Im Fokus: Arbeitsrecht

Die Spuren der Pandemie im Arbeitsalltag

Ivana Vidakovic
Head of Employment Law, PwC Schweiz

Was bei Pandemieausbruch als bundesrätliche Auflage begann, ist heute im Trend: Homeoffice. Wer dieses Arbeitsmodell auch nach dem Ende der offiziellen Homeoffice-Pflicht anbieten möchte, darf die Komplexität aus arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen, sozialversicherungsbedingten, aufsichtsrechtlichen und datenschutzrelevanten Aspekten nicht unterschätzen – gerade bei internationalen Arbeitsverhältnissen.

Gesetzliche Achterbahn

Corona hat in der Arbeitswelt keinen Stein auf dem anderen gelassen. Der Bundesrat hat den Handlungsbedarf schon bald nach Ausbruch der Pandemie erkannt und am 13. März 2020 die «Covid-19-Verordnung 2» in Kraft gesetzt. Diese sollte es zunächst einmal besonders gefährdeten Arbeitnehmenden ermöglichen, ihre Arbeitsverpflichtungen von zu Hause aus zu erfüllen. 2020 wurde diese Verordnung kontinuierlich angepasst und schliesslich am 22. Juni 2020 durch die «Covid-19-Verordnung besondere Lage» ersetzt. Basierend darauf wurde ab dem 18. Januar 2021 die Homeoffice-Pflicht überall dort angeordnet, wo dies aufgrund der Art der Aktivität und mit verhältnismässigem Aufwand umsetzbar war. 

Die Unternehmen in der Schweiz waren aufs Äusserste gefordert. Denn was für viele aus firmenkulturellen Gründen niemals in Frage gekommen war, wurde zum auferlegten Arbeitsalltag. Dank fortgeschrittener Digitalisierung fanden die Unternehmen Lösungen, die sich technisch und rechtskonform umsetzen liessen.

Bewilligt vs. nicht bewilligt

Je nachdem, ob ein Unternehmen der Finanzmarktaufsicht (FINMA) unterstellt ist oder nicht, hatte die Homeoffice-Pflicht mehr oder weniger weitreichende Folgen. Durch die FINMA bewilligte und beaufsichtigte Institute wie Banken, Versicherungen oder Vermögensverwalter müssen hinsichtlich Schutz und Sicherheit von Kundendaten strengsten Auflagen genügen. Diese mussten sie nun sozusagen über Nacht in der dezentralen Arbeitswelt des Homeoffice sicherstellen. Für die übrigen Unternehmen gingen die Herausforderungen vorwiegend aus der Tätigkeit selbst und nicht aus aufsichtsrechtlichen Vorgaben hervor. Ihnen stellte sich zum Beispiel die Frage, welche Aufgaben Mitarbeitende aus der Fertigung im Homeoffice erledigen konnten.

Neue Rechtslage, alte Fragen 

Mittlerweile hat auch die «Covid-19-Verordnung besondere Lage» zahlreiche Änderungen erfahren. Am 23. Juni 2021 hat der Bundesrat die Homeoffice-Pflicht in eine Homeoffice-Empfehlung umgewandelt und gewisse Einschränkungen gelockert. Arbeitgebende sind jedoch weiterhin verpflichtet, mögliche Massnahmen nach dem STOP-Prinzip zu treffen: Substitution, Technische Massnahmen, Organisatorische Massnahmen, Persönliche Schutzausrüstung. Dazu gehören Homeoffice nach Wahl, die Trennung von Teams, regelmässiges Lüften oder das Tragen von Gesichtsmasken. Das Konzept Homeoffice ist geblieben – ebenso rechtliche Unklarheiten, auf die weder die Erfahrungen der letzten Monate noch klärende Gesetzesartikel oder Präzisierungen eindeutige Antworten geben. So müssen Arbeitgebende, die Homeoffice weiterhin als Arbeitsmodell anbieten, die folgenden Themen klären: 

a) Material und Auslagen

Wer zu Hause arbeiten will, braucht ein Minimum an Infrastruktur: Tisch, Stuhl, Computer, Drucker. Hinzu kommen Abonnementskosten für Internetzugang, Telefon, Strom- und Heizkosten. Ebenfalls ein Thema sind Mietkosten, da die private Wohn- und Infrastruktur zur Berufsausübung genutzt wird. Mit seiner Präzisierung der «Covid-19-Verordnung besondere Lage» im Januar 2021 hielt der Bundesrat ausdrücklich fest, dass für Arbeit im Homeoffice aufgrund der andauernden Pandemie den Arbeitnehmenden keine Auslagen geschuldet sind (vgl. «Kosten für Homeoffice während der Pandemie»). Mit der Aufhebung der Homeoffice-Pflicht besteht hinsichtlich der Frage der Kostenübernahme von Spesen erneut eine gewisse Rechtsunsicherheit. Die Lehrmeinung geht davon aus, dass bei freiwilligem Homeoffice kein Spesenersatz geschuldet ist.

