«Digitale Daten sind die wichtigste Ressource des Gesundheitswesens von morgen…»

Interview mit Gesundheitsdirektor Martin Pfister

David Roman
Director, Leiter Digital Health
PwC Schweiz

Gesundheitsdirektor Martin Pfister äussert sich im Interview über die digitale Transformation im Gesundheitswesen. Er spricht über Rolle und Verantwortung von Bund und Kantonen. Und über richtige Fragen zu richtigen Daten.

PwC: Wie weit ist die Digitalisierung in der Gesundheitsdirektion Zug fortgeschritten?

Martin Pfister: In der Gesundheitsdirektion unternehmen wir viel, um unsere Prozesse und Aufgaben möglichst digital abwickeln zu können. Die Kontrolle der Spitalrechnungen ist beispielsweise weitgehend digitalisiert. Beim Bewilligungswesen ist ein Projekt auf guten Wegen. Bei Kampagnen in der Gesundheitsförderung nützen weitgehend die digitalen Möglichkeiten. Es gibt aber noch viel zu tun.

Das Projekt des Elektronischen Patientendossiers EPD, für das ich mich persönlich stark eingesetzt habe, muss praktisch als gescheitert betrachtet werden. Am Anfang stand ein völlig missratenes Gesetz und der fehlende Wille, geeignete Rahmenbedingungen zu setzen. Nun scheint aber der Bundesrat die richtigen Schlüsse gezogen haben. Er bringt ein neues EPD-Gesetz auf den Weg, das erfolgreich sein könnte.

Wir dürfen jedoch nicht vergessen, dass ein grosser Teil des Gesundheitswesens, insbesondere die Spitäler, in den letzten Jahren eine grosse digitale Dynamik mitmachten, ohne dass der Staat diese Entwicklung gefördert oder reguliert hat. Insgesamt profitiert das Gesundheitswesen stark von der digitalen Transformation. Es findet eine faszinierende Entwicklung statt.

Wo setzen Sie bei der Digitalisierung Schwerpunkte?

Wir versuchen, einerseits aus den vielen, bereits heute erhobenen Daten Erkenntnisse für die qualitative Entwicklung unserer Leistungserbringer zu gewinnen. Andererseits versuchen wir die Grundlagen dafür zu schaffen, dass wir die künftigen Möglichkeiten der digitalen Transformation im Gesundheitswesen nützen können, um unsere Aufgaben in der Planung, Kontrolle und Steuerung wahrnehmen zu können. Viele Daten, die heute erhoben werden, liegen weitgehend brach.

Schliesslich erhoffe ich mir von den digitalen Möglichkeiten mehr Transparenz für Patientinnen und Patienten, was die Eigenverantwortung verbessert. Wenn man an die verschiedenen Apps der Versicherer denkt, dann geht die Entwicklung diesbezüglich schnell voran. Die Einführung des EPD wird diesen Prozess zusätzlich unterstützen.

In welchem Mass könnte Qualität vergütet werden?

Qualität sollte die zentrale Messgrösse für alle Leistungserbringer sein. Man könnte auch von «guter Medizin» sprechen. Gute Qualität ist nicht nur besser, sondern meist auch günstiger. Ich bin grundsätzlich offen für neue Vergütungsmodelle. Allerdings darf ein solches nicht zu neuen Fehlanreizen führen. Zentral ist die korrekte Indikationsstellung vor einer Behandlung, was allerdings schwierig zu messen ist. «Gute Medizin» ist wesentlich auch eine Frage der medizinischen Kultur.

Martin Pfister

Martin Pfister engagiert sich für den Kanton Zug als Regierungsrat und Gesundheitsdirektor. Vor seiner Wahl in den Regierungsrat war der Mitte-Politiker geschäftsführender Partner einer Firma für Verbandsmanagement. Er ist ausgebildeter Historiker und arbeitete einige Jahre an der Universität Freiburg.

«Qualität sollte die zentrale Messgrösse für alle Leistungserbringer sein.»

Welche Rolle spielen Gesundheitsdirektionen in der Digitalisierung des Gesundheitswesens?

Die wesentliche Dynamik bei der digitalen Transformation geht von den Spitälern und der Wissenschaft aus. Die Gesundheitsdirektionen sollten offen dafür sein und die gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen. Gleichzeitig gilt ein Augenmerk dem Schutz der Daten, weil das Vertrauen der Patientinnen und Patienten davon abhängt.

Was wünschen Sie sich für die Digitalisierung der Gesundheitsdirektion Zug?

