normen zu stützen, die von gemeinnützigen Organisationen aufgestellt wurden. Diese Entwicklung in der Nachhaltigkeitsberichterstattung ist weitreichend und sorgt für eine beispiellose Transparenz und Vergleichbarkeit, nicht zuletzt, weil die Unternehmen verpflichtet sind, eine begrenzte Sicherheit für ihre ESRS-Berichte oder Leistungsindikatoren einzuholen. In Anbetracht der Tatsache, dass allein in der EU mehr als 50.000 Unternehmen unter den ESRS fallen, während sich seine Auswirkungen auf viele weitere multinationale Unternehmen außerhalb der EU-Grenzen erstrecken, setzt der ESRS unbestreitbar einen neuen Standard für ausgereifte Praktiken der Nachhaltigkeitsberichterstattung auf der ganzen Welt.

Dieser ehrgeizige Standard scheint zwar überwältigend zu sein, findet aber in der Branche breite Unterstützung. Nach mehreren Konsultationsrunden ist der ESRS nicht einfach von oben verordnet worden, sondern basiert auf der aktiven Beteiligung der EU-Kommission an den Unternehmen und gemeinnützigen Organisationen. 

Die CSRD und der ESRS sind eindeutig EU-Vorschriften, aber da sie Nachhaltigkeit durch Transparenz schaffen, überschreiten sie die Grenzen und betreffen somit auch Schweizer Unternehmen.

Für Schweizer Unternehmen ist das Inkrafttreten der CSRD und die Übernahme der ESRS, obwohl sie europäischen Ursprungs sind, von greifbarer Bedeutung. Auch wenn viele von ihnen nicht direkt den EU-Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung unterworfen sind, macht die Verflechtung der internationalen Märkte und Lieferketten, insbesondere mit europäischen Partnern, es für Schweizer Unternehmen zwingend erforderlich, diese zur Kenntnis zu nehmen. Während Schweizer Unternehmen mit großen und/oder börsennotierten Tochtergesellschaften in der EU direkt unter die Vorschriften fallen, ist die Übernahme der ESRS für kleinere und mittlere Schweizer Unternehmen, die in europäische Lieferketten eingebunden sind, nicht nur eine Frage der Compliance, sondern auch ein strategischer Schritt.

Sie bietet die Möglichkeit, nicht nur Kennzahlen, sondern eine ganzheitliche Perspektive auf Governance, Risiken, Auswirkungen und die Nachhaltigkeit des Unternehmens insgesamt darzustellen. Da der Markt, einschließlich Branchenführer und Investoren, nach Transparenz und Vergleichbarkeit verlangt, dient der ESRS als Leitfaden, Beschleuniger und Inkubator für die Nachhaltigkeitstransformation eines Unternehmens. 

Dabei sollten Schweizer Unternehmen dem ESRS nicht mit Angst begegnen, sondern ihm den gebührenden Respekt zollen, da der Einfluss des ESRS durch Marktanforderungen und integrierte Lieferketten spürbar wird. Zudem werden die Schweizer Vorschriften entweder angepasst oder an die EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung angeglichen, wie der Bundesrat angekündigt hat. Für Schweizer Unternehmen geht es also nicht nur darum, mit dem ESRS Schritt zu halten, sondern auch darum, sich eine Zukunft vorzustellen, in der Nachhaltigkeit und Wettbewerbsvorteile Hand in Hand gehen.

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) haben erhebliche Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen. Da die EU ihre Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung verschärft, könnten Schweizer Firmen mit Tochtergesellschaften in der EU die Auswirkungen spüren. Die Einführung dieser verbesserten Standards erfolgt in einem gestaffelten Zeitplan:

  • Ab dem 1. Januar 2024 (Berichterstattung über die Daten des Geschäftsjahres 2024): Unternehmen, die bisher unter den NFRD fallen, sowie große EU-Unternehmen und Unternehmen aus Drittländern, deren Wertpapiere an einer EU-Börse notiert sind. 

  • Ab 1. Januar 2025 (Meldung von Daten für das Geschäftsjahr 2025): Alle großen Unternehmen (einschließlich großer EU-Tochtergesellschaften von Nicht-EU-Muttergesellschaften), die nicht unter den NFRD fielen und zwei der folgenden drei Kriterien erfüllen:

    • mehr als 250 Beschäftigte

    • 40 Millionen € Umsatz

    • 20 Mio. € Bilanzsumme. 

  • Ab 1. Januar 2026 (Berichterstattung auf der Grundlage der Daten für das Geschäftsjahr 2026; 2-jähriges Opt-out möglich): Alle KMU, deren Wertpapiere an einer EU-Börse notiert sind.

  • Ab dem 1. Januar 2028 (Berichterstattung auf der Grundlage der Daten für das Geschäftsjahr 2028): Muttergesellschaften aus Drittländern mit mindestens einer großen EU-Tochtergesellschaft (oder einer Zweigniederlassung mit einem Umsatz von mehr als 40 Mio. EUR) und einem konsolidierten Umsatz von mehr als 150 Mio. EUR in der EU.

