Handelsmassnahmen: Lehren aus dem Harley-Davidson-Urteil des EuGH
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass die Verlagerung der Produktion von Harley-Davidson aus den USA nach Thailand primär darauf abzielte, zusätzliche EU-Zölle auf US-amerikanische Motorräder zu umgehen. Die Verlagerung wurde als „nicht wirtschaftliche Be- oder Verarbeitung“ gemäss Artikel 33 der Delegierten Verordnung zum Unionszollkodex eingestuft, da ihr Hauptzweck die Umgehung von Handelsmassnahmen war. Diese Entscheidung führte dazu, dass die von den belgischen Zollbehörden ausgestellten verbindlichen Ursprungsauskünfte (BOI), die Thailand als Ursprungsland bestätigten, für ungültig erklärt wurden.
Das Urteil des EuGH betont die Bedeutung einer fundierten wirtschaftlichen Begründung für Produktionsverlagerungen. Unternehmen, die ihre Produktion verlagern, müssen sicherstellen, dass solche Entscheidungen auf legitimen wirtschaftlichen Überlegungen beruhen und nicht lediglich der Umgehung von Handelsmassnahmen dienen. Eine sorgfältige Dokumentation und umfassende Transparenz sind unerlässlich, um die Rechtmässigkeit solcher Verlagerungen zu gewährleisten und regulatorische Risiken zu minimieren.
Darüber hinaus zeigt der Fall, dass Verlagerungen, die zeitlich mit Handelsmassnahmen wie protektionistischen Zöllen oder Sanktionen zusammenfallen, besonders kritisch von den Behörden geprüft werden. Unternehmen sollten daher ihre Produktionsentscheidungen sorgfältig planen, rechtliche Analysen relevanter Handels- und Zollvorschriften vornehmen und eine klare wirtschaftliche Tragfähigkeit der Massnahmen nachweisen. Das Harley-Davidson-Urteil verdeutlicht, wie wichtig ein proaktiver und regelkonformer Ansatz ist, um regulatorische Unsicherheiten und mögliche wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.
Centralised Clearance for Import (CCI): Erweiterung in der EU
Das System der zentralisierten Zollabfertigung für Einfuhren (Centralised Clearance for Import, CCI), das im Juli 2024 eingeführt wurde, wird schrittweise in der gesamten EU umgesetzt. Nach Kroatien, das sich am 30. September 2024 angeschlossen hat, ist Italien seit dem 8. November 2024 Teil des Systems. CCI basiert auf dem Unionszollkodex und vereinfacht sowie digitalisiert die Zollabfertigung über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg.
Aktuell ist das System in zehn Mitgliedstaaten im Einsatz: Bulgarien, Estland, Spanien, Luxemburg, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Kroatien und Italien. Die nächste Phase der Implementierung ist für Juni 2025 geplant und wird Funktionen wie vereinfachte Zollanmeldungen, Einträge in die Aufzeichnungen des Anmelders, die Einbeziehung von Verbrauchsgütern sowie die Berücksichtigung besonderer Steuergebiete umfassen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollen sich auch die übrigen Mitgliedstaaten dem System anschliessen, wodurch das CCI-System zunehmend an Bedeutung für den grenzüberschreitenden Handel gewinnt.
Das CCI-System erleichtert den internationalen Handel erheblich. Es ermöglicht eine schnellere Zollabfertigung, reduziert administrative Hürden, eliminiert unnötige Transitverfahren, senkt Kosten und verbessert die Einhaltung von Vorschriften. Für Unternehmen bedeutet dies nicht nur weniger Aufwand, sondern auch gesteigerte Wettbewerbsfähigkeit auf globaler Ebene. Die frühzeitige Vorbereitung auf die Ausweitung des CCI-Systems ist daher für betroffene Unternehmen entscheidend.
Europäische Kommission veröffentlicht die 2025er-Version der Kombinierten Nomenklatur
Die Europäische Kommission hat die neueste Version der Kombinierten Nomenklatur (KN) veröffentlicht, die seit dem 1. Januar 2025 Anwendung findet. Die KN bildet die Grundlage für die Deklaration von Waren bei der Einfuhr, Ausfuhr sowie für die Intrahandelsstatistik innerhalb der Union. Sie legt den anzuwendenden Zollsatz und die statistische Behandlung von Waren fest. Die Kombinierte Nomenklatur ist ein unverzichtbares Instrument sowohl für Unternehmen als auch für die Zollverwaltungen der Mitgliedstaaten und wird jährlich aktualisiert.
Die neue Version der KN für 2025 bringt einige bedeutende Neuerungen mit sich. So wurden neue Tarifnummern eingeführt, unter anderem für Produkte wie „Haie und Haiflossen“ im Kapitel 3, „Tomaten“ im Kapitel 7, „Biokraftstoffe“ im Kapitel 27, „Holzabfälle“ und „Laminatbodenbeläge“ im Kapitel 44 sowie „Stahlbleche und Stator- und Rotorkerne“ im Kapitel 85.
Diese Änderungen sind für Unternehmen, die international tätig sind, von Bedeutung, da sie direkte Auswirkungen auf die Warenklassifizierung und die damit verbundenen Zolltarife haben können. Es wird empfohlen, dass Unternehmen sich frühzeitig mit der neuen Nomenklatur vertraut machen, um eine reibungslose Zollabwicklung und die Einhaltung der neuen Vorschriften zu gewährleisten.
