FidleG: Fundamentale Änderungen für die grenzüberschreitende Erbringung von Finanzdienstleistungen

Silvan Thoma Director, Legal FS Regulatory & Compliance Services, PwC Switzerland 05 Dez 2018

Das Finanzdienstleistungsgesetz, das voraussichtlich am 1. Januar 2020 in Kraft tritt, regelt zum ersten Mal umfassend die Erbringung von grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen. Erfahren Sie nachstehend mehr über die entsprechenden Pflichten der Finanzdienstleister und Kundenberater.
Anwendungsbereich des neuen Schweizer Finanzdienstleistungsgesetzes

Das Finanzdienstleistungsgesetz (FidleG) bezweckt die Erbringung von Finanzdienstleistungen in der Schweiz zum ersten Mal umfassend aufsichtsrechtlich zu regeln. Unter Finanzdienstleistungen werden die folgenden für Kundinnen und Kunden erbrachten Tätigkeiten verstanden (Art. 3 Abs. 1 lit. c FidleG):

  • Erwerb oder Veräusserung von Finanzinstrumenten, d.h. von Beteiligungs- und Forderungspapieren, strukturierten Produkten, Anlagefondsanteilen, Derivaten, Anleihensobligationen und strukturierten Einlagen (Art. 3 Abs. 1 lit. a FidleG),
  • Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die Finanzinstrumente zum Gegenstand haben,
  • Verwaltung von Finanzinstrumenten (Vermögensverwaltung),
  • Erteilung von persönlichen Empfehlungen, die sich auf Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen (Anlageberatung),
  • Gewährung von Krediten für die Durchführung von Geschäften mit Finanzinstrumenten.

Finanzdienstleister sind Personen, die gewerbsmässig Finanzdienstleistungen in der Schweiz oder für Kundinnen und Kunden in der Schweiz erbringen (Art. 3 Abs. 1 lit. d FidleG). Zu den Finanzdienstleistern gehören nun ausdrücklich auch die Vermögensberater. Alle Finanzdienstleister und teilweise auch deren Kundenberater, d.h. die natürlichen Personen, die im Namen eines Finanzdienstleisters oder selbst als Finanzdienstleister Finanzdienstleistungen erbringen, (Art. 3 Abs. 1 lit. e FidleG) unterstehen nun umfangreichen Pflichten. Zu diesen Pflichten gehören insbesondere:

  • Pflicht zur Kundensegmentierung (Art. 4 FidleG),
  • Verhaltenspflichten (Art. 7 ff. FidleG),
  • Angemessenheits- und Eignungsprüfung bei der Vermögensberatung bzw. Vermögensverwaltung (Art. 10 ff. FidleG),
  • Pflicht zur Dokumentation und Rechenschaft (Art. 15 f. FidleG),
  • Transparenz- und Sorgfaltspflichten (Art. 17 ff. FidleG),
  • Erstellung von Prospekten für die öffentliche Platzierung von Effekten (Art. 35 ff. FidleG),
  • Erstellung von Basisinformationsblättern für das Anbieten von Finanzinstrumenten an Privatkunden (Art. 58 ff. FidleG),
  • Eintrag ins Beraterregister für Kundenberater (Art. 28 FidleG),
  • Anschluss an eine Ombudsstelle (Art. 74 ff. FidleG).

Die Verhaltenspflichten (Art. 7 bis Art. 19) finden lediglich auf institutionelle Kunden, d.h. professionelle Kunden nach Art. 3 Abs.3 Buchstaben a–d FidleG sowie nationale und supranationale öffentlich-rechtliche Körperschaften mit professioneller Tresorerie keine Anwendung. Professionelle Kunden können ausdrücklich darauf verzichten, dass Finanzdienstleister die Informationspflicht und Pflicht zur Dokumentation und Rechenschaft anwenden. Als professionelle Kunden gelten Finanzintermediäre nach dem Bankengesetz, dem Finanzinstitutsgesetz und dem Kollektivanlagengesetz, Versicherungsunternehmen, ausländische Kundinnen und Kunden im gleichen Lizenzierungskleid, die einer prudenziellen Aufsicht unterstehen, Zentralbanken, öffentlich-rechtliche Körperschaften mit professioneller Tresorerie, Vorsorgeeinrichtungen und Einrichtungen, die nach ihrem Zweck der beruflichen Vorsorge dienen, mit professioneller Tresorerie, Unternehmen mit professioneller Tresorerie, grosse Unternehmen, für vermögende Privatkundinnen und -kunden errichtete private Anlagestrukturen mit professioneller Tresorerie.