b) Arbeitszeiten und Kontrollen

Die Unsicherheit darüber, wer was darf, kann und muss, kam gerade im Hinblick auf die Kontrolle der Mitarbeitenden im Homeoffice zum Ausdruck. Wie können Vorgesetzte prüfen, wer wann und wie lange im Homeoffice arbeitet? Und wo sollen sie die Grenzen dieser Kontrollen ziehen? Immerhin bedingt Homeoffice naturgemäss eine gewisse Vermischung von Privat- und Arbeitsleben. 

Das Schweizer Arbeitsgesetz verpflichtet die Unternehmen zu einer detaillierten Arbeitszeiterfassung. Daraus müssen Dauer, Beginn und Ende der geleisteten täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit inklusive Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie Pausen von einer halben Stunde und mehr ersichtlich sein. Arbeitgebende müssen demnach sowieso sicherstellen, dass Homeoffice-Mitarbeitende ihre Arbeitszeiten korrekt erfassen, nur so lange wie vereinbart arbeiten und Pausenzeiten einhalten. Wie stark sie dabei ins Privatleben ihrer Mitarbeitenden eingreifen dürfen, ist nicht einfach zu entscheiden und im Einzelfall zu beurteilen.

c) Gesundheit und Sicherheit

Die Homeoffice-Pflicht wurde unter anderem zur Sicherheit der Mitarbeitenden verordnet. Die Gestaltung des Arbeitsplatzes im Sinn einer umfassenden Arbeitssicherheit bezieht sich allerdings nicht nur auf pandemiebedingte Risiken. Auch Aspekte wie Ergonomie oder Unfallschutz gilt es zu berücksichtigen. Für ein Unternehmen ist es leichter, einen Standort mit normierten Arbeitsplätzen einzurichten, als die zum Büro umfunktionierten Kinderzimmer jedes einzelnen Mitarbeitenden mit individuellen Infrastrukturen an die Bestimmungen von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz anzupassen.

d) Datenschutz

Mit Homeoffice oder Remote Work durch Reisetätigkeit gehen datenschutzrechtliche Belange einher. Hier gilt es zu definieren, welche Vorkehrungen Arbeitgebende und Arbeitnehmende treffen müssen, damit der Schutz und die Sicherheit von Kundendaten gewährleistet bleiben. Wie verhält es sich zum Beispiel mit dem Zugang zum Zimmer, das zum Homeoffice umfunktioniert wird? Und wie wird das in einer Wohngemeinschaft geregelt, in der mehr als eine Familie im gleichen Haushalt wohnt? Das Schweizer Datenschutzgesetz (DSG) wurde zwar Ende September 2020 totalrevidiert, aber konkrete Bestimmungen für Homeoffice enthält es nicht. Das Einhalten von datenschutzrechtlichen Pflichten bleibt sowohl in der Verantwortung der Unternehmen als auch der Arbeitnehmenden – ganz gleich, welche Arbeitsmodelle angewandt werden.

Steigende Komplexität bei Internationalität

Noch komplexer wird die Angelegenheit bei internationalen Mitarbeitereinsätzen oder Grenzgängern. Welche arbeitsrechtlichen, steuerrechtlichen und sozialversicherungstechnischen Aufgaben kommen auf die Arbeitgebenden zu, wenn ein Mitarbeitender sein Homeoffice im Ausland hat? Dabei spielt zum Beispiel eine Rolle, ob die Person als CEO oder einfacher Mitarbeitender angestellt ist. In solchen Konstellationen sind einerseits Aspekte wie Einkommens- und Unternehmenssteuern (das sog. Betriebsstättenrisiko) oder andererseits die sozialversicherungsrechtlichen Unterstellungsregeln zu beachten. Je nach Umfang der im Ausland geleisteten Arbeit und/oder der Nationalität der Arbeitnehmenden sind diese dem Sozialversicherungssystem im Ausland zu unterstellen. Ausserdem ist die Anwendung des Territorialitätsprinzips zu berücksichtigen, wonach arbeitsrechtliche Vorgaben wie wöchentliche Arbeitszeit, Ferienanspruch oder Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit nach den Gesetzen im Homeoffice-Land gelten. In solchen Fällen lohnt es sich für Arbeitgebende, das nötige Fachwissen ins Haus zu holen oder ein professionelles internationales Beratungsnetzwerk beizuziehen. 

