Im Fokus: High Performing Organisations

Audit 4.0, Part 2, High Performing Auditors

René Rausenberger
Partner, Head of Technology-driven Audit, PwC Schweiz

Im Zug der Digitalisierung explodiert die Nachfrage nach Kosteneffizienz, mehr Sicherheit, mehr Transparenz und faktenbasierten Entscheidungen. Das richtet die Finanzfunktionen von Unternehmen neu aus und revolutioniert die Wirtschaftsprüfung. Beide müssen einen grösseren qualitativen und nutzbringenden Beitrag leisten. CFO und Prüfer entwickeln sich von vergangenheitsorientierten Qualitätsgaranten zu Datenagenten.

Das Beste aus Teamwork und Technologie

Die Digitalisierung lässt sich mit der Erfindung des Rads vergleichen. Dieses hat den Menschen in eine völlig neue Dimension von Raum, Zeit und Geschwindigkeit geführt und den Begriff Mobilität revolutioniert. Ist der Mensch früher zu Fuss oder mit einer Pferdestärke ans Ziel gelangt, tut er es heute im Tempo von Auto, Bahn oder Flugzeug – rund um den Globus. Analog dazu hat der Prüfer als Fachexperte bisher über Richtigkeit und Vollständigkeit der Jahresrechnung befunden, meist auf der Basis von Stichproben. Mit der Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung von quantitativen Werten und Transaktionen entfällt ein grosser Teil der ressourcenraubenden Handarbeit. Die Menge der auf Knopfdruck verifizierbaren Daten wird um ein x-Faches umfassender und aussagekräftiger. Ein abgestimmtes und koordiniertes Vorgehen der Finanzfunktion und der Revisionsstelle ist in unseren Augen unabdingbar.

Am Rad der Zeit gedreht

Die Räder der firmeninternen Finanzfunktion und externen Prüfung laufen also parallel (siehe Audit 4.0, Part 1, Finanzfunktionen und -prozesse). Die Treiber Kosteneffizienz, Sicherheit, Transparenz und faktenbasierte Entscheidungen führen die Unternehmen in digitale Informationsökosysteme, in denen sie sich mit Kunden, Lieferanten, Behörden, Banken sowie Finanzmärkten vernetzen. Alle machen sich gegenseitig Daten und Informationen schnell und automatisiert zugänglich. Das lässt die Datenmengen explodieren und zwingt die Teilnehmer, ihre Prozesse, Kontrollen, Strukturen und Corporate-Governance-Systeme anzupassen. Denn nur so können sie die nötigen Daten generieren, analysieren und nutzbar machen (Abbildung 1).

Informationsökosysteme verändern das Datenverhalten der Unternehmen – und die Rohstoffreserven des Prüfers
Informationsökosysteme verändern das Datenverhalten der Unternehmen - und die Rohstoffreserven des Prüfers
Informationsökosysteme verändern das Datenverhalten der Unternehmen - und die Rohstoffreserven des Prüfers

Abbildung 1: Informationsökosysteme verändern das Datenverhalten der Unternehmen – und die Rohstoffreserven des Prüfers

Die Folge sind wesentliche Veränderungen sowohl in der Prüfung als auch in den Unternehmen. Dazu gehören:

  • Einführung von gruppenweiten, standardisierten Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Systemen wie SAP Hana
  • Automatisierung wie Robotic Process Automation (RPA) oder der Einsatz von Machine Learning und künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence, AI)
  • Einführung und Ausbau von Shared Service Centers (SSC)

Das Potenzial für die Prüfung hängt von den verfügbaren Daten, IT-Landschaften und Applikationen des geprüften Unternehmens ab. In einem SAP-Umfeld ist heute bereits sehr vieles möglich, was die Digitalisierung an technologischem Fortschritt bietet. Auch bei heterogeneren und weniger verbreiteten ERP-Applikationen lassen sich die Vorteile der Digitalisierung freilegen, allerdings mit grösserem Aufwand.

Heute: die digitale Prüfung

Aktuell arbeiten wir mit digitalen Toolboxen, sogenannten «Algorithm Suites», oder salopp ausgedrückt mit einer digitalen Werkzeugkiste. Unsere Werkzeuge wirken auf vier Ebenen:

1. Prozesse: Algorithmen visualisieren die Geschäftsprozesse wie Order to Cash, Purchase to Pay, Lager- oder Personalbestände in Form von Flowcharts. So werden z.B. Abweichungen vom Template, Doppelspurigkeiten und Wiederholungen sichtbar. Damit kann das Potenzial von weitergehender Automatisierung und Standardisierung zur Steigerung der Prozesseffizienz aufgezeigt werden.