Die Vernehmlassung zur FidleV läuft bis zum Februar 2019. Es ist deshalb abzusehen, dass in der finalen Version noch Änderungen erfolgen werden.

Neue Regeln für grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen, die aus dem Ausland für Schweizer Kunden erbracht werden

Das FidleG findet ausdrücklich auch auf grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen Anwendung, die aus der Schweiz heraus oder von Dritten aus dem Ausland , d.h. per Telefon oder E-Mail und ohne dass permanent Personal vor Ort zur Verfügung steht, für Schweizer Kunden erbracht werden. Vor dem Inkrafttreten des FidleG waren letztere Tätigkeiten in der Schweiz weitgehend unreguliert, sofern nicht dauernd und gewerbsmässig Personal in der Schweiz angestellt war. Wie im EU-Recht jedoch üblich, ist auch in der Schweiz die Erbringung von Finanzdienstleistungen auf ausdrückliches Begehren des Kunden per Telefon oder in Schriftform ohne Einhaltung der regulatorischen Pflichten möglich («Reverse-Solicitation-Prinzip»). Finanzdienstleistungen, die nicht Gegenstand der ursprünglichen Anfrage sind, gelten als in der Schweizer erbracht (Art. 2 f. E-FidleV).

Neu fällt jedoch insbesondere die Erbringung von Finanzdienstleistungen, d.h. beispielsweise der Vertrieb von Finanzinstrumenten und die Vermögensverwaltung und Vermögensberatung für Kunden in der Schweiz durch in der EU domizilierte Banken, Vermögensverwalter etc., in den Anwendungsbereich des FidleG. Bei diesen Tätigkeiten müssen die Pflichten unter dem FidleG, d.h. insbesondere die Verhaltens- und Informationspflichten, aber auch die übrigen Pflichten, eingehalten werden. Da diese Pflichten weitestgehend den Pflichten unter MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (L 173/349). entsprechen, sollte dieser Punkt für in der EU domizilierte Banken und Vermögensverwalter keine grossen Probleme nach sich ziehen. Solche Banken und Vermögensverwalter müssen jedoch auch die Schweizer Eigenheiten wie die Pflicht zum Eintrag in das Beraterregister oder den Anschluss an eine Ombudsstelle einhalten.

Die Nichteinhaltung dieser Vorschriften nach dem FidleG kann Bussen bis zu CHF 500'000 zur Folge haben oder gar eine finanzmarktrechtliche Untersuchung durch die Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA wegen einer unbewilligten Tätigkeit zufolge Verstosses gegen Finanzmarktaufsichtsgesetze nach sich ziehen. Als ultima ratio können Finanzdienstleister gar aus dem Schweizer Finanzmarkt ausgeschlossen bzw. Personen mit einem Berufsverbot belegt werden (Art. 33 FINMAG).

Pflicht zur Eintragung ins Beraterregister von Schweizer Kundenberatern von Nichtschweizer Kunden bzw. von Kundenberatern, die Finanzdienstleistungen in der Schweiz erbringen

Wie auch Kundenberater von Schweizer Finanzdienstleistern müssen Kundenberater von ausländischen Finanzdienstleistern, die Kunden in der Schweiz betreuen oder in der Schweiz Finanzdienstleistungen beispielsweise in der Form des Vertriebs von Finanzprodukten erbringen, in einem Beraterregister eingetragen sein. Die Eintragungspflicht gilt voraussichtlich selbst für Kundenberater von ausländischen Finanzdienstleistern, die Teil einer durch die FINMA überwachten Gruppe sind, sofern sie ihre Finanzdienstleistungen in der Schweiz nicht ausschliesslich gegenüber professionellen oder institutionellen Kunden erbringen (Art. 31 E-FidleV). Der Eintrag in das Beraterregister muss vor der Erbringung von Finanzdienstleistungen in der Schweiz bzw. gegenüber in der Schweiz domizilierten Kunden erfolgen (Art. 28 FidleG). Der Wortlaut des FidleG lässt darauf schliessen, dass von dieser Pflicht jeder Kunde betroffen ist, der sich in der Schweiz aufhält (bspw. ein im UK domizilierter Kunde ist auf Skiurlaub in St. Moritz und sein deutscher Vermögensberater aus Frankfurt ruft ihn an, um Vermögensberatungsvorschläge zu unterbreiten). Die Eintragung in das Beraterregister ist demnach eine notwendige Bedingung für den Zutritt zum Schweizer Markt und nicht nur für die Erbringung von Finanzdienstleistungen an Schweizer Kunden oder Kunden mit Domizil Schweiz. Das Beraterregister, das selber einer Lizenzierung durch die Eidgenössische Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA bedarf, führt eine materielle Prüfung der Anmeldung jedes Kundenberaters durch. Die Eintragung im Beraterregister hat von Gesetzes wegen nicht später als bis zum 30. Juni 2020 zu erfolgen (Art. 95 Abs. 1 FidleG). Da die Eintragung in das Beraterregister für die Kundenberater eine nicht unerhebliche Werbewirkung hat, ist abzusehen, dass sich viele Kundenberater schon vor dem Inkrafttreten des FidleG am 1. Januar 2020 im Beraterregister eintragen lassen werden, selbst wenn das gesetzlich gar nicht verlangt ist.

