Die Zukunft der Finanzwelt aus regulatorischer Sicht

Jean-Claude Spillmann
Partner und Head Asset & Wealth Management and Banking Regulatory, PwC Schweiz

Philipp Rosenauer
Partner und Head Data Privacy, ICT und Implementation, PwC Schweiz

Am 9. Mai 2023 fand das Finance Forum Liechtenstein in Vaduz unter dem Titel «Die Finanzwelt der Zukunft» statt und präsentierte renommierte Redner aus Finanzwelt, Politik und Gesellschaft.

Die beiden PwC Schweiz Partner, Philipp Rosenauer und Dr. Jean-Claude Spillmann, haben in einem Workshop unter dem Titel «Die Zukunft der Finanzwelt aus regulatorischer Sicht» aktuelle regulatorische Entwicklungen in den Bereichen der Finanzmarktrichtlinie II (MiFID II)/Finanzmarktverordnung (MiFIR), der Verordnung über Märkte für Kryptowerte (MiCA) und der Verordnung über europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF) beleuchtet.

Seit der Finanzkrise überschwemmt eine regulatorische Flut nach der anderen die Finanzwelt. Finanzinstitute schaffen es kaum, zwischen der Umsetzung der zahlreichen neuen regulatorischen Vorgaben Luft zu holen. Die oben genannten drei neuen Regulierungspakete verdeutlichen exemplarisch, wie komplex und gleichzeitig unterschiedlich die verschiedenen Vorgaben sind – und dass neben neuer Regulierung zuweilen auch Deregulierungsprojekte auszumachen sind.

Während das Ziel der MiFID II/MiFIR-Reform und MiCA namentlich darin besteht, die Stabilität und Effizienz der europäischen Finanzmärkte zu verbessern und den Kundenschutz zu stärken – im Falle der MiFID II/MiFIR-Reform durch die Anpassung bzw. Verbesserung von bestehender Regulierung und im Falle der MiCA durch die Schaffung einer neuen Regulierung –, zielt die ELTIF-Reform darauf ab, mittels gezielter Deregulierung den Zugang zu Finanzmitteln für kleinere und mittlere Unternehmen zu verbessern.

Auch die liechtensteinische Finanzindustrie und die entsprechenden Institute sind von diesen regulatorischen Änderungen betroffen und tun gut daran, die damit einhergehenden Chancen und Risiken zu analysieren.

Überarbeitung der MiFID II und MiFIR – Neuerungen zur Stärkung der Markttransparenz

Die Europäische Kommission veröffentlichte am 25. November 2021 im Rahmen der Kapitalmarktunion die lang erwarteten Vorschläge zur Änderung der MiFID II und MiFIR. Zum einen soll dadurch die Transparenz und Verfügbarkeit von Marktdaten verbessert werden, um die Position von Kleinanleger zu stärken. Zum anderen sollen die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Ausführungsplätzen gesteigert und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von EU-Marktinfrastrukturen sichergestellt werden. Voraussichtlich soll bis Ende des dritten Quartals 2023 der endgültige Gesetzestext vorliegen.

Mit der MiFID II und MiFIR-Reform werden viele neue Änderungen eingeführt und Finanzinstitute sind gut geraten, ihre Expertengruppen für diesen Themenbereich zu reaktivieren. Während die Änderungen der MiFID II in erster Linie darauf abzielen, die Kohärenz mit den Änderungen der MiFIR zu gewährleisten, sind Letztere recht bedeutend und betreffen verschiedene Bereiche. Der Verordnungsentwurf sieht zusätzlich viele weitere Level-2-Massnahmen vor.

Die Einführung eines einzigen konsolidierten Datentickers ist eine zentrale Änderung der MiFIR-Reform. Dabei soll eine zentrale Datenbank für jede Anlageklasse (Aktien, Anleihen, börsengehandelte Indexfonds und Derivate) eingeführt werden, die anhand eines kontinuierlichen elektronischen Echtzeit-Datenstroms eine Übersicht über aufsichtsrechtliche Daten und Kernmarktdaten an Marktteilnehmer bereitstellen soll. Ziel dabei ist die Verbesserung der Preistransparenz über die einzelnen Handelsplätze hinweg.

Daneben führt der Verordnungsentwurf ein Verbot der Entgegennahme von Zahlungen für die Weiterleitung von Kundenaufträgen ein. Der Entwurf schlägt vor, dass Wertpapierfirmen, die im Namen der Kunden handeln, keine Gebühren, Provisionen oder nicht monetäre Vorteile von Dritten für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an diese Dritten zur Ausführung erhalten dürfen.

Schliesslich ist die Begrenzung des anonymen Handels eine weitere nennenswerte Änderung, die mit der MiFIR-Reform eingeführt wird. Dabei ersetzt der Verordnungsentwurf die zweifache Begrenzung durch eine einfache Begrenzung des Volumens, indem der handelsplatzspezifische Schwellenwert abgeschafft wird. Die neue einfache Begrenzung des Volumens stützt sich ausschliesslich auf den EU-weiten Schwellenwert in der Höhe von 7 %.

Weitere wichtige regulatorische Entwicklungen im Bereich der Kapitalmarktunion sind die Überarbeitung bestehender Leitlinien der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde und die EU-Strategie für Kleinanleger. Die Europäische Kommission hat am 24. Mai 2023 das Paket zu Investitionen von Kleinanleger angenommen. Das Hauptziel der EU-Strategie für Kleinanleger ist eine ganzheitliche Betrachtung der Anlegerschutzvorschriften. Dadurch soll der gesamte Weg von Kleinanleger bewertet und die Anleger in den Mittelpunkt der EU-Politik im Sinne einer «Wirtschaft, die für die Menschen arbeitet» gestellt werden.

