Steuerliche Bewertung von Liegenschaften: Wissenschaft oder Handgelenk mal Pi?

15/09/22

Jochen Richner
Tax Technology and Tax Real Estate Operations Leader, PwC Switzerland

Claudia Hug
Senior Associate, PwC Switzerland

Steuerliche Werte von Liegenschaften – egal, ob diese als Verkehrs-, Kataster- oder Steuerwert bezeichnet werden – sorgen seit ihrer Einführung für Diskussionen. Anfang 2022 hat der Kanton Luzern seine Schätzungsmethode geändert, während das Bundesgericht den Ansatz des Kantons Zürich in einem kürzlich ergangenen Urteil gestützt hat. Grund genug, sich einige grundsätzliche Überlegungen zu steuerlichen Bewertungsansätzen zu machen.

Zur Bewertung von Liegenschaften gibt es in Theorie und Praxis unterschiedliche Methoden:

  • Zur Festlegung nach der Realwertmethode (auch Substanz- oder Sachwertmethode genannt) werden Werte aus der Vergangenheit wie beispielsweise der Landwert oder die Kosten für den Bau der Immobilie benötigt.
  • Im Gegenzug dazu geht die Ertragswertmethode von zukünftigen Mieterträgen aus, bei denen vorausgesetzt wird, dass diese einigermassen zuverlässig budgetiert werden können. Zur Berechnung des Ertragswertes werden die aktuellen, abgezinsten Mieteinnahmen aufsummiert.
  • Auch bei der Discounted Cashflow Bewertung (DCF) wird in die Zukunft geschaut; zu erwartende Zahlungsströme werden auf den Bewertungsstichtag abgezinst. Anhand der DCF-Bewertungsmethode können Veränderungen in den Mieterträgen, Bewirtschaftungskosten oder Investitionen differenziert dargestellt werden. Im Vergleich zu anderen Bewertungsmethoden ermöglicht das DCF-Verfahren durch die detailgetreue Darstellung eine höhere Transparenz und Flexibilität. Diese Methode wird vor allem zur Bewertung von Renditeliegenschaften verwendet und gewinnt im internationalen Vergleich immer mehr an Bedeutung.
  • Des Weiteren ist auch eine hedonische Bewertung möglich, bei welcher Vergleichswerte mittels statistischer Verfahren gegenübergestellt werden.

Es liegt auf der Hand, dass die Resultate der verschiedenen Bewertungsmethoden stark voneinander abweichen können.

Aus steuerlicher Perspektive ist eine Verkehrswertschätzung in verschiedenen Konstellationen erforderlich: In erster Linie gilt dies für die Vermögenssteuer. Über den Umweg des Eigenmietwerts ist der Liegenschaftswert auch für die Einkommenssteuer relevant. Des Weiteren sind steuerliche Verkehrswertschätzungen wichtig, um zwischen Parteien vereinbarte Kaufpreise für Gewinn- und Handänderungssteuern plausibilisieren zu können. Schliesslich sind Verkehrswertschätzungen auch für Spezialsteuern wie Minimal- oder Spezialvermögenssteuern («impôt complémentaire», «impôt foncier» u. ä.) von grosser Bedeutung.

Aufgrund der schieren Anzahl erforderlicher Schätzungen pro Steuerperiode ist es naheliegend, gewisse Vereinfachungen bei der Bewertungsmethodik vorzunehmen. Die beteiligten Behörden greifen dabei auf unterschiedliche Varianten zurück, die jeweils grossmehrheitlich vergangenheitsbezogene Daten verwenden.

In der Mehrheit der Kantone liegt der Steuerwert erfahrungsgemäss mehr oder weniger wesentlich unter dem effektiven Verkehrswert. Dies ist häufig politisch gewollt, verringert aber auch die Angriffsfläche, die solche teils stark vereinfachten Bewertungen bieten.
 