Voraussetzungen für den Eintrag in das Beraterregister sind hinreichende Kenntnisse über die Verhaltensregeln nach dem FidleG, für die Tätigkeit notwendiges Fachwissen, der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung oder das Bestehen einer gleichwertigen Sicherheit, der Anschluss an eine Ombudsstelle, kein Eintrag wegen strafbarer Handlungen gegen das Vermögen nach StGB und kein durch die FINMA ausgesprochenes Tätigkeits- oder Berufsverbot (Art. 29 FidleG). Dem Beraterregister kommt somit ein Ermessen bezüglich des Entscheids zu, ob ein Kundenberater über hinreichende Kenntnisse der Verhaltensregeln nach dem FidleG und über das für die Tätigkeit notwendige Fachwissen verfügt.  

Der Kundenberater muss bei der Anmeldung mittels Dokumenten und möglicherweise auch gestützt auf eine mündliche Unterredung nachweisen, dass er über die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Das Beraterregister enthält mindestens die folgenden Angaben über die Kundenberater (Art. 30 FidleG):

  • Name und Vorname,
  • Name oder Firma und Adresse des Finanzdienstleisters, für den sie tätig sind,
  • Funktion und Position der Kundenberater innerhalb der Organisation,
  • die Tätigkeitsfelder,
  • die absolvierte Aus- und Weiterbildung,
  • die Ombudsstelle, der sie selbst als Finanzdienstleister oder der Finanzdienstleister, für den sie tätig sind, angeschlossen sind,
  • Datum des Registereintrags.

Ein Kundenberater hat aber auch nach der Anmeldung Pflichten. Kundenberater müssen dem Beraterregister innerhalb von 14 Tagen die folgenden Entwicklungen melden (Art. 41 E-FidleV):

  • Änderung ihres Namens oder ihrer Adresse,
  • Änderung des Namens oder der Adresse des Finanzdienstleisters, für den sie tätig sind,
  • Wechsel ihrer Funktion und Position in der Organisation sowie ihrer Tätigkeitsfelder,
  • absolvierte Aus- und Weiterbildungen,
  • Wechsel der Ombudsstelle,
  • ganz oder teilweiser Wegfall der Berufshaftpflichtversicherung,
  • Beendigung der Tätigkeit als Kundenberater,
  • auf sie ausgestellte Verlustscheine,
  • Verurteilungen wegen strafbarer Handlungen nach Schweizer oder ausländischen Finanzmarktgesetzen,
  • Tätigkeitsverbote in der Schweiz und im Ausland.
Pflicht zum Anschluss an eine Ombudsstelle

Eine weitere neue Pflicht, denen auch ausländische Finanzdienstleister unterliegen, sofern sie in der Schweiz Finanzdienstleistungen erbringen, ist die Pflicht zum Anschluss an eine Ombudsstelle (Art. 74 FidleG). Die Ombudsstelle soll Kunden von Finanzdienstleistern, die angeblich Ansprüche gegenüber einem Finanzdienstleister haben, eine weitere Möglichkeit zur Streitbeilegung bieten. Das Verfahren vor der Ombudsstelle muss gemäss dem FidleG unbürokratisch, fair, rasch, unparteiisch und für die Kundin oder den Kunden kostengünstig oder kostenlos sein (Art. 75 Abs. 1 FidleG). Es handelt sich dabei um ein Mediationsverfahren, mittels welchem versucht werden soll, mögliche Rechtsansprüche von Kunden von Finanzdienstleistern auf alternative Weise beizulegen. Die Einreichung eines Vermittlungsgesuchs bei einer Ombudsstelle schliesst eine Zivilklage nicht aus und verhindert eine solche nicht. Nach Durchführung eines Verfahrens vor einer Ombudsstelle kann die klagende Partei einseitig auf die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nach der Zivilprozessordnung verzichten. Die Ombudsstelle beendet das Verfahren, sobald eine Schlichtungsbehörde, ein Gericht, ein Schiedsgericht oder eine Verwaltungsbehörde mit der Sache befasst ist (Art. 40 FidleG).

