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Richard Thomas
Risk Consulting Leader (Trade, Industry, Services), Territory Leader Internal Audit, PwC Schweiz
Alexandra Burns
Risk Consulting and Internal Audit (FS) Leader, PwC Schweiz
Die Pandemie hat deutlich gemacht, wie wichtig es ist, ein Gleichgewicht zwischen dem Niveau des Vertrauens und dem Grad an Überwachung zu finden. Oder anders gesagt: Wie stärkt man als Unternehmen die 99%, die das Vertrauen verdienen, während man zugleich ein Auge auf das eine Prozent behält, das für negative Schlagzeilen sorgt – zum Beispiel durch einen grossen Betrugsfall?
In diesem Artikel wollen wir aufzeigen, wie Unternehmen durch Umsetzung von fünf Schritten stärker, agiler und widerstandsfähiger aus der Krise hervorgehen und in einer vom ständigen Wandel geprägten Zukunft erfolgreich sein können.
Dieser Schritt läuft darauf hinaus, Vertrauen zu zeigen, um Vertrauen zu gewinnen. Von unseren Kunden hören wir die gute Nachricht, dass die Produktivität während der Krise zugenommen hat. Sie können sich also darauf verlassen, dass das Zeitmanagement Ihrer Mitarbeitenden funktioniert, auch wenn sie im Homeoffice arbeiten. Ihre Mitarbeitenden wünschen sich diese Flexibilität, und daher ist es sinnvoll, ihnen auch die Möglichkeit zu geben, für sich zu entscheiden, welche Optionen für sie selbst, das Unternehmen und ihr Team am besten sind.
Auf Grundlage der Erfahrungen, welche die Unternehmen in der COVID-19-Krise gemacht haben, lohnt es sich zu überlegen, ob eine hybride Arbeitsweise, welche den Bedürfnissen der verschiedenen Beteiligten gerecht wird, in Frage kommt. Welche Lösungen letztlich umgesetzt werden, hängt vom Geschäftsmodell ab. Möglicherweise braucht es jeweils eine spezifische Mischung aus Onsite-, Offsite- und Heimarbeit.
Vertrauen muss man sich auch verdienen, und das gilt für alle Beteiligten. Viele Führungskräfte müssen sich an eine andere Denkweise gewöhnen und die Tatsache akzeptieren, dass sie die Mitarbeitenden nicht mehr am Arbeitsplatz überwachen können. Zudem gilt es, Umfang und Art der benötigten Kontrolle richtig zu beurteilen und neue Ansätze zu finden, wie sie dies erreichen können. Dazu muss man wiederum die Fähigkeit der Manager beurteilen, Menschen zu führen. Verfügen diese über die Fähigkeit und die Einstellung, um diese Aufgabe in einer virtuellen Umgebung zu erbringen? Diese Aspekte lassen sich indes nur richtig einschätzen, wenn die oberste Führung gewillt ist, entsprechend anzuleiten, zu kommunizieren und zu unterstützen. Werte müssen auf allen Ebenen der Organisation gelebt werden. Daher sollte das Management diesen Prozess in eigener Verantwortung steuern und vorantreiben, mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen, wie man das Richtige tut, auch wenn gerade keiner hinschaut.
Wenn es gelingt, eine echte Vertrauenskultur aufzubauen, wird als überaus wertvoller Nebeneffekt ein Arbeitsumfeld entstehen, das genau diejenigen talentierten, selbstbestimmten Digital Natives anzieht und bindet, die für die meisten Unternehmen unentbehrlich sind, wenn sie in Zukunft erfolgreich sein wollen.
Jetzt ist der ideale Zeitpunkt für den Verwaltungsrat, um sich Gedanken darüber zu machen, welche Veränderungen sich derzeit im Personal- und Technologiebereich abspielen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden die Karten neu gemischt: Es entstehen neue Risiken, derweil bestehende Risiken sich verändern oder vergrössern. Wie will eine Organisation diese Risiken priorisieren und einen Ausgleich schaffen? Erst wenn man sich einen Überblick verschafft hat, kann man angemessen entscheiden, worauf geachtet werden und was überwacht werden muss, beziehungsweise welche Schritte dazu erforderlich sind. Passende Ansatzpunkte zur Minderung möglicher Risiken bieten sich etwa im Rahmen einer guten Governance-Struktur und einer wirksamen internen Kontrolle.
