Digitalisierung und Immobilien: Traumpaarung oder Widerspruch?

03/08/22

Jochen Richner
Tax Technology and Tax Real Estate Operations Leader, PwC Switzerland 

Jean-Luc Wichoud
Senior Manager, Leiter Tax Data & Analytics, PwC Switzerland

Die Digitalisierung macht mittlerweile vor der Immobilienbranche nicht halt. Besonders seit der Pandemie ist auch dort ein starker Trend insbesondere zur digitalen Kollaboration zu beobachten. Gleichzeitig ist in vielen Aspekten weiterhin eine gewisse Zurückhaltung zu beobachten. Wieso eigentlich?

Die Immobilienbranche in der Schweiz steht traditionell nicht im Ruf, die Speerspitze der Digitalisierung zu sein. Viele Marktteilnehmer sind jedoch im Rahmen der COVID-Pandemie mindestens bei der täglichen Zusammenarbeit auf den Geschmack gekommen sind. Es lohnt sich daher, die Gründe für die bisher eher abwartende Haltung zu beleuchten – und zu überlegen, welche Chancen die Digitalisierung spezifisch für die Branche bietet:

Herausforderungen

Zunächst ist festzuhalten, dass eine gewisse Zurückhaltung aus unterschiedlichen Gründen verständlich erscheint:

  • Bei Immobilien sind die Daten häufig über vier verschiedene Gruppen verteilt: Eigentümerschaft, Bauunternehmung/Generalunternehmer, Liegenschaftsverwaltung und Buchhaltung. Diese setzen regelmässig unterschiedliche Systeme ein, was den digitalen Austausch erschwert.
  • Besonders bei der Liegenschaftsverwaltung, aber auch bei der Buchhaltung sind Wechsel häufig. Die unterschiedlichen Marktteilnehmer haben daher nur beschränkte Anreize, in neue Systeme zu investieren. Dazu kommt, dass diese ohnehin wenig standardisiert sind und eine Übergabe der Daten daher u.U. aufwendig sein kann.
  • Wie in anderen Bereichen ist im Immobilienbereich eine gewisse «Papierkultur» festzustellen, teilweise auch getrieben durch unvollständiges Verständnis der Gesetzeslage. So ist vielen Marktteilnehmern nicht bewusst, dass nach schweizerischem Handels- und Steuerrecht sämtliche Geschäftsunterlagen digital aufbewahrt werden können. Einzig die Jahresrechnung muss im Original – welches auf Papier oder digital sein kann – archiviert werden.
  • Der Immobilienmarkt in der Schweiz ist weitgehend lokal, d.h., es besteht wenig Druck von Anbietern aus dem Ausland, wo die Digitalisierung allenfalls weiter fortgeschritten ist.
  • Die Liegenschaftsverwaltungen verfügen typischerweise über nur beschränkte Margen, was ihre Investitionsmöglichkeiten einschränkt.
  • Die Eigentümerschaften haben häufig mehr Investitionspotenzial, aber umgekehrt nur beschränkten Druck.

Chancen

Trotz all dieser Herausforderungen bietet die Digitalisierung auch oder gerade der Immobilienbranche u.E. grosse Chancen:

  • Die Immobilienbranche zeichnet sich durch grosse Datenvolumen aus, welche noch dazu über lange Zeiträume vorgehalten werden müssen.
  • Angesichts dieser Datenvolumen und der fragmentierten Datenlage bietet die Digitalisierung die Möglichkeit, Geschäftsprozesse effizienter auszugestalten und substanziell zu beschleunigen.
  • Durch die steigende Verbreitung von «Software as a Service»-Lösungen («SaaS») sinkt der Investitionsbedarf im Einführungsjahr und der Cashflow kann optimiert werden.
  • Weiter ist auch zu bedenken, dass die Offenlegungsbedürfnisse namentlich unter ökologischen und sozialen Gesichtspunkten in den nächsten Jahren wesentlich steigen werden. Neben Transparenzaspekten ist auch zu bedenken, dass diese Daten Voraussetzung sind und sein werden, um z.B. staatliche Subventionen oder ein spezifisches Rating für eine Finanzierung zu erhalten.

Fazit

Was also sollte die Branche tun, um diese Chancen zu nutzen? Der grösste Nutzen könnte durch eine Standardisierung der Datenformate erreicht werden. In Teilbereichen – wie z.B. Abrechnungen für Strom u.ä. – ist dies mittelfristig durchaus realistisch. Aufgrund der Vielzahl der Beteiligten unterschiedlichster Grössenordnungen erscheint dies aber über den gesamten Lebenszyklus einer Liegenschaft eher ein langfristiges Ziel.

Als Brückentechnologie können u.E. kompakte, generische Automatisierungslösungen helfen. Hier bieten sich insbesondere Datenautomatisierungsapplikationen wie Alteryx oder die Power-Plattform von Microsoft Office 365 an. Diese können helfen, Daten automatisiert und zuverlässig aus unterschiedlichen Quellformaten (z.B. verschiedene Excel-Dateien) in eine einheitliche Struktur zu überführen. Neben Effizienzgewinnen verbessert dies die Datenqualität und bietet viele Optimierungsmöglichkeiten.

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