Das neue «Global Forum Gesetz»: Abschaffung der meisten Inhaberaktien und verschärfte Meldepflichten

Dr. Benjamin Fehr Partner, Legal, PwC Switzerland 11 Okt 2019

Als Folge des immer grösser werdenden internationalen Drucks hinsichtlich Transparenz und Informationsaustausch hat das Parlament am 21. Juni 2019 das neue «Bundesgesetz zur Umsetzung von Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und Informationsaustausch für Steuerzwecke» verabschiedet. Die Referendumsfrist ist am 10. Oktober 2019 abgelaufen und der Bundesrat hat das Inkrafttreten des Gesetzes per 1. November 2019 beschlossen. Vorliegender Artikel gibt Aufschluss darüber, was dies konkret bedeutet und ob Handlungsbedarf für Sie besteht. 

Die Auswirkungen auf Inhaberaktien

Da die geltenden gesetzlichen Bestimmungen die Identifikation von Inhaberaktionärinnen und -aktionären nicht ausreichend sicherstellen, betrifft eine wesentliche gesetzliche Anpassung die weitgehende Abschaffung von Inhaberaktien. Auf Grund ihrer Anonymität und der leichten Übertragbarkeit können diese ein Mittel zur Steuerhinterziehung und Geldwäscherei darstellen. Weltweit gibt es denn auch nur noch wenige Länder, welche Inhaberaktien (englisch «bearer shares») zulassen. Trotzdem haben in der Schweiz knapp 57'000 Aktiengesellschaften Inhaberaktien ausgegeben, weshalb die Gesetzesänderung für viele Gesellschaften praktische Konsequenzen haben wird.

Ab Inkrafttreten des revidierten Gesetzes, d.h. ab dem 1. November 2019, sind Inhaberaktien nur noch zulässig, wenn eine Gesellschaft (i) Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert hat oder (ii) die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet und bei einer Verwahrungsstelle in der Schweiz hinterlegt oder im Hauptregister eingetragen sind. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so muss die Gesellschaft diese Tatsache innert 18 Monaten im Handelsregister eintragen lassen.

Für alle anderen Gesellschaften mit Inhaberaktien gilt, dass diese innert 18 Monaten in Namenaktien umzuwandeln sind, ansonsten sie von Gesetzes wegen in Namenaktien umgewandelt werden, und dass keine Neuausgabe von Inhaberaktien (ausgenommen bei börsenkotierten Unternehmen und bei der Ausgestaltung als Bucheffekten) mehr möglich ist. Einer «Zwangsumwandlung» unterstehen auch diejenigen Gesellschaften, welche zulässigerweise über Inhaberaktien verfügen, ihren oben beschriebenen Meldepflichten aber nicht innert 18 Monaten nachkommen. Die Umwandlung wirkt gegenüber jeder Person, unabhängig davon, ob Aktientitel ausgegeben wurden oder ob anderslautende Statutenbestimmungen oder Handelsregistereinträge bestehen. Die umgewandelten Aktien behalten dabei sowohl ihren Nennwert als auch ihre Liberierungsquote und Eigenschaften in Bezug auf das Stimmrecht und die vermögensrechtlichen Ansprüche. Ihre Übertragbarkeit ist nicht beschränkt.

Die Zwangsumwandlung bedeutet, dass das Handelsregisteramt nach Ablauf der Frist von Amtes wegen die Umwandlung in Namenaktien im Handelsregister nachvollziehen muss. Zudem wird eine Bemerkung eingetragen, wonach die Belege vom Eintrag abweichende Angaben enthalten. Diese Bemerkung bleibt so lange bestehen, bis die Gesellschaft ihre Statuten an die neue Rechtslage angepasst hat oder feststeht, dass eine solche Anpassung nicht nötig ist. Solange die Statuten nicht angepasst wurden, muss das Handelsregisteramt jede Anmeldung zur Eintragung einer anderen Statutenänderung in das Handelsregister zurückweisen.