Daten sind künftig die wichtigste Ressource für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahren viele neue Möglichkeiten bieten, die wir heute noch nicht kennen. Mit der Umstellung auf die Einheitliche Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen (EFAS) werden die Kantone nicht nur im stationären, sondern auch im ambulanten Bereich mehr steuern müssen, weil sie diesen neu auch mitfinanzieren. Dazu müssen ihnen alle Daten zur Verfügung stehen. Auch wenn man heute noch vor den Millionen von Rechnungsdaten erschrickt; künftig wird künstliche Intelligenz vieles möglich machen. Im Moment verfügen die Kantone nur über die Spitalrechnungen, die sie kontrollieren müssen.

Mit welchen digitalen Herausforderungen ist die Gesundheitsdirektion Zug konfrontiert?

Es ist eine Illusion zu glauben, dass die digitale Transformation zu tieferen Kosten führen wird. Der administrative Aufwand nimmt eher zu und es werden neue Angebote geschaffen, die auch etwas kosten. Und überall gilt: Die Erfassung von Daten ist noch keine digitale Transformation. Erst wenn mit den Daten ein Nutzen für die Bevölkerung geschaffen wird, lohnt sich letztlich die Digitalisierung. Politisch finde ich es zudem auch wichtig, dass die Digitalisierung für die Menschen freiwillig bleibt. Es muss deshalb zum Beispiel auch künftig möglich bleiben, ohne EPD zu einer hochwertigen medizinischen Behandlung zu kommen. Viele Fragen rund um die elektronische Identität sind noch nicht gelöst. Das ist ein Bremser bei der digitalen Transformation des Gesundheitswesens.

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Was bewegt das Gesundheitswesen Schweiz, was die Gesundheitsdirektion Zug?

Grundsätzlich sind die Herausforderungen überall ähnlich. Vielleicht variieren die Schwerpunkte. Die Kostenentwicklung und der Fachkräftemangel werden in den nächsten Jahren wohl die gesundheitspolitische Diskussion dominieren. Die Gefahr einer Unterversorgung mit ärztlichen Leistungen (Stichwort: Hausärztemangel) in der Landschaft ist im Kanton Zug weniger ausgeprägt als in anderen Kantonen.

Wie sieht der Austausch unter den Gesundheitsdirektionen aus?

Die Schweizerische Gesundheitsdirektorenkonferenz, zu deren Vorstand ich derzeit gehöre, wurde zum Zweck des Austauschs geschaffen. Dieser Austausch ist intensiv und wichtig, weil die Kantone für grosse Teile der Gesundheitsversorgung verantwortlich sind. Sie müssen sich dazu koordinieren.

Es gibt auch einen gewissen Wettbewerb unter den Kantonen. Die Kantone analysieren jeweils im Herbst bei der Bekanntgabe der Prämien genau, wo sie stehen und wie man sich für das kommende Jahr verbessern könnte. Die Prämien sind gute Indikatoren für die Kostenentwicklung in einem Kanton. Allerdings sind die sozioökonomischen Faktoren, die politische Kultur und die gewachsenen Strukturen in jedem Kanton etwas anders. Der Einfluss der Politik ist deshalb natürlich beschränkt, aber er ist vorhanden. Und es braucht Mut, im Gesundheitswesen politisch zu handeln. Man holt sich kaum Lorbeeren bei den Wählerinnen und Wählern.

Was würden Sie am heutigen System ändern, wenn Sie dazu so viel Zeit, Know-how und Geld zur Verfügung hätten, wie Sie wollten?

Das Gesundheitswesen sollte viel einfacher werden, mit einer hausärztlichen Grundversorgung aus einer Hand. Dank einem interprofessionellen Ansatz sollten die Behandelnden über mehr Zeit verfügen. Teil dieser Behandlung wäre die Gesundheitsförderung und Prävention.

Also so eine neue Art von Interprofessionalität zwischen Pflegepersonal bzw. medizinischen Praxisassistentinnen und Ärzteschaft?

Genau. Diese Fachleute sind klinisch sehr versiert. Allerdings müsste bei einem solchen Systemwechsel gut im Auge behalten werden, dass die Kosten nicht aus dem Ruder laufen.

Wie würde das Gesundheitswesen einer solchen Vision näherkommen?

Für das heutige System brauchen wir einerseits gute Fachleute und andererseits eine gute Kultur. Für beides bin ich als Gesundheitsdirektor zumindest teilweise verantwortlich, weshalb die Kantone mehr denn je gefordert sind. Zu einer Kultur, die gute Medizin ins Zentrum stellt, kann die Politik wesentlich beitragen. Und meine Erfahrung ist, dass die meisten Akteure, die mit Patientinnen und Patienten arbeiten, genau dafür motiviert sind.

Herr Pfister, vielen Dank für das Gespräch.


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David Roman

David Roman

Partner, Digitale Transformation Gesundheitswesen, PwC Switzerland

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