Philipp Rosenauer
Partner Legal, PwC Schweiz
Silvia Pérez
Senior Associate, Legal, PwC Switzerland
Am 18. März 2022 wurde die Teilrevision des Versicherungsaufsichtsgesetzes verabschiedet. Das nachgelagerte Vernehmlassungsverfahren der Verordnung über die Beaufsichtigung von privaten Versicherungsunternehmen (AVO) dauert noch bis zum 7. September 2022. Eines der ausgewählten Themen der Teilrevision des VAG betrifft das neu eingeführte kundenschutzbasierte Regulierungs- und Aufsichtskonzept.
Seit der Einführung des VAG am 1. Januar 2006 hat sich in gewissen Themen Änderungsbedarf manifestiert. Das neue VAG soll an die veränderten Gegebenheiten der letzten Jahre – etwa die Gesetzgebungsarbeiten zum Finanzdienstleistungsgesetz (FIDLEG) – angepasst werden. Es hat sich der Bedarf gezeigt, bei Versicherungsunternehmen, die professionelle Kunden haben, nach dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit Erleichterungen von der Aufsicht zu gewähren. Für die Definition des professionellen Versicherungsnehmers wird auf die Definition des revidierten Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) abgestellt. Darunter fallen unter anderem Unternehmen mit professionellem Risikomanagement oder Unternehmen, die zwei der drei folgenden Grössen überschreiten: 1. Bilanzsumme:20 Millionen CHF; 2. Nettoumsatz: 40 Millionen CHF; 3. Eigenkapital: 2 Millionen CHF.
Das aktuelle VAG sieht keine systematische Differenzierung zwischen den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen der Versicherten vor, also auch keine Kategorisierung der aufsichtsrechtlichen Anforderungen. Mit dem teilrevidierten VAG wird – im europäischen Raum erstmalig – eine Kundenkategorisierung im Versicherungsaufsichtsrecht eingeführt. Für die Regulierungs- und Aufsichtsintensität wird das Schutzbedürfnis der Versicherungsnehmer ausschlaggebend sein. Es soll den Versicherungsunternehmen ermöglichen, dann von Aufsichtserleichterungen zu profitieren, wenn professionelle Kunden, die keines besonderen Schutzes bedürfen, ihre alleinigen Vertragspartner sind. Sofern ein Versicherer das Geschäft mit professionellen und nicht professionellen Versicherungsnehmern in der gleichen Rechtseinheit betreibt, sollten die Erleichterungen nur für das Geschäft mit den professionellen Versicherungsnehmern gelten.
Die wohl relevanteste Erleichterung betrifft das gebundene Vermögen. Hat das Versicherungsunternehmen nur professionelle Versicherungsnehmer oder trennt die Kundenstämme in professionelle und nicht professionelle Versicherungsnehmer, kann für die professionellen Versicherungsnehmer auf die spezielle Sicherung der Ansprüche der Versicherten in Form des gebundenen Vermögens verzichtet werden. Der Vorteil besteht darin, dass durch den Wegfall des gebundenen Vermögens Kapital frei wird, welches das Unternehmen anderweitig einsetzen kann. Diese Ausnahme greift aber nicht, wenn aus Versicherungsverträgen mit professionellen Versicherungsnehmern Ansprüche aus Pflichtversicherungen zugunsten nicht professioneller Personen resultieren könnten. Hier ist beispielsweise an Anspruchsberechtigungen bei Haftpflichtversicherungen zu denken. Zu erwähnen ist hier insbesondere der unmittelbare Anspruch der geschädigten Person gegen den Motorfahrzeughaftpflichtversicherer. In jedem Fall ein gebundenes Vermögen zu stellen ist darüber hinaus bei der Versicherung sämtlicher Risiken aus der beruflichen Vorsorge.
Wenn bewilligte Versicherungsunternehmen Erleichterungen in der Aufsicht in Anspruch nehmen möchten, müssen sie nach Inkrafttreten des revidierten VAG gegenüber der FINMA erklären, welche Geschäfte sie abschliessen wollen. Sie müssen damit pro Versicherungszweig angeben, ob sie das Geschäft mit professionellen Versicherungsnehmern im Rahmen einer konzerninternen Direkt- oder Rückversicherung oder mit nicht professionellen Versicherungsnehmern abschliessen. Zudem müssen sie der FINMA einen Antrag auf Befreiung von der Einhaltung der entsprechenden Artikel stellen. Die FINMA ihrerseits erhält damit die Möglichkeit anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle zu überprüfen, ob die Versicherungsunternehmen den Begriff der Professionalität einheitlich auslegen und handhaben. Vor jedem Vertragsabschluss muss der Status der Versicherungsnehmer abgeklärt und dokumentiert werden. Das bedeutet für das Versicherungsunternehmen, dass ein neuer Prozess zur Abklärung und Dokumentation der Professionalität des Kunden definiert und schliesslich im System abgebildet werden muss. Entsprechende interne Weisungen müssen anschliessend angepasst werden. Zudem müssen sie ihre Versicherungsnehmer darüber informieren, dass sie als solche gelten und, dass ihr Schutzniveau im Konkursfall tiefer liegt, da sie nicht mehr aus dem gebundenen Vermögen vorabbefriedigt werden. Dies kann sie allenfalls dazu veranlassen, mit dem Versicherer in Verhandlung zu treten über die Stellung eines Ersatzes oder über anderweitige vertragliche Kompensationsmassnahmen, welche den Wegfall dieser Sicherheit ggf. zu entschädigen oder zu kompensieren vermögen.
Der administrative Aufwand erhöht sich damit kurzfristig. Zudem muss auch mit Zusatzkosten gerechnet werden: einerseits für die einmaligen Umstellungskosten und andererseits für wiederkehrende Kosten aufgrund der zukünftigen Feststellung des jeweiligen Schutzbedürfnisses aller Neukunden und damit deren Zuteilung zu einem der zwei Kundenstämme. Der Aufwand wird sich längerfristig aber reduzieren und zudem wird durch den Wegfall des gebundenen Vermögens Kapital frei.
Informieren Sie sich hier über aktuelle regulatorische Entwicklungen im Bereich Versicherungen. Gerne unterstützen wir Sie bei der Implementation von notwendigen Massnahmen und der Umsetzung Ihrer Vorhaben.
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