Verlustverrechnung bei Schweizer Immobilien – grosser Wurf oder grosses Chaos?

Florian von Felten Senior Manager, Real Estate Taxes, PwC Switzerland 07 Apr 2021

In jüngerer Vergangenheit hat das Schweizerische Bundesgericht diverse wegweisende Urteile zum Thema Verlustverrechnung im Immobilienbereich gefällt. Nachfolgend geben wir eine Übersicht über die jüngsten Entscheidungen, erläutern deren Auswirkungen auf verschiedene Rechtsformen und wagen einen Blick in die Zukunft.

Die steuerliche Verlustverrechnung bei Immobilien – eine ohnehin komplexe Thematik – unterliegt in der Schweiz 26 unterschiedlichen Systemen. Der Bund hat sie kaum harmonisiert, weshalb die Kantone und teilweise sogar die Gemeinden grossen Spielraum haben. Zudem gelten bei der Grundstückgewinnsteuer zwei diametral auseinanderlaufende Systeme (vgl. Abbildung 1):

  • Im monistischen System unterliegen sowohl Gewinne aus der Veräusserung von Grundstücken des Privat- als auch des Geschäftsvermögens der Grundstückge-winnsteuer. 
  • Im dualistischen System werden lediglich Gewinne aus dem Verkauf von Grundstücken des Privatvermögens gewinnsteuerpflichtig. Beim Geschäftsvermögen unterliegen derartige Gewinne bei natürlichen Personen der Einkommenssteuer und bei juristischen Personen der Gewinnsteuer. 

Die Koexistenz dieser Systeme ist bereits komplex. Sollen nun aber Gewinne und Verluste zwischen beiden Systemen verrechnet werden, so stellen sich weitere Fragen.

Bild Schweiz

Abbildung 1: Unterschiedliche Systeme für die Ermittlung der Grundstückgewinnsteuer

Aus diesen Gründen ist die Verlustverrechnung im Immobilienbereich gerade für interkantonal tätige Anleger anspruchsvoll. Problematisch sind dabei vor allem Ausscheidungsverluste, also das «ins Leere fallen» von Verlusten aufgrund interkantonaler Kollisionen. Das Schweizer Bundesgericht hat in den vergangenen Jahren einige Leitentscheide getroffen. Diese schaffen mehr Klarheit, werfen aber auch neue Fragen auf (vgl. Abbildung 2).

Grafik Verlustrechnung

Abbildung 2: Drei wesentliche Bundesgerichtsentscheide (BGE) und eine Gesetzesänderung seit 2016

Verlustverrechnung beim Verkauf von Liegenschaften

BGE 2C_1080/2014 vom 5. Juli 2016

Das Bundesgericht hat entschieden, dass die innerkantonale Verlustverrechnung bei steuerbefreiten juristischen Personen wie Vorsorgeeinrichtungen in allen Kantonen zulässig sein muss. Dies gilt unabhängig von den kantonalen Gesetzesbestimmungen oder dem anwendbaren System.

BGE 2C_216/2019 vom 28. Januar 2020

Das Bundesgericht hat befunden, dass das Schlechterstellungsverbot auch für die Grundstückgewinnsteuer gilt. Das bedeutet, dass ein Fonds mit Immobilien in mehreren Kantonen nicht stärker belastet werden darf als ein Fonds, der nur Immobilien in einem Kanton hält. Zudem hat das Bundesgericht festgehalten, dass der Ort der Fondsleitung für die Steuerausscheidung von Immobilienfonds bedeutungslos ist. Demzufolge hält das Bundesgericht eine interkantonale Verlustverrechnung bei steuerbefreiten kollektiven Kapitalanlagen mit direktem Grundbesitz für zulässig.

Laufende Verlustverrechnung

BGE 2C_285/2018 vom 5. November 2019

Eine Immobiliengesellschaft mit Sitz im Kanton Aargau hat einen Gesamtgewinn erzielt, der durch Verluste in anderen Kantonen geschmälert wurde. Nach bisheriger Praxis verrechnete der Kanton Aargau Gewinne und Verluste proportional. Der Kanton Thurgau als Spezialsteuerdomizil wendete die objektmässige Methode an. Demnach waren die Verluste in erster Linie mit dem Gewinn am Hauptsteuerdomizil zu verrechnen.

Das Bundesgericht hat das Vorgehen des Kantons Thurgau gestützt. Somit sind bei Immobiliengesellschaften die Verluste aus Spezialsteuerdomizilen in erster Linie mit Gewinnen am Hauptsitz zu verrechnen. Ein verbleibender Verlust ist proportional den übrigen Kantonen mit Gewinnen zuzuweisen. Gemäss Bundesgericht ist diese Variante näher am Grundsatz, wonach Liegenschaftsgewinne am Ort der gelegenen Sache zu versteuern sind. Leider ist anhand der Formulierung des Urteils unklar, ob das nur für Immobiliengesellschaften mit eigener Verwaltungstätigkeit gilt (was sachgerecht wäre) oder auch für reine Investmentgefässe wie Immobilienfonds (mit «fiktivem» Hauptsitz) anwendbar ist. Darüber diskutieren die kantonalen Steuerverwaltungen aktuell noch.

Exkurs in den Kanton Zürich

Unter Berücksichtigung verschiedener kantonaler und bundesgerichtlicher Urteile hat der Kanton Zürich ab 1. Januar 2019 sein Steuergesetz angepasst. Er lässt eine Anrechnung von Geschäftsverlusten an Grundstückgewinne grundsätzlich zu. Dieses Beispiel macht deutlich, dass der Harmonisierungsdruck auf die Kantone steigt.

Fazit und Ausblick

Diese Tour d‘Horizon durch die BGE der vergangenen Jahre verdeutlicht, dass sich bei der Verlustverrechnung im Immobilienbereich aktuell viel bewegt. Bisher beschränken sich die Entscheide vorwiegend auf gewinnsteuerbefreite Immobilienanleger. Teilweise geht aus der Rechtsprechung zu wenig deutlich hervor, für welche Rechtsformen die Entscheide anwendbar sind. Eine unterschiedliche Behandlung der steuerbefreiten und der steuerpflichtigen Immobilieninvestoren bei der Verlustverrechnung erscheint jedoch grundsätzlich nicht sachgerecht. Nur wenn sie einheitlich behandelt würden, könnte bei der Verlustverrechnung mehr Klarheit geschaffen und somit das Kollisionspotenzial zwischen den Kantonen gesenkt werden. Wir gehen davon aus, dass es in naher Zukunft weitere Leitentscheide geben wird – was im Sinne der Rechtssicherheit und Übersichtlichkeit wünschenswert wäre.

 

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