Nächste Schritte für Schweizer Unternehmen

Für Schweizer Unternehmen, die sich in der komplexen Materie der Nachhaltigkeitsberichterstattung zurechtfinden müssen, ist die unmittelbare Zukunft voller kritischer Überlegungen. Ein fünfstufiger Ansatz kann Ihnen den Weg durch das Labyrinth weisen:

  1. Erste Beurteilung: Der erste Schritt für Schweizer Unternehmen besteht darin, eine umfassende Bewertung der Anwendbarkeit der Vorschriften für die nichtfinanzielle Berichterstattung und ihrer derzeitigen Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzunehmen. Dazu gehören ein rechtlicher Abgleich mit den relevanten Nachhaltigkeitsvorschriften, die Identifizierung von Datenquellen, die Bewertung bestehender Strategien und Richtlinien sowie das Verständnis der Lücken bei der Anpassung an die ESRS und andere gesetzliche Anforderungen.

  2. Strategische Prioritätensetzung: Es ist von entscheidender Bedeutung, Prioritäten für die wichtigsten zu verbessernden Bereiche zu setzen, anstatt zu versuchen, alle Probleme gleichzeitig anzugehen. Durch eine strategische Prioritätensetzung können Organisationen ihre IT-, Finanz- und Personalressourcen effizient für die Aufgaben einsetzen, die die größte Wirkung haben.

  3. Datenüberprüfung: Stellen Sie sicher, dass die Daten, die Ihren Berichten zugrunde liegen, robust und überprüfbar sind, um einer externen Prüfung standzuhalten. Die Einführung eines systematischen Prozesses für die Datenerfassung und -überprüfung ist die Voraussetzung für eine genaue und zuverlässige Berichterstattung.

  4. Assurance: Ein vertrauenswürdiger Prüfdienstleister ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass Ihre endgültigen Nachhaltigkeitsberichte relevante gesetzlichen und verfahrenstechnischen Anforderungen erfüllen. Beauftragen Sie einen renommierten Prüfdienstleister mit der Durchführung der Prüfung und der anschließenden Veröffentlichung des Prüfberichts.

  5. Betrachten Sie den ESRS als einen wertvollen Leitfaden: Betrachten Sie den ESRS nicht als bloße Pflicht zur Einhaltung von Vorschriften, sondern als wertvollen Leitfaden zur Verbesserung Ihrer Nachhaltigkeitspraktiken. Der ESRS veranlasst zu einer gründlichen Überprüfung der Governance, der Auswirkungsrisiken und der Eignung für das Geschäft, was eine Umstellung auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell erleichtern kann.

Wie PwC helfen kann

In der sich entwickelnden Landschaft von ESRS und Nachhaltigkeitsberichterstattung ist PwC Ihr strategischer Partner. Hier erfahren Sie, wie wir Sie unterstützen können: 

  • Entwicklung eines Aktionsplans: PwC unterstützt Sie bei der Entwicklung eines detaillierten Aktionsplans, der auf die individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten Ihres Unternehmens zugeschnitten ist. Unser kooperativer Ansatz stellt sicher, dass wir Ihre spezifischen Anforderungen, die Praxis der Nachhaltigkeitsberichterstattung und die Lücken in Ihren aktuellen Angaben verstehen, um Ihnen zu helfen, sich in der ESRS- und Nachhaltigkeitsberichtslandschaft effektiv zurechtzufinden.

  • ‘Ein Bericht für alle’ Strategie: In Anbetracht der Überschneidungen zwischen ESRS und der Schweizer Nachhaltigkeitsberichterstattung könnte ein gestraffter "Ein-Bericht-für-alle"-Ansatz von Vorteil sein. Unser Ziel ist es, den Berichterstattungsprozess zu vereinfachen und den Aufwand zu minimieren und gleichzeitig die Einhaltung der Vorschriften und aussagekräftige Erkenntnisse zu gewährleisten.

  • Kontinuierliche Zusammenarbeit: Unser Engagement endet nicht mit der Entwicklung eines Aktionsplans. Wir bleiben ein strategischer Partner, der Sie bei der Umsetzung des ESRS unterstützt und berät, sich ständig an die sich entwickelnden Nachhaltigkeitsstandards anpasst und Ihnen hilft, der Nachhaltigkeitsentwicklungen voraus zu sein.

  • Vision der Transformation: PwC begleitet Sie nicht nur bei der Einhaltung von Vorschriften, sondern unterstützt Sie auch bei der Umsetzung Ihrer Vision von Nachhaltigkeit. Unser Ansatz stellt sicher, dass Ihr Weg zur Nachhaltigkeit nicht nur klar, sondern auch transformativ ist.

  • Vertrauenswürdiger Partner: PwC ist Ihr vertrauenswürdiger Partner für die Prüfung Ihrer Nachhaltigkeitsindikatoren und die anschließende Erstellung eines Prüfberichtes.

Dieser Ansatz, kombiniert mit der Expertise von PwC, zielt darauf ab, Schweizer Unternehmen einen unkomplizierten Leitfaden für die Verbesserung ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung und der gesamten unternehmerischen Nachhaltigkeit zu bieten.

Kontaktieren Sie uns

Dr. Philipp Thaler

Senior Manager, Sustainability & Climate Change, Zurich, PwC Switzerland

+41 79 422 62 08

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Ralf Hofstetter

Partner, Sustainability Assurance, PwC Switzerland

+41 58 792 5625

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