2. Kontrollen: Mithilfe von Algorithmen lassen sich die Wirksamkeit des Kontrolldesigns und die Kontrollen selbst automatisiert verifizieren und IKS-Optimierungen identifizieren. Damit lässt sich das Potenzial der Automatisierung und Standardisierung für die Steigerung des Risikomanagements aufzeigen.

3. Transaktionen: Dem Prüfer steht heute ein umfassendes Algorithmenportfolio zur Verfügung, das nach risikorelevanten Regeln (Hypothesen) entworfen und programmiert ist. Durch Datenanalysen versucht er, Anomalien in der Transaktionsverarbeitung und Verbuchung – etwa beim Verkauf oder Einkauf – zu identifizieren und finanzielle Kennzahlen zu errechnen. Dabei werden bis zu 100% der Population von Prüfgebieten in unterschiedlichen Dimensionen geprüft.

4. Workflow-Management: Workflow- und Prozess-Management-Tools unterstützen die Kommunikation innerhalb gruppenweiter Prüfungen und mit Kunden. Diese digitale Vernetzung auf gemeinsamen Arbeitsplattformen schafft Transparenz, schnelle Reaktionszeiten, ein wirksames Projektmanagement und die effiziente Erledigung der Arbeitsdokumentation.

 

Zusammenarbeit und Transparenz Synchronisierte Zusammenarbeit und Transparenz

Zusammenarbeit und Transparenz
Synchronisierte Zusammenarbeit und Transparenz

Stärkung Risikomanagement Kontrolldesign, Automatisierung, Benchmarking und mehr Sicherheit aus der Prüfung

Stärkung Risikomanagement
Kontrolldesign, Automatisierung, Benchmarking und mehr Sicherheit aus der Prüfung

Einblicke Effizienz von Prozessen und Kontrollausführung sowie durch Benchmarking

Einblicke
Effizienz von Prozessen und Kontrollausführung sowie durch Benchmarking

Wegbereiter der Finanztransformation (SSC, ERP, RPA)

Wegbereiter der Finanztransformation
(SSC, ERP, RPA)

Digitale Prüfungen bringen zahlreiche Vorteile (Abbildung 2) und steigern den wertschöpfenden Beitrag der Wirtschaftsprüfung (Abbildung 3). Ziel muss es sein, den Einsatz der digitalen Prüfungstools so zu gestalten, dass der Prüfer, neben der Erfüllung der gesetzlichen Vorschriften, Wegbereiter zur Transformation der Finanzfunktion hin zum Business Performance Driver ist.

Morgen: Prüfung von Robotic Process Automation (RPA)

Ein grosses und rasch ausschöpfbares Potenzial für die Finanzfunktion liegt in der RPA. Diese wickelt wiederkehrende Geschäfts-, Rechen- und Verwaltungsprozesse vollautomatisiert ab, ohne Veränderungen an bestehenden IT-Strukturen vorzunehmen. Sie lässt sich mit überschaubarer Investition realisieren und wird voraussichtlich bereits 2018 prüfungsrelevant.

RPA bedingt ein systematisch kontrolliertes Governance- und Kontrollumfeld. Die Prüfung wird sich auf das interne Kontrollsystem entlang der relevanten Risikokategorien konzentrieren und prüfen, ob Governance, IKS und die Kontrollausführung die Risiken angemessen berücksichtigen.

Zurzeit prüfen wir im Rahmen von Pilotprojekten diese Technik auch für den internen Einsatz. RPA kann manuelle Dokumentationsschritte in der Dokumentationskette zwischen lokalen Tochtergesellschaften, lokalen Prüfern und Gruppenprüfern und dessen zentrale Dokumentationspflichten automatisieren. Dadurch werden administrative und wenig nutzbringende Abläufe effizienter.

Übermorgen: die High-Performing-Prüfung

In naher Zukunft werden Transaktionen von Unternehmen in einem geschlossenen IT-Umfeld verarbeitet, von der elektronischen Bestellung bis zur Bezahlung. Sämtliche Abwicklungen sind datenbasiert und protokolliert. Demnach wird auch die Prüfung mit automatisierter Prüfsoftware erfolgen – in Echtzeit, also kontinuierlich. Der Prüfer wird mit der automatisierten Transaktionsverarbeitung mitgehen.