Einige der Risiken dürften ziemlich offensichtlich sein. So hat die zunehmende Verbreitung von Fernarbeitsplätzen neuartige Cyber-Risiken mit sich gebracht – Schwachstellen, die böswillige Akteure während der Pandemie rasch mit betrügerischen E-Mails und zahlreichen anderen schädlichen Taktiken auszunutzen versuchten. Obwohl das Problem offensichtlich ist und es viele Best Practices gibt, um es zu lösen, unterschätzen jedoch viele Unternehmen diese Bedrohung und verzichten auf angemessene Massnahmen.
Andere Risiken sind völlig neu und unerwartet. Wer hätte sich vor COVID-19 eine Situation ausgemalt, in der Wertpapierhändler verschiedener Banken in gemeinsamen Wohnungen leben und arbeiten? Wie geht man mit den damit verbundenen Auswirkungen in Bezug auf Vertraulichkeit um? Auch dafür gibt es mittlerweile Lösungen. Ein weiteres Beispiel ist die zweiwöchige Urlaubsregel, die von Finanzinstituten eingeführt wurde, um Mitarbeitenden, die Geld unterschlagen, das Handwerk zu legen. Doch wie kann man das Fernbleiben vom Arbeitsplatz erzwingen, wenn die meisten Leute ihren Urlaub zu Hause verbringen? Es gibt technische Mittel, um dies mittels Überwachung der individuellen Systemzugriffe zu erreichen, aber nicht jede Organisation ist in der Lage, diese Lösungen zu implementieren.
Die nächste Krise kommt bestimmt, aber anders als man denkt. Wie kann man ihr indes robuster begegnen? Die Antwort ist in der Resilienz von Unternehmen zu suchen – also der Fähigkeit, harte Schläge wegzustecken.
Wer seine Widerstandsfähigkeit stärken will, muss Aktivitäten wie Risikomanagement, Compliance und Geschäftskontinuität integrativ vorantreiben, statt sie wie früher isoliert und oft auf der Basis eng begrenzter Überprüfungskriterien umzusetzen. Dies bedeutet auch, dass ein Unternehmen versteht, welche seiner unternehmensinternen Dienste von kritischer Bedeutung sind, und dass es die entsprechenden Prozesse stärkt und Redundanzen vorsieht. Viele Organisationen sind zwischenzeitlich stark verschlankt worden. Doch die COVID-Krise hat gezeigt, wie gefährlich es ist, Unternehmensfunktionen allzu drastisch abzubauen, und wie wichtig Redundanzen (z. B. alternative Lieferanten) in Schlüsselbereichen des Unternehmens sind.
Der Umgang mit den gesundheitlichen, sozialen und geopolitischen Risiken aufgrund von COVID-19 hat uns viel über die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen gelehrt. Indem Unternehmen ihre Resilienz erhöhen, werden sie agiler und sind so in der Lage, auf unerwartete Veränderungen zu reagieren und ihr Geschäft kosteneffizient wieder anzukurbeln. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um zurückzublicken und zu bewerten, was gut funktioniert hat und wo Verbesserungen nötig sind, damit die nächste Krise noch effizienter bewältigt werden kann. Jede Organisation sollte über ihre drei Verteidigungslinien nachdenken (Mitarbeitende mit Kundenkontakt und operatives Management; die Risikomanagement- und Compliance-Funktionen; die interne Auditfunktion), welche Rolle sie spielen und welche Synergien in Zukunft angestrebt werden können.
Die Pandemie hat uns daran erinnert, dass der Schutz der physischen wie auch psychischen Gesundheit der Mitarbeitenden geschäftskritisch ist. Die Produktivität mag gewachsen sein. Gleiches gilt indes für die Vielfalt der Aufgaben und das Arbeitstempo. Angesichts zahlloser Meetings und verschwimmender Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben besteht die Gefahr, dass sich Erschöpfung einstellt. Es gilt, Wege zu finden, Mitarbeitenden so zu führen, dass sie nicht Opfer eines Burnouts werden. Und das sagen nicht nur wir: Eine aktuelle Studie von Gartner (vgl. 9 Future of Work Trends Post-COVID-19, Gartner, 2020) über neue Formen der Arbeit kommt zu dem Schluss, dass sich die Unternehmen besser um ihre Mitarbeitenden kümmern müssen, da sonst sowohl ihr Geschäft als auch ihr Ruf leiden werden.