Die Auswirkungen für Inhaberaktionäre

Die Eigentümer von Inhaberaktien, welche ihre im bisherigen Recht (Art. 697i aOR) vorgesehenen Meldepflichten erfüllt haben, indem sie den Erwerb der Inhaberaktien, den Vor-/Nachnamen oder die Firma sowie Adresse innert Monatsfrist der Gesellschaft gemeldet haben, werden von der Gesellschaft nach der Umwandlung automatisch als Namenaktionäre in das Aktienbuch eingetragen. Aktionäre, welche ihrer Meldepflicht nicht nachgekommen sind, werden nicht eingetragen und verlieren dadurch ihre Vermögensrechte und die Mitgliedschaftsrechte ruhen. Der Verwaltungsrat muss sicherstellen, dass keine Aktionäre unter Verletzung dieser Bestimmung ihre Rechte ausüben. Die Tatsache, dass diese Aktionäre der Meldepflicht nicht nachgekommen sind und sie ihre mit den Aktien verbundenen Rechte nicht ausüben können, wird in das Aktienbuch eingetragen. Diese Aktionäre haben jedoch die Möglichkeit, innert fünf Jahren nach Inkrafttreten mit vorgängiger Zustimmung der Gesellschaft beim Gericht ihre Eintragung in das Aktienbuch zu verlangen. Bei Gutheissung des Antrages trägt die Gesellschaft die Aktionäre ein und ab diesem Zeitpunkt können auch die Vermögensrechte wieder geltend gemacht werden. Nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten, d.h. am 1. November 2024, werden die Aktien derjenigen Aktionäre, welche die Eintragung ins Aktienbuch nicht verlangt haben, von Gesetzes wegen nichtig und die Aktionäre verlieren alle mit den Aktien verbundenen Rechte. Ersetzt werden die vernichteten Aktien mit eigenen - von der Gesellschaft gehaltenen - Aktien. Liegen besondere Umstände vor, auf Grund derer ein Aktionär ohne sein Verschulden die Annullierung seiner Aktien in Kauf nehmen muss, kann unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb von zehn Jahren gegenüber der Gesellschaft ein Anspruch auf Entschädigung im Umfang des wirklichen Wertes der Aktien zum Zeitpunkt der Umwandlung geltend gemacht werden. Eine solche Entschädigung ist allerdings ausgeschlossen, wenn die Gesellschaft nicht über genügend frei verwendbares Eigenkapital verfügt.

Die Auswirkungen auf Meldepflichten

Nicht nur die weitestgehende Abschaffung der Inhaberaktie, sondern auch Konkretisierungen der wirtschaftlich berechtigten Person und der damit einhergehenden Meldepflichten sind im revidierten Gesetz geregelt. Wie bis anhin, muss jeder, der allein oder in gemeinsamer Absprache mit Dritten nicht börsenkotierte Aktien oder Stammanteile an einer Gesellschaft erwirbt und dadurch den Grenzwert von 25% des Aktien- oder Stammkapitals oder der Stimmen erreicht oder überschreitet, der Gesellschaft die an den Aktien oder Stammanteilen wirtschaftlich berechtigte Person melden. Neu wird der Fall konkretisiert, in dem der Gesellschafter selbst eine juristische Person oder Personengesellschaft ist. Diesfalls muss jede natürliche Person als wirtschaftlich Berechtigte gemeldet werde, welche den Gesellschafter in sinngemässer Anwendung von Art. 963 Abs. 2 OR kontrolliert. Dies ist dann der Fall, wenn die natürliche Person:

  • direkt oder indirekt die Mehrheit der Stimmrechte am meldepflichtigen Gesellschafter hält;
  • direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans des meldepflichtigen Gesellschafters zu bestellen oder abzuberufen; oder
  • aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss auf den meldepflichtigen Gesellschafter ausüben kann.

Auch wenn keine natürliche Person die oben genannten Voraussetzungen erfüllt, muss der Aktionär eine entsprechende (Negativ-)Meldung an die Gesellschaft vornehmen, um seiner Meldepflicht nachzukommen.

Schon das bisherige Gesetz sah vor, dass der Aktionär der Gesellschaft jede Änderung des Vor- oder Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person melden muss. Dafür war bis anhin allerdings keine Frist vorgesehen. Neu müssen Änderungen der Gesellschaft innert drei Monaten gemeldet werden.

Bei der Verletzung der beschriebenen Meldepflichten droht neu - nach dem revidierten Strafgesetzbuch - eine Busse.  

Die Auswirkungen für die Gesellschaft

Das neue Gesetz sieht des Weiteren zwei zusätzliche Tatbestände vor, welche einen Organisationsmangel konstituieren können, was schlimmstenfalls die Auflösung der Gesellschaft durch das Gericht zur Folge hat. Die neu aufgenommenen Tatbestände betreffen die nicht vorschriftsgemässe Führung des Aktienbuches oder des Verzeichnisses über die wirtschaftlich berechtigten Personen sowie die Ausgabe von Inhaberaktien, ohne das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen.

Strafrechtliche Sanktionen bei Verstössen

Wie bereits angetönt, bringt die Gesetzesänderung nicht zuletzt die Einführung von strafrechtlichen Sanktionen, in der Form von Bussen, mit sich. Während bis anhin eine Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Meldepflichten lediglich zivilrechtliche Konsequenzen (Suspendierung der Mitwirkungsrechte, Sistierung und Verwirkung von Vermögensrechten) und eine Missachtung der Registerführungspflichten für den Verwaltungsrat allenfalls verantwortlichkeitsrechtliche Bedeutung hatte, werden neu auch strafrechtliche Sanktionen ausgesprochen.