Neue Leitlinien für den Export von Cyber-Überwachungsartikeln
Die EU-Kommission hat Leitlinien veröffentlicht, um den Export von Cyber-Überwachungsartikeln besser zu kontrollieren. Ziel ist es, die Risiken im Zusammenhang mit dem Missbrauch solcher Technologien zu minimieren und den Exporteuren praktische Werkzeuge zur Bewertung von Menschenrechtsrisiken an die Hand zu geben. Die Leitlinien bieten Exporteuren eine Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Überprüfung von Transaktionen und helfen, Risiken wie interne Repression oder Menschenrechtsverletzungen zu erkennen.
Falls ein Risiko identifiziert wird, sind Exporteure verpflichtet, eine Exportmitteilung an die zuständige nationale Behörde zu senden. Die Massnahmen basieren auf der Dual-Use-Verordnung, die den Export solcher Technologien reguliert, da diese zwar legal genutzt, aber auch missbräuchlich eingesetzt werden können.
Pharma-Mehrwertsteuerrückerstattung für Rabatte nach KVV Art. 71a und b: Ein kluger Geschäftsschritt für Sie
Pharmazeutische Unternehmen, die in der Schweiz Arzneimittel verkaufen, die auf der Spezialitätenliste (SL) aufgeführt sind, haben die Möglichkeit, einen wertvollen Mehrwertsteuervorteil zu erlangen, der ihre finanzielle Situation erheblich verbessern könnte. Der Grund für diese Möglichkeit ist eine kürzliche Änderung in der Vorgehensweise der Kranken- und/oder Invalidenversicherer bezüglich der gesetzlich vorgeschriebenen Rabatte (KVV Artikel 71a).
Früher mussten Pharmaunternehmen für Medikamente der SL gemäss KVV Art. 71a Rabatte gewähren, wenn diese Arzneimittel in besonderen Fällen verwendet wurden. Der Preis musste unter dem in der SL aufgeführten Preis liegen, ohne dass das Gesetz weitere Vorgaben machte.
Nicht-SL-Medikamente (die in der Regel nicht von der Krankenversicherung erstattet werden) werden in besonderen Fällen gemäss KVV Art. 71b erstattet. Die Preise in diesen Fällen waren Verhandlungssache zwischen der Krankenversicherung und dem Pharmaunternehmen. Rabatte waren in diesen Fällen nicht gesetzlich vorgeschrieben, wurden aber oft in den Verhandlungen vereinbart.
Die Teilrevision der KVV, die am 1. Januar 2024 in Kraft trat, verlangt nun von Pharmaunternehmen, einen festgelegten Prozentsatz an Rabatt auf in besonderen Fällen erstattete Medikamente zu gewähren, unabhängig davon, ob diese Medikamente in der SL aufgeführt sind oder nicht. Die gleichen Rabatte gelten für SL- und Nicht-SL-Medikamente.
Bis vor kurzem wurden diese Rabatte üblicherweise mit MwSt. auf den Gutschriften ausgestellt, aber in letzter Zeit haben viele Versicherer verlangt, dass die Gutschriften ohne MwSt. ausgestellt werden, um ein MwSt.-Risiko auf ihrer Seite zu vermeiden.
Diese Änderung bedeutet, dass Pharmaunternehmen möglicherweise unbeabsichtigt MwSt. auf Rabatte nach KVV Art. 71a und b in der Vergangenheit gezahlt haben, die zurückgefordert werden können. Die gute Nachricht ist, dass solche zu viel gezahlten MwSt.-Beträge von den Schweizer MwSt.-Behörden zurückgefordert werden können, vorausgesetzt, es liegt eine MwSt.-Entscheidung vor, die diese Option bestätigt. Wir waren massgeblich daran beteiligt, zahlreichen Pharmaunternehmen bei der Sicherung dieser Entscheidungen zu helfen, wodurch sie erhebliche MwSt.-Summen der letzten fünf Jahre zurückfordern konnten.
Eine umfassende Analyse der Revision von KVV Art. 71a bis c aus steuerlicher Sicht finden Sie in unserem kürzlich erschienenen Blogbeitrag.
Unsere Schweizer Experten für Pharma-Regulierungen und indirekte Steuern freuen sich darauf, mit Ihnen gemeinsam die Möglichkeiten der MwSt.-Rückerstattung zu besprechen.
EU-Massnahmenpaket ViDA (VAT in the Digital Age) akzeptiert
Der Europäische Rat hat am 5. November 2024 das Paket „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ („ViDA“) angenommen. Dies bedeutet, dass ab 2028 erhebliche Änderungen am EU-Mehrwertsteuersystem vorgenommen werden.
Die folgenden Änderungen wurden in dieser Hinsicht genehmigt:
- Digitale Meldepflichten (DRR) und obligatorische elektronische Rechnungsstellung für innergemeinschaftliche Business-to-Business-Transaktionen (B2B) – Anwendungsdatum und Übergangsdatum für DRR sind der 1. Juli 2030 bzw. der 1. Januar 2035;
- Die Plattformökonomie – Anwendungsdatum ist (frühestens) der 1. Juli 2028 mit einem obligatorischen Anwendungsdatum am 1. Januar 2030; und
- Vereinfachung der Mehrwertsteuerkonformität durch Beseitigung der Notwendigkeit mehrerer Mehrwertsteuerregistrierungen – Anwendungsdatum 1. Juli 2028.
Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG)-Abgaben
In der EU erleben wir derzeit eine beträchtliche Dynamik in der Landschaft der ESG-Abgaben (Umwelt, Soziales, Unternehmensführung). Laufend werden neue Abgaben eingeführt – sowohl kleinere als auch grössere –, um die wir uns kümmern müssen. Dazu gehören unter anderem die Plastikverpackungssteuer, Zuckersteuer und die Erweiterung der Herstellerverantwortung. All diese Themen fallen unter den ESG-Bereich und gewinnen zunehmend an Bedeutung.