Am 20. März 2019 hat das Bundesgericht ein wichtiges Urteil zur Umsatzabgabe gefällt. Der Gerichtsentscheid behandelt zwei Fragestellungen, welche die Pflichten von Effektenhändlern im Bereich der Handhabung von blauen Effektenhändlerkarten und den Nachweis eines direkten Stellvertreterverhältnisses durch den Effektenhändler betreffen. In diesem Newsletter erläutern wir den Gerichtsentscheid und erklären, was dies für Schweizer Effektenhändler bedeutet.
Allgemeines zur Umsatzabgabe
Die entgeltliche Übertragung von Eigentum an steuerbaren Urkunden unterliegt der Umsatzabgabe, falls ein Schweizer Effektenhändler entweder als Vertragspartei oder als Vermittler in die Transaktion involviert ist und keine Ausnahme anwendbar ist.
Effektenhändler für Zwecke der Umsatzabgabe sind im Wesentlichen in der Schweiz domizilierte Banken, aber auch natürliche und juristische Personen, die für Dritte den Handel mit steuerbaren Urkunden betreiben oder Kauf und Verkauf von steuerbaren Urkunden vermitteln (z.B. Anlageberater, Vermögensverwalter), sowie Unternehmen und Einrichtungen der beruflichen Vorsorge, welche gemäss ihrer letzten Bilanz steuerbare Urkunden mit einem Buchwert von mehr als 10 Mio. CHF halten. Unter steuerbaren Urkunden versteht das Stempelabgabegesetz hauptsächlich Obligationen, Aktien und Anteile an kollektiven Kapitalanlagen.
1. Entscheid zur blauen Effektenhändlerkarte
Ein wichtiger Baustein der Umsatzabgabe ist das Selbstveranlagungsprinzip. Die Effektenhändler haben die Abgabe selber zu ermitteln und fristgerecht zu bezahlen. Die volle Verantwortung für eine korrekte Besteuerung liegt bei den Steuerpflichtigen.
Der Effektenhändler (nachfolgend «EH A»), der als Vermittler tätig ist, richtet für jede Vertragspartei, die nicht ein befreiter Anleger ist, eine halbe Umsatzabgabe ab. Aufgrund des vorhergenannten Selbstveranlagungsprinzips ist es Aufgabe des Effektenhändlers, die Vertragsparteien zu identifizieren und deren Qualifikation für die Umsatzabgabe zu bestimmen. Für eine Vertragspartei, die ebenfalls als Effektenhändler für die Umsatzabgabe qualifiziert ist (nachfolgend «EH B»), muss der EH A die Umsatzabgabe nicht abliefern. Die Banken, die Schweizerische Nationalbank und die zentralen Gegenparteien gelten ohne besonderen Ausweis als registrierte Effektenhändler. Im Gegensatz dazu müssen sonstige Effektenhändler (z.B. Anlageberater, Vermögensverwalter, Gesellschaften mit mehr als 10 Mio. CHF steuerbaren Urkunden in der Bilanz etc.) ihren Status durch die Abgabe einer blauen Effektenhändlerkarte nachweisen. Es ist dabei in der Stempelabgabeverordnung vorgesehen, dass EH B dem EH A die blaue Effektenhändlerkarte physisch abgibt und sich damit als Effektenhändler ausweist. Mit der Übergabe der blauen Effektenhändlerkarte signalisiert der EH B, dass er die Umsatzabgabe selber deklariert und abliefert, und der EH A die halbe Abgabe für EH B nicht abliefern muss. Aus Sicht des EH A entbindet ihn der Besitz einer blauen Effektenhändlerkarte von der Ablieferung der halben Umsatzabgabe für die Partei, von der er diese Karte erhalten hat (i.c. EH B). Diese Systematik ist in Abbildung 1 grafisch dargestellt.
Das Bundesgericht hat nun die Frage beurteilt, ob ein Effektenhändler (EH A) die Umsatzabgabe abliefern muss, wenn die Vertragspartei zwar ebenfalls ein Effektenhändler ist (EH B, im vorliegenden Fall eine Personalvorsorgestiftung und eine Versicherungsgesellschaft), dieser es jedoch versäumt hat, dem EH A die blaue Effektenhändlerkarte (rechtzeitig) physisch abzugeben.
Das Bundesgericht hat wie folgt entschieden:
- In Fällen, wo die Vertragspartei ein Effektenhändler ist («EH B»), dieser Effektenhändler (d.h. die Personalvorsorgestiftung und die Versicherungsgesellschaft) es jedoch unterlassen hat, EH A die blaue Effektenhändlerkarte zu übergeben, muss EH A die Umsatzabgabe abliefern. Die Tatsache, dass die Vertragspartei ein Effektenhändler ist, genügt allein noch nicht, um die Ablieferung der Umsatzabgabe zu unterlassen. Die Übergabe der blauen Karte ist zwingend notwendig.