Gemäss Änderung im Strafgesetzbuch wird derjenige mit Busse (max. CHF 10'000.-) bestraft, der vorsätzlich die Meldung der an den Aktien oder Stammanteilen wirtschaftlich berechtigten Personen unterlässt.  Bestraft wird somit, wer entweder die Pflicht der erstmaligen Meldung des wirtschaftlich Berechtigten unterlässt oder die Meldung von Änderungen des Vor- oder Nachnamens oder der Adresse der wirtschaftlich berechtigten Person innert drei Monaten nicht vornimmt. Ebenfalls erfasst werden fehlerhafte oder unvollständige Meldungen.

Zudem wird neu mit Busse (max. CHF 10'000.-) bestraft, wer vorsätzlich eines der notwendigen Verzeichnisse nicht vorschriftsgemäss führt oder die damit verbundenen gesellschaftsrechtlichen Pflichten verletzt. Es handelt sich dabei

  • bei der AG um das Aktienbuch sowie das Verzeichnis über die an Aktien wirtschaftlich berechtigten Personen;
  • bei der GmbH um das Anteilbuch sowie das Verzeichnis der an Stammanteilen wirtschaftlich berechtigten Personen;
  • bei der Genossenschaft um das Verzeichnis der Genossenschafter und
  • bei der SICAV (Investmentgesellschaft mit variablem Kapital) um das Aktienbuch über die Unternehmeraktionärinnen und Unternehmeraktionäre und das Verzeichnis der Personen, die an den Aktien der Unternehmeraktionärinnen und -aktionäre wirtschaftlich berechtigt sind.

Dabei ist neben dem Unterlassen der Führung der entsprechenden Verzeichnisse und Register auch die fehlerhafte Führung derselben strafbar, so zum Beispiel, wenn Aktionäre ohne Vorlage eines ausreichenden Ausweises der Rechtszuständigkeit in das Aktienbuch eingetragen werden. Adressat der neuen Strafbestimmung ist dabei derjenige, der zur Führung der Verzeichnisse verpflichtet ist. Da im Fall einer strafrechtlich relevanten Verletzung von Pflichten juristischer Personen gem. Art. 29 StGB eine Zurechnung an als Organe oder Mitglieder von Organen handelnde natürliche Personen vorgesehen ist, müssen bei der AG die Mitglieder des Verwaltungsrates und bei der GmbH die Mitglieder der Geschäftsleitung bei einer Widerhandlung mit Bussen rechnen. 

Fazit: Die wichtigsten Änderungen im Überblick

  • Inhaberaktien sind nur noch zulässig, wenn die Gesellschaft entweder Beteiligungspapiere an einer Börse kotiert oder die Inhaberaktien als Bucheffekten ausgestaltet hat: Diese Tatsache muss dem Handelsregisteramt innert 18 Monaten mitgeteilt werden;
  • 18 Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. am 1. Mai 2021, und sofern noch keine Umwandlung in Namenaktien stattgefunden hat werden unzulässige Inhaberaktien zwangsweise in Namenaktien umgewandelt;
  • Aktien von nicht gemeldeten Aktionären werden fünf Jahre nach Inkrafttreten, d.h. am 1. November 2024, annulliert;
  • Neu sind strafrechtliche Sanktionen in der Form von Bussen vorgesehen bei der Verletzung von Meldepflichten und der nicht korrekten Führung der notwendigen Verzeichnisse und Register;
  • Das nicht korrekte Führen der notwendigen Verzeichnisse oder die Ausgabe von Inhaberaktien ohne die Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen kann neu einen Organisationsmangel konstituieren und schlimmstenfalls zur Auflösung der Gesellschaft führen.

Unsere Empfehlung an Sie:

  • Falls Ihre Gesellschaft Inhaberaktien ausgegeben hat: Überprüfen Sie, ob dies auch unter dem revidierten Gesetz zulässig ist. Sollten in Ihrem Fall die Inhaberaktien noch zulässig sein, muss dies beim Handelsregister bis zum 1. Mai 2021 so vermerkt werden: Ansonsten droht eine Zwangsumwandlung;
  • Falls die bestehenden Inhaberaktien unter den neuen rechtlichen Bestimmungen nicht mehr zulässig sind, empfehlen wir Ihnen, die Umwandlung proaktiv sofort an die Hand zu nehmen, um die Sperrwirkung der Zwangsumwandlung zu vermeiden. Alternativ kann eine Ausgestaltung der Aktien als Bucheffekten geprüft werden;
  • Um straf- und gesellschaftsrechtliche Sanktionen zu vermeiden, sollte bei Beteiligungen an anderen Gesellschaften geprüft werden, ob die Meldepflichten erfüllt wurden und ob die erforderlichen Bücher und Verzeichnisse gesetzeskonform geführt werden.

Gerne unterstützen wir Sie in allen Fragen bezüglich der neuen Gesetzeslage, insbesondere bei der Umwandlung der Inhaber- in Namenaktien, den damit einhergehenden Statutenänderungen sowie allen relevanten Meldepflichten.

 

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