Unklarheiten bei der Verrechnungssteuer betreffend Wiedereinreichungsfristen gemäss der Mitteilung der ESTV vom 13. September 2022 geklärt

15/09/22

Am 13. September 2022 hat die ESTV eine Mitteilung bezüglich der Verjährungsfrist für den Anspruch auf Rückerstattung der Verrechnungssteuer bei formloser Ablehnung (ohne Erlass eines formellen Entscheids) von Rückerstattungsanträgen publiziert. Sie konkretisiert und bestätigt damit die bisherige Praxis zur Wiedereinreichung von formlos abgelehnten Verrechnungssteuerrückerstattungsanträgen.

Die formlose Ablehnung solcher Anträge erfolgt insbesondere bei ausländischen antragsstellenden Personen, die Informations- und Dokumentationsbegehren der ESTV nicht oder nicht in rechtsgenüglicher Weise beantworten. Die ESTV trägt mit dieser Mitteilung der Rechtssicherheit Rechnung, da in der Praxis wiederholt Fragestellungen zu diesem Thema bei Rückforderungen mit internationalem Bezug aufgekommen sind.

Worum geht es?

Das Verrechnungssteuergesetz (VStG) sieht für die Einreichung eines Antrags auf Verrechnungssteuerrückerstattung grundsätzlich eine Verwirkungsfrist von drei Jahren vor. Dies bedeutet, dass drei Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem der verrechnungssteuerbelastete Ertrag fällig wurde, ein entsprechender Antrag bei der ESTV einzureichen ist. Im internationalen Verhältnis kann der Antrag auf Rückerstattung in der Regel bereits ab Fälligkeit der steuerbaren Leistung gestellt werden. Gemäss dem Bundesgesetz über die Durchführung von internationalen Abkommen im Steuerbereich (StADG) erlischt der Anspruch auf Rückerstattung im internationalen Verhältnis ebenfalls, wenn der Antrag nicht innert drei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die steuerbare Leistung fällig geworden ist, gestellt wird. Diese Frist ist eine Verwirkungsfrist und kann nicht verlängert werden.

Daneben enthält weder das VStG noch das StADG Bestimmungen über die Verjährung des Rückerstattungsanspruches. Diesbezüglich gilt gemäss Praxis eine relative Verjährungsfrist von fünf Jahren. Diese Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung des Rückerstattungsanspruches, somit bei Aktien mit der Fälligkeit der steuerbaren Zahlung, zu laufen.

Wird ein Antrag auf Rückerstattung durch die ESTV formlos abgelehnt, so stellt sich die Frage wie die relative Verjährungsfrist von fünf Jahren zu berücksichtigen ist. Zentral ist zum Beispiel die Frage, ob und bis wann die Möglichkeit besteht, den gleichen Antrag erneut einzureichen, sofern der Antragsteller in der Lage ist, die ausstehenden Informationen bzw. weitere sachdienliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Formlos bedeutet vorliegend, dass der Rückerstattungsbetrag durch die ESTV gekürzt oder gänzlich reduziert wird, ohne Erlass einer formellen Verfügung oder eines Entscheids.

Gemäss publizierter Randnote 55 zu Art. 32 VStG der Praxis der Bundessteuern zu den Stempelabgaben und der Verrechnungssteuer bewirkt die formlose Abweisung von Verrechnungssteuerrückerstattungsanträgen durch die ESTV keine Unterbrechung der relativen Verjährungsfrist. Es stellt sich somit die Frage, welche Handlungen zu einer Unterbrechung (und somit zum Start einer neuen entsprechenden Frist) führen.


Konkretisierte Praxis

Die ESTV hat ihre bisherige Praxis in Bezug auf die Unterbrechung der relativen Verjährungsfrist nun mit der vorliegenden Mitteilung konkretisiert und die bisherige Praxis bestätigt.

Die 5-jährige Verjährungsfrist beginnt mit der Entstehung des Rückerstattungsanspruchs zu laufen, d.h. bei Dividenden mit Fälligkeit der Leistung. Bei einer Dividendenzahlung z.B. am 15. Januar 2019 würde somit die allgemeine relative Verjährungsfrist am 15. Januar 2024 auslaufen. Diese relative Verjährungsfrist ist jedoch in der Praxis bei der Einreichung eines Antrags nicht von Bedeutung, da mit der 3-jährigen Verwirkungsfrist zur Geltendmachung einer Verrechnungssteuerforderung eine kürzere Frist zum Tragen kommt, die zunächst zu beachten ist. Im obigen Beispiel müsste der Antrag auf Rückerstattung sowohl im nationalen wie auch im internationalen Verhältnis somit bis zum 31. Dezember 2022 eingereicht werden, damit der Antrag als rechtzeitig bei der ESTV eingegangen gilt. Die Mitteilung der ESTV hat nun klargestellt, dass die Einreichung eines Rückerstattungsantrags innerhalb der 3-jährigen Verwirkungsfrist zu einer Unterbrechung der relativen 5-jährigen Verjährungsfrist führt, sodass diese ab dem Zeitpunkt der Einreichung des Rückerstattungsantrags von Neuem zu laufen beginnt.

Werden weitere Unterlagen von der antragsstellenden Person bei der ESTV eingereicht, welche z.B. zur Untermauerung des Rückforderungsanspruches von der ESTV angefordert wurden, wird die Verjährung ebenfalls unterbrochen und die Verjährungsfrist von fünf Jahren beginnt ab diesem Zeitpunkt auch wieder neu zu laufen.

Die ESTV hat in der Mitteilung auch bestätigt, dass Handlungen der ESTV, insbesondere die formlose Abweisung (ohne Erlass eines formellen Entscheids) eines Rückerstattungsantrags oder das Einfordern von Auskünften und Unterlagen durch die ESTV, in diesem Zusammenhang nicht relevant sind und die Verjährungsfrist nicht unterbrechen. Lediglich Handlungen der antragsstellenden Person gegenüber der ESTV, welche auf die Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs gerichtet sind, vermögen eine entsprechende Unterbrechung der relativen 5-jährigen Verjährungsfrist auszulösen.

Auswirkung auf die Praxis

Insbesondere ausländische antragsstellende Personen, deren Rückerstattungsantrag formlos von der ESTV abgelehnt wurde, müssen die 5-jährige relative Verjährungsfrist minuziös berücksichtigen. Diese läuft ab der letzten, von der antragsstellenden Person, auf Geltendmachung des Rückerstattungsanspruchs gegenüber der ESTV gerichteten Handlung und der massgebliche Zeitpunkt ist entsprechend nachzuweisen. Blosse formelle (teilweise oder gänzliche) Abweisungsschreiben oder das Einfordern von weiteren Unterlagen durch die ESTV führen nicht zu einer Unterbrechung der Verjährungsfrist.

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