MiCA – neue europäische Regulierung für Kryptowerte

Die MiCA ist Teil des europäischen Digital Finance Pakets, welches neben einer Digital Finance Strategie und einer erneuerten Retail Payments Strategie die Regulierungspakete MiCA und Digital Operational Resilience Act (DORA) umfasst.

Der Startschuss für die MiCA war im Jahr 2018 gefallen, als es einen grossen Aufschwung an Initial Coin Offerings (ICO) gab. Daraufhin wurden in zahlreichen Jurisdiktionen spezifische Regularien erlassen, beispielsweise in der Schweiz die FINMA-Wegleitung zu den ICOs oder in Lichtenstein das Token- und VT-Dienstleistungsgesetz (TVTG). Am 24. September 2020 hat die Europäische Kommission den Vorschlag zur MiCA vorgelegt, der auf europäischer Ebene eine harmonisierende Regelung im Kryptowerte-Bereich bezwecken soll und für Krypto-Anbieter und ausserhalb der EU erhebliche Auswirkungen haben wird. Das Inkrafttreten der MiCA wird für Ende 2023 bzw. Anfang 2024 erwartet.

Grundsätzlich soll die MiCA innerhalb der EU und des Europäischen Wirtschaftsraums einen einheitlichen Rechtsrahmen für diejenigen Kryptowerte und -Dienstleister definieren, welche nicht bereits durch bestehende europäische Finanzmarktregulierungen erfasst sind. Sie zielt darauf ab, Anleger und Verbraucher zu schützen, die Entwicklung und Nutzung der Distributed Ledger Technology (DLT) zu fördern sowie die Finanzstabilität sicherzustellen.

Mit der MiCA werden Dienstleistungen in Bezug auf Kryptowerte, zum Beispiel die Verwahrung und Verwaltung von Kryptowerten für Dritte oder der Betrieb einer Handelsplattform für Kryptowerte, und die Emission von Kryptowerte reguliert. Zudem enthält die MiCA spezifische Regelungen zur Verhinderung von Marktmissbrauch, wie die Offenlegung von Insiderinformationen, das Verbot von Insidergeschäften, das Verbot der unrechtmässigen Offenlegung von Insiderinformationen und das Verbot der Marktmanipulation. Die entsprechenden Regeln sind wichtig, um die Integrität von Kryptomärkten zu wahren und Konsumenten zu schützen. 

ELTIF-Reform – ein Neustart

Die ursprüngliche ELTIF-Verordnung ist seit 2015 in Kraft. Die Europäischen Kommission veröffentlichte am 25. November 2021 einen Vorschlag zur Änderung der ELTIF-Verordnung. Das Europäische Parlament stimmte am 15. Februar 2023 über den endgültigen Gesetzestext ab und der Rat nahm die neue Verordnung am 7. März 2023 förmlich an. Die überarbeitete ELTIF-Verordnung ist seit dem 8. April 2023 in Kraft und wird ab dem 10. Januar 2024 anwendbar sein.

Ein ELTIF dient der Finanzierung von Unternehmen und Projekten mit einem langfristigen Finanzierungsbedarf. Die finanzierten Unternehmen müssen eine positive wirtschaftliche oder soziale Wirkung auf die EU haben. Der ELTIF ermöglicht Finanzierungen ausserhalb des Bankensektors in den Bereichen Infrastruktur, Private Debt, Private Equity und Immobilien. Dank seines Investitionsschwerpunktes und einer breiteren Risikostreuung ermöglicht er in der Regel langfristige und stabile Erträge. Da der ELTIF auch für Privatanleger geöffnet werden kann, muss er einen angemessenen Anlegerschutz gewährleisten, indem die typischen Risiken langfristiger und illiquider Vermögenswerte durch einen umfassenden Rechtsrahmen ausgeglichen werden.

Seit ihrer Einführung im Jahr 2015 entwickelte sich die Zahl der zugelassenen ELTIF eher langsam. Bis Ende 2022 gab es 77 zugelassene ELTIF mit einem verwalteten Vermögen von rund 11,3 Mrd. EUR. Einer der Gründe, warum die ELTIF-Verordnung bisher kein grösserer Erfolg war, ist die eher restriktive Anlagepolitik und die entsprechenden Anlagebeschränkungen. Marktteilnehmer kritisieren die derzeitige Verordnung auch wegen der recht hohen Hürden für Privatanleger, zum Beispiel die geforderte Mindestanlage und Obergrenze in Bezug auf ihr Privatvermögen, das Erfordernis einer gesonderten Geeignetheitsprüfung bzw. Anlageberatung und einer lokalen Einrichtung als Ansprechpartner. Darüber hinaus wurde der lange Anlagehorizont mit begrenzten Austrittsmöglichkeiten von den Privatanleger als besonders unpopulär empfunden.

Mit dem Änderungstext sollen diese und weitere Kritikpunkte nun aufgegriffen und entschärft werden. Der Verordnungsentwurf erweitert das Anlagespektrum und erleichtert Investitionen von Privatanlegern in ELTIF. Er führt auch deutlich flexiblere Diversifizierungsanforderungen ein und ermöglicht neue Optionen in Form von Master-Feeder- oder Fund-of-Funds-Strukturen. Des Weiteren besteht die Möglichkeit sogenannter «de facto open-ended» ELTIF, die unter bestimmten Bedingungen die Rückgabe der Anteile erlauben werden.

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