- Die blaue Effektenhändlerkarte muss grundsätzlich spätestens zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses übergeben worden sein. Das Gericht erachtet es jedoch noch als zulässig, wenn die Effektenhändlerkarte innerhalb der drei Tage nach Geschäftsabschluss, in denen gemäss Stempelabgabeverordnung eine Transaktion ins Umsatzabgaberegister eingetragen werden muss, abgegeben wird. Eine noch spätere Übergabe der Effektenhändlerkarte wird hingegen nicht mehr anerkannt.
2. Entscheid zur direkten Stellvertretung
Gemäss Stempelabgabeverordnung muss jede abgabepflichtige Person ein Umsatzregister führen. Ein Umsatzregister dient der Eidgenössischen Steuerverwaltung dazu, die für die Abgabebemessung massgebenden Transaktionen ohne besonderen Aufwand prüfen zu können.
Wenn eine Person als direkter Stellvertreter für eine andere Person handelt, gilt für Zwecke der Umsatzabgabe die vertretene Person als Vertragspartei. Dies ist vor allem relevant für die Beurteilung, ob die Vertragspartei eine von der Umsatzabgabe befreite Partei ist. Im zu beurteilenden Fall war die Ansprechperson des Effektenhändlers («EH A») ein Asset Manager. Dieser Asset Manager war der direkte Stellvertreter eines ausländischen Fonds. Der Asset Manager ist ein Effektenhändler, hat sich gegenüber dem EH A allerdings nicht als solcher ausgewiesen. Die Vertragspartei (d.h. der ausländische Fonds) ist ein von der Umsatzabgabe befreiter Anleger. Somit müsste der EH A die halbe Umsatzabgabe für den ausländischen Fonds nicht abliefern.
Allerdings hat der EH A das direkte Stellvertreterverhältnis im Umsatzabgaberegister nicht klar dargestellt. Der Effektenhändler hat im Umsatzabgaberegister eine Spalte mit der Überschrift «Counterparty Name», in welche er den Asset Manager eingetragen hat, und eine zusätzliche Spalte mit der Überschrift «CPTY Name 2», in welche er (zumindest in gewissen Fällen) den ausländischen Fonds eingetragen hat, geführt. Das Gericht befand, dass in jenen Fällen, wo in beiden Spalten ein Eintrag gemacht wurde, die ESTV aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes verpflichtet gewesen wäre, im Rahmen des ihr Zumutbaren Nachforschungen zu den tatsächlichen Vertragsverhältnissen anzustellen und die Unklarheiten zu beseitigen. Sie wäre verpflichtet gewesen, zu untersuchen, wer in den einzelnen Fällen die Vertragspartei ist. In jenen Fällen hingegen, wo der Steuerpflichtige im Umsatzabgaberegister nur den Asset Manager deklariert hat, hat sich der Steuerpflichtige für die Zwecke der Umsatzabgabe auf diese Angabe behaften zu lassen. Das Stellvertreterverhältnis ist in Abbildung 2 grafisch dargestellt.
Empfehlung
Der Bundesgerichtsentscheid führt wieder vor Augen, dass die Umsatzabgabe eine sehr formelle Steuer ist und dies sich auch in den Verfahrenspflichten niederschlägt. Den Schweizer Effektenhändlern ist daher zu empfehlen, Folgendes zu überprüfen:
- Überprüfen Sie, ob Sie von sämtlichen Vertragsparteien, welche Sie in Ihrem Umsatzabgaberegister als Effektenhändler behandeln und für welche Sie dementsprechend keine Umsatzabgabe abliefern, eine blaue Effektenhändlerkarte besitzen (dies gilt nicht für die folgenden Vertragsparteien, welche auch ohne die blaue Effektenhändlerkarte als Effektenhändler anerkannt werden: Banken, die Schweizerische Nationalbank und zentrale Gegenparteien).
- Überprüfen Sie, wie Sie direkte Stellvertreterverhältnisse (z.B. Fonds-Manager als Stellvertreter für einen Fonds) in Ihrem Umsatzabgaberegister abbilden. Es ist zu empfehlen, dass der Stellvertretene unmissverständlich im Umsatzabgaberegister als Vertragspartei identifiziert werden kann und dass Sie eine entsprechende Dokumentation bereithalten, welche das zivilrechtliche Vertragsverhältnis belegt.