Natürlich finden die Menschen ihre eigene Art und Weise, wie sie aufeinander aufpassen. Sie sind miteinander vernetzt, chatten und tauschen sich untereinander aus. Die COVID-19-Krise hat fortschrittlichere Arbeitgeber dazu motiviert, diese Verhaltensweisen zu institutionalisieren und formale Programme zum Schutz des psychischen und physischen Wohlbefindens ihrer Mitarbeitenden einzuführen. Man ist sich mittlerweile bewusst, dass die Mitarbeitenden unterschiedliche Angebote und eine auf ihren jeweiligen Bereich zugeschnittene Unterstützung benötigen. Allgemeiner betrachtet kann dies bedeuten, dass ehrlich geprüft werden sollte, ob die Unternehmensleitung auf Worte auch wirklich Taten folgen lässt. Nichts ist demotivierender als eine Kluft zwischen den erklärten Unternehmenszielen und dem, was Mitarbeitende tatsächlich erleben. Hat die Belastung durch die Pandemie einige dieser Risse sichtbar werden lassen?
Es gibt viel zu gewinnen, wenn man sich ernsthaft bemüht zu erkunden, was die Mitarbeitenden wirklich wollen, und sich Gedanken macht, wie deren Wünsche mit den Bedürfnissen des Unternehmens in Einklang gebracht werden können. COVID-19 kann als Katalysator dienen und Arbeitgeber dazu ermutigen, den Bedürfnissen ihrer Belegschaft, aber auch den Erwartungen einer neuen Generation von Mitarbeitenden, für die Fernarbeit, Digitalisierung und Selbstbestimmung selbstverständlich sind, optimal Rechnung zu tragen.
Jetzt ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um eine Kultur der Agilität zu fördern und sich auf einen raschen Wandel vorzubereiten, indem neue Technologien eingeführt und die Mitarbeitenden im Umgang damit geschult werden. Der Grad der technischen Reife ist von Organisation zu Organisation noch sehr unterschiedlich. Bei Ausbruch von COVID-19 fragten sich viele, wie sie Einblick in ihr Geschäft bekommen könnten, ohne tatsächlich im Unternehmen zu sein. Die erforderliche Technologie ist vorhanden. So gibt es zum Beispiel bereits Daten- und Analyselösungen wie die kontinuierliche Überwachung auf Basis von Dashboards und virtuellen Risikoindikatoren, aber Unternehmen mit weniger Technikerfahrung scheuten sich oftmals, diese einzuführen. Sobald sie jedoch den «Sprung ins kalte Wasser» gewagt hatten, merkten sie, dass es funktionierte und ihnen Einblicke vermittelte, die sie vorher nicht hatten.
Tatsächlich kann eine bessere Nutzung von Transaktionsdaten, künstlicher Intelligenz (KI) und kontinuierlicher Überwachungstechnologie völlig neue Geschäftserkenntnisse ermöglichen. Diese Technologien befähigen zudem die erste Verteidigungslinie, also jene Mitarbeitenden, welche die Prozesse tatsächlich ausführen, wenn es darum geht, die Risiken zu kontrollieren. Und dies dürfte somit auch einen Wandel in den Verteidigungslinien und in der Art, wie sie zusammenspielen, auslösen, was ein positiver Fortschritt ist.
Viele der Veränderungen, die wir in der sehr kurzen Zeit seit dem Ausbruch der Pandemie beobachtet haben, wären noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind jetzt gezwungen, das Vertrauensverhältnis, von dem das Geschäft letztlich abhängt, neu zu bewerten – nicht nur für die Dauer der Krise, sondern auch mit Blick auf eine Zukunft, in der ein rascher Wandel an der Tagesordnung sein wird.
Wir sind der Meinung, dass es jetzt definitiv an der Zeit ist, die Zügel etwas zu lockern, und das auf intelligente Weise. Indem sie eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens fördern, sich veränderter Risiken stärker bewusst werden, Widerstandsfähigkeit entwickeln, ihre Mitarbeitenden befähigen und mutig neue Technologien übernehmen, können Organisationen ihre Ressourcen effektiver nutzen und sich so besser positionieren, um auf unerwartete Veränderungen zu reagieren.
Unternehmen, die hier – vor allem was die Mitarbeitenden angeht – Fehler machen, riskieren, am Ende von der Bildfläche zu verschwinden, denn die Konkurrenz macht es vielleicht besser. Der richtige Zeitpunkt zum Handeln ist … jetzt!
#social#
Partner, Risk Consulting, Risk Consulting Leader TIS (Trade, Industry, Services) and Internal Audit, PwC Switzerland
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