Die künstliche Intelligenz ist im Wesentlichen eine Kette von Algorithmen, mit denen eine Software Informationen ähnlich dem menschlichen Urteilsvermögen verarbeitet. Machine Learning bezeichnet das künstliche, computerbasierte Schaffen von Wissen aus eigener Erfahrung. Es erkennt aus den eingespeisten Daten Gesetzmässigkeiten, wird dabei immer intelligenter und kann neue Daten in erkannte Gesetzmässigkeiten einordnen. Für die Wirtschaftsprüfung ist zu erwarten, dass dadurch die Identifikation von Anomalien wesentlich verbessert und Tendenzen (z.B. Werthaltigkeitsprüfung, Projektbeurteilung) simuliert werden können. Der Prüfer kann die Informationen mit den Finanz- und sonstigen Unterlagen seines Kunden vergleichen und Risiken noch besser verstehen.

Benchmarking gehört punktuell bei zahlreichen Unternehmen schon zur Prüfung. Die Digitalisierung macht diesen Vergleich systematischer und umfangreicher. Der Prüfer wird Daten zu Prozessen, Kontrollen, finanziellen und unternehmerischen Kennzahlen von seinen Kunden in effizienter und umfassender Art und Weise vergleichen und auswerten können. Damit wird er zum Datenagenten – also Wissensträger – und erweitert seine Erfahrung als Fachexperte um ein breites, datenbasiertes Wissen – zum Vorteil der geprüften Unternehmen.

Die finanzielle Berichterstattung der Zukunft ist noch nicht definiert. Heute und morgen stehen Bilanz, Erfolgsrechnung, Mittelflussrechnung und andere klassische Finanzkennzahlen zur Debatte. Übermorgen werden neue Kenngrössen wie Kundenzufriedenheit, Lagerbestände oder Zahlungsgewohnheiten relevant. Mit dem fortschreitenden Datenvolumen wächst die Auswahl der Informationen für alle Interessengruppen. Der Umfang der Prüfung, die Granularität der Prüfsicherheit und die Periodizität der Prüfung müssen neu definiert werden. Es liegt auf der Hand, dass sich der Prüfbedarf anpassen und wahrscheinlich ausweiten wird.

Der digitale Autor liefert dem Unternehmen mehr Know-how und weniger Handarbeit

360° Weitsicht empfohlen

Die heutige Daten- und Informationsflut verlangt Transparenz, Sicherheit und faktenbasierte Entscheidungen. Wir sind überzeugt, dass die Empfänger von finanziellen und wirtschaftlichen Informationen immer mehr vertrauensvolle und geprüfte Informationen wünschen. Die Entscheidungsgrundlagen müssen erstklassig und fehlerfrei sein. Der Prüfer fokussiert sich auf die wandelnden Bedürfnisse der Kunden und passt seine Vorgehensweise entsprechend an.

Ebenfalls zu überdenken sind die Prüfungsstandards. Die heute gültigen Standards stammen aus einer prädigitalen Zeit. Die International Standards on Auditing (ISA) verbieten den Einsatz von Datenanalysen nicht per se, aber die bestehenden Standards fördern ihn auch nicht. Dadurch steht der Prüfer im Spannungsfeld zwischen dem Ruf des Marktes nach digitalen Prüfungen und herkömmlichen Stichprobenprüfungen. Das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) evaluiert zurzeit, ob die ISA weiterhin die Bedürfnisse der Stakeholder erfüllen. Auch hier stehen fundamentale Veränderungen an.

Die beschriebene Entwicklung erfordert substanzielle Investitionen in Mitarbeiter und digitale Hilfsmittel. Die Digitalisierung lässt bei den Mitarbeitern Hoffnungen und Befürchtungen entstehen. Es liegt in der Verantwortung der Führungskräfte, sie auf dieser digitalen Reise zu begleiten – mit Ausbildung, Projektverantwortung, Grundsatzdiskussionen, klaren Zielen und einem offenen Dialog. Denn nur so lässt sich das Innovationspotenzial eines motivierten Prüfungsteams freisetzen.

High Performance dank High Attention

Wir sind überzeugt, dass die digitale Reise von Finanzfunktion und Wirtschaftsprüfung in vielen Teilen parallel und gemeinsam erfolgen muss. Denn es bestehen Gemeinsamkeiten und Abhängigkeiten. Der Prüfer muss das Ziel und die Prioritäten der Finanzfunktion detailliert verstehen, um sein Prüfungsvorgehen und die richtigen Werkzeuge aus seinem digitalen Werkzeugkasten einzusetzen. Damit wird das Prüfteam aus digitalen Experten, Prozess- und System- sowie Wirtschaftsprüfern zum Wegbereiter für die digitale Transformation der Finanzfunktion. Nur wer in der Digitalisierung das Steuer aktiv und mutig in die Hand nimmt, kann das Potenzial für die Finanzfunktion und die Wirtschaftsprüfung zugunsten einer überdurchschnittlichen Performance nachhaltig ausschöpfen.

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Rene  Rausenberger

Rene Rausenberger

Partner and Head External Audit, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 2266

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