Finanzdienstleister haben in Bezug auf die Ombudsstelle weitreichende Pflichten. Sie haben die Pflicht, sich grundsätzlich spätestens mit Aufnahme ihrer Tätigkeit in der Schweiz oder gegenüber in der Schweiz domizilierten Kunden einer Ombudsstelle anzuschliessen. Es besteht jedoch bezüglich der Anschlusspflicht von in- und ausländischen Finanzdienstleistern eine Übergangsfrist von voraussichtlich bis zum 30. Juni 2020 (Art. 95 Abs. 3 FidleG). Die Ombudsstelle ist verpflichtet, einen antragstellenden Finanzdienstleister aufzunehmen. Jeder Finanzdienstleister, der von einem Vermittlungsgesuch um Schlichtung bei einer Ombudsstelle betroffen ist, muss am Verfahren teilnehmen. Er hat Vorladungen, Aufforderungen zur Stellungnahme sowie Auskunftsanfragen der Ombudsstellen fristgerecht nachzukommen (Art. 78 FidleG). Bei folgenden Gelegenheiten informiert der Finanzdienstleister Kundinnen und Kunden über die Möglichkeit eines Vermittlungsverfahrens durch eine Ombudsstelle: bei Eingehung einer Geschäftsbeziehung, bei einer Zurückweisung eines von der Kundin oder vom Kunden geltend gemachten Rechtsanspruchs und jederzeit auf Anfrage. Die Information erfolgt in geeigneter Form und beinhaltet Name und Adresse der Ombudsstelle, der sich der Finanzdienstleister angeschlossen hat.

Mit Inkrafttreten des FIDLEG ab dem Jahr 2020 werden die Marktteilnehmer in der Schweiz mit verschiedenen neuen Pflichten konfrontiert. Diese Verpflichtungen sind teilweise über neue, öffentlich-rechtliche Dienstleistungen zu erfüllen. Die folgenden Dienstleistungen stehen dabei im Mittelpunkt:

  • Prospektprüfstelle nach Art. 35 FIDLEG: In der Schweiz wird es voraussichtlich zwei mögliche Prüfstellen geben, die durch die beiden Schweizer Börsen angeboten werden: SIX Swiss Exchange sowie BX Swiss.
  • Beraterregister nach Art. 22 FIDLEG: Es zeichnet sich ab, dass es auch in diesem Bereich mehrere Anbieter geben wird. Beispielsweise hatte die BX Swiss in ihrer Stellungsnahme zum FIDLEV öffentlich bekannt gegeben, dass sie eine Lizenz für ein Beraterregister bei der FINMA beantragen wird.
  • Ombudsstelle nach Art. 74 FIDLEG: Zur Ergänzung der bestehenden Ombudsstelle der Schweizer Banken wird es ab 2020 wahrscheinlich mindestens eine weitere Schweizer Ombudsstelle für Finanzdienstleister geben.
Zusammenfassung
  • Das neue Schweizer Finanzdienstleistungsgesetz regelt zum ersten Mal umfassend die grenzüberschreitenden Finanzdienstleistungen, die aus der Schweizer heraus oder aus dem Ausland durch nichtschweizerische Finanzdienstleister für Kunden in der Schweiz erbracht werden. Es kommt auch zur Anwendung, selbst wenn sich der Kunde nur vorübergehend in der Schweiz aufhält.
  • Schweizer und nichtschweizerische Finanzdienstleister im Anwendungsbereich des FidleG müssen umfangreiche Pflichten wie Informations-, Segregations-, Verhaltens- und Dokumentationspflichten einhalten.
  • Kundenberater von Schweizer und nichtschweizerischen Finanzdienstleistern mit Kundinnen und Kunden in der Schweiz müssen sich insbesondere im neu geschaffenen Beraterregister anmelden und sich einer Ombudsstelle anschliessen.
  • Die absichtliche Nichteinhaltung der Pflichten unter dem FidleG kann Bussen bis zu CHF 500'000 oder gar eine Abklärung der Schweizerischen Finanzmarktaufsichtsbehörde FINMA zufolge einer unbewilligten Finanzmarkttätigkeit nach sich ziehen.

 

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