Business braucht Menschen

Die Pandemie hat die Dezentralisierung der Arbeit begünstigt. Dennoch bleiben die persönliche Zusammenarbeit und der direkte Austausch zentral; sie bestimmen, wie unternehmerische Werte gelebt und in die Firmenkultur übersetzt werden. Mitarbeitende und Führungskräfte sind nachweislich stärker in ein Unternehmen eingebunden, wenn sie vor Ort sind. Sie bauen Loyalität und Teamgeist besser auf, wenn sie hautnah erleben, wofür sie selbst, ihr Team oder das gesamte Unternehmen stehen. Leider fehlen dem Dialog über digitale Kommunikationsplattformen die Spontaneität und informelle Dynamik. Deshalb müssen die Unternehmen eine Interaktion mit ihren Mitarbeitenden und Teams etablieren, die über das Monatsmeeting am Bildschirm hinausreicht. Ansonsten entgeht ihnen, was die Menschen in ihrem Unternehmen beschäftigt – und hält.

Klarheit schaffen empfohlen

Technisch lässt sich Homeoffice mittlerweile vielerorts problemlos umsetzen. Rechtlich wird es allerdings schwieriger. Denn der Begriff Homeoffice ist im Schweizerischen Obligationenrecht (OR) nicht enthalten, weshalb dafür keine expliziten Regelungen existieren. Um Klarheit darüber zu schaffen, wer was muss oder darf, empfehlen wir Folgendes:

  • Den Anspruch auf Homeoffice im Arbeitsvertrag regeln.
  • In einem Homeoffice-Reglement (vgl. separate Box) regeln, wie dieses Arbeitsmodell verstanden und umgesetzt wird. 
  • Workshops oder interne Schulungen durchführen, um den Umgang mit dem Homeoffice-Reglement zu üben und individuelle Fragen aus der Praxis zu beantworten.
  • Mit Homeoffice-Mitarbeitenden regelmässig offen kommunizieren, damit deren physische und psychische Befindlichkeit auf dem Radar von Vorgesetzten und Personalverantwortlichen bleibt.

Fazit

Dank stark fortgeschrittener Digitalisierung liess sich die bundesrätlich verordnete Homeoffice-Pflicht von März 2020 für besonders gefährdete Mitarbeitende und von Januar 2021 – wo immer möglich – für die ganze Belegschaft zügig implementieren. Doch ist dieses Arbeitsmodell im OR nicht vorgesehen. Zudem haben sich die Bestimmungen für die Unternehmen während der Pandemie ständig geändert. Das hat bei Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden Unsicherheit hervorgerufen. Gleichzeitig haben viele Mitarbeitende die Vorzüge von Homeoffice schätzen gelernt und so ist das Arbeitsmodell auf der Beliebtheitsskala enorm gestiegen und wird sogar erwartet. Unternehmen, die es weiterhin anbieten möchten, können das in der Schweiz leicht umsetzen. Dabei sollten sie mit einem Homeoffice-Reglement klären, wie sie das Modell ausgestalten und wer damit welche Verpflichtungen eingeht. Bei internationalen Arbeitsverhältnissen verkompliziert sich die Situation, da arbeits-, sozialversicherungs- und steuerrechtliche Aspekte hinzukommen. In solchen Fällen lohnt es sich, eine externe Expertise beizuziehen, um böse Überraschungen zu vermeiden.

Das Homeoffice-Reglement

So könnte das Inhaltsverzeichnis eines Homeoffice-Reglements aussehen:

1. Zweck und Geltungsbereich

2. Definition von Homeoffice-Arbeit

3. Voraussetzungen für die Verrichtung von Homeoffice-Arbeit

4. Umfang des Arbeitspensums

5. Zeitliche Rahmenbedingungen

6. Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes

7. Kostenregelung bei Verrichtung von Homeoffice-Arbeit

8. Verhalten bei Störungen

9. Arbeitsschutz

10. Verhalten bei Verrichtung von Homeoffice-Arbeit

11. Beendigung der Homeoffice-Arbeit

12. Schlussbestimmungen

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Ivana Vidakovic

Ivana Vidakovic

Head of Employment Law, PwC Switzerland

Tel.: +41 58 792 4764

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