Grundlagen zur Bewertung von Liegenschaften gemäss Steuergesetz Zürich vs. Luzern

Die Herleitung der Bewertungen durch viele kantonalen Steuerverwaltungen ist für den Steuerpflichtigen teilweise nicht transparent. Unter anderem werden besonders in der Romandie nicht selten Katasterwerte festgesetzt, die über branchenüblichen oder zwischen Drittparteien vereinbarten Verkehrswerten liegen. Zwei aktuelle Beispiele zeigen, wie dynamisch – und umstritten – dieser Bereich weiterhin ist:

  • Zürich

Das Steueramt des Kantons Zürich hat bei einem Steuerpflichtigen den Vermögenssteuerwert seiner Liegenschaft mittels Einschätzungsvorschlag fast verdoppelt und damit begründet, dass der deklarierte Wert mit Blick auf den versicherten Gebäudewert und den Landwert klar unterhalb der gesetzlichen Bandbreite von 70 bis 100 % des effektiven Verkehrswertes liege.

Nach dem Zürcher Steuergesetz werden Mehrfamilien- und Geschäftshäuser grundsätzlich zum Ertragswert bewertet. Um diesen zu ermitteln, wird der Ertrag der Liegenschaft (hier im Beispiel ein Mehrfamilienhaus) kapitalisiert. Dies geschieht mittels Kapitalisierungssatz, welcher sich aus einem Basiszinssatz und einem Zuschlag zur Deckung von Verwaltungs- und Betriebskosten sowie zur Bildung angemessener Unterhaltsrücklagen zusammensetzt. Somit beträgt der Kapitalisierungssatz für Mehrfamilienhäuser nach dem Zürcher Steuergesetz 7,05 %.

Weiter folgt das Zürcher Steuergesetz einer Weisung mit Bewertungsregeln, anhand derer eine schematische, formelmässige Ermittlung des Vermögenssteuerwertes vorzunehmen ist. Liegt der Verkehrswert nach der Erhebung ausserhalb der genannten Bandbreite, so ist in einem ersten Schritt eine individuelle Schätzung vorzunehmen. Hierbei wird auf den Kaufpreis, den Anlagewert oder ein nach anerkannten Bewertungssätzen erstelltes Gutachten zurückgegriffen. Sollten die genannten Grundlagen keine Individualschätzung ermöglichen, so kann das kantonale Steueramt in einem zweiten Schritt die hedonische Methode anwenden.

Im vorliegenden Fall hat das dazu geführt, dass ein Wert, der deutlich über dem deklarierten Betrag liegt, versteuert werden musste.

  • Luzern

Im Kanton Luzern wurden die Katasterwerte bislang alle 15 Jahre den aktuellen Marktverhältnissen angepasst. Die Verkehrswerte von nichtlandwirtschaftlichen Grundstücken wurden aufgrund von Vergleichspreisen und -werten der letzten fünf Jahre oder mittels Lageklassemethode ermittelt. Neuerdings beträgt der Schatzungszyklus fünf Jahre, und die Landwerte pro Grundstück können neu einer öffentlichen Landwertkarte entnommen werden. Jede Gemeinde wurde in zwei bis maximal zehn Landwertzonen eingeteilt. Die Katasterwerte werden anschliessend mittels Real- oder Ertragswertmethode berechnet. Neu entfällt auch die jährliche Anpassung der steuerbaren Mietwerte ab dem Steuerjahr 2022. Die kantonale Abteilung für Immobilienbewertung setzt durch die Neuerungen auf transparentere und nachvollziehbare Werte in den Berechnungen. So sind beispielsweise Details zur Berechnung wie Gebäudewert, Landwert, Mietwert oder die Herleitung des Katasterwertes bei Ertragswertobjekten ausgewiesen. Wird die Ertragswertmethode angewendet, so ist auch der Kapitalisierungssatz für Wohn- resp. Geschäftsliegenschaften klar definiert.

Fazit

Schlussendlich kann festgehalten werden, dass die unterschiedlichen Methoden, die angewendet werden, mehrheitlich zu sachgerechten Ergebnissen führen. Die zugrundeliegende Bewertungsmechanik entspricht aber nicht immer den aktuellen Standards in der Privatwirtschaft und ist teilweise wenig transparent. Die steuerliche Bewertung von unbeweglichem Vermögen ist daher weiterhin ein Thema, das im Auge zu behalten ist.

#social#


Kontaktieren Sie uns

Jochen Richner

Jochen Richner

Tax Technology and Tax Real Estate Operations Leader, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 57 55

Claudia Hug

Claudia Hug

Senior Associate, Corporate Tax, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 53 22